Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.02.2010

OVG NRW (einleitung des verfahrens, einstellung des verfahrens, funktionelle zuständigkeit, beschwerde, mitgliedschaft, eintragung, antrag, vorschrift, verhalten, stpo)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6s E 379/07.S
Datum:
17.02.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Landesberufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und
Stadtplanerinnen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6s E 379/07.S
Leitsätze:
Die Beendigung der Mitgliedschaft in der Architektenkammer führt im
berufsgerichtlichen Verfahren vor dem Berufsgericht für Architekten,
Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen zu einem
Verfahrenshindernis.
Ein gleichwohl aufrechterhaltener Eröffnungsantrag der
Architektenkammer ist als unzulässig zurückzuweisen, ein bereits
eröffnetes Verfahren ist einzustellen.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen
Auslagen des Beschuldigten wer¬den der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e :
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I.
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Das Berufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen bei
dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2006 das
berufsgerichtliche Verfahren gegen den 1937 geborenen Beschuldigten eröffnet und
ihm zur Last gelegt, als Kammermitglied im Jahr 2006 Berufspflichten verletzt zu haben,
indem er mit kostenpflichtigem anwaltlichen Schreiben das Architekturbüro X.
Partner aus D. wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens abgemahnt und zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert habe. Zugleich hat es ihm
einen Verweis erteilt und eine Geldbuße von 1.000, Euro auferlegt, weil er mit dem
angeschuldigten Verhalten gegen das Kollegialitätsgebot des § 22 Abs. 2 Nr. 11
BauKaG NRW verstoßen habe.
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Der Beschuldigte hat darauf einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Die
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Antragstellerin hat beantragt, den Eröffnungsbeschluss zu erweitern, weil der
Beschuldigte in acht weiteren Fällen Kollegen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens
habe abmahnen und zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen sowie zur
Begleichung der Kosten seines Rechtsanwalts habe auffordern lassen. Über diesen
Antrag hat das Berufsgericht bisher nicht entschieden.
Der Beschuldigte hat – wie er vorträgt aus Alters und Gesundheitsgründen – seine
Berufstätigkeit als Architekt aufgegeben und die Löschung seiner Eintragung beantragt.
Dem hat die Antragstellerin mit Wirkung vom 12. Januar 2007 entsprochen. Das
Berufsgericht hat darauf durch den angefochtenen Beschluss das Verfahren wegen
eines Verfahrenshindernisses eingestellt und die Kosten des Verfahrens, jedoch mit
Ausnahme der notwendigen Auslagen des Beschuldigten, der Staatskasse auferlegt.
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Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin.
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II.
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Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens ist allein der mit dem Beschluss vom
13. Oktober 2006 ausgeurteilte Sachverhalt. Nur darauf bezieht sich der angefochtene
Einstellungsbeschluss. Die mit dem Erweiterungsantrag dem Berufsgericht
unterbreiteten Berufsvergehen des Beschuldigten in acht weiteren Fällen haben zu
keiner Verfahrenseröffnung geführt. Sie wären deshalb einer Einstellung auch nicht
zugänglich gewesen; denn nur ein bereits eröffnetes Verfahren kann wegen eines
Verfahrenshindernisses eingestellt werden, wie § 80 Abs. 1 und 2 BauKaG NRW und
§ 206 a Abs. 1 StPO (i. V. m. § 93 BauKaG NRW) zu entnehmen ist. Tritt das
Verfahrenshindernis schon vor dem Eröffnungsbeschluss ein, so ist der
Eröffnungsantrag stattdessen als unzulässig zurückzuweisen (vgl. § 60 Abs. 1 BauKaG
NRW). Die Antragstellerin kann im Streitfall einen solchen Beschluss des Berufsgerichts
vermeiden, indem sie den Erweiterungsantrag zurücknimmt (§ 58 Abs. 3 Satz 1 BauKaG
NRW).
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Die Beschwerde gegen den – so verstandenen – Einstellungsbeschluss ist
unbegründet.
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Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW ahnden die Berufsgerichte die Verletzung
beruflicher Pflichten und Mitgliedspflichten "der Mitglieder der Architektenkammer"
sowie bestimmter auswärtiger Architekten und Stadtplaner, um die es hier jedoch nicht
geht. Mitglieder der Architektenkammer sind die in die Architektenliste der jeweiligen
Fachrichtung oder die Stadtplanerliste eingetragenen Personen (§ 2 Abs. 1 Satz 1
BauKaG NRW), die zusammen die Architektenkammer bilden (§ 12 Abs. 1 Satz 1
BauKaG NRW). Dementsprechend endet gemäß § 13 BauKaG NRW die Mitgliedschaft
in der Architektenkammer, wenn die Eintragung in den Architektenlisten oder der
Stadtplanerliste gelöscht wird. Eine Eintragung ist unter anderem dann zu löschen,
wenn die eingetragene Person dies beantragt (§ 6 Satz 1 lit. a) BauKaG NRW); davon
hat der Beschuldigte im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht.
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Die Mitgliedschaft in der Architektenkammer ist eine Verfahrensvoraussetzung, ohne die
eine sachliche Befassung des Berufsgerichts mit dem angeschuldigten Verhalten
grundsätzlich ausgeschlossen ist. Sie muss – wie andere Verfahrensvoraussetzungen
auch – grundsätzlich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein. Es
genügt also entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht, dass sie bei Einleitung des
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Verfahrens erfüllt war. Ihr späterer Wegfall führt nicht nur dazu, dass die Befassungs
bzw. Verbandskompetenz der Kammer ihr Ende findet, er lässt vielmehr auch eine
Grundbedingung für die funktionelle Zuständigkeit des Berufsgerichts entfallen. Daraus
entsteht ein Verfahrenshindernis, dem durch die Einstellung des Verfahrens Rechnung
zu tragen ist (§ 93 BauKaG NRW i. V. m. § 206 a Abs. 1 StPO). Dass der Beschuldigte
es infolgedessen in der Hand hat, durch gewillkürte Beendigung seiner
Kammermitgliedschaft sich dem Verfahren zu entziehen, muss im Grundsatz
hingenommen werden. Allerdings hat das Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem
OVG NRW in seiner früheren Rechtsprechung
vgl. Beschluss vom 8. April 1957 – ZB 2/56 –, OVGE 12, 209 (210 ff.), und
Urteil vom 26. April 1958 – ZA 9/57 –,
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aus Billigkeitserwägungen, wie sie auch mit der Beschwerde vorgebracht werden, den
Versuch unternommen, ein solches Ergebnis für die vergleichbare Problematik im
Berufsrecht der Heilberufe zu vermeiden. Wie bereits in der angefochtenen
Entscheidung ausgeführt, hat das Landesberufsgericht für Heilberufe diese
Rechtsprechung jedoch später aufgegeben.
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Vgl. insbesondere Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG NRW,
Urteil vom 4. September 1989 – ZA 7/87 –, HeilBGE B 2 Nr. 16, sowie zum
Ganzen Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 89
ff. und 99 ff., m. w. N.
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§ 59 HeilBerG NRW ist vor diesem rechtlichen Hintergrund durch Änderungsgesetz vom
1. März 2005, GV NRW 2005, 148, um einen Absatz 3 ergänzt worden. Nach dieser
Vorschrift kann das Verfahren fortgesetzt werden, wenn die Kammerzuge-hörigkeit nach
Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens endet, sofern die Berechtigung zur
Ausübung des Berufes weiter besteht.
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Vgl. im Einzelnen zu dieser Vorschrift Willems, a.a.O., Rn. 103 bis 127.
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Auf das Architektenrecht lässt sich diese Regelung weder im Wege der Analogie noch
dem Rechtsgedanken nach übertragen. Das Baukammerngesetz NRW enthält keine
vergleichbare Bestimmung und entspricht damit der Gesetzeslage, die auch für das
Heilberufsrecht bis zu der vorgenannten Gesetzesänderung Geltung besaß.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 88 Abs. 1, § 89 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW.
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