Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2008

OVG NRW: stadt, konkludentes verhalten, eigentumserwerb, vermessung, gemeinde, begriff, satzung, grundbuch, ausdehnung, vorrang

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 528/08
Datum:
08.12.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 528/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 17 K 5177/06
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.969,99
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Das Antragsvorbringen weckt weder ernstliche
Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) noch zeigt es besondere rechtliche oder
tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf.
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Nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an
der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Derartige Zweifel bestehen, wenn
erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer
rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird,
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vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 124 Rn. 75 m.w.N.,
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wobei es zur Darlegung (§124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses
Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung des Zulassungsantrags
einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.;
Seibert, a.a.O., § 124a Rn. 206.
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO)
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liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits auf Grund des Zulassungsvorbringens
bei summarischer Prüfung als offen erscheint.
Vgl. Seibert, a.a.O., § 124 Rn. 106.
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Die Antragsbegründung stellt keine entscheidungstragenden Aussagen des
angegriffenen Urteils im vorgenannten Sinne infrage.
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Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Vorausleistungsbescheid als
rechtmäßig angesehen. Es hat u.a. angenommen, die Erschließungsbeitragsforderung
sei vorliegend nicht durch Verjährung erloschen, weil die Erschließungsanlage F.---------
--straße von S.-----straße bis Wendehammer noch nicht den Herstellungsmerkmalen der
Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Stadt C. vom 21. Dezember 1988 in der
Fassung der Änderungssatzung vom 8. Februar 1999 entsprechend hergestellt und
demzufolge der (endgültige) Beitragsanspruch noch gar nicht entstanden sei. Zu den
Herstellungsmerkmalen gehöre nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EBS auch, dass das
Eigentum an den Flächen für die Erschließungsanlage in vollem Umfang auf die
Gemeinde übergegangen sei. Als Erschließungsanlage sei die Straße anzusehen, wie
sie technisch hergestellt sei und sich dem Betrachter darbiete. Der Eigentumserwerb sei
vorliegend in Höhe der Grundstücke Nrn. 52 bis 58, also auf einer Länge von mehr als
50 m und in einer Breite von bis zu 15 cm, bezogen auf die Rasenkantensteine, nicht
erfolgt. Diese Feststellung sei nicht deshalb unbeachtlich, weil sie bei früheren
Vermessungen nicht getroffen worden sei. Die Überbauung sei auch im Hinblick auf
ihren nur geringfügigen (etwa 3 m²) Anteil an der Gesamtfläche nicht
vernachlässigenswert.
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Der Kläger stellt mit seinem Zulassungsvorbringen nicht in Abrede, dass der
vorbezeichnete schmale Grundstücksstreifen bei der im Erschließungsbeitragsrecht
hinsichtlich der Ausdehnung einer Erschließungsanlage gebotenen sog. natürlichen
Betrachtungsweise Bestandteil der Erschließungsanlage und die Stadt C. nicht als
dessen Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Hiervon ausgehend ist auf der
Grundlage des Antragsvorbringens nichts gegen die Richtigkeit des angefochtenen
Urteils zu erinnern.
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Zu Unrecht macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe § 8 Abs. 1 Satz 1
Buchst. a EBS fehlerhaft ausgelegt und angewendet, indem es davon ausgegangen sei,
dass jedwede Überbauung, die über den Bereich von Messtoleranzen von etwa 4 bis 6
cm hinausgehe, dem Herstellungsmerkmal Eigentumserwerb entgegenstehe. Die
sachlichen Beitragspflichten (§ 133 Abs. 2 des Baugesetzbuch - BauGB -) entstehen
erst, wenn alle in der Erschließungsbeitragssatzung festgelegten Merkmale der
endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage und zudem die weiteren
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei kommt es für die Frage, was als
Bezugsgegenstand für die Beurteilung der merkmalsgerechten endgültigen Herstellung
einer Erschließungsanlage zu gelten hat, auf die Ausdehnung der Erschließungsanlage
in der Örtlichkeit und insoweit auf eine natürliche Betrachtungsweise an.
12
Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 29. August 1997 - 3 B 2024/95 -, m.w.N. aus der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
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Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen, indem es die
Erschließungsanlage in den Blick genommen hat "wie sie technisch hergestellt ist und
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sich dem Betrachter darbietet".
Es hat darüber hinaus die einschlägige Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EBS
zutreffend dahin interpretiert, dass die Stadt Eigentümerin der gesamten für die
Erschließungsanlage in Anspruch genommenen Fläche sein muss. Dies ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut der Satzungsregelung ("Eigentümerin der Flächen für die
Erschließungsanlagen"). Dem Kläger kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, es
komme insoweit auf den Eigentumserwerb hinsichtlich der nach dem Ausbauplan
benötigten Flächen (nicht aber auf die darüber hinausgehend für die
Erschließungsanlage in Anspruch genommenen Flächen) an. Insoweit beruft sich der
Kläger zu Unrecht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2001 - 9 B 54.01 -, juris,
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in der die Auslegung einer Satzungsbestimmung durch das mit der Sache im
Berufungsverfahren befasste beschließende Gericht aus Sicht des Bundesrechts nicht
beanstandet wurde. Der seinerzeit für das Erschließungsbeitragsrecht zuständige 3.
Senat des Oberverwaltungsgerichts hatte entschieden, dass mit der satzungsmäßigen
Regelung, die endgültige Herstellung einer Straße sei vom Eigentum an den "dafür
erforderlichen Flächen" abhängig, die nach dem Ausbauplan erforderlichen
Straßenflächen gemeint seien.
17
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2001 - 3 A 1570/97 -.
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Diese Rechtsprechung ist schon wegen der unterschiedlichen Regelung in der
Erschließungsbeitragssatzung der Stadt C. vorliegend nicht aussagekräftig. Dessen
ungeachtet ist die Formulierung im Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 18. Mai
2001 nicht dahin zu verstehen, das Herstellungsmerkmal Eigentumserwerb beziehe
sich (nur) auf die nach dem jeweiligen Ausbauplan auszubauenden Flächen. Dies
ergibt sich aus dem in dieser Entscheidung in Bezug genommenen
19
Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 15. November 1988 - 3 A 791/88 -.
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Danach (UA S. 10) ist mit dem Begriff der "erforderlichen" Flächen die Fläche gemeint,
die für die Herstellung der Erschließungsanlage benötigt wird, wobei das, was zur
Erschließungsanlage gehört, nicht durch planerische Festsetzungen, sondern durch den
tatsächlichen Ausbau bestimmt wird. In diesem Zusammenhang führt die Entscheidung
weiter aus, dass planerische Festsetzungen eine unmittelbare Bedeutung für die
satzungsmäßige Regelung der Herstellungsmerkmale nur dann erlangen können, wenn
sie hierin ausdrücklich in Bezug genommen werden, was durch den Begriff der
"erforderlichen Flächen" gerade nicht geschehe.
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Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Senatsbeschluss vom 18. November 2008 im
Parallelverfahren 15 A 529/08 - sowie das Urteil vom 26. Juli 1991 - 3 A 910/91 -, ZMR
1992, 72.
22
Der Kläger hebt allerdings richtig hervor, dass die Merkmale der endgültigen
Herstellung einer Erschließungsanlage in der Erschließungsbeitragssatzung so
eindeutig bestimmt sein müssen, dass es dem Beitragspflichtigen möglich ist, sich ein
eigenes Urteil darüber zu bilden, ob die Erschließungsanlage endgültig hergestellt ist
oder nicht. Gerade deswegen aber hat es das Bundesverwaltungsgericht als einen
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Verstoß gegen das bundesrechtliche Bestimmtheitserfordernis angesehen, eine
satzungsmäßige Merkmalsregelung über den Grunderwerb in dem Sinne auszulegen,
dass der Grunderwerb auch dann abgeschlossen sei, wenn ein "völlig unbedeutender"
oder "geringfügiger" Teil der Straßenfläche noch nicht im Eigentum der Stadt stehe.
Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. November 1982 - 8 C 39 - 41.81 -, Buchholz 406.11 § 132
BBauG Nr. 38.
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Das gilt auch dann, wenn die fehlenden Flächen so geringfügig sind, dass sie weniger
als 1 % der Ausbaufläche ausmachen.
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Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. November 2001 - 9 B 54.01 -.
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An diesen Vorgaben ändert der seitens des Klägers in den Mittelpunkt seiner
Ausführungen gerückte Umstand nichts, dass vorliegend der (geringfügige) Überbau bei
früheren Vermessungen der Straße nicht festgestellt worden ist. § 8 Abs. 1 Satz 1
Buchst. a EBS lässt sich nicht im Sinne des Klägers dahin verstehen, dass die
Überbauungen der Erschließungsanlage über das eigentliche Straßenflurstück hinaus
dann keinen Eigentumserwerb an der überbauten Teilfläche erfordern, wenn nach der
Herstellung der Erschließungsanlage eine Vermessung stattgefunden hat, in deren
Rahmen die Überbauung nicht festgestellt worden ist. Dies liegt auf der Hand für den
Fall, dass sich diese Vermessung als von vornherein schlicht fehlerhaft herausstellt, d.h.
schon den zum Zeitpunkt ihrer Durchführung geltenden Maßstäben etwa hinsichtlich der
Messgenauigkeit nicht genügte. Davon dürfte nach Auffassung des Senats aus Gründen
der Rechtssicherheit der Fall zu unterscheiden sein, dass sich erst auf Grund neuer
Messverfahren oder höherer Messgenauigkeiten feststellen lässt, dass der tatsächliche
Ausbau der Erschließungsanlage innerhalb der Messtoleranzen einer früheren, im
Zusammenhang mit der technischen Herstellung der Erschließungsanlage stehenden
Vermessung lag, jedoch über das aktuelle Genauigkeitsmaß hinausgeht. Anderenfalls
könnte weder - worauf der Kläger hinweist - die Vollständigkeit des Grunderwerbs
verlässlich festgestellt werden, noch wäre etwa überhaupt ein (bebauungs-
)plangerechter Ausbau festzustellen, da immer die Möglichkeit bestünde, zukünftig
genauere Messergebnisse zu erhalten. Auf genau diesen Fall stellt aber der Kläger ab.
Hierbei handelt es sich jedoch bezogen auf den vorliegenden Fall um einen rein
hypothetischen Einwand. Weder hat der Kläger Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die
ursprüngliche Schlussvermessung befinde sich innerhalb der Toleranzgrenzen bzw. die
nunmehrige Feststellung eines Überbaus beruhe auf neuen Messmethoden oder einer
verfeinerten Messgenauigkeit, noch lassen sich den Verwaltungsvorgängen
irgendwelche Anhaltspunkte hierfür entnehmen. Vielmehr trifft das Gegenteil zu: Nach
dem Vermerk vom 6. April 2006 (Beiakte Heft 1 Bl. 36) wurde hinsichtlich des
Grenzpunktes Nr. 50154 ausdrücklich festgehalten, dass zum Zeitpunkt der
Grenzniederschrift vom 5. Juli 1984 die Fehlergrenze (zulässige Lageabweichung
gegenüber früheren Vermessungen) bei 10 cm gelegen habe und aktuell 6 cm betrage.
Der Senat verfügt über keine die Richtigkeit dieser Angabe infrage stellenden
Erkenntnisse; auch der Kläger trägt hierfür in seiner ergänzenden Antragsbegründung
vom 2. Dezember 2008 nichts vor. Hiervon ausgehend spricht nichts für die Annahme,
die im Jahre 2006 getroffenen Feststellungen der Beklagten (Differenz zwischen
abgemarkter Grundstücksgrenze und Ausbauende von bis zu 15 cm) beruhten auf
neuen Messmethoden oder einer höheren Messgenauigkeit.
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Der Kläger kann sich auch nicht auf eine verbindliche Grenzfeststellung in Form eines
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Grenzfeststellungsvertrages berufen. Ausweislich der Grenzniederschrift vom 5. Juli
1984 wurden die "vorgefundenen und die neuen Grenzzeichen" in Augenschein
genommen und es bestand zwischen den anwesenden Anliegern und dem Vertreter der
Stadt Einigkeit über den Grenzverlauf. Unabhängig davon, ob die Beteiligten seinerzeit
die geringfügige Inanspruchnahme privater Grundstücksflächen für den Straßenausbau
bemerkten, welche Bedeutung sie ihr ggf. beimaßen und ob die Anlieger verpflichtet
sein sollten, diese Inanspruchnahme nach § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu
dulden, folgt hieraus nichts in Bezug auf das hier in Rede stehende satzungsmäßige
Herstellungsmerkmal Grunderwerb. Dieses verlangt regelmäßig (abgesehen von den
hier nicht interessierenden Fällen des sich außerhalb des Grundbuchs vollziehenden
Grunderwerbs), dass die Gemeinde entweder die vermessenen Flächen von Dritten
erworben oder die aus ihrem sonstigen Grundeigentum für die Erschließungsanlage
bereit gestellten Flächen vermessen und von den anderen Grundstücken
abgeschrieben hat sowie als Grundeigentümerin der Flächen im Grundbuch
eingetragen ist.
Vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2008 - 15 A 4139/06 - unter Hinweis auf BVerwG,
Urteil vom 14. November 1975 - IV C 76.73 -, KStZ 1976, 210, 211 sowie OVG NRW,
Urteil vom 27. September 2002 - 3 A 2259/99 -.
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Diesen Erfordernissen genügt eine wie und worüber auch immer im Einzelnen erzielte
Verständigung zwischen der Stadt und den Grundstückseigentümern hinsichtlich der
schon damals außerhalb der Messtoleranzen liegenden Grundstücksteilflächen nicht.
Dabei handelt es sich bei der von dem Kläger auf Seite 6 seiner Antragsbegründung
vom 14. März 2008 angesprochene Möglichkeit, in dem Termin zur Grenzniederschrift
am 5. Juli 1984 könnte sich die Identität von Straßen- und Grenzverlauf bestätigt haben,
um eine bloße Spekulation angesichts dessen, dass der Ausbau der
Erschließungsanlage nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sich an einigen
Stellen auf bis zu 15 cm hinter die abgemarkte Grundstücksgrenze erstreckt und diese
Abweichung nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten im
Vermerk vom 6. April 2006 die seinerzeit maßgeblichen Fehlergrenzen überschritt.
Dieser Einwand wird von dem Kläger auch nicht mehr weiter verfolgt. Vielmehr hat er
sich in seinen ergänzenden Antragsbegründungen vom 9. Mai 2008 (Seite 4) und 2.
Dezember 2008 (Seiten 4 und 5) darauf festgelegt, dass in dem Termin zur Aufnahme
der Grenzniederschrift am 5. Juli 1984 alle Beteiligten die geringfügigen Überbauungen
wahrgenommen haben müssen bzw. dass die Überbauungen bekannt gewesen seien.
Unabhängig davon kann dem Kläger nicht in der Annahme gefolgt werden, es bestünde
für die Stadt keine Notwendigkeit, die nunmehr als Überbau identifizierten Flächen zu
Eigentum zu erwerben, soweit in der Grenzniederschrift bestätigt worden sei, dass der
Verlauf der Straße der Grundstücksgrenze entspreche. Die von dem Kläger vorgelegte
Kopie der Grenzniederschrift vom 5. Juli 1984 enthält hierzu nämlich keine Angaben.
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Der Einwand hat aber auch dann keinen Erfolg, versteht man ihn entsprechend den
ergänzenden Antragsbegründungen dahingehend, dass die an der Grenzniederschrift
Beteiligten die Inanspruchnahme privater Flächen für den Straßenausbau zur Kenntnis
genommen und gebilligt haben sollten. In dieser Sichtweise läuft der Einwand darauf
hinaus, die Beklagte habe durch eigenes (jedenfalls konkludentes) Verhalten auf die
Verwirklichung eines satzungsmäßigen Herstellungsmerkmals verzichtet. Das
Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, das wiederum Voraussetzung für eine
etwaige Verjährung ist, setzt die endgültige, d.h. satzungsgemäße Herstellung der
Erschließungsanlage voraus (vgl. §§ 132 Nr. 4, 133 Abs. 2 BauGB). Dies erfordert,
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sofern von den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung abgewichen
werden soll, den Erlass einer entsprechenden Abweichungssatzung. Sonstiges
Verhalten der Gemeinde oder ihrer Bediensteten reicht insoweit nicht aus. Das ergibt
sich einerseits aus dem Vorrang der Satzung gegenüber sonstigem
Verwaltungshandeln, das die Satzung als Ortsrecht zu beachten hat, und folgt überdies
auch aus der Funktion der satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale, die es dem
Anlieger möglichst erkennbar machen sollen, wann die sein Grundstück erschließende
Anlage endgültig mit der Rechtsfolge hergestellt ist, dass nach § 133 Abs. 2 BauGB die
sachlichen Beitragspflichten entstehen, sofern die sonstigen dafür erforderlichen
Voraussetzungen erfüllt sind.
Vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2008 - 15 A 4139/06 -.
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Das Verhalten der Beklagten ist entgegen der Einschätzung des Klägers auch nicht als
rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Von einem rechtsmissbräuchlichem Verhalten der
Beklagten könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn sie zum Ausdruck gebracht hätte,
keine Erschließungsbeiträge mehr verlangen zu wollen. Das trägt der Kläger jedoch
nicht vor, hierfür fehlt es auch sonst an jeglichen Anhaltspunkten. Im Übrigen setzte der
vom Kläger reklamierte Vertrauenstatbestand des Weiteren voraus, dass er dieses
Vertrauen durch entsprechende Vermögensdispositionen auch betätigt hätte; insoweit
trägt der Kläger ebenfalls nichts vor bzw. es ist nichts hierfür ersichtlich. Es kommt
hingegen im Zusammenhang mit einem angeblich rechtsmissbräuchlichen Verhalten
der Beklagten nicht darauf an, ob sie früher einmal den Grunderwerb für abgeschlossen
gehalten und dies sogar durch die Erhebung endgültiger Erschließungsbeiträge nach
außen zum Ausdruck gebracht hat. Hierbei handelt es sich lediglich um die zu einem
bestimmten Zeitpunkt gefasste und artikulierte Meinung der Beklagten dahingehend,
dass die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten entstanden seien. Erweist sich
diese Ansicht (etwa im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens) als unzutreffend, ist
die Gemeinde auf Grund der gescheiterten Heranziehung nicht unter dem Gesichtspunkt
des Rechtsmissbrauchs gehindert, Erschließungsbeiträge oder Vorausleistungen zu
einem späteren Zeitpunkt erneut zu erheben. Dessen ungeachtet ist - wie bereits
erwähnt - nichts dafür ersichtlich ist, der Kläger könnte sein etwaiges Vertrauen, nicht
mehr zu Erschließungsbeiträgen herangezogen zu werden, auch betätigt haben.
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Die Vorausleistungserhebung ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die
Beklagte zur Vermeidung der ansonsten drohenden Festsetzungsverjährung
ausdrücklich auf Fehlersuche gegangen sei. Allerdings dürfte dieser Eindruck des
Klägers zutreffen. Dies belegt der von ihm angesprochene Prüfauftrag an das
Vermessungsamt der Beklagten vom 24. Januar 2006 (Beiakte Heft 1 Bl. 28). Die
Vorgehensweise der Beklagten findet jedoch eine Grundlage in der in § 127 Abs. 1
BauGB festgelegten Beitragserhebungspflicht der Gemeinden.
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Die Berufung ist auch schließlich nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die Entscheidung des
Streitfalles in erster Instanz und im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige
und klärungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft.
Dies trifft auf die in der Antragsbegründung formulierten Fragen nicht zu.
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Die zuerst formulierte Frage,
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ob das Herstellungsmerkmal des Eigentumserwerbs in einer
Erschließungsbeitragssatzung es erfordert, dass die Gemeinde private Grundflächen auf
Anliegergrundstücken hinzuerwerben muss, auf die die Erschließungsanlage überbaut
worden ist, unabhängig davon, ob die Überbauung bei der Schlussvermessung
festgestellt worden ist oder mit damals üblichen Messmethoden überhaupt festgestellt
werden konnte,
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ist unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen in ihrem ersten Teil eindeutig
zu bejahen und in ihrem zweiten Teil in Anbetracht des Umstandes nicht
entscheidungserheblich, dass die 1984 erfolgte Vermessung bereits damals
feststellbare Ungenauigkeiten aufwies.
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Die zweite Frage nach etwaigen Größenordnungen einer im Hinblick auf den
Eigentumserwerb zu vernachlässigenden Überbauung bezieht sich ausweislich der
Begründung darauf, ob es wegen etwaiger Messungenauigkeiten eine Karenzgrenze
gibt und wie diese zu ermitteln ist. In ihrem ersten Teil ist sie zu bejahen. Es entspricht
allgemeiner, in der Rechtsprechung anerkannter Erfahrung, dass es eine absolut exakte
Vermessung weder gibt noch geben kann. Die weitere Frage, welche Toleranzen zu
akzeptieren und wie sie zu ermitteln sind, hängt von den jeweils zur Anwendung
gelangten Messverfahren und -instrumenten ab. Insoweit zeigt die Antragsbegründung
die Möglichkeit einer verallgemeinerungsfähigen, fallübergreifenden Beantwortung nicht
auf
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Die dritte und die damit verknüpfte vierte Frage sind nicht klärungsbedürftig angesichts
dessen, dass die im Jahre 1984 erfolgte Vermessung zu einem auch nach damaligen
Anforderungen unzutreffendem Ergebnis gelangt ist. Im Übrigen kann auf die
vorstehenden Ausführungen zur Bedeutung der Grenzniederschrift verwiesen werden.
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Schließlich ist auch die fünfte Frage eindeutig zu bejahen und deshalb nicht
klärungsbedürftig. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch eine die
Inanspruchnahme privater Grundflächen für den Straßenausbau betreffende
Duldungspflicht nicht geeignet ist, das satzungsmäßige Herstellungsmerkmal
Grunderwerb zu ersetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt
aus §§ 47, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1,VwGO; §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG).
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§
124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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