Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.05.1998

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Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 6274/95
Datum:
06.05.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 A 6274/95
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 1676/94
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks
C.-----weg 31 in T. . Die Errichtung des Hauses mit sechs Werkswohnungen wurde im
Jahre 1966 u.a. mit öffentlichen Baudarlehen in Höhe von 74.400,-- DM gefördert. Die
Klägerin zahlte die öffentlichen Mittel vorzeitig freiwillig am 20. Dezember 1991 zurück.
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Die Klägerin vermietete die 92 qm große Wohnung im 2. Obergeschoß rechts an Herrn
Q. und die 81 qm große Wohnung im 2. Obergeschoß links an die Familie L. , ohne daß
Wohnberechtigungsbescheinigungen vorgelegt wurden. Nachdem der Beklagte dies im
Rahmen einer Bestands- und Besetzungskontrolle im November 1991 festgestellt hatte,
setzte er mit Bescheid vom 7. Dezember 1992, adressiert an die Firma C1. GmbH T.
z.Hd. Herrn N. , für die Wohnung im 2. Obergeschoß links Geldleistungen gemäß § 25
Abs. 1 des Wohnungsbindungsgesetzes - WoBindG - für den Zeitraum vom 1. März
1991 bis zum 31. Oktober 1992 in Höhe von 8.100,-- DM und für die Zeit nach dem 31.
Oktober 1992 in Höhe von 405,-- DM monatlich fest. Dies entsprach einem Betrag von
5,-- DM je Quadratmeter Wohnfläche. Durch weiteren Bescheid vom selben Tag forderte
er bezüglich der Wohnung im 2. Obergeschoß rechts für die Zeit vom 1. September
1989 bis zum 31. Oktober 1992 Geldleistungen in Höhe von 11.960,-- DM und für die
Zeit ab dem 31. Oktober 1992 in Höhe von 460,-- DM monatlich.
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Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch.
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Durch Bescheid vom 20. Oktober 1993 ersetzte der Beklagte den Bescheid vom 7.
Dezember 1992 bezüglich der Wohnung im 2. Obergeschoß rechts und setzte für den
Zeitraum vom 1. September 1989 bis zum 31. Oktober 1992 Geldleistungen in Höhe von
17.480,-- DM und für die Zeit nach dem 31. Oktober 1992 von monatlich 460,-- DM fest.
Dieser Bescheid war ebenfalls an die Firma C1. GmbH T. z.Hd. Herrn N. gerichtet. Auch
gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch.
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Mit Bescheid vom 8. Februar 1994 wies der Oberkreisdirektor des Kreises T. die
Widersprüche der Klägerin zurück.
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Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht: In den
Ausgangsbescheiden und im Widerspruchsbescheid seien keine
Ermessenserwägungen zu der Festsetzung und der Bemessung der Geldleistung
getroffen worden. Demgegenüber hätte berücksichtigt werden müssen, daß sie - die
Klägerin - auch nicht öffentlich geförderten Wohnraum besitze, in denen
Betriebsangehörige bzw. ehemalige Betriebsangehörige wohnten, die aufgrund ihres
geringen Einkommens berechtigt seien, einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten.
Hätte sie - die Klägerin - wohnberechtigte Mieter in die leerstehenden Wohnungen im
Haus C.-----weg 31 umgesetzt und die Familien Q. und L. in den freifinanzierten
werkseigenen Wohnungen untergebracht, hätte dies für die jeweiligen Mieter eine
unzumutbare Härte bedeutet.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 7. Dezember 1992 und 20. Oktober 1993 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises T. vom 8.
Februar 1994 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat geltend gemacht: Die Klägerin habe unstreitig gegen § 4 Abs. 2 WoBindG
verstoßen, weil sie bewußt von der Vorlage eines Wohnberechtigungsscheines
abgesehen habe. Auch wenn die Klägerin freifinanzierte Wohnungen an Personen
vermietet habe, denen ein Wohnberechtigungsschein zustehe, stelle dies keinen Grund
dar, von dem Erlaß der Geldleistungsbescheide abzusehen. Dies liefe nämlich auf die
Billigung eines unzulässigen Bindungstausches hinaus.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten
vom 20. Oktober 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben,
als für den Zeitraum vom 1. September 1989 bis zum 31. Mai 1990 eine Geldleistung in
Höhe von 4.140,-- DM festgesetzt worden ist. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
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Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, die Bescheide seien
ermessensfehlerhaft ergangen, weil, ohne auf Punkte wie die Schwere des Verstoßes
einzugehen, pauschal ein Betrag von 5,-- DM je Quadratmeter Wohnfläche festgesetzt
worden sei. Es sei insbesondere nicht berücksichtigt worden, welche Interessen sie -
die Klägerin - bewogen hätten, die Wohnungen an die Familien Q. und L. zu vermieten.
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Auch hätte die besondere Härte beachtet werden müssen, die die Umsiedlung der
Mieter aus den freifinanzierten Wohnungen in die hier strittigen Wohnungen bedeutet
hätte. Bei der Ermessensausübung sei auch nicht bewertet worden, daß sie - die
Klägerin - keine Vorteile aus der Vermietung gehabt habe. Der Mietzins liege sogar
wesentlich unter den ermittelten Durchschnittsmieten.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag I. Instanz, soweit dem
das Verwaltungsgericht nicht bereits entsprochen hat, zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage,
soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht abgewiesen. Die
angefochtenen Bescheide sind nämlich insoweit - der Bescheid vom 20. Oktober 1993
ab dem 1. Juni 1990 - rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl.
§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie Adressatin der
angefochtenen Bescheide ist. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Anrede und
anderen Formulierungen in den Bescheiden. Wie aus der Adressierung folgt, erging der
Bescheid lediglich zu Händen von Herrn N. , ohne daß er persönlich zu Geldleistungen
herangezogen werden sollte. Leistungspflichtige ist vielmehr - wovon auch die
Beteiligten übereinstimmend ausgehen - die Klägerin als Verfügungsberechtigte.
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den im Berufungsverfahren noch
strittigen Geldleistungen ist § 25 Abs. 1 WoBindG in der ab dem 30. Mai 1990 geltenden
Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes
(WoBindGÄndG) vom 17. Mai 1990, BGBl. I S. 934. Danach kann die zuständige Stelle
für die Zeit, während der der Verfügungsberechtigte schuldhaft u.a. gegen die Vorschrift
des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoBindG verstößt, durch Verwaltungsakt von dem
Verfügungsberechtigten Geldleistungen bis zu 10,-- DM monatlich je Quadratmeter
Wohnfläche der Wohnung erheben, auf die sich der Verstoß bezieht. Gemäß § 4 Abs. 2
Satz 1 WoBindG darf der Verfügungsberechtigte die Wohnung einem
Wohnungssuchenden nur zum Gebrauch überlassen, wenn dieser ihm vor der
Überlassung eine Bescheinigung über die Wohnberechtigung im öffentlich geförderten
Sozialwohnungsbau übergibt. Das Verwaltungsgericht hat im einzelnen dargelegt, daß
die Klägerin schuldhaft gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoBindG verstoßen
hat. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und verweist
gemäß § 130 b VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.
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Zu dem Berufungsvorbringen, mit dem im übrigen lediglich die bisherigen Darlegungen
im wesentlichen wiederholt werden, ist ergänzend anzumerken, daß die Klägerin ihre
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Behauptung, ihr gehörende freifinanzierte Wohnungen würden von im sozialen
Wohnungsbau wohnberechtigten Familien genutzt, nicht durch die Vorlage von
Wohnberechtigungsscheinen belegt hat. Im übrigen ist es unerheblich, ob die Klägerin
freifinanzierten Wohnraum an wohnberechtigte Personen übergeben hat, weil sie dies
nicht berechtigt, Wohnraum, der der Wohnungsbindung unterliegt, ohne Vorlage einer
Wohnberechtigungsbescheinigung an Mieter zu überlassen. Dies würde nämlich auf
einen unzulässigen Bindungstausch hinauslaufen. Die Eigenschaft "öffentlich gefördert"
entsteht nach abschließender gesetzlicher Regelung durch die Bewilligung öffentlicher
Mittel und entfällt nach deren Rückzahlung gemäß §§ 13 bis 17 WoBindG. Daher ist ein
sogenannter Bindungstausch nicht möglich.
Vgl. Urteil des Senats vom 22. Oktober 1978 - 14 A 1505/77 -, ZMR 1980, 61, auch
dazu, daß die Eigenschaft "öffentlich gefördert" von Wohnungen nicht infolge
Verwirkung enden kann; Urteil des Senats vom 10. Juli 1995 - 14 A 1364/94 -; Fischer-
Dieskau/ Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, WoBindG § 13 Anm. 2.2 m.w.N.
auch zum früheren Wohnraumbewirtschaftungsrecht.
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Ist es somit bedeutungslos, an wen die Klägerin die freifinanzierten Wohnungen
vermietet hat, kann dieser Gesichtspunkt auch bei der Ermessensentscheidung, ob und
in welcher Höhe Geldleistungen festgesetzt werden, nicht berücksichtigt werden.
Ebensowenig spielen die betrieblichen Überlegungen der Klägerin, die Wohnungen an
die Mieter Q. und L. zu überlassen, eine Rolle. Der Hinweis der Klägerin, sie habe durch
die Vermietung an die Nichtwohnberechtigten keinen Vorteil erlangt, geht gleichfalls
fehl, weil der Zweck der Geldleistungen in einem Schadensausgleich besteht. Es soll
der Nachteil ausgeglichen werden, der der Allgemeinheit dadurch entsteht, daß
Sozialwohnungen nicht oder nicht bestimmungsgemäß genutzt werden.
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Vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/ Schwender, Wohnungsbaurecht, § 25 WoBindG Anm.
3.2 m.w.N.
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Im übrigen hatte die Klägerin durch die Vermietung durchaus einen Vorteil, weil
ausweislich ihres Schreibens vom 12. November 1992 die Mieter in ihrem Betrieb im
Bedarfsfall kurzfristig eingesetzt werden mußten und deshalb auf eine Wohnung in
Betriebsnähe angewiesen waren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 und 137
Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
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