Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.04.1999

OVG NRW (spielplatz, antragsteller, bebauungsplan, verwaltungsgericht, grundstück, sache, festsetzung, kinderspielplatz, stadt, fläche)

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 803/99
Datum:
26.04.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 803/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 L 158/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des
Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Zulassungsantrag ist unbegründet. An der Richtigkeit des angefochtenen
Beschlusses bestehen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel nicht (§ 146 Abs. 4, §
124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, das
genehmigte Vorhaben entspreche den Festsetzungen des einschlägigen
Bebauungsplans Nr. 13/79 (358) "B. straße" der Stadt H. . Der Bebauungsplan setzt für
das streitige Grundstück eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung
"Spielplatz" fest. Die angefochtene Baugenehmigung erlaubt (nur) die Anlage eines
(herkömmlichen) Spielplatzes, nicht aber die Anlage eines Abenteuerspielplatzes, so
daß offenbleiben kann, ob auch ein Abenteuerspielplatz von der Festsetzung des
Bebauungsplans gedeckt wäre. Das Verwaltungsgericht grenzt einen Spielplatz
herkömmlicher Art von einem Abenteuerspielplatz im Kern mit Hilfe des Merkmals der
Eigengestaltung ab. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zeichnet sich ein
Abenteuerspielplatz gegenüber einem herkömmlichen Kinderspielplatz gerade dadurch
aus, daß die Kinder auf ihm selbst verantwortete handwerkliche Tätigkeiten verrichten,
etwa Hämmern, Nageln, Sägen und mit Feuer und Wasser umgehen dürfen, um den
Spielplatz individuell mit Buden und Spielgeräten zu gestalten, während auf einem
normalen Kinderspielplatz herkömmliche Spielgeräte wie Sandkästen, Schaukeln und
Klettergerüste von der Stadt vorgegeben und zur Verfügung gestellt werden. Es
begegnet jedenfalls keinen ernstlichen Zweifeln, daß eine im übrigen durchgrünte
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Fläche, in der neben einer Pendelschaukel ("Partnerpendel"), eine Sandspielfläche für
Kleinkinder, eine Turmkombination zum Klettern, eine Spielwiese und verschiedene
Sitzgelegenheiten angelegt sind, eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung
Spielplatz darstellt. Die Antragsteller wollen demgegenüber aus der bloßen Größe der
Fläche (2.500 qm) folgern, daß es sich nicht mehr um einen (herkömmlichen) Spielplatz
handelt. Indes ist die Fläche in dieser Größe im Bebauungsplan als öffentliche
Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Spielplatz" festgesetzt. Das Vorhaben kann
deshalb nicht wegen seiner Größe den Festsetzungen des Bebauungsplans im Sinne
von § 30 Abs. 1 BauGB widersprechen.
Der Vortrag der Antragsteller zielt deshalb der Sache nach in eine andere Richtung. Sie
machen geltend, ein Spielplatz dieser Größe und Ausstattung gehe über die
Bedürfnisse des unmittelbar angrenzenden reinen Wohngebiets hinaus und sei wegen
der zu erwartenden intensiven Nutzung mit den Schutzbedürfnissen der angrenzenden
reinen Wohnbebauung nicht vereinbar, werde dort insbesondere zu nicht mehr
hinnehmbaren Lärmimmissionen führen. Ohne dies deutlich auszusprechen, machen
die Antragsteller damit der Sache nach geltend, ein Spielplatz dieser Größenordnung
habe nicht abwägungsfehlerfrei neben dem reinen Wohngebiet festgesetzt werden
dürfen. Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluß davon
ausgegangen, die Festsetzung des Kinderspielplatzes neben dem reinen Wohngebiet
verletze das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB nicht. Ob es den Antragstellern
überhaupt gelungen ist, mit ihren Rügen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser
Wertung zu wecken, bedarf keiner näheren Erörterung. Die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts erweist sich zumindest im Ergebnis als richtig. Nach den nicht
bestrittenen Angaben des Antragsgegners ist der Bebauungsplan am 12. Juli 1991
öffentlich bekannt gemacht worden und damit in Kraft getreten. Mängel der Abwägung
sind damit unbeachtlich geworden, sofern sie nicht vor dem 12. Juli 1998 gegenüber der
Stadt H. geltend gemacht worden sind (§ 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Das ist hier
ersichtlich nicht geschehen. Ungeachtet eines nunmehr behaupteten Abwägungsfehlers
ist die Festsetzung eines Kinderspielplatzes neben dem reinen Wohngebiet damit
wirksam.
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Dies hat Auswirkungen für die weitere Rüge der Antragsteller, das Verwaltungsgericht
habe zu Unrecht angenommen, das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt.
Entspricht - wie hier - das genehmigte Vorhaben den Festsetzungen des einschlägigen
Bebauungsplans kann das Vorhaben zwar im Einzelfall unzulässig sein, wenn es nach
Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets
widerspricht oder wenn von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die
nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung
unzumutbar sind (§ 15 Abs. 1 BauNVO). Die Antragsteller machen der Sache nach
geltend, der genehmigte Kinderspielplatz widerspreche nach seiner Größe und
Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets und verursache Belästigungen und
Störungen, die in dessen Umgebung, nämlich dem angrenzenden reinen Wohngebiet
unzumutbar sind. Nach § 15 Abs. 1 BauNVO kann aber ein einzelnes Vorhaben, das auf
der Grundlage eines Bebauungsplans dessen Festsetzungen entsprechend verwirklicht
werden soll, nur verhindert werden, soweit der Bebauungsplan noch Raum dafür läßt,
die Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gemäß den Kriterien des § 15 Abs. 1 BauNVO
im Baugenehmigungsverfahren nachzuprüfen. Anders ausgedrückt: § 15 Abs. 1
BauNVO und das darin verankerte Gebot der Rücksichtnahme ist kein rechtlich
taugliches Instrument dafür, ein Vorhaben zu verhindern, das der Bebauungsplan
bereits selbst durch seine Festsetzungen so ohne die Möglichkeit der Feinsteuerung im
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Genehmigungsverfahren zuläßt. Es ist dann Sache der Gemeinde, bei der Aufstellung
des Bebauungsplans die geplanten Nutzungen und ihre Schutzbedürfnisse in den Blick
zu nehmen und einander verträglich zuzuordnen. Eine "rücksichtslose" Planung ist
wegen Verletzung des Abwägungsgebots nichtig, es sei denn, ein insoweit
unterlaufener Abwägungsfehler ist nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB unbeachtlich
geworden.
§ 15 Abs. 1 BauNVO steht danach hier nicht entgegen, an dieser Stelle in dieser Größe
und angrenzend an ein reines Wohngebiet einen Kinderspielplatz zu verwirklichen.
Soweit es um die Lage und Größe des Kinderspielplatzes und um seine Zuordnung zu
dem angrenzenden Wohngebiet geht, sind die Entscheidungen sämtlich abschließend
im Bebauungsplan gefallen. Eine Anwendung von § 15 Abs. 1 BauNVO liefe darauf
hinaus, nicht eine im Einzelfall an sich zulässige Nutzung, sondern die Verwirklichung
des Bebauungsplans überhaupt zu verhindern. Für eine Feinsteuerung läßt der
Bebauungsplan insoweit Raum, als es um die Auswahl der konkreten
Spieleinrichtungen und ihre konkrete Lage auf dem Grundstück geht. Insoweit setzen
die Antragsteller sich aber nicht mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts
auseinander, die Bestückung des geplanten Kinderspielplatzes mit einem
"Partnerpendel", einer Sandspielfläche für Kleinkinder und einer Turmkombination zum
Klettern halte sich im Rahmen herkömmlicher Spielgeräte. Zudem sei das Grundstück
so groß, daß sich die Nutzer der Spielfläche verteilen würden. Schließlich sei der
Spielplatz zum Grundstück der Antragsteller hin durch eine Hecke verschiedener
Gehölze abzuschirmen. Daß Anzahl, Art und Lage der Spielgeräte unter diesen
Umständen nichts für eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens hergeben, liegt auf der
Hand. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen
insoweit nicht.
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Das Verwaltungsgericht hätte zwar die Stadt H. als Bauherrin und Trägerin der
Planungshoheit beiladen müssen,
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vgl. OVG NW, Beschluß vom 16. Februar 1996 - 10 B 248/96 - BRS 58 Nr. 97.
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Die unterbliebene Beiladung der Gemeinde ist zwar ein - von den Antragstellern nicht
gerügter - Verfahrensfehler, wirkt sich aber auf das materielle Ergebnis der
Entscheidung nicht aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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