Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.07.2003
OVG NRW: getrennt leben, ehepartner, sammlung, lebensmittelpunkt, rücknahme, anerkennung, rechtsgrundlage, datum
Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 1765/02
Datum:
09.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 A 1765/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 10928/97
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahren.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
(§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend
entschieden, dass der Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 16.
September 1997 rechtswidrig ist. Dabei kann offen bleiben, ob der dem Kläger erteilte
Aufnahmebescheid vom 13. August 1997 rechtmäßig war. Denn selbst wenn der Kläger,
der - was auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird - die materiellen
Voraussetzung für die Anerkennung als Spätaussiedler gemäß § 6 Abs. 2 BVFG erfüllt,
im Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides keinen Wohnsitz mehr in den
Aussiedlungsgebieten gehabt haben sollte und damit die Voraussetzungen für die
Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG nicht vorgelegen
hätten, hätte er Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 2
i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG, so dass der Aufnahmebescheid lediglich auf eine
andere Rechtsgrundlage gestützt nicht rechtswidrig oder die Rücknahme des bereits
erteilten Aufnahmebescheides jedenfalls ermessensfehlerhaft ist.
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Vgl. Beschluss des Senats vom 28. Juni 2002 - 2 A 5286/00 -.
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Unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 GG war und ist es dem Kläger
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nicht zumutbar, heute in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren und dort die (erneute)
Erteilung eines Aufnahmebescheides abzuwarten. Denn seine Ehefrau, die
unwidersprochen Deutsche im Sinne des Art. 116 GG ist, ist auf der Grundlage eines ihr
erteilten Aufnahmebescheides zusammen mit ihrem gemeinsam Kind im April 1996
nach Deutschland übergesiedelt und hat seitdem hier ihren Lebensmittelpunkt
begründet. Nach der Wertentscheidung von Art. 6 GG steht es grundsätzlich allein den
Ehepartnern zu, selbstverantwortlich und frei von staatlicher Einflussnahme den
räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen. Ist - wie
im vorliegenden Fall - einer der Ehepartner Deutscher und lebt in Deutschland, so
unterliegt der freien Entscheidung der Eheleute grundsätzlich auch die Bestimmung,
von welchem Zeitpunkt an das gemeinsame eheliche Leben in Deutschland seinen
Mittelpunkt haben soll. Die Vorschriften des Vertriebenenrechts über das
Aufnahmeverfahren sind deshalb in einer den Entschluss der Ehegatten zur
Begründung ihres gemeinsamen Lebensmittelpunktes in Deutschland respektierenden
Weise dahin auszulegen, dass dem die Aufnahme begehrenden Ehegatten eine
Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet dann nicht angesonnen werden kann, wenn die
Eheleute dadurch während der Dauer des Aufnahmeverfahrens auf ungewisse Zeit
getrennt leben müssten.
Vgl. Urteile vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 -, Amtliche Sammlung der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 110, 99; und 5 C 4.99 -
BVerwGE 110,106,
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Dabei spielt es entgegen der im Zulassungsantrag vertretenen Auffassung keine
entscheidende Rolle, ob die Ehe erst nach der Übersiedlung eines Ehegatten nach
Deutschland geschlossen worden ist oder bereits zuvor im Aussiedlungsgebiet
bestanden hat. Art. 6 GG lässt für eine dahingehende Differenzierung keinen Raum. Die
diesbezüglich im Zulassungsantrag angestellten vertriebenenrechtlichen Überlegungen
gehen an der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 6 GG vorbei.
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Ein im vorliegenden Zusammenhang noch bestehender grundsätzlicher Klärungsbedarf,
der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderte, ist nicht ersichtlich. Von
daher ist der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht
gegeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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