Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.09.2001

OVG NRW: schallschutzwand, aufschiebende wirkung, lärmschutzwand, grundstück, gebäude, einheit, dachgeschoss, genehmigung, ausführung, interessenabwägung

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 332/01
Datum:
04.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 332/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 L 12/01
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen
die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners
vom 30. August 2000 wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladenen - diese als Gesamtschuldner -
tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge je zur Hälfte. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
2
Die im Verfahren nach § 80 a, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen
dem Interesse des beigeladenen Bauherrn an einer unverzüglichen Ausnutzung der ihm
erteilten Baugenehmigung und dem Interesse des Antragstellers, die Ausführung des
Bauvorhabens vor einer abschließenden Prüfung der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Baugenehmigung zu verhindern, geht zu Gunsten des Antragstellers
aus.
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Für das Ergebnis der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels
in der Hauptsache dann maßgeblich, wenn sie nach der hier allein gebotenen
summarischen Prüfung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt
werden können. Eine summarische Prüfung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis,
dass die Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand
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haben wird.
I. Allerdings dürfte die angefochtene Baugenehmigung, soweit sie sich auf die
Schallschutzwand, die Gebäude B. Straße 54a/54b und 56, die Tiefgarage (mit 41
Stellplätzen) und vier oberirdische Stellplätze bezieht, - vorbehaltlich einer
umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren - nicht gegen öffentlich-rechtliche
Vorschriften verstoßen, die dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen
bestimmt sind.
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1. Ein Verstoß gegen nachbarschützende planungsrechtliche Vorschriften ist
hinsichtlich des erwähnten Teils der Baugenehmigung nicht ersichtlich.
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a) Das gilt zunächst in Bezug auf die Schallschutzwand. Insoweit können die von dem
Antragsteller aufgeworfenen Fragen, ob es sich dabei um eine Nebenanlage im Sinne
des § 14 BauNVO handelt und ob diese planungsrechtlich zulässig ist, unerörtert
bleiben. Selbst wenn die Fragen - wofür allerdings wenig spricht - zu bejahen wären,
könnte der Antragsteller daraus für seine Rechtsposition nichts herleiten. Denn die
planungsrechtliche Unzulässigkeit der Schallschutzwand allein würde den Antragsteller
noch nicht in seinen Nachbarrechten verletzen. Unabhängig davon, ob das
Vorhabengrundstück Bestandteil einer Gemengelage oder eines faktischen
Mischgebiets ist - nur diese beiden Alternativen kommen ernsthaft in Betracht -, kann der
Antragsteller Nachbarschutz - ausgenommen bei einem (hier nicht gegebenen) Streit
um die Art der zulässigen Nutzung - nur gemäß dem in § 34 Abs. 1 BauGB in dem
Merkmal des Einfügens enthaltenen Rücksichtnahmegebot erlangen. Es ist aber nicht
ersichtlich, dass mit der Genehmigung der Schallschutzwand gegen das
Rücksichtnahmegebot verstoßen würde.
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aa) Der Antragsteller, der eine legale, bestandsgeschützte Nutzung seines Grundstücks
betreibt (Schießplatz) und sich insoweit auf die gemäß § 44 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 4
Abs.1 BImSchG erteilte Schießstättenerlaubnis des Polizeipräsidenten Wuppertal vom
27. März 1986 berufen kann, hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass
heranrückende anderweitige Nutzungen die gebotene Rücksicht auf seine
schutzwürdigen Belange nehmen. Unerheblich ist, dass der Antragsteller offenbar
mehreren Auflagen in der Schießstättenerlaubnis (u.a. Schaffung einer öffentlich-
rechtlichen Sicherung der Zuwegung durch Eintragung einer Baulast und Beibringung
eines Schallgutachtens) bislang, soweit ersichtlich, nicht nachgekommen ist. Dieser
Umstand mag die Genehmigungsbehörde berechtigen, die Schießstättenerlaubnis
aufzuheben. Solange ein solcher Bescheid nicht ergangen ist und Bestandskraft erlangt
hat (oder für sofort vollziehbar erklärt worden ist), steht dem Antragsteller der ihm durch
das Planungsrecht vermittelte Anspruch auf Rücksichtnahme uneingeschränkt zu.
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bb) Die Schallschutzwand wirkt sich nicht rücksichtslos auf das Grundstück des
Antragstellers aus. Zwar erreichen ihre Ausmaße (48,25 m x 4,5 m) Dimensionen, die es
- auch bei Einhaltung der bauordnungsrechtlich gebotenen Abstandflächen -
regelmäßig geboten erscheinen lassen mögen, eine erdrückende Wirkung der
baulichen Anlage auf das Nachbargrundstück in Erwägung zu ziehen. Wie das
Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann angesichts der Besonderheiten des
vorliegenden Falls von einer erdrückenden Wirkung aber keine Rede sein. Da der
Schießstand als solcher eingehaust ist und die - offene - Schießbahn während der
bestimmungsgemäßen Nutzung aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden darf, ist
die Lärmschutzwand den Blicken der Anwesenden entzogen. Soweit die Schießbahn
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für Pflege- oder Reparaturzwecke ausnahmsweise betreten werden muss, handelt es
sich um untergeordnete, zeitlich beschränkte Nutzungen, die durch das Vorhandensein
einer Schallschutzwand nur unwesentlich beeinträchtigt werden.
Die Schallschutzwand erweist sich auch nicht deshalb dem Antragsteller gegenüber als
rücksichtslos, weil Schallreflexionen zu einer Lärmsteigerung auf der Schießanlage
führen könnten. Die Schützen, die gemäß den Messungen der Akustikberatung P.
GmbH (Gutachten vom 1. September 1997) bei Auslösung eines Schusses einem
Schallleistungspegel von 110 dB(A) ausgesetzt sind, müssen ohnehin zur Erhaltung
ihres Hörvermögens Gehörschutz tragen. Das Gleiche gilt für die Personen, die sich in
dem - nur durch ein Geländer abgetrennten - Aufenthaltsbereich hinter den
Schießständen befinden. Etwaige Lärmsteigerungen infolge Reflexionen, die ohnehin
ein zu vernachlässigendes Ausmaß haben dürften, sind daher durch die
Grundstücksnutzer nicht wahrnehmbar und beeinträchtigen diese folglich nicht.
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Die Schallschutzwand dürfte den Anforderungen des Rücksichtnahmegebotes ferner
nicht deshalb widersprechen, weil infolge von Lärmreflexionen mit einer
problematischen Lärmerhöhung für die südlich des Schießstandes gelegene
Wohnbebauung zu rechnen wäre (mit der weiteren Folge, dass der Antragsteller sich
Beschwerden aus dem Kreis der dortigen Wohnbevölkerung ausgesetzt sehen könnte
und gegebenenfalls behördliche Einschränkungen seines Schießbetriebs zu
gewärtigen hätte). Die P. Consult GmbH hat in ihrer Stellungnahme vom 26. Oktober
2000 insoweit dargelegt, mit der geplanten Ausführung der Schallschutzwand auf Basis
einer Holzkonstruktion mit absorbierender Oberfläche Richtung Schießstand sei "die
befürchtete Reflexion und Echowirkung in unzumutbarer Weise nicht gegeben". Die
geplante Bauweise bedinge, dass sich für die bestehende Wohnbebauung "keine
maßgeblich veränderte Lärmsituation" ergebe. In den von dem Antragsteller und den
Beigeladenen weiter eingeholten Schallschutzgutachten und gutachtlichen
Stellungnahmen werden die Auswirkungen der Schallschutzwand auf die südliche
Wohnbebauung nicht behandelt. Angesichts dessen, dass die Schallschutzwand eine
absorbierende Oberfläche erhalten soll und die nächstgelegene Wohnbebauung eine
Entfernung von etwa 70 m einhält, erscheint die Gefahr einer rechtserheblichen
Lärmzunahme gering, zumal die Wohnbebauung auch bisher bereits gewissen
Schallreflexionen ausgesetzt war, und zwar durch die südliche Außenwand der bis vor
kurzem auf dem Vorhabengelände befindlichen Fabrik. Der aufgezeigten
Lärmproblematik wird gegebenenfalls im Rahmen des Hauptsacheverfahrens
nachzugehen sein. Derzeit spricht jedenfalls wenig dafür, dass die durch die
Schallschutzwand etwa zu erwartenden Lärmsteigerungen ein Ausmaß erreichen
könnten, das wegen der dem Antragsteller drohenden Folgen als rücksichtslos
bezeichnet werden müsste.
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b) Von den Gebäuden B. Straße 54a/54b und 56, der Tiefgarage und den oberirdischen
Stellplätzen gehen ersichtlich keine Wirkungen aus, die als planungsrechtlich
rücksichtslos in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers qualifiziert werden
könnten.
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2. Die angefochtene Baugenehmigung lässt, soweit es ihren oben dargestellten Inhalt
betrifft, auch keinen Verstoß gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche
Vorschriften erkennen.
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a) Die Schallschutzwand hält, was der Antragsteller nicht in Zweifel zieht, die gemäß § 6
14
Abs. 5 BauO NRW erforderliche Tiefe der Abstandfläche ein (4,50 m x 0,8 H = 3,60 m),
wobei es auch in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob man die das
Vorhabengrundstück prägende Umgebung als Gemengelage oder als faktisches
Mischgebiet ansieht. Denn in beiden Fällen gilt das Maß 0,8 H. Ein
Abstandflächenverstoß durch die hier betrachteten genehmigten Wohnhäuser scheidet
von vornherein aus, da diese entweder nicht der Grundstücksgrenze des Antragstellers
zugewandt sind (B. Straße 54a/54b) oder aber so weit von der Nachbargrenze entfernt
liegen (B. Straße 56), dass Abstandflächenverstöße von vornherein ausscheiden.
b) In bauordnungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich ist auch die Anordnung der Lage
der Zufahrt zur Tiefgarage. Sie entspricht den Anforderungen des § 51 Abs. 7 BauO
NRW. Hiernach müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt
werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm und Gerüche das
Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das
zumutbare Maß hinaus stören. Abgesehen davon, dass es sich bei der von dem
Antragsteller ausgeübten Grundstücksnutzung ohnehin nicht um eine lärmempfindliche
Nutzung handelt, wird die Zufahrt zur Tiefgarage lediglich bis in die Nähe der
nordöstlichen Grundstücksgrenze geführt. Darüber hinaus wird das Grundstück des
Antragstellers durch das Schützenhaus gegen den entstehenden Fahrzeuglärm
abgeschirmt.
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Von den oberirdischen Stellplätzen gehen ebenfalls keine unzumutbaren
Lärmbelastungen aus. Das ergibt sich bereits daraus, dass drei der vier Stellplätze
straßennah, fernab vom Grundstück des Antragstellers angeordnet sind.
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II. Demgegenüber kann die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, soweit sie sich auf
die zu errichtenden Doppelhäuser B. Straße 54c/54d und 56a/56b bezieht, unter
nachbarschützenden Gesichtspunkten derzeit nicht bejaht werden. Es lässt sich auf der
Grundlage bisheriger Erkenntnisse nicht ausschließen, dass der genannte Teil des
Vorhabens dem Antragsteller gegenüber rücksichtslos ist, weil er sich Lärmimmissionen
aussetzt, die den Bewohnern nicht zumutbar sind. Die bestehende Ungewissheit muss
im gegenwärtigen Verfahrensstadium zu Lasten der Beigeladenen gehen.
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Es ist anerkannt, dass nicht nur Vorhaben, von denen Immissionen ausgehen, in Bezug
auf ihre Umgebung gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen können, sondern auch
solche Vorhaben, die an den emittierenden Betrieb heranrücken und sich dessen
störenden Einwirkungen aussetzen.
18
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19.90 -, BRS 55 Nr. 175 = NVwZ 1993,
1184; BVerwG, Beschluss vom 5. September 2000 - 4 B 56.00 -, BauR 2001, 83 = ZFBR
2001, 68; OVG NRW, Beschluss vom 25. September 1995 - 11 B 2195/95 -, BRS 57 Nr.
94.
19
Zwar sieht die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Bewältigung des
auftretenden Nutzungskonflikts die Errichtung einer 48,25 m langen und 4,5 m hohen
Lärmschutzwand vor. Auch berücksichtigt die angefochtene Baugenehmigung die zu
erwartende Lärmbelastung insoweit, als ausweislich der Grundrisse der Häuser B.
Straße 54d und 56b keine lärmempfindliche Nutzung mit Fenstern zur Südseite mehr
vorgesehen ist (Lediglich dort befindliche Küchen und Bäder sind mit Fenstern
ausgestattet). Gleichwohl erscheint es nach den dem Senat vorliegenden
schallschutztechnischen Gutachten der Akustikberatung P. GmbH vom 1. September
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1997 (vom Beigeladenen in Auftrag gegeben) und des Ingenieurbüros R. vom 10.
August 2001 (vom Antragsteller in Auftrag gegeben) zweifelhaft, ob in den
Dachgeschossen der Doppelhaushälfte B. Straße 54d und des Doppelhauses 56a/56b
die gemäß VDI-Richtlinie 2058 maßgeblichen Richtwerte von 60 dB(A) tags/ 45 dB(A)
nachts eingehalten werden. Allerdings kommt das Schallschutzgutachten der
Akustikberatung P. GmbH für die - nach Umplanung nur noch relevanten -
Immissionspunkte 2 (B. Straße 54d, Ostseite, Dachgeschoss), 4 (B. Straße 54d,
Westseite, Dachgeschoss), 5 (B. Straße 56a, Ostseite, Dachgeschoss) und 6 (B. Straße
56b, Ostseite, Dachgeschoss) zu Beurteilungspegeln von (nur) 58 dB(A), 58 dB(A), 55
dB(A) und 60 dB(A), so dass hiernach die Richtwerte der VDI-Richtlinie 2058 an
sämtlichen Immissionspunkten eingehalten wären. Demgegenüber errechnet das
Ingenieurbüro R. in seinem Schallschutzgutachten, das von denselben Prämissen wie
das Gutachten der Akustikberatung P. GmbH ausgeht, für die genannten
Immissionspunkte 2, 4, 5 und 6 Beurteilungspegel von 78 dB(A), 70 dB(A), 68 dB(A) und
65 dB(A) und damit an allen Punkten eine erhebliche Richtwertüberschreitung. Es wird
gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären sein, worauf die Ergebnisdifferenzen
der beiden Gutachten, deren Ursachen sich bei summarischer Prüfung nicht
erschließen, beruhen und von welchen Beurteilungspegeln letztlich auszugehen ist.
III. Lässt sich damit gegenwärtig nicht ausschließen, dass die Bewohner der
Dachgeschosse der oben genannten Gebäude teilweise unzumutbaren, in den Bereich
der Gesundheitsgefährdung hineinreichenden Lärmimmissionen ausgesetzt sein
werden und damit behördliche Maßnahmen gegen den Schießbetrieb des
Antragstellers zu erwarten sind, kann die vom Senat vorzunehmende
Interessenabwägung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nur zugunsten des
Antragstellers ausfallen. Seine Interessen sind eindeutig schutzwürdiger als die der
Beigeladenen. Denn seine Existenz steht auf dem Spiel, während die Beigeladenen
letztlich nur wirtschaftliche Gründe ins Feld führen können. Von Bedeutung für die von
dem Senat zu treffende Abwägung ist auch, dass eine endgültige Fertigstellung und
Nutzung der maßgeblichen Teile des Vorhabens Fakten schaffen würde, deren
Rückgängigmachung erfahrungsgemäß aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen
erhebliche Schwierigkeiten bereitet.
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Die Interessenabwägung gebietet im vorliegenden Fall die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung insgesamt,
obwohl gegen einzelne Bestandteile, wie dargelegt, aus nachbarrechtlicher Sicht keine
Bedenken bestehen. Insoweit ist davon auszugehen, dass ein zur Genehmigung
gestelltes Bauvorhaben regelmäßig ein einheitliches Ganzes darstellt, sei es, dass die
einzelnen Bestandteile des Vorhabens eine bautechnische Einheit darstellen, sei es,
dass sie unter Nutzungsgesichtspunkten eine enge funktionale Verbindung aufweisen,
sei es, dass der eine Bestandteil ohne den anderen baurechtlich nicht zulässig ist, oder
sei es, dass die Einheitlichkeit des Vorhabens dem ausdrücklich geäußerten Willen des
Bauherrn entspricht.
22
Vgl. zu einzelnen Aspekten der Einheitlichkeit eines Bauvorhabens BVerwG, Urteile
vom 3. Mai 1974 - IV C 10.71 -, Buchholz 406.11, § 35 BBauG Nr. 109, und 5. März 1999
- 4 B 62.98 -, BRS 62 Nr. 178; OVG NRW, Urteile vom 12. Dezember 1991 - 7 A 172/89 -
, BRS 54 Nr. 180, und 12. November 1998 - 10 A 1038/97 - sowie Beschlüsse vom 30.
Januar 1997 - 7 B 79/97 - und 17. Februar 1997 - 7 B 209/97 -,; OVG Bremen, Urteil vom
31. Januar 1984 - 1 BA 73/83 -, BRS 42 Nr. 162; OVG Saarlouis, Beschluss vom 22.
Oktober 1996 - 2 W 30/96 -, BRS 58 Nr. 146; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW,
23
Kommentar, Loseblatt, Stand: April 2001, § 75 Rn. 65 ff. mit
Rechtsprechungsnachweisen.
Im vorliegenden Fall bezieht sich die Baugenehmigung auf die Errichtung dreier
Doppelhäuser, eines Mehrfamilienhauses, einer Tiefgarage, einer Lärmschutzwand und
vier oberirdischer Stellplätze. Zwar mag ein einheitliches Gesamtvorhaben nicht
deshalb anzunehmen sein, weil dies dem verlautbarten Willen der Beigeladenen
entspräche.
24
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1974 - IV C 10.71 -, a.a.O., und Beschluss vom
21. August 1991 - 4 B 20.91 -, BRS 52 Nr. 2; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 75
Rn. 69.
25
Im vorliegenden Fall fehlt es nämlich an zureichenden Anhaltspunkten dafür, dass die
Beigeladenen die einzelnen Teilvorhaben bewusst als untrennbare Einheit zur
Genehmigung gestellt hätten, mit anderen Worten, daß sie entweder alles oder nichts
hätten genehmigt haben wollen. Soweit die Teilvorhaben in einem einzigen Bauantrag
zusammengefasst worden sind, mag dies teilweise auch auf
Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen. Eine gewollte unauflösbare, rechtliche
Verbindung zwischen den einzelnen Teilbauvorhaben läßt sich daraus nicht herleiten.
26
Die durch die angefochtene Baugenehmigung ermöglichten baulichen Anlagen stellen
aber, zumindest teilweise, eine bautechnische Einheit dar, wie sie etwa zwischen den
Geschossen eines Wohngebäudes und dessen Dach anzunehmen ist.
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Vgl. hierzu OVG NW, Urteile vom 12. Dezember 1991 - 7 A 172/89 -, a.a.O., und 12.
November 1998 - 10 A 1038/97 - sowie Beschluss vom 17. Februar 1997 - 7 B 209/97 -
sowie OVG Saarlouis, Beschluss vom 22. Oktober 1996 - 2 W 30/96 -, a.a.O.
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Das trifft beispielsweise für die einzelnen Doppelhäuser zu. Diese lassen sich nicht in
Doppelhaushälften aufspalten, da sie ausweislich der Bauvorlagen (vgl. Grundrisse der
Kellergeschosse) von einer gemeinsamen Heizungsanlage versorgt werden. Bei ihrer
Trennung bliebe ein nicht funktionsfähiger Torso zurück. Bautechnisch unteilbar sind
nach den dem Senat vorliegenden Bauvorlagen auch die Tiefgarage einerseits und die
Doppelhäuser B. Straße 54c/54d und 56a/56b andererseits. So dient aufgrund der
bautechnischen Konstruktion die Decke der Tiefgarage zugleich als
Erdgeschossfußboden der genannten Doppelhäuser. Tiefgarage und aufstehende
Gebäude sind darüber hinaus durch Treppen und Schleusen miteinander verbunden.
Sie sind insoweit Bestandteile eines einheitlichen Gesamtkonzepts.
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Die genehmigten baulichen Anlagen bilden darüber hinaus eine funktionale, teilweise
auch eine rechtliche Einheit. Das gilt zunächst für die Tiefgarage, in der 41 notwendige
Stellplätze vorgesehen sind. Die Zahl der Stellplätze ist unmittelbar von der Anzahl der
genehmigten Wohnungseinheiten abhängig. Entfallen zwei Doppelhäuser (mit
insgesamt 24 Wohnungseinheiten), kann die Tiefgarage wesentlich kleiner
dimensioniert werden.
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Auch die Lärmschutzwand ist bezüglich ihrer Ausgestaltung, insbesondere ihrer Länge
und Höhe, unmittelbar abhängig von der Lage und Höhe der zu schützenden Gebäude.
Werden die beiden am stärksten von der Lärmquelle beeinträchtigten Doppelhäuser
nicht wie vorgesehen errichtet, hat dies Auswirkungen auf die Planung und Ausführung
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der Schallschutzanlage.
Stellt sich das genehmigte Vorhaben, dessen einzelne Bestandteile durch die
Tiefgarage und die Lärmschutzwand "verklammert" werden, mithin als einheitliches
Gesamtvorhaben dar, war die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs des Antragstellers auf die Baugenehmigung in ihrer gesamten Reichweite
zu erstrecken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Sätze 1 und 2, § 162 Abs. 3
VwGO. Billigkeitsgründe erfordern es, dass der Beigeladene, der der Sache nach mit
dem Antragsgegner unterlegen ist, seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat
folgt der im Tenor des erstinstanzlichen Beschlusses vorgenommenen
Streitwertfestsetzung (15.000,- DM) und nicht der im Widerspruch hierzu stehenden
Begründung des Beschlusses (wonach der für die Hauptsache anzunehmende
Streitwert von 20.000- DM im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren
sei). Ein Ausgangsstreitwert von 30.000,- DM für das Hauptsacheverfahren und 15.000,-
DM für das vorliegende Verfahren entspricht der Bedeutung der Angelegenheit für den
Antragsteller, der durch das Vorhaben des Beigeladenen seine eigene Existenz
gefährdet sieht.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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