Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2009

OVG NRW (wiedereinsetzung in den vorigen stand, abweisung der klage, vollmacht, vater, wiedereinsetzung, bevollmächtigung, antrag, person, frist, gkg)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 562/08
Datum:
22.09.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 562/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 11 K 1923/07
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung nach §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt., 124a Abs. 4
VwGO ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 84 Abs. 3 VwGO. Es
vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klage sei
wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig, nicht zu erschüttern.
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Soweit in der Zulassungsbegründung vorgetragen wird, der Ablehnungsbescheid sei
dem Vater der Klägerin, unabhängig von der Vorlage einer Vollmacht zumindest
ebenfalls zuzustellen bzw. zur Kenntnis zu bringen gewesen, ist nicht dargelegt, woraus
sich eine solche Pflicht der Beklagten hätte ergeben können. Ist ein Bevollmächtigter im
Verwaltungsverfahren bestellt, so kann gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die
Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden. Eine Verpflichtung der Behörde,
einen Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, ist damit grundsätzlich
nicht verbunden.
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Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 41 Rn. 38.
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Selbst bei einer nach dem Verwaltungszustellungsgesetz erfolgenden Zustellung ist
diese nur dann gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG in der damals gültigen Fassung an den
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Bevollmächtigten zu richten, wenn er eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Für den
Vater der Klägerin wurde eine solche von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht der
Beklagten aber nicht – auch nicht nach ausdrücklicher Anforderung der Beklagten mit
Schreiben vom 13. Juni 2005 – vorgelegt. Die Mitteilung des früher bevollmächtigten
Rechtsanwalts im Schreiben vom 25. Mai 1999 (Bl. 11 des Verwaltungsvorgangs), die
bevollmächtigte Person habe ihm (Unter-)Vollmacht erteilt, ersetzt die Vorlage einer
schriftlichen Vollmacht der Klägerin für diese bevollmächtigte Person nicht. Für die
Beklagte war damit nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang der Vater der Klägerin
von dieser (nach zwischenzeitlicher Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Gelbe)
bevollmächtigt war. Nachdem Rechtsanwalt H. mitgeteilt hatte, dass er die Klägerin
nicht mehr vertrete und bat, die Korrespondenz über "die bisherige bevollmächtigte
Person" zu führen, und der Vater der Klägerin darüber von der Beklagten mit der Bitte
um Vorlage einer Vollmacht informiert wurde, konnte es nicht überraschen, dass die
Beklagte mangels schriftlichen Nachweises der Bevollmächtigung des Vaters den
Ablehnungsbescheid der Klägerin und nicht ihrem Vater bekannt gab.
Ernstliche Zweifel ergeben sich ferner nicht hinsichtlich der Annahme des
Verwaltungsgerichts, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO könne
der Klägerin nicht gewährt werden, weil jedenfalls der Wiedereinsetzungsantrag nicht
innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden sei. Mit dem
Zulassungsvorbringen, die den Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht habe sich
nicht auf die Führung eines Widerspruchsverfahrens erstreckt, ein
Widerspruchsverfahren beinhalte eine andere Dimension im Vergleich zur Prüfung der
Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels, erhebliche finanzielle Belastungen seien nur ein
Teil davon und dafür habe es einer gesonderten Beauftragung der Klägerin bedurft, wird
zwar erklärt, wie es aus Sicht der Prozessbevollmächtigten zu der Fristversäumung
hinsichtlich der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags kam. Die damit sinngemäß
geltend gemachte Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsantragsfrist
nach § 60 VwGO scheidet aber schon deshalb aus, weil sich aus dem Vortrag nicht
ergibt, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten. Es ist
mit Blick auf die von den Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vorgelegte
umfassende Vollmacht (Bl. 130 des Verwaltungsvorgangs) nicht zu erkennen, dass die
Vollmacht nur eingeschränkt erteilt war. Es ist aber auch bei unterstellter
eingeschränkter Vollmachtserteilung nicht ersichtlich oder dargelegt, warum eine
kurzfristige Kontaktaufnahme mit der Klägerin oder ihrem Vater nicht möglich gewesen
sein sollte und warum nicht zumindest vorsorglich der Antrag auf Wiedereinsetzung in
die versäumte Widerspruchsfrist hätte gestellt und Widerspruch hätte erhoben werden
können, um gegebenenfalls anschließend abzuklären, ob das Widerspruchsverfahren
tatsächlich durchgeführt werden soll.
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Soweit in der Zulassungsbegründung vorgetragen wird, dass die Anforderungen an die
Sorgfaltspflicht im Rahmen einer Entscheidung über ein Wiedereinsetzungsgesuch
angesichts der Bedeutung der Wiedereinsetzung für den verfassungsrechtlich
gewährleisteten Rechtsschutz der Betroffenen nicht überspannt werden dürften, fehlt es
an einer hinreichenden Darlegung, welche konkrete Relevanz dieser Einwand im
Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angegriffenen
Entscheidung hat.
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Eine Berufungszulassung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher
Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 84 Abs. 3 VwGO kommt gleichfalls
nicht in Betracht. Es ist nicht hinreichend i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt,
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worin die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen und warum die
Entscheidung wegen dieser Schwierigkeiten auch hätte anders ausfallen können.
Letzteres ist auch angesichts des Vortrags, dass der Sachverhalt wegen seines
teilweise auch lange zurückliegenden Auslandsbezugs schwierig zu ermitteln sei, nicht
zu erkennen. Es wird nicht dargetan, welcher entscheidungserhebliche Sachverhalt –
insbesondere vor dem Hintergrund der Abweisung der Klage als unzulässig – noch zu
ermitteln wäre.
Die Berufung kann schließlich auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 84 Abs. 3 VwGO zugelassen werden.
Die als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen, welche Anforderungen an die
Bevollmächtigung zu stellen sind und welche Umstände diese Anforderungen erfüllen,
stellen sich in dieser Abstraktheit im vorliegenden Verfahren, in dem in der
Zulassungsbegründung auf den Umfang der konkreten Bevollmächtigung der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgestellt wird, von vornherein nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – nach §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.
Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§§ 84 Abs. 3,
124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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