Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.12.2004

OVG NRW: unechte rückwirkung, wissenschaft und forschung, verfügung, studiengebühr, anwendungsbereich, geographie, einfluss, verbrauch, gestaltung, beendigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 3797/04
01.12.2004
Oberverwaltungsgericht NRW
8. Senat
Urteil
8 A 3797/04
Verwaltungsgericht Köln, 6 K 2216/04
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 19. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Studiengebühr für das
Sommersemester 2004. Sie begann ihr Studium im Wintersemester 1993/1994 an der K. -
H. -Universität N. im Studiengang Geographie. Zum Sommersemester 1994 wechselte sie
zum Studiengang Pädagogik. Zum Wintersemester 1994/1995 unterbrach sie ihr Studium
und setzte es vom Sommersemester 1998 bis zum Sommersemester 2000 im Studiengang
Geographie fort. Seit dem Wintersemester 2001/2002 ist sie an der Fachhochschule L. im
Studiengang Bibliothekswesen eingeschrieben.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von
Hochschulgebühren vom 28. Januar 2003 (Studienkonten- und -finanzierungsgesetz -
StKFG -, GVBl NRW S. 36) am 1. Februar 2003 und der Verordnung über die Einrichtung
und Führung von Studienkonten mit Regelabbuchung sowie über die Erhebung von
Gebühren an den Universitäten, Fachhochschulen und Kunsthochschulen des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2003 (RVO-StKFG NRW, GVBl NRW S. 570) am
2. Oktober 2003 zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 20. Januar 2004 für das
Sommersemester 2004 zu einer Studiengebühr nach § 9 Abs. 1 StKFG in Höhe von 650,00
EUR heran. Zur Begründung führte er aus, ihr stehe auf dem zum Sommersemester 2004
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eingerichteten Studienkonto kein Studienguthaben mehr zur Verfügung. Eine
Rückmeldung könne nur erfolgen, wenn die Studiengebühr neben dem Semesterbeitrag
entrichtet werde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 13. Februar 2004 Widerspruch. Sie machte
geltend, dass die Erhebung von Studiengebühren einen Eingriff in ihr Grundrecht aus Art.
12 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip darstelle. Denn die Gebühr
könne eine Lenkungswirkung nur gegenüber Studierenden entfalten, die sich
Studiengebühren nicht leisten könnten. Außerdem verstoße die Einführung von
Langzeitstudiengebühren gegen das Rückwirkungsverbot, da das Hochschulrecht des
Landes Nordrhein-Westfalen mit § 10 Satz 1 HG, der ein gebührenfreies Studium
gewährleiste, einen konkreten Vertrauenstatbestand enthalte. Darüber hinaus werde sie
durch die Nichtberücksichtigung ihres Fachrichtungswechsels bei der Ermittlung ihres
aktuellen Studienguthabens gegenüber denjenigen Studierenden, die erst nach
Inkrafttreten des Gesetzes die Fachrichtung wechselten, ungerechtfertigt benachteiligt.
Mit Bescheid vom 3. März 2004 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Zur Begründung führte er aus, dass die Einführung einer Langzeitstudiengebühr keinen
Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG darstelle. Die Gewährleistung eines gebührenfreien
Studiums bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss durch § 10 Satz 1 HG erfahre
durch das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz insoweit eine Konkretisierung, als die
Gebührenfreiheit auf eine Studiendauer der 1,5-fachen Regelstudienzeit beschränkt werde.
Die Vorschriften des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes enthielten auch keine
unzulässige Rückwirkung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass entsprechende Regelungen
schon seit längerem Gegenstand der öffentlichen Diskussion gewesen seien und die
Gebührenpflicht erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Tragen komme.
Schließlich könne sich die Klägerin nicht auf die Regelung des § 2 Abs. 3 StKFG berufen,
wonach bei Studiengangwechseln bis zum Beginn des dritten Hochschulsemesters erneut
ein vollständiges Studienguthaben gewährt werde. Denn diese Regelung komme nur bei
Studiengangwechseln nach dem Inkrafttreten des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes zur Anwendung. Darin liege keine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung der Klägerin, da die Intention des Gesetzgebers, durch die
Anreizmechanismen eines Studienkontensystems verhaltenslenkenden Einfluss auf den
Orientierungsprozess der Studierenden zu nehmen, ins Leere gehe, wenn die
Orientierungsphase schon vor der Einführung des Studienkontenmodells stattgefunden
habe.
Die Klägerin hat am 19. März 2004 Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen aus dem
Widerspruchsverfahren wiederholt. Sie ist der Auffassung, ihr Studienguthaben sei nicht
verbraucht, da das Studium der Geographie im Wintersemester 1993/1994 bei der
Berechnung des Studienguthabens unberücksichtigt bleiben müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2004 und seinen Widerspruchsbescheid vom
3. März 2004 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Klägerin für das Sommersemester 2004 kein Studienguthaben
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mehr zur Verfügung stehe, da sie sich im dreizehnten Hochschulsemester befinde und
damit die Regelstudienzeit von acht Semestern im Studiengang Bibliothekswesen um mehr
als das 1,5-fache überschritten habe. Bei dieser Berechnung könne das weit in der
Vergangenheit liegende Studium an der Universität N. nicht als Orientierungsphase im
Sinne des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes angesehen werden. Dies folge
sowohl aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 StKFG als auch aus der Systematik des Gesetzes.
Eine erneute Gewährung eines "vollständigen" Studienguthabens nach § 2 Abs. 3 StKFG
mache nur Sinn, wenn nicht zugleich nach § 6 Abs. 1 Sätze 3 und 4 StKFG
Regelabbuchungen für bereits vergangene Studiensemester vorzunehmen seien. Deshalb
könne § 2 Abs. 3 StKFG nur auf solche Orientierungsphasen Anwendung finden, die im
Sommersemester 2004 noch andauerten oder danach erfolgten. Damit sei aber zugleich
eine Anwendung der Vorschrift auf Studierende, die bei Inkrafttreten des Studienkonten-
und -finanzierungsgesetzes bereits studierten, ausgeschlossen. Eine Anwendung der
Regelung des § 2 Abs. 3 StKFG auch auf Altfälle könne auch nicht aus dem Verhältnis zu
den weiteren Absätzen des § 2 StKFG geschlossen werden. Vielmehr enthalte der erste
Abschnitt des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes allgemeine Regelungen, die
sowohl für Studienkonten mit Regelabbuchungen als auch für Studienkonten mit
individueller Abbuchung Geltung beanspruchten. Dies gelte auch für die weiteren
Regelungen des § 2 StKFG, ohne dass dieser Paragraph ausschließlich Regelungen für
Altfälle enthalte. Der Ausschluss der Privilegierung von Orientierungsphasen bei Altfällen
ergebe sich auch aus der mit diesen Regelungen verbundenen Absicht des Gesetzgebers,
ein qualitätsorientiertes Erststudium zu fördern. Durch die Schaffung einer rechtlich
privilegierten Orientierungsphase von bis zu zwei Semestern werde der Studierende
angehalten, sich während der ersten beiden Semester sowohl darüber Rechenschaft
abzulegen, ob seine Studienwahl seinen Vorstellungen und Neigungen entspreche, als
auch eine endgültige Entscheidung über die Studienfachwahl zu treffen. Damit ziele die
Regelung des § 2 Abs. 3 StKFG auf eine ernsthafte Orientierungsentscheidung sowie ein
qualitätsorientiertes Erststudium. Eine solche Steuerungsfunktion habe aber die Regelung
des § 2 Abs. 3 StKFG auf Orientierungsphasen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes
durchlaufen worden seien, nicht ausüben können. Daher sei auch eine gebührenrechtliche
Privilegierung solcher Orientierungsentscheidungen nicht gerechtfertigt. Wollte man die
Regelung des § 2 Abs. 3 StKFG auch auf Altfälle zur Anwendung bringen, sei darüber
hinaus nicht zu erklären, weshalb nicht auch ein Studiengangwechsel nach dem dritten
Hochschulsemester ohne gebührenrechtliche Folgen bleiben sollte. Zudem sei das
Studienkonten- und -finanzierungsgesetz wie das Bundesrahmenrecht insbesondere auf
Neustudierende ausgerichtet und wolle den Rückgang der Zahl der Studienanfänger
vermeiden.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 19. Juli 2004 hat das Verwaltungsgericht der Klage
stattgeben und den Gebührenbescheid des Beklagten vom 20. Januar 2004 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2004 aufgehoben. Zugleich hat das
Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die für die
streitige Langzeitstudiengebühr maßgeblichen Vorschriften des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes verstießen weder gegen § 27 Abs. 4 HRG noch gegen Art. 12 Abs.
1 GG. Die unechte Rückwirkung, die in der Vornahme von Regelabbuchungen vom
Studienkonto auch für bereits vergangene Studiensemester nach § 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3
StKFG liege, sei nicht ausnahmsweise unzulässig. Denn die Studierenden könnten sich
nicht auf schutzwürdiges, die berechtigten fiskalischen und hochschulpolitischen Ziele des
Gesetzgebers überwiegendes Vertrauen auf den Fortbestand der Gebührenfreiheit des
Studiums berufen. Jedoch lägen die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes des § 9
Abs. 1 StKFG hinsichtlich der Klägerin nicht vor, da ihr für das Sommersemester 2004 noch
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Studienguthaben zur Verfügung stehe. Sie habe im Sommersemester 2004 das 1,5-fache
der Regelstudienzeit von acht Semestern jedenfalls deshalb noch nicht überschritten, weil
das Sommersemester 1994, in dem die Klägerin für den Studiengang Pädagogik
eingeschrieben gewesen sei, nach § 2 Abs. 3 StKFG nicht auf das Studienguthaben
angerechnet werden dürfe. Ausreichende Anhaltspunkte für die Auffassung des Beklagten,
§ 2 Abs. 3 StKFG sei nur auf Studiengangwechsel anwendbar, die ab dem
Sommersemester 2004 vorgenommen worden seien, könnten dem Gesetz nicht
entnommen werden. Insbesondere komme der Vorschrift nur eine bedingte
Lenkungswirkung zu, die eine Ungleichbehandlung von Alt- und Neufällen nicht
rechtfertigen könne. Der Begünstigung des von der Klägerin zum dritten
Hochschulsemester vorgenommenen Studiengangwechsels stehe auch weder entgegen,
dass die Klägerin bereits vom ersten zum zweiten Hochschulsemester und erneut zum
siebten Hochschulsemester weitere Studiengangwechsel vollzogen noch dass sie ihr
Studium nach dem zweiten Hochschulsemester zunächst für einige Zeit unterbrochen
habe, bevor sie sich für den Studiengang Geographie eingeschrieben habe. Denn weder
dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung sei eine über den Wortlaut des § 2 Abs. 3
StKFG hinausgehende Eingrenzung der privilegierungswürdigen Studiengangwechsel bis
zum Beginn des dritten Hochschulsemesters zu entnehmen. Die Frage, ob der
Studiengangwechsel von Geographie zu Pädagogik zu Beginn des zweiten
Hochschulsemesters zur Folge habe, dass auch das erste Hochschulsemester im Ergebnis
nicht zu einer Minderung des verfügbaren Studienguthabens führe, könne offen bleiben, da
schon bei Anwendung des § 2 Abs. 3 StKFG auf das zweite Hochschulsemester die
Gebührenpflicht der Klägerin für das Sommersemester 2004 entfalle, die Klage also
erfolgreich sei.
Der Beklagte hat rechtzeitig Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Zur Begründung der Berufung legt der Beklagte erneut seine Auffassung zum
eingeschränkten Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 StKFG dar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Juli 2004 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, der Beklagte könne seine Auffassung vom eingeschränkten
Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 StKFG nicht maßgeblich auf den Wortlaut der
Bestimmung stützen, da auch sonstige Vorschriften des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes erkennen ließen, dass die Gesetzesformulierungen wenig präzise
seien. Statt dessen müsse berücksichtigt werden, dass weniger die drohende
Gebührenpflicht als vielmehr die deutlich höheren Lebenshaltungs- und Studienkosten
geeignet seien, Einfluss auf die Gestaltung des Studiums und die Entscheidung über einen
Studiengangwechsel zu nehmen. Insofern bestehe zwischen den Studierenden, die einen
Studiengangwechsel vor Inkrafttreten des Studienkonten- und - finanzierungsgesetzes
vorgenommen hätten, und denjenigen, die den Wechsel später vollzogen hätten, kein
relevanter Unterschied. Ein solcher sei allerdings in dem Umstand zu sehen, dass die
Studierenden vor Inkrafttreten des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes auf die in §
10 Satz 1 HG normierte Studiengebührenfreiheit hätten vertrauen dürfen. Der Schutz
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dieses Vertrauens gebiete eine Privilegierung der Studierenden, die ihr Studium vor 2003
aufgenommen hätten. Er stehe aber auf jeden Fall der vom Beklagten vertretenen,
einschränkenden Auslegung des § 2 Abs. 3 StKFG zu Lasten dieser Gruppe von
Studierenden entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Gebührenbescheid des
Beklagten vom 20. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 3. März
2004 zu Recht aufgehoben und der Klage stattgeben. Der angegriffene Gebührenbescheid
ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Studiengebühren ist § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG i.V.m.
§ 12 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG NRW. Danach wird von Studierenden, denen kein
Studienguthaben zur Verfügung steht, für jedes Semester eine Gebühr von 650,00 EUR
erhoben. Gemäß § 2 Abs. 1, § 4 StKFG werden zum Sommersemester 2004 allen
Studierenden, die an einer Universität, einer Fachhochschule oder Kunsthochschule des
Landes Nordrhein-Westfalen eingeschrieben sind, um einen ersten oder in einem
konsekutiven Studiengang einen weiteren berufsqualifizierenden Studienabschluss zu
erwerben, ein Studienkonto mit einem Studienguthaben von 200 SWS eingerichtet. Gemäß
§ 6 Abs. 1 StKFG werden von dem Studienkonto für jedes Semester, in dem der
Studierende in der Vergangenheit an einer Hochschule im Geltungsbereich des
Hochschulrahmengesetzes eingeschrieben war oder aktuell ist, Abbuchungen
vorgenommen, die innerhalb einer der 1,5-fachen Regelstudienzeit entsprechenden
Studiendauer zum vollständigen Verbrauch des Studienguthabens führen. Gemäß § 2 Abs.
3 StKFG wird bei Studiengangwechseln bis zu Beginn des dritten Hochschulsemesters
erneut ein vollständiges Studienguthaben gewährt.
Diese Vorschriften verstoßen nicht gegen hörerrangiges Recht (1). Die Klägerin ist jedoch
nicht nach § 9 Abs. 1 StKFG gebührenpflichtig, weil ihr Studienguthaben zum
Sommersemester 2004 noch nicht verbraucht ist (2).
1. Der Landesgesetzgeber war befugt, Regelungen über eine sog. Langzeitstudiengebühr
zu treffen (a). Die für die Entscheidung über die vorliegende Klage maßgeblichen
Vorschriften des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes sind mit Art. 12 Abs. 1 GG (b),
dem Rechtsstaatsprinzip (c) und den Grundsätzen des Gebührenrechts (d) vereinbar.
a) Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für gebührenrechtliche
Regelungen im Bereich der Hochschulen folgt aus Art. 70 Abs. 1 GG. Den insoweit durch §
27 Abs. 4 HRG i.V.m. Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen
überschreitet das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz nicht.
§ 27 Abs. 4 Satz 1 HRG bestimmt, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden
Abschluss und in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren
berufsqualifizierenden Studienabschluss führt, studiengebührenfrei ist; gemäß Satz 2 kann
das Landesrecht in besonderen Fällen Ausnahmen vorsehen. Anlass dieser
Öffnungsklausel war die politische Diskussion um Studienfinanzierungsmodelle auf der
Grundlage von Studienkonten oder Bildungsgutscheinen.
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Vgl. Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 4 HRG, BT-Drs. 14/8361, S. 5.
Das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz hält sich im Rahmen dieser Öffnungsklausel.
Denn es begründet eine Gebührenpflicht für Studien im Sinne des § 27 Abs. 4 HRG nur für
den Fall, dass das Studienguthaben, das ein Studium bis zur 1,5-fachen Regelstudienzeit
ermöglicht, verbraucht ist; im übrigen verbleibt es bei der Gebührenfreiheit.
Entspricht das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz dem durch § 27 Abs. 4 HRG
eingeschränkten Gesetzgebungsrahmen der Länder, kommt es auf die Frage, ob der
Bundesgesetzgeber mit dieser Regelung möglicherweise seine
Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG überschritten hat, nicht
an.
Veranlassung, die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers unter sonstigen
Gesichtspunkten in Zweifel zu ziehen, besteht nicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32, 34 ff. zum Baden-
Württembergischen Hochschulgebührengesetz.
b) Die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgeblichen Regelungen des
Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes stehen mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang.
Danach haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu
wählen. Geschützt sind nicht nur die Wahl der Ausbildungsstätte selbst, sondern auch die
im Rahmen der Ausbildung notwendigen Tätigkeiten wie Teilnahme am Unterricht und an
Prüfungen.
Die hier in Rede stehende Langzeitstudiengebühr berührt den Schutzbereich des aus Art.
12 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleiteten Teilhaberechts nicht (aa). Auch soweit die mit der
Gebührenpflicht beabsichtigte Einflussnahme auf die Gestaltung des Studiums die
Studienfreiheit beschränkt, halten sich die Regelungen im Rahmen des
Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (bb).
aa) Für Ausbildungsbereiche, die wie das Hochschulwesen faktisch weitgehend in
öffentlicher Hand monopolisiert sind, vermittelt Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot ein über das bloße Abwehrrecht gegen
Freiheitsbeschränkungen hinausgehendes Teilhaberecht auf Zulassung zu den
Ausbildungseinrichtungen. Dieses Teilhaberecht steht allerdings unter dem Vorbehalt des
Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft
beanspruchen kann.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -, BVerfGE 33, 303, 330 ff.;
Beschluss vom 22. Oktober 1991 - 1 BvR 393, 610/85 -, BVerfGE 85, 36, 53 f.
Es umfasst insbesondere nicht den Anspruch auf ein kostenloses Studium.
BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1996 - 6 C 1.94 -, BVerwGE 102, 142, 146 f.
Das Teilhaberecht kann von einer Studiengebührenregelung allenfalls dann in seinem
Schutzbereich berührt sein, wenn die Kosten eines staatlichen Ausbildungsangebotes
dazu führen, dass die Inanspruchnahme auf Auszubildende beschränkt bleibt, die über
entsprechend umfangreiche finanzielle Mittel verfügen, und damit die Besitzverhältnisse zu
einer unüberwindbaren sozialen Barriere werden. Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober
1996 - 6 C 1.94 -, a.a.O. und vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 - a.a.O.
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Dies ist für die Gebührenregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG schon deshalb nicht der
Fall, weil sie regelmäßig erst nach der 1,5-fachen Regelstudienzeit eingreift und bei
Vorliegen im einzelnen geregelter Ausnahme- und Privilegierungstatbestände oder
unbilliger Härten auch noch darüber hinaus ein gebührenfreies Studium zuläßt.
bb) Allerdings berührt die hier in Rede stehende Langzeitstudiengebührenregelung den
Schutzbereich des Freiheitsgrundrechts aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, soweit sie die
Studierenden zu einem zügigen Studium anhalten will und ein überlanges Studium nur
noch gegen Gebührenzahlung zulässt. Sie ist aber durch den Regelungsvorbehalt aus Art.
12 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt.
Der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst auch das Recht zur freien
Wahl der Ausbildungsstätte. Für die Frage, unter welchen materiellen Voraussetzungen die
Ausbildungsfreiheit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden kann,
sind die vom Bundesverfassungsgericht zur Berufsfreiheit entwickelten Grundsätze
entsprechend heranzuziehen. Danach verengt sich die Regelungsbefugnis um so mehr, je
stärker eine Regelung die Berufsfreiheit berührt. Steht ausschließlich eine Regelung der
näheren Modalitäten der Berufsausübung in Rede, ist sie mit der Berufsfreiheit vereinbar,
wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen und
die Betroffenen durch die Einschränkung nicht unzumutbar belastet werden. Regelungen
der Berufswahl unterliegen strengeren Voraussetzungen als Berufsausübungsregelungen.
Hängt die Zulassung zu einem Beruf von subjektiven Voraussetzungen ab, ist die
Regelung zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig, während die Aufstellung
objektiver Zulassungsvoraussetzungen nur zum Schutz besonders wichtiger
Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt ist.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377, 404 ff.; Beschluss
vom 17. Juli 1961 - 1 BvL 44/55 -, BVerfGE 13, 97, 104 f.
Die Gebührenpflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG ist nach ihrer Ausgestaltung einer
Berufsausübungsregelung vergleichbar und deshalb an den dafür in der Rechtsprechung
entwickelten Maßstäben zu messen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 - a.a.O. zur Langzeitstudiengebühr nach
dem Baden-Württembergischen Hochschulgebührengesetz; OVG Lüneburg, Beschluss
vom 13. Januar 2004 - 2 ME 364/03 -, DÖV 2004, 672 zum Niedersächsischen
Hochschulgebührengesetz.
Denn sie knüpft nicht etwa die Wahl und Aufnahme des Studiums an bestimmte
Voraussetzungen, sondern greift erst nach Ablauf einer bestimmten Studiendauer ein und
lässt ein Studium, das die Regelstudienzeit weit überschreitet, nur noch gegen
Kostenbeteiligung zu. Damit regelt das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz nicht die
Zulassung zur Hochschule, sondern Bedingungen, unter denen das Studienangebot in
Anspruch genommen werden kann.
Anderes gilt nicht etwa deshalb, weil die oder der Studierende bei Ausbleiben der
Gebührenentrichtung nach § 70 Abs. 3 lit. c) HG exmatrikuliert werden kann. Regelungen
über die Berufsausübung oder über die Modalitäten des Studiums werden grundsätzlich
nicht dadurch zu Berufs- oder Ausbildungswahlregelungen, dass an ihre Missachtung
Sanktionen geknüpft werden, die zu einem Ausschluss von der Berufs- oder Studiertätigkeit
führen. Die Exmatrikulation stellt in diesem Sinne nur eine mittelbare Folge der
Ausbildungsregelung dar und ist einer gesonderten Bewertung zu unterziehen.
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Ausbildungsregelung dar und ist einer gesonderten Bewertung zu unterziehen.
BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 - a.a.O.
Die Studiengebühr nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG ist durch vernünftige Erwägungen des
Gemeinwohls gerechtfertigt (1) und belastetet die Studierenden nicht unverhältnismäßig
(2).
(1) Ziel des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes ist es, die bisher nahezu
unbeschränkte Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums auf den Kern der Gewährleistung
des § 27 Abs. 4 Satz 1 HRG, nämlich die Ermöglichung des Erwerbs eines ersten sowie in
einem Konsekutivstudiengang auch eines weiteren berufsqualifizierenden
Studienabschlusses, zu beschränken. Damit sollen die Studierenden zu zügigem Studium
angehalten und eine stärkere Konzentration von finanziellen Mitteln und
Ausbildungskapazitäten im Bereich der den Prüfungsordnungen entsprechenden
Regelstudien erreicht werden.
Vgl. LT-Drs. 13/3023, S. 1, 19 ff.
Die Förderung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen bei effizientem Mitteleinsatz stellt
ein legitimes Gemeinwohlinteresse dar.
(2) Die zum Schutz und zur Förderung dieses Interesses eingeführte Studiengebühr erweist
sich in ihrer konkreten Ausgestaltung gegenüber den Betroffenen auch nicht als
unverhältnismäßig; denn sie ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich und
belastet die Betroffenen nicht unangemessen.
Bei der Bewertung der Geeignetheit einer gesetzlichen Vorschrift zur Erreichung des
gesetzgeberischen Ziels ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Auswahl der
jeweiligen Maßnahmen eine Prognoseentscheidung über deren Wirkungen treffen musste,
die durch die Unwägbarkeiten des weiteren Geschehensablaufs belastet ist. Deshalb muss
sich auch die gerichtliche Kontrolle auf die Überprüfung beschränken, ob die vom
Gesetzgeber zugrunde gelegte Prognose vertretbar ist und sich das gewählte Mittel nicht
von vornherein als schlechthin ungeeignet darstellt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1971 - 2 BvR 326 u.a./69 -, BVerfGE 30, 250, 262 ff.;
Urteil vom 3. November 1982 - 1 BvL 4/78 -, BVerfGE 61, 291, 313 f.; Beschluss vom 4.
Oktober 1983 - 1 BvR 1633, 1549/82 -, BVerfGE 65, 116, 125 f.; Urteil vom 23. Januar 1990
- 1 BvL 44/86 und 48/87 - , BVerfGE 81, 156, 192.
Die Gebührenpflichtigkeit des Studiums ab einer bestimmten Dauer ist geeignet, die
Studierenden zu zügigem Studium anzuhalten und damit die Effizienz und
Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu fördern. Denn es ist davon auszugehen, dass die
semesterbezogenen Kosten des Studiums im Regelfall - auch wenn der Studierende über
ausreichend finanzielle Mittel verfügt - ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung sind, in
welcher Zeit die erforderlichen Studien absolviert werden. Dies gilt nicht nur für diejenigen
Studierenden, die erst nach dem Inkrafttreten des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes mit dem Studium begonnen haben und im Hinblick auf die ab einer
bestimmten Studiendauer eintretende Gebührenpflicht angehalten werden, sich verstärkt
um eine Absolvierung des Studiums jedenfalls innerhalb der 1,5-fachen Regelstudienzeit
zu bemühen. Auch die Studierenden, die bereits länger studieren, werden durch die
Einführung der Gebührenpflicht veranlasst, ihr Studium möglichst bald zu beenden, um das
Eintreten der Gebührenpflicht zu vermeiden oder zumindest die Anzahl der
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gebührenpflichtigen Semester möglichst gering zu halten. Es ist nichts dafür ersichtlich,
dass die Gruppe der Studierenden, für die die Kosten des Studiums ohne jegliche
Bedeutung sind, eine Größenordnung hätte, die die grundsätzliche Eignung von
Langzeitstudiengebühren zur Verkürzung der Studienzeiten ernsthaft in Zweifel ziehen
könnte.
Auch der Gesichtspunkt, die finanzielle Belastung der Studierenden durch die
Gebührenerhebung führe wegen verstärkter Erwerbstätigkeit tatsächlich zur Verlängerung
der Studiendauer, kann die Lenkungswirkung des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetz hin zu einem zügigeren Studium nicht grundlegend in Frage stellen.
Denn zum einen betrifft diese Überlegung nur den Teil der Studierenden, die bereits zum
Sommersemester 2004 gebührenpflichtig geworden sind. Zum andern tritt auch bei dieser
Gruppe von Studierenden der beschriebene Effekt nicht zwangsläufig ein. Auf der
Grundlage der Erkenntnisse der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und
der vom Statistischen Bundesamt erhobenen Daten ist davon auszugehen, dass die
Erwerbstätigkeit bei zunehmendem Alter der Studierenden nicht nur der Sicherung des
notwendigen Lebensunterhaltes, sondern auch der Ermöglichung eines höheren
Lebensstandards dient,
BMinBF, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik
Deutschland 2003, 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, S. 195 ff.
Deshalb kann die Mehrbelastung durch die Studiengebühr von monatlich rund 110,00 EUR
auch ohne oder nur geringfügige weitere Erwerbstätigkeit durch vorübergehende
Einschränkung des Lebensstandards aufgefangen werden. Tragfähige Anhaltspunkte
dafür, dass diese Möglichkeit von den Betroffenen von vornherein nicht in Betracht
gezogen wird, sind nicht erkennbar.
Ebenso wenig wird die Eignung von Studiengebühren zur Steuerung des
Studienverhaltens grundsätzlich durch die Möglichkeit in Frage gestellt, dass andere
persönliche Umstände stärkeren Einfluss auf die Lebens- und Ausbildungsgestaltung
nehmen können als die Kosten des Studiums und deshalb die Lenkungsfunktion der
Gebühr im Einzelfall ins Leere geht. Zudem wird es sich insoweit nicht selten um
Lebensumstände handeln (familiäre Verhältnisse, gesundheitliche Einschränkungen), die
der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber durch Schaffung von Sonderregelungen zur
Modifizierung der Gebührenpflicht (Bonusguthaben gemäß § 5 StKFG i.V.m. § 9 RVO-
StKFG NRW, Härtefallregelung gemäß § 13 Abs. 1 StKFG i.V.m. § 14 RVO-StKFG NRW)
als Belange anerkannt hat, die im Verhältnis zu dem Beschleunigungsziel schutzwürdig
sind.
Erweist sich demnach die Gebührenerhebung ab einer bestimmten Studiendauer
grundsätzlich als geeignet, die Studierenden zu zügigerem Studium anzuhalten, kommt
dem Gesichtspunkt, dass die Gebührenerhebung ihrerseits mit Kosten verbunden ist, keine
maßgebliche Bedeutung zu. Zudem stehen diesem Kostenaufwand die tatsächlichen
Gebühreneinnahmen als auch die Kosteneinsparungen gegenüber, die durch eine
raschere Beendigung der Studien erzielt werden.
Die Einführung von Studiengebühren ab einer bestimmten Studiendauer ist auch zur
Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich. Andere geeignete, aber weniger
einschneidende Maßnahmen werden weder von den Beteiligten aufgezeigt, noch sind
solche sonst ersichtlich. Insbesondere würden Immatrikulationsverbote zur Verhinderung
von (mehrfachen) Studiengangwechseln die Ausbildungsfreiheit stärker beeinträchtigen als
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Langzeitstudiengebühren.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Juni 2000 - 2 S 1860/99 -, DVBl 2000, 1782,
1788, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O.
Die Erhebung einer Studiengebühr nach Verbrauch des Studienguthabens stellt auch
keine unangemessene Belastung der Studierenden dar. Die Gebührenpflicht tritt erst ein,
wenn die komplette Studiendauer das 1,5-fache der Regelstudienzeit für das Studienfach,
in dem der Studierende aktuell eingeschrieben ist, übersteigt. Damit besteht grundsätzlich
für jeden Studierfähigen eine realistische Möglichkeit, einen ersten berufsqualifizierenden
Abschluss durch Inanspruchnahme eines gebührenfreien Studiums zu erlangen. Mit der die
Regelstudienzeit um die Hälfte überschreitenden Bemessung der Höchstdauer des
gebührenfreien Studiums bleibt auch Raum für eine individuelle Gestaltung des Studiums
einschließlich des 'studium generale'. Damit ist sichergestellt, dass nicht jede Abweichung
von dem den Prüfungsordnungen zugrundeliegenden Studienaufbau, die mit Blick auf
individuelle Erwägungen oder Lebensumstände sinnvoll oder unvermeidlich sein mag,
unmittelbar gebührenauslösend ist.
Darüber hinaus wird der besonderen Bedeutung der Auswahl eines Studiengangs für den
Erfolg des Studiums und der späteren Berufsausübung dadurch Rechnung getragen, dass
nach § 2 Abs. 3 StKFG i.V.m. § 4 RVO-StKFG NRW bei einem Studiengangwechsel bis zu
Beginn des dritten Hochschulsemesters erneut ein vollständiges Studienguthaben gewährt
wird; damit unterbleibt faktisch eine Anrechnung einer bis zu zweisemestrigen
"Orientierungsphase" auf die Höchstdauer des gebührenfreien Studiums. Bei der näheren
Ausgestaltung dieses ausschließlich an der Studiendauer orientierten Grundkonzepts einer
Langzeitstudiengebühr hat der Gesetz- und Verordnungsgeber zahlreichen individuellen
und studienfachspezifischen Umständen Rechnung getragen, die ein Verlängern der
Studiendauer rechtfertigen können. Dazu gehören die Regelungen über die Erhöhung des
Studienguthabens durch Gewährung von Bonusguthaben nach § 5 StKFG i.V.m. § 9 RVO-
StKFG NRW wegen besonderer persönlicher Belastungen oder besonderen
hochschulpolitischen Engagements, die Vorschriften über die Ausnahmen von der
Gebührenpflicht gemäß § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StKFG i.V.m. § 13 RVO-StKFG NRW
etwa bei Beurlaubung oder Ableistung von Praxis- und Auslandssemestern und die
Bestimmungen über den Erlass oder die Reduzierung der Gebühren nach § 14 RVO-
StKFG NRW i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 StKFG bei wirtschaftlichen Notlagen im
Zusammenhang mit besonderen familiären Belastungen oder im Rahmen der
Studienabschlussprüfung und bei sonstigen Fällen unbilliger Härten. Auf diese Weise ist
Gewähr dafür geschaffen, dass auch die Ausbildungsfreiheit der Studierenden, denen es
aufgrund schutzwürdiger persönlicher oder studiumsbezogener Gesichtspunkte nicht
möglich ist, innerhalb der 1,5-fachen Regelstudienzeit einen ersten berufsqualifizierenden
Abschluss zu erlangen, durch die Einführung der Studiengebühr nicht unzumutbar
beschränkt wird. Insbesondere die allgemeine Härtefallregelung bietet die Möglichkeit,
auch in ungewöhnlichen, vom Gesetz- und Verordnungsgeber nicht konkret
vorhergesehenen Einzelfallkonstellationen einen übermäßigen Eingriff in die
Ausbildungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG zu vermeiden.
c) Die Einführung eines Studienkontensystems mit Anfall einer Studiengebührenpflicht bei
Erschöpfung des Studienguthabens zum Sommersemester 2004 verletzt auch nicht das
aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vertrauensschutzprinzip.
Den Regelungen des am 1. Februar 2003 in Kraft getretenen Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes kommt keine (echte) Rückwirkung zu. Denn ihr zeitlicher
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Anwendungsbereich ist ausschließlich in die Zukunft gerichtet. Die Gebühr nach § 9 StKFG
ist erstmalig für das Sommersemester 2004 zu entrichten (§ 15 Abs. 1 StKFG) und fällt
gemäß § 15 RVO-StKFG NRW mit der Immatrikulation oder Rückmeldung für dieses
Semester an, wenn kein Studienguthaben zur Verfügung steht.
Allerdings knüpft der Gebührentatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG hinsichtlich der
Voraussetzung, dass kein Studienguthaben zur Verfügung steht, auch an
Rechtsbeziehungen an, die in der Vergangenheit begründet wurden und noch nicht
abgeschlossen sind. Denn gemäß § 6 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StKFG werden von dem zum
Sommersemester 2004 eingeräumten Studienguthaben auch für Hochschulsemester vor
dem Sommersemester 2004 Regelabbuchungen vorgenommen, soweit der Studierende an
einer Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes eingeschrieben war.
Eine solche 'tatbestandliche Rückanknüpfung' oder 'unechte Rückwirkung' von Gesetzen
ist grundsätzlich zulässig. Jedoch ergeben sich auch für derartige Regelungen -
insbesondere in grundrechtsrelevanten Bereichen - verfassungsrechtliche Schranken aus
den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit sowie der Verhältnismäßigkeit. Diese
sind überschritten, wenn der Einzelne sein Vertrauen auf den Fortbestand der bestehenden
Rechtslage durch konkrete Grundrechtsbetätigung ins Werk gesetzt hat und die
Enttäuschung dieses Vertrauens schwerer wiegt als die Interessen der Allgemeinheit an
der Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 1978 - 2 BvR 71/76 -, BVerfGE 48, 403, 413 ff., vom
13. Mai 1986 - 1 BvR 99, 461/85 -, BVerfGE 72, 175, 196, vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -,
BVerfGE 72, 200, 241 ff. und vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 -, BVerfGE 95, 64, 86.
Nach diesen Maßstäben erweist sich die unechte Rückwirkung des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes als verfassungsgemäß.
Ziel des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes ist es, vor dem Hintergrund einer
angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation möglichst kurzfristig durch
Kostenreduzierung sowie konzentriertere Nutzung der vorhandenen Ausbildungsangebote
der Hochschulen auf die begrenzten Ausbildungskapazitäten und die finanziellen
Belastungen der Hochschule zu reagieren, ohne die Möglichkeit eines gebührenfreien,
berufsqualifizierenden Erststudiums im Kern in Frage zu stellen.
Vgl. LT-Drs. 13/3023, S. 1, 19 f.
Die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Hochschulen stellt - wie ausgeführt - ein
berechtigtes und gewichtiges Gemeinwohlinteressen dar. Zugleich besteht ein erhebliches
Interesse der Allgemeinheit daran, Maßnahmen zur Reduzierung der Hochschulkosten und
zur Optimierung der Nutzung der vorhandenen Mittel und Ausbildungskapazitäten
baldmöglichst zur Anwendung und Wirkung zu bringen. Diesem Interesse kann nur durch
Regelungen ausreichend Rechnung getragen werden, die auch auf Studierende
Anwendung finden, die ihr Studium bereits vor Inkrafttreten der jeweiligen Regelungen
begonnen haben. Denn nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zur
Zusammensetzung der Studierendenschaft,
vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 11/Reihe 4.1, Bildung und Kultur, Studierende an
Hochschulen, Wintersemester 2003/2004, Tabelle S. 369: von 1.738.834 an einer
deutschen Hochschule für ein Erststudium eingeschriebenen Studierenden befanden sich
702.938 in den ersten drei Semestern,
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betrug der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtzahl der Studierenden zum
Sommersemester 2004 ca. 60%. Nach Auskunft des Ministeriums für Wissenschaft und
Forschung wurden für das Sommersemester an 27% der im Wintersemester 2003/2004
immatrikulierten Studierenden Gebührenbescheide nach § 9 StKFG verschickt. Diese
Zahlen verdeutlichen, dass das Studienkonten- und - finanzierungsgesetz für die aktuelle
Situation an den Hochschulen nahezu wirkungslos bliebe, wäre sein Anwendungsbereich
auf Studierende beschränkt, die ihr Studium erst nach Inkrafttreten des Gesetzes
aufgenommen haben.
Die Rückanknüpfung der Voraussetzungen für die Entstehung der Gebührenpflicht an
Studiensemester, die vor Einführung der Gebührenpflicht absolviert wurden, läuft zwar der
Erwartung der Studierenden zuwider, ihr bisheriges Studienverhalten werde ohne
gebührenrechtliche Auswirkungen bleiben. Das damit verbundene Vertrauen ist jedoch
nicht schutzwürdig; ihm kann kein Gewicht beigemessen werden, das die Interessen der
Allgemeinheit an einer kurzfristigen Reduzierung der Hochschulkosten und Optimierung
der Studienabläufe überwiegt.
Die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Hochschulwesens haben nur
bedingt Veranlassung für die Bildung eines Vertrauens gegeben, ein einmal begonnenes
Studium unbegrenzt gebührenfrei fortsetzen zu können. Ein allgemeines Vertrauen in den
Fortbestand der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Rechtslage ist schon
grundsätzlich nicht schutzwürdig. Für den vorliegenden Sachverhalt ist ferner zu
berücksichtigen, dass die Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums durch
Erhebung von Hochschulgebühren jedenfalls bis 1970 die Regel war. Auch das Festhalten
am Begriff der Regelstudienzeit (§ 10 Abs. 2 HRG, § 84 WissHG, § 85 HG) und die
Ausrichtung der Ausbildungsförderung an dieser nach Hochschulart und Studiengang
gestaffelten Studiendauer (§ 15a BAföG) steht der Ausbildung eines schutzwürdigen
Vertrauens in die folgenlos unbegrenzte Inanspruchnahme des Lehrangebots der
Hochschulen entgegen. Zwar wurde die Gebührenfreiheit von Studien bis zum ersten
berufsqualifizierenden Abschluss im Jahr 2000 im Rahmen der Neuregelung des
Hochschulwesens in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich in das Hochschulgesetz (§ 10 Satz
1) aufgenommen. Jedoch war dies gerade - wie die Klägerin selbst vorträgt - eine Reaktion
auf die im politischen Raum verstärkt geführte Diskussion um die Einführung von
Studiengebühren. Diese Diskussion hat auch mit dem Inkrafttreten des § 10 Satz 1 HG kein
Ende gefunden, sondern 2002 zur Einfügung des Absatzes 4 in § 27 HRG geführt. Dieser
übernimmt zwar wörtlich die Formulierung des § 10 Satz 1 HG zur Gebührenfreiheit eines
berufsqualifizierenden Erst- und Konsekutivstudiums, eröffnet aber in einem zweiten Satz
die Möglichkeit für landesrechtliche Ausnahmeregelungen. Diese Öffnungsklausel war
Ergebnis einer Diskussion über Studienkontenmodelle zur Einflussnahme auf die
Studiendauer und Ermöglichung einer Gebührenpflicht für Langzeitstudien.
Vgl. BT-Drs 14/8361, S. 5.
Dem Interesse der Allgemeinheit an einer raschen Kostenreduzierung im Hochschulwesen
und einem beschleunigten Einwirken auf die Studiendauer ist auch deshalb höheres
Gewicht einzuräumen, weil das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz dem Vertrauen
auf ein gebührenfreies berufsqualifizierendes Erststudium in ausreichendem Umfang
Rechnung getragen hat. Bis zur Dauer der 1,5-fachen Regelstudienzeit bleibt das
Erststudium auch weiterhin gebührenfrei; Studiengebühren fallen erst für Studiensemester
nach Überschreiten dieser Studiendauer an. Angesichts der großzügigen Bemessung der
studiengebührenfreien Studiendauer kann der Anfall von Studiengebühren durch eine
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effektive Studiengestaltung im Regelfall vermieden werden. Dies gilt auch für Studierende,
die ihr Studium bereits vor dem Sommersemester 2004 begonnen haben. Denn auch bei
diesen kann davon ausgegangen werden, dass sie ihr Studium mit dem Ziel einer
erfolgreichen Beendigung in einem - im Hinblick auf die angestrebte anschließende
Berufstätigkeit - realistischen Zeitraum betrieben haben und deshalb ebenfalls im Regelfall
in der Lage sind, das Studium innerhalb der 1,5- fachen Regelstudienzeit zuzüglich der
Übergangszeit von zwei Semestern, die durch das Inkrafttreten des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes bereits zum 1. Februar 2003 entstanden ist, abzuschließen. Im
Übrigen mussten die Studierenden sich bereits seit der Einbringung des Gesetzesentwurfs
der Landesregierung in den Landtag am 25. September 2002 (LT-Drs. 13/3023) auf eine
mögliche Gebührenerhebung für Langzeitstudierende einstellen; insoweit verblieben ihnen
sogar drei Semester.
Deshalb ist die durch das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz geschaffene Situation
der Studierenden auch nicht mit den Sachverhalten vergleichbar, die den Entscheidungen
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 11. September 2001 - 16 A 4702/99 -, OVGE 48, 218,
und des Bundesverfassungsgerichtes,
Beschlüsse vom 6. April 2000 - 1 BvL 18/99 -, NVwZ 2000, 910 und vom 12. März 2003 - 1
BvR 9894/01 -, juris,
zu Einzelfragen des achtzehnten Änderungsgesetzes zum Ausbildungsförderungsgesetz
zugrunde lagen. Anlass dieser Verfahren war die nachträgliche Beseitigung von
förderungsrechtlichen Privilegierungstatbeständen, mit denen ein Anreiz für ein bestimmtes
Verhalten - etwa die Absolvierung eines Auslandssemesters - geschaffen werden sollte.
Vorliegend fehlt es an einer vergleichbaren Vertrauenslage. Denn zum einen war es nicht
Ziel der in § 10 Satz 1 HG geregelten Studiengebührenfreiheit, die Studierenden zu einem
zeitlich unbegrenzten, die Regelstudienzeit weit überschreitenden Studium anzuhalten.
Zum anderen bleibt die Studiengebührenfreiheit nach Einführung einer
Langzeitstudiengebühr in ihrem Kern erhalten.
Darüber hinaus wird ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Studierenden, deren
Studiendauer zum Sommersemester 2004 das 1,5-fache der jeweiligen Regelstudienzeit
überschreitet, denen aber ein Abschluss des Studiums bis zum Ende des Wintersemesters
2003/2004 nicht möglich war, dadurch vor dem Eingreifen der Gebührenpflicht bewahrt,
dass die oben bereits näher dargestellten Sonder-, Ausnahme- und Härtefallregelungen zu
einer Verlängerung der gebührenfreien Studienzeit, zu Ausnahmen von der
Gebührenpflicht oder zum Erlass oder der Reduzierung der Gebühr führen.
'Planmäßig' nach Überschreitung der 1,5-fachen Regelstudienzeit von der Gebührenpflicht
erfasst werden demgegenüber die Studierenden, die für ihre lange Studiendauer keine der
vom Gesetz privilegierten Gründe geltend machen können. Dies ist insbesondere die
Gruppe von Studierenden, deren Studienverlauf nicht erkennen lässt, dass ein
berufsqualifizierender Abschluss ernsthaft und innerhalb einer realistischen Dauer
angestrebt wird. Deren Vertrauen, die Hochschulen auf Kosten der Allgemeinheit
unbegrenzt in Anspruch nehmen zu können, ist nicht schutzwürdig. Insbesondere diese
Gruppe von Studierenden kurzfristig zu erfassen und mit einer Studiengebühr zu belegen,
war legitimes Interesse des Gesetzgebers.
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d) Die mit dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz eingeführte Studiengebühr
begegnet auch hinsichtlich ihrer Höhe keinen Bedenken.
Die Höhe der jeweils für ein Semester zu erhebenden Gebühr beträgt nach § 12 Abs. 1
Satz 1 RVO-StKFG NRW 650,00 EUR. Diese Regelung der Gebührenhöhe durch den
Verordnungsgeber findet in § 13 Abs. 1 Satz 2 StKFG ihre Ermächtigungsgrundlage.
Durchgreifende Bedenken gegen die Festlegung der Gebührenhöhe durch den
Verordnungsgeber bestehen nicht. Insbesondere war der Gesetzgeber weder durch Art. 70
LV NRW noch durch den aus dem Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsgrundsatz und den
Grundrechten folgenden Parlamentsvorbehalt, also die Pflicht insbesondere im Bereich der
Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, BVerfGE 47,
46, 78 zur Einführung einer Sexualerziehung in den Schulen,
gehindert, die Bestimmung der Höhe der Gebühr auf den Verordnungsgeber zu übertragen.
Der Gesetzgeber hat den rechtlichen Rahmen für die Festsetzung der Gebührenhöhe
ausreichend bestimmt. Er hat dem Verordnungsgeber das sich aus der Gesamtkonzeption
des Gesetzes ergebende Ziel der Gebührenpflicht vorgegeben, nämlich die Studierenden
einerseits zu einer das Entstehen der Gebührenpflicht möglichst vermeidenden
Studiengestaltung anzuhalten und andererseits bei 'überlanger' Inanspruchnahme der
Hochschuleinrichtungen zu einem spürbaren aber grundsätzlich tragbaren
Vorteilsausgleichs heranzuziehen. Ferner hat er den Verordnungsgeber in § 13 Abs. 1 Satz
3 StKFG auf die wesentlichen Gebührenbemessungs- und -erhebungsregeln des
nordrhein- westfälischen Gebührengesetzes (§§ 3 bis 6, 9 bis 22, 25 Abs.1, 26 bis 28 GebG
NRW) verpflichtet. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die vorläufige Festlegung der
Gebührenhöhe auf 650,00 EUR bis zum Erlass der Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1
Satz 2 StKFG,
vgl. § 1 Abs. 1 der zugleich mit dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz erlassenen
'Bestimmungen über die Erhebung der Gebühren nach dem Studienkonten- und -
finanzierungsgesetz' (Art. 3 des Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes
und zur Erhebung von Hochschulgebühren sowie zur Änderung des Hochschulgesetzes
vom 28. Januar 2003, GVBl S. 36),
diese inhaltlichen Vorgaben auch betragsmäßig konkretisiert und damit eine Orientierung
für die Festsetzung der Gebührenhöhe gegeben, ohne den Verordnungsgeber auf diesen
Betrag festzulegen.
Die Gebührenhöhe begegnet auch im Hinblick auf die für die Erhebung von Abgaben
geltenden Grundsätze keinen Bedenken. Insbesondere wird sie dem Äquivalenzprinzip
gerecht; die erhobene Gebühr steht nicht außer Verhältnis zu der mit ihr abgegoltenen
staatlichen Leistung. Die Studiengebühr wird von den Studierenden mit der Immatrikulation
bzw. Rückmeldung (§§ 13 Abs. 1 Satz 2 StKFG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 RVO-StKFG NRW)
erhoben, wenn kein Studienguthaben zur Verfügung steht. Damit stellt sich die Gebühr als
Abgeltung des Vorteils dar, der mit der Immatrikulation oder Rückmeldung erworben wird,
nämlich der Möglichkeit, das Lehrangebot sowie die Lehrmittel der Hochschule und deren
sonstige Einrichtungen in Anspruch nehmen zu können.
vgl. zur Einstufung der Langzeitstudiengebühr nach dem Baden-Württembergischen
Hochschulgebührengesetz: VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 6. April 2000 - 2 S
1860/99 - , a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O.
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Der Wert dieser staatlichen Leistung bestimmt sich zunächst nach den Kosten, die seitens
der öffentlichen Hand aufgewandt werden, um dem einzelnen Studierenden das Studium
zu ermöglichen. Aufgrund der Daten, die sich aus dem "Bericht zur finanziellen Lage der
Hochschulen 2003" des Statistischen Bundesamtes,
Statistisches Bundesamt, Bericht zur finanziellen Lage der Hochschulen 2003 des
Statistischen Bundesamtes, S. 62, 87, 104, 110, 122 f.: durchschnittlicher jährlicher Bedarf
öffentlicher Mittel je Studierender in Nordrhein-Westfalen 2001: 5.700,00 Euro bei
Schwankungen je nach Fachbereich und Hochschulform zwischen ca. 30% und 600%,
sowie der Mitteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung,
Schriftsatz vom 12. November 2004: die durchschnittlichen Ausgaben des Landes je
Studienplatz belaufen sich auf jährlich 6.486,73 EUR,
ergeben, ist ohne weitergehende Ausführungen davon auszugehen, dass die
Gebührenhöhe von 650,00 EUR selbst bei weniger kostenintensiven Studiengängen und
auch in weniger kostenträchtigen Studienphasen unterhalb der tatsächlichen Kosten der
öffentlichen Hand für die Bereithaltung des Studienangebotes sowie dessen
Inanspruchnahme liegt.
Die Gebührenhöhe begegnet auch insoweit keinen Bedenken, als sie für sämtliche
Hochschulformen und Studiengänge einheitlich festgesetzt wurde, ohne nach den
tatsächlich in unterschiedlicher Höhe entstehenden Studienkosten zu differenzieren. Eine
einheitliche Gebührenhöhe ist mit Blick auf die Praktikabilität und
Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt, ohne dass damit die Grenzen des aus Art. 3 Abs.
1 GG erwachsenden Gebots der verhältnismäßigen Belastungsgleicheit der
Gebührenschuldner überschritten würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine
Deckung der Gesamtkosten des konkreten Studiengangs mit der Gebührenerhebung
offensichtlich nicht bezweckt wird. Vielmehr stellt sich die Gebühr aufgrund ihrer im
Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten geringen Höhe eher als Grundgebühr für die
individuell eröffnete Möglichkeit dar, die Leistungen der Hochschule - auch über das
Lehrangebot für das konkrete Studienfach hinaus - nach weitgehend freier Gestaltung in
Anspruch zu nehmen. Die einheitliche Gebührenhöhe entspricht auch dem weiteren, alle
Studierenden unterschiedslos erfassenden Ziel der Gebührenerhebung, nämlich die
Studierenden zu einem zügigen, konzentrierten Studium anzuhalten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O. zur einheitlichen
Gebührenerhebung nach dem baden-württembergischen Hochschulgebührengesetz;
BayVGH, Urteil vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 -, juris, zur Zweitstudiengebühr nach dem
Bayerischen Hochschulgesetz.
Rechtliche Bedenken, die mit einer Gebühr bezweckte Vorteilsabschöpfung mit einer
Verhaltenssteuerung zu verbinden, bestehen nicht.
BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217, 225 ff.; BVerwG,
Urteile vom 20. Dezember 2000 - 11 C 7.00 -, BVerwGE 112, 297, 304 ff. und vom 25. Juli
2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O.
2. Die Heranziehung der Klägerin zur Studiengebühr nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG für das
Sommersemester 2004 ist jedoch rechtswidrig, weil der Klägerin für das Sommersemester
2004 noch Studienguthaben zur Verfügung steht.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 2 Abs. 3 StKFG auch auf Studierende
anwendbar, die - wie die Klägerin - ihr Studium vor dem Sommersemester 2004
aufgenommen haben (a). Die Anwendung des § 2 Abs. 3 StKFG auf die Klägerin hat zur
Folge, dass ihr zum Sommersemester 2004 noch ein Studienguthaben im Umfang von
einer Regelabbuchung zur Verfügung steht, weil das zweite Hochschulsemester, während
dessen die Klägerin für den Studiengang Pädagogik eingeschrieben war, im Ergebnis
ohne Einfluss auf den aktuellen Umfang ihres Studienguthabens bleibt (b).
a) Gemäß § 2 Abs. 3 StKFG wird bei Studiengangwechseln bis zum Beginn des dritten
Hochschulsemesters erneut ein vollständiges Studienguthaben gewährt. Diese Regelung
ist uneingeschränkt auf alle Studierenden anwendbar, denen gemäß §§ 2 Abs. 2, 4 StKFG
Studienkonten eingerichtet wurden.
Weder § 2 Abs. 3 StKFG noch eine sonstige Vorschrift des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes enthalten ausdrückliche Bestimmungen über den
Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 StKFG; insbesondere fehlt es an einer ausdrücklichen
Regelung, die den Anwendungsbereich auf die Gruppe der Studierenden beschränkt, die
ihr Studium nicht vor dem Sommersemester 2004 begonnen haben. Auch die Formulierung
"wird erneut ein vollständiges Studienguthaben gewährt" in § 2 Abs. 3 StKFG bietet keinen
Anlass zu einem den Anwendungsbereich einengenden Verständnis der Vorschrift.
Vielmehr entspricht es dem in den Regelungen über die Regelabbuchungen in § 6 Abs. 1
StKFG zum Ausdruck kommenden Bestreben des Gesetzgebers, die in der Vergangenheit
liegenden Studienzeiten gebührenrechtlich möglichst den zukünftigen vergleichbar zu
behandeln.
Die in § 2 Abs. 3 StKFG bestimmte Sonderregelung über die erneute Gewährung eines
vollständigen Studienguthabens bei Studiengangwechseln bis zum Beginn des dritten
Hochschulsemesters muss im Zusammenhang mit den sonstigen Vorschriften über die
Gewährung und den Verbrauch von Studienguthaben gesehen werden. Das nach § 4
StKFG zum Sommersemester 2004 gewährte Studienguthaben wird nach § 6 StKFG durch
Regelabbuchungen sowohl für zukünftige als auch für bereits in der Vergangenheit
absolvierte Hochschulsemester verbraucht. Während die Regelabbuchungen für zukünftige
Semester nur in zeitlichem Zusammenhang mit dem jeweiligen Semester vorgenommen
werden können, müssen die Abbuchungen für vergangene Semester schon mit der
Einrichtung des Studienkontos gesammelt durchgeführt werden, um den Umfang des zum
Sommersemester 2004 noch zur Verfügung stehenden Studienguthabens zu bestimmen.
Dies hindert nicht, auch den Abbuchungsvorgang für vergangene Hochschulsemester wie
für zukünftige Semester in aufeinanderfolgende Abbuchungsschritte für jedes Semester
aufzuteilen. Diese Vorgehensweise bei Regelabbuchungen erfährt für den Fall des
Studiengangwechsels durch die Sonderregelung des § 2 Abs. 3 StKFG eine Modifizierung:
Nimmt ein Studierender zum zweiten oder dritten Hochschulsemester einen
Studiengangwechsel vor, wird der bisherige Abbuchungsvorgang abgebrochen und
beginnend mit dem ersten Semester des neuen Studiengangs ein neuer
Abbuchungsvorgang von einem erneut gewährten, vollständigen Studienguthaben in Gang
gesetzt. Dem oder der Studierenden steht ab dem Zeitpunkt des Studiengangwechsels
nochmals ein vollständiges Studienguthaben zur Verfügung, dessen Umfang sich nach der
Regelstudienzeit für den neuen Studiengang bestimmt. Die vorangegangenen ein oder
zwei Hochschulsemester bleiben also im Ergebnis ohne Einfluss auf den Verbrauch des
Studienguthabens und dem davon abhängigen Eintritt der Gebührenpflicht. Diese bei
einem Studiengangwechsel bis zum dritten Hochschulsemester nach § 2 Abs. 3 StKFG
vorgesehene, modifizierte Abbuchungsweise ist sowohl auf zukünftige als auch auf bereits
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112
zurückliegende Hochschulsemester anwendbar. Auch bei gebündelter Abbuchung für die
Vergangenheit kann semesterweise so vorgegangen werden, dass nach einem
Studiengangwechsel zum zweiten oder dritten Hochschulsemester der mit der
Regelabbuchung für das erste Hochschulsemester begonnene Abbuchungsvorgang
abgebrochen, erneut ein vollständiges Guthaben angesetzt wird und die
Regelabbuchungen für die nachfolgenden Semester zu Lasten dieses neuen Guthabens
vorgenommen werden. Als Folge dieser Vorgehensweise bleiben die dem Studienwechsel
vorangegangenen Hochschulsemester ohne Einfluss auf den Umfang des zum
Sommersemester 2004 noch zur Verfügung stehenden Studienguthabens.
Die Anwendung des § 2 Abs. 3 StKFG auf Studiengangwechsel bis zum Sommersemester
2004 entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Entgegen der Ansicht des
Beklagten kommt der Sonderregelung des § 2 Abs. 3 StKFG nicht lediglich eine
Lenkungsfunktion zu. Zwar soll sie auch einen Anreiz schaffen, sich möglichst frühzeitig
über die endgültige Studiengangwahl klar zu werden und kurzfristig auf Zweifel an der
bereits getroffenen Wahl zu reagieren. Dies entspricht dem differenzierten Ziel des
Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes, unter Wahrung einer realistischen Möglichkeit
zum gebührenfreien Erwerb eines berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses den
effektiven Einsatz der begrenzten Ausbildungskapazitäten zu fördern und den Aufwand
öffentlicher Mittel für das Hochschulwesen möglichst zu begrenzen.
vgl. LT-Drs 13 /3023, S. 1, 19 ff.
Darin erschöpft sich die Regelungsabsicht jedoch nicht. Der Gesetzgeber trägt vielmehr mit
dieser Sonderregelung insbesondere dem Umstand Rechnung, dass in nicht wenigen
Fällen der gewählte Studiengang nicht den Erwartungen und Neigungen des oder der
Studierenden entspricht und deshalb in den Anfangssemestern eine Umorientierung
stattfindet. Da die Wahl des Studiengangs von nicht unerheblicher Bedeutung für den
Erfolg des Studiums und der späteren Berufstätigkeit ist, kann ein frühzeitiger
Studiengangwechsel sinnvoll sein. Damit der oder dem Studierenden noch ausreichend
Zeit zur erfolgreichen Beendigung des schließlich gewählten Studiengangs verbleibt, soll
sich ein Studienwechsel innerhalb einer zweisemestrigen Orientierungsphase
gebührenrechtlich nicht auswirken. Hiermit korrespondiert, dass auch nach § 7 Abs. 3
BAFöG ein früher Studiengangwechsel keine negativen Folgen für die Förderungsdauer
haben soll.
Sieht sich das Gesetz also veranlasst, eine bestimmte Studiengestaltung unter
Effizienzgesichtspunkten grundsätzlich zu tolerieren und von negativen
gebührenrechtlichen Folgen freizustellen, kann es nicht darauf ankommen, ob die
entsprechende Gestaltung des Studiums unter dem Eindruck der gesetzlichen Vorgaben
oder unabhängig davon vorgenommen wurde. Der abweichenden Auffassung des
Beklagten, eine Beschränkung der (unmittelbaren) Anwendung des § 2 Abs. 3 StKFG auf
Studiengangwechsel nach dem Sommersemester 2004 sei gerechtfertigt, weil davon
ausgegangen werden könne, dass die unter dem Eindruck drohender
Langzeitstudiengebühren vorgenommenen Studiengangwechsel eher auf einer ernsthaften
und mit Blick auf eine zügige Studiumsbeendigung getroffenen Entscheidung beruhten,
kann nicht gefolgt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einschätzung des
Beklagten über die Qualität der Wechselentscheidung zutreffend ist. Denn der Gesetzgeber
hat davon abgesehen, die Privilegierung eines frühen Studiengangwechsels davon
abhängig zu machen, dass dieser sich im Ergebnis tatsächlich als einem effektiven
Studium förderlich erweist. Weder § 2 Abs. 3 StKFG noch sonstige Regelungen des
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Studienkonten- und - finanzierungsgesetzes knüpfen den Eintritt der Rechtsfolge des § 2
Abs. 3 StKFG an das Vorliegen weiterer Voraussetzungen (etwa die erfolgreiche
Beendigung des neuen Studiengangs) oder das Ausbleiben bestimmter Umstände (etwa
weitere Studiengangwechsel).
b) Hiervon ausgehend verfügt die Klägerin zum Sommersemester 2004 noch über ein
Studienguthaben. Die Regelstudienzeit für den Studiengang Bibliothekswesen, in den die
Klägerin eingeschrieben ist, beträgt 8 Semester (§ 4 Abs. 1 Diplomprüfungsordnung
Bibliothekswesen). Demnach wird das Studienguthaben der Klägerin nach §§ 4 Abs. 1, 6
Abs. 1 und 2 StKFG durch 12 Regelabbuchungen verbraucht. Zwar war die Klägerin bis
einschließlich Wintersemester 2003/2004 für zwölf Semester an einer deutschen
Hochschule eingeschrieben (Wintersemester 1993/1994 bis Sommersemester 1994,
Sommersemester 1998 bis Sommersemester 2000, Wintersemester 2001/2002 bis
Wintersemester 2003/2004). Jedoch führen die für die bereits vergangene Studienzeit nach
§ 6 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StKFG vorzunehmenden Regelabbuchungen im Ergebnis nicht zu
einem vollständigen Verbrauch des Studienguthabens der Klägerin. Vielmehr war der nach
Maßgabe des 6 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StKFG vorzunehmende Abbuchungsvorgang vom
Studienkonto der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 StKFG sowohl nach dem ersten als auch nach
dem zweiten Hochschulsemester zu unterbrechen und jeweils zu Lasten eines neuen
Studienguthabens fortzusetzen. Dabei bleiben nach den obigen Ausführungen sowohl die
vierjährige Studienunterbrechung nach dem zweiten Hochschulsemester als auch der
weitere Studiengangwechsel nach dem sechsten Hochschulsemester ohne Bedeutung.
Von dem zuletzt zu Beginn des dritten Hochschulsemesters gewährten vollständigen
Studienguthaben waren nach § 6 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StKFG zehn Regelabbuchungen für
das dritte bis zwölfte Hochschulsemester der Klägerin vorzunehmen.
Darüber hinaus muss allerdings durch eine weitere Regelabbuchung berücksichtigt werde,
dass der vorangegangene Studiengangwechsel zugleich die Fortsetzung des nach dem
ersten Hochschulsemester zunächst aufgegebenen Geographiestudiums darstellt. Dies
ergibt sich bei verständiger Auslegung des § 4 Abs. 1 RVO-StKFG NRW. Nach dieser
Vorschrift führt ein Studiengangwechsel nicht zu einer Gewährung eines vollständigen
neuen Studienguthabens, wenn Studien- und Prüfungsleistungen aus dem bisherigen
Studiengang auf den neuen Studiengang angerechnet werden. Vielmehr sind für jedes
Fachsemester Abbuchungen vorzunehmen, die der Studierende wegen der Anrechnungen
im neuen Studiengang erspart. Dabei muss als "bisheriger Studiengang" die gesamte
Studienzeit angesehen werden, die einem bis zum dritten Hochschulsemester
vorgenommenen Studiengangwechsel vorausgeht. Allein diese Auslegung wird dem Ziel
der Regelung gerecht, die maximal zweisemestrige Orientierungsphase gebührenrechtlich
nur insoweit anrechnungsfrei zu lassen, als sie nicht zu einer Verkürzung der Studienzeit
im schließlich ausgewählten Studiengang führt. Werden mithin bei einem
Studiengangwechsel von dem neu gewährten Studienguthaben Regelabbuchungen für
sämtliche vorgegangene Studienzeiten vorgenommen, die auf den neuen Studiengang
angerechnet werden, muss dies erst Recht gelten, wenn sich der Studiengangwechsel als
Fortsetzung eines vorübergehend aufgegebenen Studiums darstellt. Deshalb ist dem
Umstand, dass die Klägerin ihr nach dem ersten Hochschulsemester zunächst zugunsten
des Pädagogikstudiums aufgegebenes Geographiestudium im dritten Hochschulsemester
(zweites Fachsemester) fortgesetzt hat, dadurch Rechnung zu tragen, dass von dem
Studienguthaben, das der Klägerin im Hinblick auf den 'anrechnungsfreien' Wechsel vom
Pädagogikstudium erneut zu gewähren ist, nach § 4 Abs. 1 Satz 2 RVO-StKFG NRW eine
Regelabbuchung für das zunächst unberücksichtigt gebliebene erste Fachsemester
Geographie vorgenommen wird. Danach verbleibt der Klägerin zum Sommersemester
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2004 ein Studienguthaben im Umfang von einer Regelabbuchung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.