Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2005
OVG NRW: genehmigung, verordnung, organisation, kindergarten, eltern, gewährleistung, erlass, begriff, erfüllung, aufteilung
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1939/04
Datum:
20.12.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 A 1939/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 16 K 2930/01
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert. Der Beklagte wird unter
Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 1. Februar 2001 und des
Widerspruchsbescheides vom 5. April 2001 verpflichtet, die Festsetzung
des monatlichen Zuschlags für die Betreuung über Mittag in Höhe von
41,00 DM im Beitragsbescheid vom 11. August 2000 aufzuheben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte darf die Voll-streckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung des hälftigen zusätzlichen Elternbeitrags
für die Über-Mittag-Betreuung (sog. Blockbetreuung) ihres Kindes im städtischen
Kindergarten H.--------straße „S. „ in Q. -T. im Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31.
Juli 2001.
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Für die Durchführung der Blockbetreuung als Erprobungsmaßnahme nach § 21 des
Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder - GTK - hatte der Landschaftsverband
Rheinland auf den Antrag der Stadt Q. als Trägerin der Einrichtung vom 5. Mai 1999
unter dem 16. Juni 1999 die Genehmigung erteilt, „Blocköffnungszeiten" in „1
Kindergartengruppe" für die Dauer vom 1. August 1999 bis 31. Juli 2002 zu erproben.
Die Blockbetreuung wurde in der Einrichtung in der Weise umgesetzt, dass die
Vormittagsbetreuung in fünf Gruppen erfolgte, wobei die Kinder aus der Blockbetreuung
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nicht in einer eigenen Gruppe zusammengefasst, sondern auf mehrere Gruppen verteilt
waren. Nach Beendigung der Vormittagsbetreuung wurden diese Kinder für die Über-
Mittag-Betreuung unter der Leitung der jeweils diensthabenden Erzieherin in einer
Gruppe zusammengefasst. Nach dem zwischen den Klägern und der Stadt Q.
geschlossenen Betreuungsvertrag endete bei der Blockbetreuung die vertragliche
Betreuungspflicht um 14.00 Uhr.
Mit Bescheid vom 11. August 2000 setzte der Beklagte den Elternbeitrag für den
Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 auf monatlich 184,-- DM
(Grundbeitrag: 143,-- DM, hälftiger zusätzlicher Elternbeitrag für die Über-Mittag-
Betreuung: 41,-- DM) fest.
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Den Antrag der Kläger vom 2. Januar 2001, die Festsetzung des zusätzlichen
Elternbeitrags für die Über-Mittag-Betreuung aufzuheben, lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 1. Februar 2001 ab. Zur Begründung verwies er auf die Genehmigung
der Erprobungsmaßnahme und auf § 21 Abs. 1 GTK, wonach die Erhebung des
hälftigen zusätzlichen Elternbeitrags für die Über-Mittag-Betreuung gerechtfertigt sei.
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Den Widerspruch der Kläger vom 27. Februar 2001 wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 5. April 2001 zurück.
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Am 17. April 2001 haben die Kläger Klage erhoben und zur Begründung im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der zusätzliche Beitrag könne nicht auf § 21 Abs.
1 GTK gestützt werden. Das Angebot der Tageseinrichtung werde durch das
Erprobungsmodell nicht erweitert. Die hierfür erforderliche besondere Form der
Betreuung sei nicht geboten worden. Hinzu komme, dass die Erprobung nicht in einer
Kindergartengruppe durchgeführt worden sei, wie dies die Genehmigung vorsehe. Die
gesetzlichen Vorgaben einer qualitativen Weiterentwicklung des pädagogischen
Angebots, der Angebotsstruktur und der Organisation der Tageseinrichtung seien mit
Blick auf die tatsächliche Betreuungssituation trotz der vom Beklagten angeführten
Verbesserung der Personalausstattung nicht erfüllt worden. Schließlich habe das
erkennende Gericht mit Urteil vom 28. März 2001
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- 16 A 4298/00 - die Berechnung eines zusätzlichen Beitrags für rechtswidrig erklärt,
wenn kein Erprobungsfall vorliege.
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Die Kläger haben beantragt,
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den Bescheid vom 11. August 2000 insoweit aufzuheben, als ein Zuschlag für die
Betreuung über Mittag bis 14.00 Uhr von 41,-- DM festgesetzt wurde.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Durch die Genehmigung des Landschaftsverbandes sei ein zusätzliches Angebot der
Tageseinrichtung verbindlich und bestandskräftig festgestellt worden. Es liege auch
tatsächlich ein zusätzliches Angebot vor, weil es das Blocköffnungsangebot zuvor nicht
gegeben habe. Einer Erprobungsmaßnahme stehe auch nicht entgegen, dass sich die
Erprobung nicht auf eine Kindergartengruppe beschränke. Die Verteilung auf andere
Gruppen sei zulässig und pädagogisch sinnvoll, um einen Wechsel des
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Gruppenverbands beim Wechsel der Betreuungsform zu vermeiden. Die Einführung des
Blockmodells habe zu einer verbesserten personellen Ausstattung geführt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, es könne offen bleiben, ob sich die Beitragsforderung auf § 21
Abs. 1 Satz 2 GTK stützen lasse, jedenfalls trage § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK die streitige
Beitragsfestsetzung.
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Zur Begründung ihrer zugelassenen Berufung führen die Kläger im Wesentlichen
Folgendes aus: Bei der Blocköffnungszeit von 7.00 bis 14.00 Uhr habe es sich aus den
bereits genannten Gründen nicht um eine Erprobungsmaßnahme nach
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§ 21 GTK gehandelt. § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK rechtfertige die Erhebung des zusätzlichen
Beitrages nicht, wenn - wie hier - die Über-Mittag-Betreuung nicht zusätzlich, sondern
alternativ zur Nachmittagsbetreuung angeboten werde.
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines
Ablehnungsbescheides vom 1. Februar 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 5.
April 2001 zu verpflichten, die Festsetzung des monatlichen Zuschlags für die
Betreuung über Mittag in Höhe von 41,00 DM im Beitragsbescheid vom 11. August 2000
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Da sich in der Einrichtung an die Über-Mittag-Betreuung eine Öffnungszeit auch am
Nachmittag anschließe, lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 6
GTK vor. Im Übrigen wäre es durchaus möglich gewesen, in der Einrichtung eine
Ganztagsbetreuung anzubieten, wenn entsprechende Elternwünsche bestanden hätten.
Wegen der Betreuung in einer Erprobungsmaßnahme werde auf das erstinstanzliche
Vorbringen Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des
beigezogenen Verwaltungsvorganges sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Aufhebung der Festsetzung
eines monatlichen Zuschlags für die Betreuung über Mittag in Höhe von 41,00 DM im
Beitragsbescheid vom 11. August 2000.
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Gemäß § 28 Abs. 1 GTK i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen, soweit bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist
und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ob in Bezug auf die
rückwirkende Änderung bestandskräftiger Kindergartenbeitragsbescheide die
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Festsetzungsverjährung entsprechend § 169 AO gilt, kann hier dahinstehen, da die
insoweit in Betracht kommende Vier-Jahres-Frist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) nicht
verstrichen ist.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Bei dem Erlass des
Beitragsbescheides des Beklagten vom 11. August 2000 ist zu Unrecht der hälftige
zusätzliche Elternbeitrag für die Über-Mittag-Betreuung festgesetzt worden. Hierfür
besteht kein Ermächtigungsgrundlage.
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Der zusätzliche Elternbeitrag für die Über-Mittag-Betreuung kann nicht auf § 17 Abs. 1
Satz 6 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über
Tageseinrichtungen für Kinder - GTK - vom 30. November 1993, GV NRW S. 984,
gestützt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK ist für die regelmäßige Betreuung
eines Kindes im Kindergarten über Mittag (zwischen 12.30 Uhr und 14.00 Uhr) ein
zusätzlicher Beitrag zu zahlen. Der Beitragstatbestand der Über-Mittag-Betreuung nach
§ 17 Abs. 1 Satz 6 GTK rechtfertigt außerhalb der Erprobungsregelung des § 21 GTK
allerdings nur dann eine Beitragserhebung, wenn die Über-Mittag-Betreuung nach der
in der jeweiligen Einrichtung implementierten Betreuungsstruktur der Überbrückung
eines vormittäglichen Betreuungsangebots zu einem nachmittäglichen
Betreuungsangebot dient.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. März 2001 - 16 A 4298/00 -, EStT 2001, 428 ff.
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Soweit argumentiert wird, die Regelung der Beitragsermäßigung in § 21 Abs. 1 Satz 2
GTK durch die Bezugnahme auf § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK laufe leer, da ein Über-Mittag-
Beitrag nach § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK von vornherein nicht anfalle, wenn die Betreuung
in der Einrichtung spätestens um 14.00 Uhr ende, lässt sich der scheinbare Widerspruch
zwanglos durch eine Interpretation dahingehend auflösen, dass sich ausgehend vom
Normalfall einer zusätzlich beitragspflichtigen Über- Mittags-Betreuung im Sinne von §
17 Abs. 1 Satz 6 GTK (Übergang in eine anschließende Nachmittagsbetreuung) ein
ermäßigter Beitrag ergeben soll. Wenn darüber hinaus eine Abweichung von der
gesetzlichen Typik, wie sie aus den maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes über die
Tageseinrichtung für Kinder im Übrigen hervorgeht, beabsichtigt sein sollte, bedürfte
das - gerade im Hinblick auf die erheblichen beitragsrechtlichen Konsequenzen - einer
hinreichend eindeutigen Regelung. Als Versuch einer verdeckten Änderung
hergebrachter Strukturen könnte die Formulierung keine Beachtung beanspruchen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. März 2001, a.a.O.
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Die demnach erforderliche Gewährleistung einer anschließenden
Nachmittagsbetreuung schließt es nicht aus, innerhalb einer Einrichtung Gruppen zu
bilden, in denen regelmäßig unterschiedliche Betreuungen angeboten werden (z.B.
Blockbetreuung einschließlich der Über-Mittag-Betreuung bis 14.00 Uhr,
Vormittagsbetreuung von 07.00 Uhr bis 12.30 Uhr und Nachmittagsbetreuung von 14.00
Uhr bis 16.30 Uhr ohne Über-Mittag-Betreuung und Ganztagesbetreuung von 07.00 Uhr
bis 18.00 Uhr). Soll jedoch ein zusätzlicher Beitrag für die Über-Mittag- Betreuung
erhoben werden, erfordert die dieser Betreuungsform immanente
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Überbrückungsfunktion, dass das Betreuungsangebot der Einrichtung nach der
Organisationsstruktur und der diesbezüglichen Betriebserlaubnis einen regulären
Übergang aus der Über-Mittag-Betreuung in eine Nachmittagsbetreuung vorsieht.
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Hierzu muss nach der geltenden Betriebserlaubnis für die in Betracht kommenden
Kinder aus der Über-Mittag-Betreuung jeweils ein Platz in einer Gruppe mit
Nachmittagsbetreuung vorgehalten werden, der von diesen Kindern - im Rahmen der
Öffnungs- und Betreuungszeiten - jederzeit in Anspruch genommen werden kann.
Hinzu kommt, dass die Verwirklichung des Beitragstatbestandes der Über-Mittag-
Betreuung als einer gesonderten Angebotsform auch deren gesonderte
Inanspruchnahme voraussetzt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2005 - 12 A 2184/03 -.
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Eine Beitragserhebung gegenüber den Klägern kommt danach nur in Betracht, wenn
ihrem Kind in dem hier maßgeblichen Zeitraum eine Über-Mittag-Betreuung zuteil
geworden ist, die gerade ihm - und nicht etwa anderen Kindern aus der Blockbetreuung
- die Möglichkeit eines regulären Übergangs in eine anschließende
Nachmittagsbetreuung mit einem hierfür zur Verfügung stehenden Gruppenplatz eröffnet
hätte.
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Dies ist hier indes nicht der Fall. Für die Kinder aus der Über-Mittag-Betreuung
(Blockbetreuung) waren in der von Kind der Kläger besuchten Tageseinrichtung im
Rahmen der Betreuungsorganisation und der Planung der Gruppenstärken
grundsätzlich keine Plätze in den Gruppen mit Nachmittagsbetreuung vorgesehen. Dies
widersprach von vornherein der besonderen Form dieser Betreuung, die durch die
Verlängerung der Betreuungszeit von 12.30 Uhr - dem regulären Ende der
Vormittagsbetreuung - bis 14.00 Uhr insbesondere den Müttern die Aufnahme einer
Teilzeit-/Halbtagstätigkeit ermöglichen oder deren Fortführung erleichtern, jedoch
sowohl aus der Sicht der Träger als auch nach Auffassung der Eltern gerade nicht in
eine Ganztagsbetreuung münden sollte. Aus diesem Grund sahen auch die
privatrechtlichen Betreuungsverträge keine Nachmittagsbetreuung der Kinder aus der
Blockbetreuung vor oder schlossen diese sogar aus. Wie der Beklagte zudem selber
ausführt, hätte es eines Wechsels in eine Gruppe mit Ganztagesbetreuung in der
Tageseinrichtung L.------gasse oder aber einer im Rahmen der Planung nach § 10 GTK
notwendigen Ausweitung der Ganztagesplätze in dem vom Kind der Kläger besuchten
Kindergarten bedurft, um eine Nachmittagsbetreuung der Kinder aus der
Blockbetreuung vorzusehen. Dass
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- wie der Beklagte behauptet - kein entsprechender Bedarf artikuliert worden ist, mag es
gerechtfertigt haben, von der entsprechenden Erweiterung des Angebots im Rahmen
der Bedarfsplanung abzusehen, ein beitragsrechtlicher Erklärungsgehalt kommt der
Entscheidung der Eltern, sich auf die Blockbetreuung ihres Kindes bis 14.00 Uhr zu
beschränken, jedoch nicht zu.
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Soweit aufgrund geringerer Auslastung der Nachmittagsbetreuung möglicherweise noch
freie Plätze in den Gruppen mit Nachmittagsbetreuung vorhanden gewesen sind, die im
Rahmen der geltenden Betriebserlaubnis von Kindern aus der Blockbetreuung
tatsächlich hätten genutzt werden können, rechtfertigt dies keine andere Bewertung.
Derartige durch kaum steuerbare Nachfrageschwankungen bedingte und damit eher
zufällige Vakanzen vermögen die strukturelle Gewährleistung eines durchgängig
verfügbaren Gruppenplatzes für die Nachmittagsbetreuung der Kinder aus der
Blockbetreuung nicht zu ersetzen.
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Der zusätzliche Elternbeitrag kann auch nicht auf § 21 Abs. 1 Satz 2 GTK gestützt
werden. Hiernach ermäßigt sich im Rahmen der nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GTK
genehmigten Erprobungsmodelle der zusätzliche Beitrag um die Hälfte, wenn in den
Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK - regelmäßige Betreuung eines Kindes über Mittag -
die Betreuung in Kindergartengruppen nach dem Betreuungsvertrag spätestens um
14.00 Uhr endet und dadurch das Tagesangebot der Tageseinrichtung ergänzt wird.
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Unabhängig von der Frage, ob § 21 Abs. 1 Satz 2 GTK einen eigenständigen
Beitragstatbestand normiert, trägt § 21 Abs. 1 Satz 2 GTK hier die Beitragserhebung
deshalb nicht, weil die Betreuung des Kindes der Kläger in der Tageseinrichtung „S. „
nicht der vom Landschaftsverband Rheinland erteilten Genehmigung entsprach und
darüber hinaus das Tagesangebot in der Einrichtung durch die Blockbetreuung nicht
i.S.d. genannten Regelung ergänzt worden ist.
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Mit der Genehmigung des Landschaftsverbandes wurde die Erprobung der
„Blocköffnungszeiten" in „1 Kindergartengruppe", d.h. in einer Kindergartengruppe,
gestattet. Der Begriff der Gruppe hat im Kindergartenrecht zentrale Bedeutung; die
Gruppenbildung ist immanenter Bestandteil jeder Tageseinrichtung.
Tageseinrichtungen i.S.d. § 1 GTK sind Einrichtungen, die im Sinne des Gesetzes eine
räumliche, sachliche und personelle Organisation von einer gewissen Beständigkeit
voraussetzen, in der nicht nur einzelne Kinder - im Gegensatz zur Tagespflege -
sondern mehrere Kinder in Gruppen betreut werden.
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Vgl. Moskal/Foerster, Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-
Westfalen,
43
17. Auflage 1999, S. 33.
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Die Bildung von Gruppen innerhalb eines Kindergartens gewährleistet die Erfüllung des
Erziehungs- und Bildungsauftrags, der u.a. vorsieht, das Kind unterschiedliche soziale
Verhaltensweisen, Situationen und Probleme bewusst erleben zu lassen und jedem
einzelnen Kind die Möglichkeit zu geben, seine eigene soziale Rolle innerhalb der
Gruppe zu erfahren (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 GTK). Dies setzt in der Regel eine
längerfristige Zuordnung des jeweiligen Kindes zu einer bestimmten Gruppe voraus. So
sieht es im Übrigen auch der Beklagte, da er die Kinder aus der Blockbetreuung
während der Vormittagsbetreuung in ihren angestammten Gruppen belassen hat.
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Der Begriff der Gruppe kennzeichnet darüber hinaus neben der jeweiligen Art
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- und Dauer - der Betreuung (Kindergartengruppe, Kindergartentagesstättengruppe,
Hortgruppe, altersgemischte Gruppen, vgl. §§ 2 bis 4 GTK, §§ 1 und 3 der
Betriebskostenverordnung - BKVO - vom 11. März 1994, GV NRW S. 144, i.d.F. der
Änderungsverordnung vom 17. Dezember 1998, GV NRW S. 706) die organisatorische
Zusammenfassung einer Mehrzahl von Kindern innerhalb einer Einrichtung unter der
Leitung einer sozialpädagogischen Fachkraft (vgl. § 3 der Vereinbarung über die
Eignungsvoraussetzung der in Tageseinrichtungen für Kinder tätigen Kräfte vom 17.
Februar 1992, GV NRW 1994, S. 147). Die Anzahl der Gruppen, die Arten der in einer
Einrichtung vorhandenen Gruppen und ihre sich aus der längerfristigen Zuordnung
bestimmter Kinder ergebende Gruppenstärke sind zudem zentrale Anknüpfungspunkte
für die Bemessung der Betriebskostenförderung (vgl. etwa § 3 BKVO). Die hiernach das
Kindergartenrecht prägende längerfristige Aufteilung der in der jeweiligen Einrichtung
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betreuten Kinder auf bestimmte Gruppen, denen jeweils eine Leitungsperson
zugeordnet ist, bestimmt den regelmäßigen, üblichen Bedeutungsgehalt des
Gruppenbegriffs.
Wenn danach im Bescheid des Landschaftsverbandes vom 16. Juni 1999 die
„Blocköffnungszeiten" (07.00 Uhr bis 14.00 Uhr) in einer Kindergartengruppe
(Hervorhebung durch den Senat) genehmigt worden sind, bedeutet dies nichts anderes,
als dass dem Beklagten gestattet worden ist, Kinder aus der Tageseinrichtung
„Rasselbande" unter der Leitung einer pädagogischen Fachkraft über den
Erprobungszeitraum in einer Kindergartengruppe zusammenzufassen und
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- abweichend von den sonst üblichen Betreuungszeiten - in der Zeit von 07.00 Uhr bis
14.00 Uhr pädagogisch betreuen zu lassen.
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Die vom Beklagten demgegenüber praktizierte Gruppenorganisation ist davon nicht
gedeckt. Weder bildeten die Kinder während des überwiegenden Teils der
Blocköffnungszeiten eine feste Gruppe, noch war diesen Kindern eine Leiterin
zugeordnet. Die Kinder blieben vielmehr in ihren bisherigen verschiedenen Gruppen
und wurden dort von den jeweiligen Leitungspersonen während der Vormittagsstunden
von bis 12.30 Uhr betreut; sie wurden lediglich nach Beendigung der
Vormittagsbetreuung in der Zeit von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr in einer Gruppe unter der
Leitung der jeweils diensthabenden Erzieherin zusammengefasst.
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Dass diese vom herkömmlichen Gruppenverständnis völlig abweichende
Betreuungsform Gegenstand des Genehmigungsantrags des Beklagten vom 5. Mai
1999 gewesen ist, ist den dem Senat vorliegenden Unterlagen an keiner Stelle zu
entnehmen. Angesichts der sich bei dieser Organisation aufdrängenden Frage, wie auf
diese Weise insbesondere die erforderliche qualitative Weiterentwicklung des
pädagogischen Angebots (§ 3 der Verordnung zur Regelung des Erprobungsverfahrens
nach § 21 GTK vom 8. März 1999, GV NRW S. 80) erfolgen sollte, hätte es einer
entsprechenden Erläuterung der Erprobungsmaßnahme bedurft. Demgegenüber wird
unter Nr. II.1 zur geplanten Erprobungsmaßnahme lediglich ausgeführt „07.00 Uhr - bis
14.00 Uhr (max. 25. Plätze), möglicher Bedarf einer zweiten Gruppe könnte sich
entwickeln" und damit an das herkömmliche Verständnis der Kindergartengruppe
angeknüpft, dem die Genehmigung des Landschaftsverbandes durch die entsprechende
Verwendung des Begriffs der Kindergartengruppe Rechnung trägt.
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Soweit der Beklagte zur Rechtfertigung der Aufteilung der Kinder aus der
Blockbetreuung auf die anderen Gruppen eine analoge Anwendung von 3 Abs. 3 BKVO
befürwortet, folgt der Senat dem nicht. § 3 Abs. 3 Satz 1 BKVO legt fest, dass eine
förderungsfähige Tagesstättengruppe dann gegeben ist, wenn mindestens die Hälfte
der Kinder über Mittag betreut wird. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 BKVO ist die Förderung
einer Gruppe als Kindertagesstättengruppe auch dann zulässig, wenn ein Teil der über
Mittag betreuten Kinder auf andere Gruppen der Einrichtung verteilt wird. Diese vom
Verordnungsgeber erkennbar nur für den Spezialfall der Tagesstätten geregelte
Möglichkeit der Verteilung eines Teils der Kinder auf andere Gruppen in der Einrichtung
lässt sich schon nicht auf reguläre Kindergartengruppen und erst Recht nicht auf die
besonderen, unter § 21 GTK fallenden Erprobungen übertragen.
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Unabhängig davon trägt § 21 Abs. 1 Satz 2 GTK die Beitragsforderung auch deshalb
nicht, weil nicht ersichtlich ist, dass durch die praktizierte Betreuung das Tagesangebot
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der Tageseinrichtung „S1. „ i.S.d. genannten Regelung ergänzt worden ist.
Die vom Landschaftsverband Rheinland unter den 16. Juni 1999 erteilte Genehmigung,
die insbesondere von einer qualitativen Weiterentwicklung des pädagogischen
Angebots durch die Erprobungsmaßnahme ausging, entfaltet gegenüber den Klägern
keine verbindliche Regelungswirkung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung besteht
nicht. Auch sind die Eltern nicht Beteiligte des Verfahrens nach § 21 GTK i.V.m.
Verordnung zur Regelung der Erprobungsverfahren, so dass der in diesem Verfahren
erteilte - und im Übrigen weder an sie gerichtete noch Ihnen vom Landschaftsverband
bekannt gegebene - Genehmigungsbescheid als solcher das Beitragsverhältnis nicht
gestalten kann.
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Die Erhebung des zusätzlichen Elternbeitrags nach § 21 Abs. 1 Satz 2 GTK im Rahmen
einer nach § 21 Abs. 1 GTK i.V.m. § 3 der Verordnung zur Regelung des
Erprobungsverfahrens genehmigten Erprobungsmaßnahme setzt danach vielmehr
neben der wirksamen und vollziehbaren Genehmigung der Erprobung, für die der
Beitrag erhoben wird, insbesondere voraus, dass die kumulativen materiellen
Voraussetzungen einer Erprobungsmaßnahme tatsächlich gegeben sind, d.h., dass die
Erprobungsmaßnahme eine qualitative Weiterentwicklung des pädagogischen
Angebots, der Angebotsstruktur und der Organisation der Tageseinrichtung (§ 3 Nr. 1
der Verordnung), keine Verschlechterung der Qualität der Aufgabenerledigung (§ 3 Nr. 2
der Verordnung) und die Übertragbarkeit der mit der Erprobung gemachten Erfahrungen
auf andere Einrichtungen (§ Nr. 3 der Verordnung) erwarten lässt.
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Da eine Erprobungsmaßnahme ihrer Natur nach sowohl zum Erfolg als auch zum
Misserfolg führen kann, kommt es für die Beurteilung, ob die vorgenannten
Voraussetzungen erfüllt sind, nicht auf den tatsächlichen Eintritt des Erfolgs der
Maßnahme, sondern darauf an, ob im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung - hier
also im Juni 1999 - auf der Grundlage des Antrags ("nach dem Antrag", vgl. § 3 der
Verordnung) die Prognose gerechtfertigt war, dass die Erprobungsmaßnahme die
einzelnen Voraussetzungen erfüllen wird.
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Dabei kann im Fall der Verlängerung der Öffnungszeiten von der nach § 3 Nr. 1 der
Verordnung geforderten qualitativen Weiterentwicklung des pädagogischen Angebots
nicht schon dann ausgegangen werden, wenn das herkömmliche Betreuungsangebot
(etwa Spielen, Basteln, Singen etc.) in den verlängerten Öffnungszeiten lediglich
fortgesetzt wird. Eine über diese rein quantitative Erhöhung des Betreuungsangebots
hinausgehende qualitative Erweiterung des pädagogischen Angebots ist erst dann
gegeben, wenn aufgrund der verlängerten Öffnungszeiten pädagogische Konzepte
verwirklicht werden können, die gegenüber den in der Einrichtung bislang verwirklichten
Konzepten eine unter pädagogischen Gesichtspunkten verbesserte Erfüllung des
Erziehungs- und Bildungsauftrags (§ 2 GTK) erwarten lassen.
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Auf der insoweit maßgebenden Grundlage des Antrags vom 5. Mai 1999 sind derartige
Konzepte nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Ziel der Maßnahme war vielmehr die
„bedarfsgerechte Erweiterung/Ergänzung des Angebots" (Nr. II.3 des Antragsformulars).
Der zu deckende Bedarf bestand seinerzeit jedoch nicht in der inhaltlichen
Fortentwicklung pädagogischer Erziehungs- und Bildungskonzepte, sondern in der
schlichten Verlängerung der Öffnungszeiten bis 14.00 Uhr, um eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Gerade Halbtagsbeschäftigte kamen
mit der angebotenen Öffnungszeit am Vormittag (bis 12.30 Uhr) nicht aus, da die
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Fahrtzeiten zur und von der Arbeitsstelle schwankten und damit eine geordnete
Abholung der betroffenen Kinder nicht gewährleistet war (vgl. Schreiben des Elternrates
des Kindergartens H.--------straße vom 16. März 1999). Dementsprechend ist im
Genehmigungsantrag unter Nr. II.5 zur Beschreibung der konzeptionellen
Vorgehensweise ausgeführt „Lediglich Erweiterung des Angebots ohne Veränderung
der bestehenden Konzeption". Dem ist aus der Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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