Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.04.2008

OVG NRW: anwendungsbereich, ermessensausübung, begünstigung, rechtfertigung, kauf, ausnahme, unbefristet, ausschluss, deckung, angestelltenverhältnis

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 2254/06
Datum:
08.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 2254/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 5604/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf bis zu 30.000,00
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen
hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
(Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung einen Anspruch der Klägerin auf
Neubescheidung ihres Antrags auf Einstellung beziehungsweise Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe angenommen. Sie halte die für sie als schwerbehinderte
Laufbahnbewerberin maßgebliche höhere Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO
NRW ein. Das zwischen ihr und dem beklagten Land bereits bestehende
Dauerbeschäftigungsverhältnis dürfe dem Einstellungsgesuch im Rahmen der
Ermessensausübung nicht entgegen gehalten werden, weil die vom beklagten Land
angeführte finanzielle Doppelbelastung im Rahmen der Versorgung im Ruhestand
keine tragfähige Ermessenserwägung darstelle. Die Anführung fiskalischer Interessen
widerspreche dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung, die gerade weniger strenge
haushaltsrechtliche Maßstäbe für schwerbehinderte Laufbahnbewerber vorsehe.
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Die vom beklagten Land im Zulassungsverfahren gegen diese Feststellungen
erhobenen Einwände greifen nicht durch.
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Der Senat hat bereits mehrfach festgestellt, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 6
LVO NRW bezüglich der Einhaltung des Höchstalters bei der Einstellung eines
schwerbehinderten Bewerbers allein voraussetzt, dass das 43. Lebensjahr noch nicht
vollendet worden ist. Weitergehende Einschränkungen sind nach dieser Vorschrift nicht
vorgesehen, so dass auch Laufbahnbewerber, die sich - wie die Klägerin - bereits in
einem unbefristeten Angestelltenverhältnis im Schuldienst des beklagten Landes
befinden, vom Anwendungsbereich der Regelung erfasst sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 6 A 728/00 -, NWVBl. 2003, 229,
Beschluss vom 31. März 2006 - 6 A 349/05 - und Urteil vom 18. Juli 2007 - 6 A 4770/04 -
.
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Ein genereller Ausschluss von bereits im Dauerbeschäftigungsverhältnis beschäftigten
Schwerbehinderten aus haushaltswirtschaftlichen Gründen kann entgegen der
Auffassung des beklagten Landes auch nicht im Ermessenswege erfolgen. Eine auf
diese Weise vorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereichs steht im
Widerspruch zum Zweck der Vorschrift, die gerade eine Begünstigung von
schwerbehinderten Laufbahnbewerbern unabhängig vom Bestehen eines unbefristeten
Angestelltenverhältnisses vorsieht.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. März 2006, a.a.O.
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Anderenfalls würde ein Personenkreis, der nach dem Tatbestand der Norm gerade
erfasst sein soll, im Ermessenswege generell vom Anwendungsbereich wieder
ausgeschlossen. Die damit möglicherweise im Einzelfall verbundenen finanziellen
Belastungen für das beklagte Land sind nach dem Normzweck in Kauf zu nehmen.
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Soweit das beklagte Land einwendet, auch in anderen Konstellationen könne einer
Ausnahme von der Höchstaltergrenze im Rahmen der Ermessensausübung das
Bestehen eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses entgegen gehalten werden, verkennt
es, dass es in diesen Fällen - anders als hier - gerade Zweck der Regelung
(sogenannter Mangelfacherlass vom 22. Dezember 2000) war, ausschließlich neue, das
heißt noch nicht unbefristet im Schuldienst des beklagten Landes beschäftigte
Lehrkräfte zur Deckung des Unterrichtsbedarfs einzustellen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2007 - 6 A 4840/04 -; Beschluss vom 20. März 2008 -
6 A 2566/06 -, m.w.N. (die Zulässigkeit einer Rechtfertigung mit fiskalischen Interessen
gerade offen lassend).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, 40, 47 Abs. 1, 3 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des
Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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