Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.01.2010
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Oberverwaltungsgericht NRW, 11 A 2342/07.A
Datum:
05.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 A 2342/07.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Die bezeichneten Zulassungsgründe werden nicht gemäß
den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt bzw. greifen
nicht durch.
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1. Die in erster Linie geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylVfG) führt nicht zur Zulassung der Berufung. Mit der Grundsatzrüge muss eine
tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist
und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder
Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
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BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 – 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff. (zu § 32
Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a. F.), und Beschluss vom 2. Oktober 1984 – 1 B
114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f. (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Der Kläger meint, es stelle sich die
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"klärungsbedürftige Tatsachenfrage, ob regimekritische Äußerungen eines
guineischen Asylbewerbers auf einem Fernsehsender mit Reichweiten der
Fernsehsatelliten Astra und Eutelsat über ganz Europa und Nordafrika von
bedeutender Relevanz im Asylverfahren sein können".
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Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage wird indes nicht entsprechend den
gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt. Wie bereits die
Formulierung der im Zusammenhang mit Nachfluchtgründen stehenden Frage zeigt,
würde es für die Beantwortung der Frage auf die Umstände des Einzelfalls betreffend
den Umfang und die Qualität solcher "regimekritischen Äußerungen" ankommen, auch
würde sich die "Relevanz im Asylverfahren" nur aufgrund weiterer individueller
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Gegebenheiten beantworten lassen, insbesondere hinsichtlich des anzulegenden
Prognosemaßstabes, d. h. ob einem nicht vorverfolgt ausgereisten Asylbewerber eine
politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht oder ob im Falle einer
Vorverfolgung die hinreichende Sicherheit vor erneuter politischer Verfolgung gegeben
ist.
Darüber hinaus fehlt es in diesem Zulassungsantrag an hinreichenden Darlegungen
dazu, dass offizielle guineische Stellen in "Europa und Nordafrika" Sendungen des
WDR empfangen, ansehen und hinsichtlich etwaiger "regimekritischer Äußerungen"
auswerten. Denn Guinea selbst gehört – geografisch gesehen – nicht mehr zu
"Nordafrika". Unabhängig davon, ob im Zeitpunkt der Ausstrahlung der WDR-Sendung
"Cosmo TV" im April 2006 eine Verbreitung des WDR überhaupt (noch) über Eutelsat
erfolgte – gegenwärtig ist dies nicht der Fall -, reicht die Ausbreitung über ASTRA 1H
(19,2° Ost) jedenfalls nicht bis zu dem weiter südlich gelegenen Guinea.
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Vgl. www.wdr.de/unternehmen/technik/empfang/ empfangsangaben und
www.ses-astra.com/ business/en/satellite-fleet und .../satellite-list/astra1h.
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Im Übrigen genügt ein auf die grundsätzliche Bedeutung gestützter Zulassungsantrag
nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG, wenn in ihm lediglich die
Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse stellten
sich anders dar, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Es ist vielmehr im Einzelnen
darzulegen
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- vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825
f. (zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) -,
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welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen. Es ist also
Sache des die Berufungszulassung beantragenden Beteiligten, die Gründe, aus denen
nach seiner Ansicht die Berufung zuzulassen ist, darzulegen und in rechtlicher sowie
tatsächlicher Hinsicht zu erläutern. Hierzu genügt es nicht, bloße Zweifel an den
Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf politische, soziale oder
gesellschaftliche Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylbewerbers zu äußern oder
schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr ist es erforderlich, durch die
Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder
sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür
darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des
Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift
zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich dann stellenden Fragen der
Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
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Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 5. Mai 2004 – 11 A 1748/04.A -, n. v.,
m. w. N.
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Dies ist hier nicht geschehen. Mit Ausnahme der Kritik, die vom Verwaltungsgericht
herangezogene und im Urteil verwertete Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. April
2006 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf "hinterlässt nach ihrer Auswertung noch
klärungsbedürftige und klärungsfähige Gesichtspunkte", erfolgt im Zulassungsantrag
keine substantiierte Auseinandersetzung mit dieser Erkenntnisquelle oder etwa die
Berufung auf weitere, neue oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte
Erkenntnismittel. Der Kläger beschränkt sich vielmehr wortreich darauf, die fehlende
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Aussagekraft der vorgenannten Auskunft in Frage zu stellen, ohne aber substantiiert
aufzuzeigen, dass guineische Sicherheitskräfte Kenntnis von der "medialen Verbreitung
von Systemkritik" aus Anlass der fraglichen WDR-Fernsehsendung erhalten haben
könnten.
2. Die ferner erhobene Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3
VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) bleibt ebenfalls erfolglos.
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Sofern der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das
Verwaltungsgericht einen "geringen Verbreitungsgrad" des WDR-Fernsehens annehme
und die Auffassung vertreten habe, es könne "nicht ohne weiteres" davon ausgegangen
werden, guineische Sicherheitskräfte hätten von den Beiträgen in der WDR-Sendung
"Cosmo-TV" Kenntnis erlangt, kritisiert er im Kern nur die Bewertung des
Verwaltungsgerichts. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der
Tatsacheninstanz kann der Verfahrensmangel eines Gehörsverstoßes jedoch
regelmäßig – so auch hier - nicht begründet werden.
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BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 -, Buchholz 310 §
108 VwGO Nr. 266.
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Gleiches gilt im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen zu den Tätigkeiten
eines Beamten des guineischen Außenministeriums und den weiteren Geschehnissen
um diese Person, wobei sich der Zulassungsantrag hier zudem vorwiegend in
Spekulationen ergeht.
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Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird schließlich ebensowenig mit
dem weiteren Vortrag zu der Wertung des Verwaltungsgerichts betreffend die
Bedeutung der Kritik des Klägers an den "persönlichen Machenschaften des
Abteilungsleiters im guineischen Außenministerium" bzw. der Beurteilung des
Beweiswertes der WDR-Sendung für das nunmehr zweite Asylfolgeverfahren des
Klägers dargetan. Auch insoweit handelt es sich lediglich um Angriffe gegen die
Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Vorinstanz, die mit der Gehörsrüge nicht
erfolgreich angegriffen werden kann. Zudem musste sich das Verwaltungsgericht unter
dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht mit jedem Aspekt des klägerischen
Vorbringens und – aus der Sicht der ersten Instanz folgerichtig – auch nicht mit jedem
Detail der WDR-Sendung auseinandersetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2
AsylVfG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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