Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.06.2008

OVG NRW: gefahr, bewusste fahrlässigkeit, feuerwehr, anhörung, cousin, kostenersatz, grobe fahrlässigkeit, verursacher, eigentum, umwelt

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 3961/06
Datum:
24.06.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 3961/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 25 K 9909/03
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert. Der Bescheid des Beklagten
vom 27. Mai 2003 und der Widerspruchsbescheid des Landrats des S. -
C. Kreises vom 25. November 2003 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 22. April 1990 geborene Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu den
Kosten eines Feuerwehreinsatzes.
2
Er befand sich am 16. April 2003 gegen 17.00 Uhr zusammen mit seinem damals
dreizehnjährigen Cousin E. im Waldgebiet F. in C1. H. . Bei seiner späteren
polizeilichen Anhörung gab der Kläger an, sich mit seinem Cousin am See in der Nähe
des Waldes, wo es gebrannt hatte, aufgehalten zu haben. Sie hätten ein rotes
Feuerzeug gefunden. Weiter heisst es in dem Protokoll über die Anhörung des Klägers
vom 19. Mai 2003:
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"Mein Cousin hatte das schon ein paar Tage vorher gefunden gehabt, aber wieder
weggeschmissen. Und an dem Tag mit dem Feuer haben wir es nochmal gefunden.
4
Ich habe das Feuerzeug aufgehoben und mitgenommen. Da war dann halt so ein
Papier, so ähnlich wie ein Tempo oder Zewa-Wisch-und-Weg. Ich habe das dann
angezündet. Es lag dabei auf dem Boden. Das Feuer wurde sehr schnell immer größer.
Wir haben versucht, es noch auszutreten, aber es ging nicht mehr. E. hat mit seinem
Handy die Feuerwehr angerufen. Wir sind dann weggelaufen zur Straße und haben da
auf die Feuerwehr gewartet. Als die dann kam, haben wir denen das Feuer gezeigt. Es
hatte aber nur der Boden gebrannt, das war so trockenes Gras. Die Fläche war ungefähr
so groß wie der Raum hier."
5
Auf Nachfrage des Beamten sagte der Kläger, wenn er selber etwas schreiben müsse,
würde er angeben, er habe das nicht extra gemacht und werde so etwas nicht noch
einmal machen. Sein Cousin E. gab bei seiner polizeilichen Anhörung am 19. Mai 2003
an, der Kläger habe das Feuerzeug aufgehoben, mitgenommen und kurz damit
herumgespielt. Er selbst habe es aber auch einmal kurz in der Hand gehabt. Dann habe
dort "so ein Taschentuch, also ein Blatt von einer Küchenrolle" gelegen. Sie hätten es
aufgehoben, und der Kläger habe es mit dem Feuerzeug angezündet. Danach habe
dieser es fallen gelassen. Das Feuer habe sich zunächst ein bisschen ausgebreitet. Ihre
Versuche, es auszutreten, seien gescheitert, weil das Feuer zu groß geworden sei. Sie
seien dann bis zum Wegende gerannt. Von dort habe er mit seinem Handy die
Feuerwehr gerufen. Unbeteiligte Tatzeugen gab es ausweislich der
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte nicht.
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Beim Eintreffen der ersten Einsatzkräfte der städtischen Feuerwehr war im Waldgebiet
bereits starke Rauchentwicklung erkennbar. Der Brand des Unterholzes mit einer
Flammenhöhe von ca. zwei Metern auf einem Bereich von etwa 200 qm
Mischwaldschonung wurde unter Einsatz mehrerer Löschzüge mit mehr als 40
Einsatzkräften der Feuerwehr unter Kontrolle gebracht.
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Durch Bescheid vom 27. Mai 2003 verlangte der Beklagte vom Kläger 1.297,50 EUR
Kostenersatz. Zur Begründung führte er aus, er könne gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 1 des
Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) vom 10. Februar 1998
(GV. NRW. S. 122) von dem Verursacher, wenn er die Gefahr oder den Schaden
vorsätzlich herbeigeführt habe, die durch einen Feuerwehreinsatz entstandenen Kosten
verlangen. Das Feuer sei bewusst entzündet worden. Der Kläger und sein Cousin
hätten vorhersehen können, dass das Entzünden eines Feuers in einem Waldgebiet
eine Brandgefahr hervorrufe. Gleichwohl hätten sie ihre Handlung mit den
beschriebenen Folgen beendet. Als gemeinsame Verursacher seien sie zu gleichen
Teilen kostenersatzpflichtig. Es habe erhebliches Gefährdungspotential bestanden, weil
die Waldfläche bereits gebrannt und sich der Brand wegen des trockenen Wetters
schnell ausgedehnt habe. In Verbindung mit der einschlägigen
Feuerwehrgebührensatzung ergebe sich ein Kostenersatzbetrag von 2.595,00 EUR, so
dass sich der Anteil des Klägers auf 1.297,50 EUR belaufe. Von der Erhebung könne
nicht ausnahmsweise nach § 41 Abs. 6 FSHG abgesehen werden.
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Zur Begründung seines rechtzeitig erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend,
sein Cousin und er hätten nicht vorsätzlich gehandelt. Sie seien nicht davon
ausgegangen, dass ein von ihnen entfachtes Lagerfeuer auf den Waldboden übergreife.
Zudem spreche gegen bedingten Vorsatz, dass sie selbst die Feuerwehr verständigt
hätten.
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Durch Bescheid vom 25. November 2003 wies der Landrat des S. -C. Kreises den
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Widerspruch zurück. Zur Begründung wies er darauf hin, § 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FSHG
rechtfertige den geltend gemachten Kostenersatz. Der Kläger habe bedingt vorsätzlich
eine Brandgefahr herbeigeführt. Der nachfolgende Waldbrand sei ein Schadenfeuer
gewesen. Mit Blick auf die gegebene altersentsprechende Einsichtsfähigkeit (vgl. § 828
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) sei die klägerische Einlassung nicht
nachvollziehbar, er als Dreizehnjähriger sei nicht davon ausgegangen, dass ein solches
Feuer auf den trockenen Waldboden, die trockenen Gräser, Sträucher und schließlich
auch Bäume übergreife. Da der Kläger und sein Cousin von drei Zeugen beobachtet
worden seien, habe es sich allenfalls um Schadensbegrenzung gehandelt, als der
Cousin E. mit seinem Handy die Feuerwehr benachrichtigt habe.
Zur Begründung seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es
fehle am notwendigen Vorsatz im Sinne der Kostenerstattungsvorschrift. Für die
Annahme des vorsätzlichen Herbeiführens einer Brandgefahr reiche nicht jedes
vorsätzliche Entzünden eines Feuers. Erforderlich sei vielmehr das vorsätzliche
Auslösen eines so genannten Schadenfeuers im Sinne des § 1 FSHG. Er habe mit
seinem Cousin E. durch das "Zündeln" lediglich ein Feuer vorsätzlich herbeigeführt, das
sie beide für beherrschbar gehalten hätten. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass sie das
Übergreifen des für beherrschbar gehaltenen Feuers auf den trockenen Waldboden und
die damit verursachte Brandgefahr vorsätzlich geschaffen hätten. Dass er
möglicherweise die erforderliche Einsicht zur Erkenntnis besessen habe, der Umgang
mit offenem Feuer auf trockenem Waldboden stelle eine Brandgefahr dar, begründe
allenfalls grobe Fahrlässigkeit. Gegen die Annahme eines bedingten Vorsatzes, ein
Schadenfeuer herbeizuführen, spreche schließlich, dass er und sein Cousin nach
Übergreifen des Feuers auf den Waldboden selbst die Feuerwehr verständigt hätten.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Leistungsbescheid des Beklagten vom 27. Mai 2003 und den
Widerspruchsbescheid des Landrats des S1. -C. -Kreises vom 25. November 2003
aufzuheben.
13
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen, für die Tatbestandserfüllung reiche das vorsätzliche Herbeiführen
einer Brandgefahr. Die im Vergleich mit anderen Landesgesetzen ohnehin enge
Ersatzregelung in Nordrhein-Westfalen dürfe nicht noch derart einschränkend ausgelegt
werden, dass nur derjenige ersatzpflichtig sein solle, der ein Schadenfeuer vorsätzlich
herbeiführe. Ein Schadenfeuer sei bereits dann anzunehmen, wenn Gegenstände
rechtswidrig verbrannt und dadurch Gefährdungen für Personen, fremdes Eigentum oder
die Umwelt hervorgerufen würden. Mit Blick auf § 47 Abs. 1 Satz 1 des
Landesforstgesetzes (LFoG) sei schon das Anzünden von Papier auf dem Waldboden
als Schadenfeuer im Sinne des § 1 FSHG einzustufen. Ein Feuer auf trockenem
Waldboden sei von vornherein nicht beherrschbar oder kontrollierbar. Da ein
Übergreifen des Feuers auf den Waldboden erkennbar und einkalkuliert gewesen sei,
habe der Kläger zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt. Hiergegen spreche auch
nicht die Verständigung der Feuerwehr. Ein derartiges Verhalten lasse nicht zwingend
auf fehlenden Vorsatz schließen.
16
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei kostenersatzpflichtig. Er
habe nicht nur eine Brandgefahr, sondern auch ein Schadenfeuer im Sinne von § 1 Abs.
1 FSHG vorsätzlich herbeigeführt. Bereits das Entzünden eines Papiertuchs auf dem
Waldboden stelle ein Schadenfeuer dar. Dieses habe der Kläger nach eigenem
Bekunden bewusst entzündet. Nach der Lebenserfahrung könne nicht ernsthaft
bezweifelt werden, dass dem Kläger als einem fast dreizehnjährigen Jungen bei einer
derartigen Sachlage zumindest die Möglichkeit bewusst gewesen sei, das entzündete
Feuer werde seiner Kontrolle entgleiten und sich zu einem Waldbrand entwickeln
können. Darüber hinaus wisse ein Junge in diesem Alter, dass durch einen Waldbrand
typischerweise Personen und fremdes Eigentum gefährdet würden. Entzünde er in
diesem Bewusstsein dennoch ein offenes Feuer im Wald, handele er bedingt
vorsätzlich.
17
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger in
Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend: Beim Anzünden des
gefundenen Papiertuchs im Wald habe es sich nicht um ein Schadenfeuer gehandelt.
Die Gefahr eines Waldbrandes werde erst in dem Moment ausgelöst, in dem die offene
Flamme vom Papiertuch auf den Waldboden überspringe und sich dort unkontrolliert
ausbreite. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ein Verstoß
gegen § 47 Abs. 1 LFoG vorliege. Es handele sich lediglich um eine unvorsichtige
Handhabung eines brennenden Gegenstandes im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 5 LFoG.
Bei dem Papiertuch handele es sich um einen sehr kleinen und leichten Gegenstand,
dessen Flamme durch Austreten leicht gelöscht werden könnte. Er habe dieses Tuch in
der Annahme angezündet, die Flamme auf das Papiertuch beschränken und ein
Übergreifen auf brennbare Teile des Waldes verhindern zu können. Demgemäß habe er
lediglich bewusst fahrlässig gehandelt. Zumindest die Bemühungen, das Feuer durch
eigenes Tun bzw. durch Anfordern fremder Hilfe so schnell wie möglich unter Kontrolle
zu bekommen, sprächen eindeutig für eine bewusste Fahrlässigkeit.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht in Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, bereits mit dem
Anzünden des Papiertuchs habe ein Schadenfeuer infolge konkreter Gefährdung für
fremdes Eigentum und die Umwelt vorgelegen. Ein im trockenen Gras bzw. Gebüsch in
Brand gesetztes Papiertuch bringe es nahezu zwangsläufig mit sich, dass die offenen
Flammen auf den Waldboden übergriffen und sich ausbreiteten. Das Verwaltungsgericht
habe zutreffend angenommen, die Feuerwehr sei wegen erheblicher Waldbrandgefahr
schon zum frühest denkbaren Zeitpunkt zur Feuerbekämpfung zuständig gewesen. Die
für ein Schadenfeuer erforderliche unmittelbare Gefährdung ergebe sich daraus, dass
ein offenes Feuer in einem trockenen Waldgebiet und nicht auf einem Privatgrundstück
ohne jegliches Risiko eines Übergreifens auf angrenzende Flächen entzündet worden
sei. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht daran angeknüpft, ob ein gesetzlich
ausdrücklich verbotenes Feuer entfacht worden sei. Bereits von Anfang an sei das in
Rede stehende Feuer nicht mehr kontrollierbar gewesen und habe ein großes
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Gefährdungspotential beinhaltet. Der für die Kostenersatzpflicht erforderliche Vorsatz sei
zu bejahen. Es reiche aus, dass sich der Vorsatz neben dem Entzünden eines
verbotenen Feuers lediglich auf die hierdurch verursachte Gefahr beziehe. Erkenne ein
Brandverursacher - wie hier -, dass sein Handeln zumindest die Möglichkeit beinhalte,
das von ihm entzündete Feuer werde sich zu einem Waldbrand ausweiten, so nehme er
die aufgrund des Feuers bestehenden Gefährdungen für Personen und fremde Sachen
in seinen Willen auf. Der Kläger habe als fast dreizehnjähriger Schüler die zwingenden
Folgen seines Handelns ohne Weiteres abschätzen und bewerten können. Der mithin
gegebene Vorsatz entfalle nicht durch spätere Bemühungen, das Feuer durch eigenes
Tun und die Verständigung der Feuerwehr wieder unter Kontrolle zu bringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie des Landrats des S1. -C. -
Kreises und der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft L. - 91 Js 115/03 - Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Klage stattzugeben.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2003 und
der Widerspruchsbescheid des Landrats des S1. -C. -Kreises vom 25. November 2003
sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO). § 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FSHG i.V.m. den §§ 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 bis 5, 3 der
Satzung über die Erhebung von Kostenersatz für Leistungen der freiwilligen Feuerwehr
der Stadt C1. H1. sowie den Ersatz von Verdienstausfall vom 26. März 1999 in der
maßgeblichen Fassung vom 21. November 2001 (Feuerwehrgebührensatzung)
rechtfertigen den geltend gemachten Kostenersatz nicht [1.]. Die angefochtenen
Bescheide lassen sich auch nicht auf eine andere Rechtsgrundlage stützen [2.].
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1. Der Kläger ist nicht nach § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG zum Kostenersatz verpflichtet. Nach
dieser Vorschrift können Gemeinden von dem Verursacher, wenn er die Gefahr oder
den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, Ersatz der ihnen durch Einsätze
entstandenen Kosten verlangen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der
Kläger hat weder das am 16. April 2003 entstandene Schadenfeuer (Schaden) [a)] noch
die Gefahr eines Schadenfeuers [b)] vorsätzlich herbeigeführt.
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a) Der Kläger hat das am 16. April 2003 entstandene Schadenfeuer (Schaden) nicht
vorsätzlich herbeigeführt.
29
Seinerzeit war ein Schadenfeuer im Sinne des § 1 Abs. 1 FSHG entstanden. Hierunter
ist ein selbstständig fortschreitendes, unkontrollierbares Feuer außerhalb einer
Feuerstätte zu verstehen, das nicht zum Verbrennen bestimmte oder nicht wertlose
Gegenstände vernichtet.
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Vgl. OVG NRW; Beschluss vom 30. April 1982 - 2 B 91/82 -, SgEFeu § 1 I FSHG Nr. 8;
VG L. , Urteil vom 15. Juni 1992 - 20 K 1782/91 -, KStZ 1993, 18; VG Aachen, Urteil vom
30. Juni 1999 - 6 K 974/97 -, NJW 2000, 164; Steegmann, Recht des Feuerschutzes und
des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, Band I, 4. Aufl., Stand: Oktober 2007, § 1
FSHG Rdnr. 43 f.
31
Demgegenüber rechtfertigt ein kontrolliertes, nicht selbstständig fortschreitendes Feuer -
z.B. ein Grillfeuer oder ein beherrschbares und von einem Verantwortlichen
überwachtes Feuer für andere Zwecke (etwa zum Verbrennen von Gartenabfällen) -
nicht den Einsatz der Feuerwehr.
32
Vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Juni 1999 - 6 K 974/97 -, a.a.O.
33
Gemessen daran lag im Streitfall ein Schadenfeuer vor. Dieses war allerdings noch
nicht durch das schlichte Anzünden des Papiertuchs entstanden. Zu diesem Zeitpunkt
fehlte es am Merkmal des selbstständigen, unkontrollierbaren Fortschreitens des
Feuers. Erst in dem Moment, in dem die offene Flamme des Papiertuchs auf den
Waldboden übersprang, hatte sich das Feuer zu einem Schadenfeuer entwickelt. Erst
dann schritt das Feuer selbstständig fort. Zugleich stellte es sich mit Blick auf den
trockenen Untergrund - nach Angaben des Klägers bei seiner polizeilichen
Vernehmung: trockenes Gras - als unkontrollierbar dar.
34
Eine andere Beurteilung ist nicht deswegen geboten, weil ein Schadenfeuer nach einer
in der Literatur vertretenen Auffassung auch dann anzunehmen ist, wenn Gegenstände
rechtswidrig verbrannt und dadurch Gefährdungen für Personen, fremdes Eigentum oder
die Umwelt hervorgerufen werden.
35
Vgl. Schneider, Feuerschutzhilfeleistungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 7. Aufl. 2001, § 1
FSHG Anm. 6.2 mit Hinweis auf Fischer, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, 2. Aufl.
2000, S. 46 f.
36
Dabei ist erforderlich, dass durch die Verbrennung als solche mit einem Schaden an
Leben und Gesundheit, Eigentum von bedeutendem Wert oder der Umwelt gerechnet
werden muss. Diese Literaturstimme hält die vorerwähnte Ergänzung des Begriffs
"Schadenfeuer" im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für die genannten
Rechtsgüter für geboten. Als Beispiel wird die Verbrennung von Altreifen auf einem
Privatgrundstück angeführt. Anders als in derartigen Fallgestaltungen entstand im
Streitfall die Gefährdung nicht schon durch das Verbrennen des Gegenstands selbst,
sondern erst durch das Übergreifen der Flamme vom Papiertuch auf den Waldboden.
Vor diesem Hintergrund ist für die Annahme eines Schadenfeuers unerheblich, ob der
Kläger mit dem Anzünden des Papiertuchs zugleich - wofür allerdings Manches spricht -
gegen § 47 Abs. 1 Satz 1 des Forstgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LFoG)
verstoßen hat.
37
Durch das Anzünden des Papiertuchs hat der Kläger das Schadenfeuer auch verursacht
und damit herbeigeführt. Es fehlt jedoch am Vorsatz. Vorsätzlich handelt, wer den als
möglich erkannten rechtswidrigen Erfolg zumindest billigend in Kauf nimmt.
38
Vgl. Steegmann, a.a.O., § 41 Rdnr. 11.
39
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Tathandlung,
40
vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 4 StR 162/00 -, NStZ 2000, 583; Tröndle/Fischer,
StGB, 54. Aufl. 2007, § 15 Rdnr. 4,
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d.h. beim Anzünden des Papiertuchs, lag das voluntative Element des (bedingten)
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Vorsatzes nicht vor. Dieses erfordert, dass der Kläger mit dem Eintritt des
tatbestandlichen Erfolges in einer Weise einverstanden ist, dass er die
Tatbestandsverwirklichung zumindest billigend in Kauf nimmt oder sich um des
erstrebten Zieles Willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an
sich unerwünscht sein. Im Gegensatz dazu liegt bewusste Fahrlässigkeit vor, wenn der
Täter mit der Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur
vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. In diesem
Zusammenhang ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven, für das
Tatgeschehen bedeutsamen Umstände erforderlich. Mit dem Wissen oder "Wissen
müssen" von der generellen Gefährlichkeit des Verhaltens ist grundsätzlich noch nicht
gesagt, dass der Betreffende den konkreten Erfolgseintritt auch annimmt, dass er sich
innerlich mit ihm abgefunden hat.
Vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 1994 - 4 StR 110/94 -, StV 1994, 640, sowie
Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08 -, juris.
43
Ausgehend hiervon ist aus dem gesamten Akteninhalt, insbesondere aus den
Verwaltungsvorgängen, nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger das Entstehen eines
Schadenfeuers zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Demgemäß kann im
vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, ob er überhaupt (wenigstens) mit der
Möglichkeit eines Schadenfeuers gerechnet hat (kognitives Element des Vorsatzes).
44
b) Der Kläger hat zwar (auch) die Gefahr eines Schadenfeuers herbeigeführt, es fehlt
aber ebenfalls an deren vorsätzlicher Verursachung.
45
Zunächst ist allerdings das Tatbestandsmerkmal der "Gefahr" zu bejahen. In Fällen von
Schadenfeuern im Sinne von § 1 Abs. 1 FSHG ist erforderlich, aber auch ausreichend,
dass sich die Tathandlung auf die Gefahr eines Schadenfeuers bezieht. Das ist hier der
Fall. Der in § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG verwendete Gefahrenbegriff stimmt mit demjenigen
im allgemeinen Ordnungsbehördenrecht überein.
46
Vgl. Schneider, a.a.O., § 41 Rdnr. 2.2.
47
Danach ist eine Gefahr anzunehmen, wenn eine Sachlage vorliegt, die bei
ungehindertem Fortgang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu
einem nicht völlig unerheblichem Schaden führt. Ausgehend hiervon lag im Streitfall die
Gefahr eines Schadenfeuers ab dem Zeitpunkt vor, in dem das Papiertuch in der Form
in Brand gesetzt war, dass es ohne weiteres menschliches Zutun absehbar zur
Weiterreichung des Feuers an den Waldboden (nicht völlig unerheblicher Schaden) in
der Lage war.
48
Dabei setzt eine Kostenersatzpflicht nach § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG nicht voraus, dass der
Betreffende ein Schadenfeuer vorsätzlich herbeigeführt hat.
49
So aber VG Aachen, Urteil vom 30. Juni 1999 - 6 K 974797 -, a.a.O.; vgl. auch
Steegmann, a.a.O., § 41 Rdnr. 11; Schneider, a.a.O., § 41 Rdnr. 8.1.
50
Bereits nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG reicht die
vorsätzliche Herbeiführung einer Gefahr (hier: eines Schadenfeuers) aus, um den
Verursacher zum Kostenersatz heranzuziehen. Dieses durch die Betrachtung des
Wortlauts gefundene Ergebnis wird durch die geschichtliche Entwicklung bestätigt. Der
51
Gesetzgeber des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei
Unglücksfällen und öffentlichen Notständen vom 25. Februar 1975 (GV. NRW. S. 182)
sah eigenständige Kostenersatzansprüche zunächst nicht vor, sondern regelte nur, dass
Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für Einsätze bei vorsätzlicher Brandstiftung
und gegen Verursacher in Fällen der Gefährdungshaftung nach bundesrechtlichen
Vorschriften unberührt bleiben sollten (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes).
Vgl. hierzu Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 7/3961, S. 33 f.,
52
Erst in der Folgezeit nahm der Gesetzgeber u.a. die Erweiterung des Pflichtenkreises
der Feuerwehren zum Anlass, Kostenersatzvorschriften in das Gesetz einzuführen und
gleichzeitig zu erweitern. Demgemäß sah der Gesetzentwurf der Landesregierung vom
18. Mai 1988 zur Änderung des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung
bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen,
53
vgl. LT-Drs. 10/3232, S. 5 f.,
54
vor, dass die Gemeinden nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes Ersatz der ihnen durch
den Einsatz ihrer Feuerwehren und hilfeleistenden Feuerwehren im Sinne von § 17
entstandenen Kosten von dem Verursacher verlangen konnten, wenn er die Gefahr oder
den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hatte. Auch wenn man damals nach der
Gesetzesbegründung davon ausging, dass Anspruchsschuldner in der Regel der
Brandstifter sei,
55
vgl. LT-Drs. 10/3232, S. 15,
56
sollte die Regelung gleichzeitig den Gemeinden erweiternd die Möglichkeit geben, auch
von demjenigen die Einsatzkosten der Feuerwehr zu verlangen, der (nur) die Gefahr
vorsätzlich herbeigeführt hat. Vor diesem Hintergrund führte eine Beschränkung der
Kostenersatzpflicht auf die Fälle vorsätzlicher Herbeiführung eines Schadenfeuers zu
einer nach der Entstehungsgeschichte des Vorgängers des heutigen § 41 Abs. 2 Nr. 1
FSHG nicht gewollten Reduzierung seines Anwendungsbereichs.
57
Der Kläger hat die Gefahr eines Schadenfeuers durch Anzünden des Papiertuchs auch
herbeigeführt. Indes lässt sich nach Auswertung des gesamten Akteninhalts,
insbesondere der Angaben des Klägers und seines Cousins E. bei der polizeilichen
Anhörung vom 19. Mai 2003, nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass der
Kläger den erforderlichen Vorsatz besessen hat, eine Gefahr eines Schadenfeuers
herbeizuführen.
58
Das gilt jedenfalls bezüglich des Wissenselements des Vorsatzes. Hierfür reicht das
bloße, nicht ins Bewusstsein gekommene Wissen nicht aus. Erforderlich ist vielmehr,
dass der Verursacher sich den Taterfolg bei der Tat aktuell vorstellt (so genanntes
sachgedankliches Mitbewusstsein).
59
Vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 15 Rdnr. 4 m.w.N.
60
Gemessen daran kann nach Auswertung des dem Senat vorliegenden Aktenmaterials
nicht hinreichend sicher angenommen werden, der Kläger habe beim Inbrandsetzen des
Papiertuchs als maßgeblichem Zeitpunkt mit der Möglichkeit gerechnet, es könne ein
Feuer entstehen, das ohne weiteres menschliches Zutun absehbar zur Weiterreichung
61
des Feuers an den Waldboden in der Lage war. Das ergibt sich daraus, dass der Kläger
in Begleitung seines Cousins E. am 16. April 2003 im Waldgebiet F. spontan ein
Feuerzeug aufgehoben und mitgenommen sowie ein gefundenes Papiertuch
angezündet hat. Das Gericht stellt dabei keineswegs in Abrede, dass ein Kind im Alter
von fast 13 Jahren grundsätzlich um die Gefahr von Waldbränden weiß. Allerdings ist zu
berücksichtigen, dass sich der Kläger ausweislich der Angaben bei seiner Anhörung
durch die Polizei am 19. Mai 2003 im Zeitpunkt des Inbrandsetzens des Papiertuchs
offenbar keinerlei Gedanken über die Gefährlichkeit seines Tuns gemacht hat.
Ausweislich seiner Angaben bei der polizeilichen Anhörung entzündete er das auf dem
Boden liegende Papiertuch unvermittelt und unbedacht. Sein Primärziel war es, dieses
Tuch anzuzünden. Dass dem Kläger das allgemeine Wissen um Waldbrandgefahren im
Zeitpunkt des Anzündens des Papiertuchs sachgedanklich mitbewusst gewesen wäre,
lässt sich aus seinen Angaben bei der polizeilichen Anhörung nicht schließen. Die
polizeiliche Anhörung seines Cousins E. verlangt keine abweichende Beurteilung. Auch
nach dessen Schilderung handelte es sich beim Anzünden des Papiertuchs durch den
Kläger - der es allerdings in der Hand gehalten haben soll - um eine unbedachte
Spontantat. Hieran ist auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts festzuhalten,
dass der Waldboden zum Tatzeitpunkt trocken war (der Kläger sprach bei seiner
polizeilichen Anhörung von "trockenem Gras"). Denn aus den Angaben des Klägers und
seines Cousins E. bei der polizeilichen Anhörung am 19. Mai 2003 lässt sich nicht
entnehmen, dass der Kläger diesen Umstand beim Entzünden des Papiertuchs in sein
Bewusstsein auch nur im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins
aufgenommen hatte.
Die vorstehende Beurteilung wird nicht durch den weiteren Akteninhalt - unbeteiligte
Tatzeugen gibt es nicht - in Frage gestellt. Soweit der Beklagte auf das bei Kindern im
Alter von etwa 13 Jahren generell anzunehmende Bewusstsein um Waldbrandgefahren
verweist, führt dieses bloße Wissen nicht zu dem im Tatzeitpunkt erforderlichen
sachgedanklichen Mitbewusstsein. Im Übrigen hat der Kläger selbst im
erstinstanzlichen Verfahren vortragen lassen, ein Übergreifen des Feuers auf den
Waldboden und die dadurch bewirkte Waldbrandgefahr sei für ihn seinerzeit nicht
erkennbar gewesen. Im zweitinstanzlichen Verfahren hat der Kläger angeben lassen,
das Papiertuch in der Annahme angezündet zu haben, die Flamme auf das Papiertuch
beschränken zu können. Auch hieraus lässt sich nicht seine Vorstellung bei der Tat
ableiten, es könne zur Gefahr eines Schadenfeuers kommen.
62
Vor dem Hintergrund vorstehender Darlegungen kann auf sich beruhen, ob dem Kläger
darüber hinaus im maßgeblichen Zeitpunkt der Tathandlung das voluntative Element
des bedingten Vorsatzes fehlte. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Kläger
mit dem Eintritt der Gefahr eines Schadenfeuers in der Weise einverstanden gewesen
ist, dass er diese billigend in Kauf genommen hat, oder ob er lediglich vorsätzlich ein
von ihm für beherrschbar gehaltenes Feuer verursacht hat.
63
Das zuvor gefundene Ergebnis hält einem Vergleich mit anderen landesgesetzlichen
Regelungen stand. Diese sehen teilweise eine Kostenersatzpflicht schon des lediglich
grob fahrlässig handelnden Verursachers vor (vgl. beispielsweise § 17 Abs. 1 Nr. 2 des
Gesetzes über die Feuerwehren im Land Berlin; Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 des Bayerischen
Feuerwehrgesetzes). Soweit und solange der nordrhein-westfälische Gesetzgeber nicht
grob fahrlässiges Verhalten ausreichen lässt, damit der Verursacher der Gefahr eines
Schadenfeuers oder eines Schadenfeuers selbst zum Kostenersatz verpflichtet werden
kann, kann in Fällen der in Rede stehenden Art kein Kostenersatz für
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Feuerwehreinsätze nach § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG verlangt werden.
2. Die streitgegenständlichen Bescheide lassen sich auch nicht auf eine andere
Rechtsgrundlage stützen. Unabhängig davon, inwieweit Vorschriften des Bürgerlichen
Rechts mit Blick auf die in §§ 40 f. FSHG festgelegte Risikozuordnung von Kosten
überhaupt anwendbar sein können,
65
vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2007 - 9 A 4239/04 -, NWVBl. 07, 437,
66
fehlte es zumindest an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigung, wie auch immer
gelagerte zivilrechtliche Ersatzansprüche durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
67
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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