Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.03.1997

OVG NRW (1995, benutzungsgebühr, wohnfläche, verhältnis zu, der rat, höhe, zuschlag, satzung, stadt, monat)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 2501/96
Datum:
27.03.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 2501/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 4654/95
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Oberstadtdirektor der Stadt L. als Funktionsvorgänger des nunmehr Beklagten (im
folgendem einheitlich: der Beklagte) wies die Klägerin mit ihrem Ehemann und ihren
beiden Kindern zur Vermeidung der Obdachlosigkeit durch Bescheid vom 31. August
1993 in die Obdachlosenunterkunft (ohne Duschmöglichkeit) F. weg 6 in L. ein. Für die
Inanspruchnahme der Obdachlosenunterkunft erhob der Beklagte eine
Benutzungsgebühr. In der Folgezeit mahnte die Klägerin ständig eine Verbesserung der
Unterkunft an.
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Nachdem der Rat der Stadt L. die Satzung über die Erhebung von Gebühren für die
Inanspruchnahme von Obdachlosenunterkünften der Stadt L. geändert hatte, setzte der
Beklagte durch Bescheid vom 29. Mai 1995 die mit Wirkung vom 1. Juni 1995 zu
zahlende Benutzungsgebühr auf monatlich 500,10 DM neu fest.
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Den von der Klägerin gegen die Neufestsetzung der Benutzungsgebühr erhobenen
Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 28. Juni 1995 mit dem Hinweis
zurück, daß nach seiner Berechnung für alle im Jahre 1994/95 unterhaltenen
Obdachlosenunterkünfte pro qm und Wohnung durchschnittlich 10,00 DM aufzuwenden
gewesen seien. Die Höhe des Gebührensatzes sei daher nicht zu beanstanden.
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Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben. Sie hat bemängelt, daß der Beklagte die
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Gebühren für die Benutzung der Obdachlosenunterkunft um 80 % erhöht habe, während
eine deutliche Besserung der Wohnqualität der Räumlichkeiten nicht erfolgt sei. Eine
Gemeinschaftsdusche könne sie nicht nutzen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte im
Hinblick auf die nicht zur Verfügung stehende Gemeinschaftsdusche den
Gebührenbescheid um 1,00 DM pro qm und Monat reduziert; insoweit haben die
Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. Juni 1995 und der Änderung vom 17. April 1996 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat erwidert, daß selbst durch die Anhebung der Gebühren für die Benutzung seiner
Obdachloseneinrichtungen zum 1. Juni 1995 die bei ihm insoweit anfallenden Kosten
bei weitem nicht gedeckt würden.
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Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, das Verfahren eingestellt, soweit die
Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, und die Klage im
übrigen abgewiesen.
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Die Klägerin hat rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie lebe seit nunmehr drei
Jahren mit ihren beiden Kindern alleine in der Wohnung. Ihr Ehemann habe sich zum
15. September 1993 aus dieser Wohnung abgemeldet. Eine Verbrauchsgebühr für
Wasser sei nur in Höhe von 36,00 DM gerechtfertigt. Die Unterkunft verfüge über eine
Toilette. Ein weiteres separates WC existiere nicht. Deshalb müsse auch der Zuschlag
von 69,56 DM monatlich gestrichen werden.
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Während des Berufungsverfahrens setzte der Beklagte die von der Klägerin zu
entrichtende monatliche Benutzungsgebühr zuletzt durch Bescheid vom 16. Januar
1997 rückwirkend zum 1. Juni 1995 neu fest. Im Ergebnis reduzierte er nach einer
Neuvermessung der Obdachlosenunterkünfte die für die Gebührenberechnung
maßgebliche Wohnfläche der Unterkunft der Klägerin von bislang 69,56 qm auf 68,62
qm (= Wohnfläche 60,36 qm und anteilige Gemeinschaftsfläche 8,26 qm) und
dementsprechend die Grundgebühr sowie den Zuschlag für die Gemeinschaftstoilette
auf 377, 40 DM [=(68,62 qm x 4,50 DM) + (68,62 qm x 1,00 DM Zuschlag)]. Als
Verbrauchsgebühr für Wasser verlangte er nunmehr für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30.
November 1995 48,00 DM monatlich (= 4 Personen x 12,00 DM)und für die Zeit danach
36,00 DM monatlich (= 3 Personen x 12,00 DM). Im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem Senat hat der Beklagte den Gebührenbescheid vom 29. Mai 1995 in der
Fassung des Bescheides vom 16. Januar 1997 aufgehoben, soweit für den Zeitraum
vom 1. Juni bis zum 30. November 1995 eine Verbrauchsgebühr von mehr als 36,00 DM
pro Monat festgesetzt worden ist.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist, zu ändern und den
Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28. Juni 1995 und der Änderung vom 17. April 1996 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, die jetzt erhobene Benutzungsgebühr entspreche einer Kaltmiete von etwa
5,50 DM je qm. Die Klägerin habe für die Benutzung der Unterkunft eine Grundgebühr
von 308,79 DM und einen Zuschlag von jetzt 68,62 DM, also 1,00 DM je qm zu zahlen.
Der Zuschlag von 1,00 DM sei gerechtfertigt, da die Unterkunft über ein eigenes WC
verfüge. Ein Zuschlag für die Benutzung einer Gemeinschaftsdusche werde nicht mehr
erhoben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Die Klage ist unzulässig (geworden), soweit der Beklagte im Berufungsverfahren die
monatliche Benutzungsgebühr um 17,10 DM von 430,50 DM auf 413,40 DM reduziert
hat. Der Klägerin fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Es fehlt immer dann, wenn
die Hauptsache sich erledigt hat und die Klage dadurch gegenstandslos wird, der
Kläger aber, obwohl dies durch die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes
offensichtlich ist, gleichwohl seine Klage in vollem Umfang aufrechterhält. Dies ist hier
der Fall. Die ordnungsgemäß geladene Klägerin ist zur mündlichen Verhandlung nicht
erschienen und hat auch im übrigen während des Berufungsverfahrens nicht zu
erkennen gegeben, daß sie von ihrem Klagebegehren, den Gebührenbescheid des
Beklagten vom 29. Mai 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 1995
und der Änderung vom 17. April 1996 anzufechten, trotz der zwischenzeitlich erfolgten
Reduzierung der monatlichen Benutzungsgebühr durch den Beklagten hat abrücken
wollen.
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Im übrigen ist die Klage unbegründet, da die Festsetzung der monatlichen
Benutzungsgebühr in Höhe von 413, 40 DM rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in
ihren Rechten verletzt.
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Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung sind die §§ 1-4 der Satzung über die
Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme von Obdachlosenunterkünften der
Stadt L. vom 16. Mai 1995 -GS- i.V.m. § 5 der Satzung über die Errichtung und
Unterhaltung von Obdachloseneinrichtungen in der Stadt L. vom 16. Mai 1995 -OS-.
Diese Satzungsbestimmungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere
ist weder der Gebührenmaßstab noch der Gebührensatz zu beanstanden.
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Die Bemessung der Grundgebühr gemäß § 2 Abs. 2 GS nach der Wohnfläche beinhaltet
einen gültigen Gebührenmaßstab. Der Begriff Wohnfläche ist angesichts der
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Definitionen in § 2 Abs. 1 und 2 Satz 2 GS eindeutig bestimmt. Die an die Wohnfläche
anknüpfende Bemessung ist ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 6 Abs.
3 Satz 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - , da sie
jedenfalls ein offensichtliches Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme der Einrichtung
nicht erkennen läßt;
vgl. Urteil des Senats vom 3. Februar 1997 - 9 A 525/95 -;
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im Gegenteil, dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme wird gerade durch die
Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen Wohnfläche in besonderem Maß
Rechnung getragen. Dies gilt entsprechend für die je nach Ausstattungsstandard der
Unterkunft in § 3 Nrn. 1.1.2 bis 1.1.6 GS gestaffelten Zuschläge. Da sich die
zusätzlichen Ausstattungen auf den Unterbringungswert der gesamten Unterkunft
auswirken, ist es gerechtfertigt, auch sie nach einem Wert pro qm zu beurteilen. Die
Erhebung einer pauschalierten Verbrauchskostenumlage pro Person und Monat für die
in den Unterkünften anfallenden anteiligen Wasserkosten - nur diese stehen hier im
Streit - (vgl. § 3 Nr. 1.2.1 GS) genügt ebenfalls den Anforderungen an einen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG. Sie wird getragen von der
vereinfachten Überlegung, daß jeder Bewohner innerhalb eines Monats etwa einen
gleichen Anteil am Wasserverbrauch hat. Der Erhebung einer Pauschale pro Person
steht auch nicht § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG entgegen. Hiernach ist die Gebühr nach der
konkreten Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen (Wirklichkeitsmaßstab). Zwar
wäre insoweit die Messung des tatsächlich verbrauchten Frischwassers möglich, aber
ein Einbau von Meßeinrichtungen in allen Obdachlosenunterkünften wäre zu
kostenintensiv und damit wirtschaftlich nicht vertretbar.
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Die in § 3 GS geregelten Gebührensätze verstoßen auch nicht gegen das
Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG. Die flächenbezogenen Kosten
aller Obdachlosenunterkünfte sind mit 10,00 DM pro qm Wohnfläche ermittelt. Die in der
Satzung festgelegte flächenbezogene Grundgebühr von 4,50 DM je qm und die
ausstattungsbedingten Zuschläge von bis zu 2,50 DM je qm liegen damit unter den
tatsächlichen Kosten des Beklagten für die Inanspruchnahme der städtischen
Obdachlosenunterkünfte und führen nicht zu einer Kostenüberschreitung, sondern sogar
zu einer Kostenunterdeckung. Angesichts dessen besteht keine Veranlassung, die
einzelnen in Ansatz gebrachten Positionen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen,
zumal die Klägerin die Kostenermittlung des Beklagten nicht angegriffen hat. Auch
gegen die Höhe der in § 3 Nr. 1.2.1 GS geregelten anteiligen Wasserkosten von 12,00
DM pro Person und Monat bestehen im Hinblick darauf, daß mit ihnen auch die
Entsorgung der Abwässer abgegolten werden und die Klägerin auch insoweit Einwände
nicht erhoben hat, keine Bedenken. Insoweit hat der Beklagte im übrigen über dem
festgesetzten Satz liegende Kosten für den Wasserverbrauch pro Person und Monat
ermittelt, die zu Beanstandungen ebenfalls keinen Anlaß geben.
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Auf der Grundlage der hiernach nicht zu beanstandenden Gebührensatzung ist die
Klägerin sowohl dem Grund als auch der Höhe nach zu Recht als Gebührenschuldnerin
in Anspruch genommen worden. Soweit sie selbst die Unterkunft genutzt hat, ergibt sich
ihre Gebührenpflicht aus § 1 Nr. 2 GS. Im übrigen haftet sie auch für ihre die Unterkunft
mit ihr teilenden Familienangehörigen als Gesamtschuldnerin. Dies ergibt sich aus § 1
Nr. 3 GS.
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Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Regelung Urteil des Senats vom 3. Februar 1997
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a.a.O.
Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin die monatliche Benutzungsgebühr mit
nunmehr 413,40 DM zutreffend festgesetzt. Ausgehend von einer Wohnfläche von 68,62
qm (60,36 qm alleiniges Nutzungsrecht und 8,26 qm der nutzbaren
Gemeinschaftsfläche) - gegen deren Berechnung sind Einwände nicht erhoben worden
noch ersichtlich - und einer Grundgebühr von 4,50 DM pro qm ergibt sich ein Betrag von
308,79 DM. Der vom Beklagten jetzt noch angesetzte Zuschlag von 68,62 DM (1,00 DM
pro qm Wohnfläche) nach § 3 Nr. 1.1.3 GS ist ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die
der Klägerin zugewiesene abgeschlossene Wohneinheit verfügt unstreitig jedenfalls
über eine Gemeinschaftstoilette. Für die Inanspruchnahme von Frischwasser (incl. der
Entsorgung der Abwässer) hat der Beklagte schließlich zu Recht nach § 3 Nr. 1.2.1 GS
36,00 DM monatlich in Ansatz gebracht, da die Klägerin und ihre beiden Kinder, also
drei Personen, Frischwasser verbraucht haben.
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Die von der Klägerin gerügten Mängel der Unterkunft vermögen eine Reduzierung der
Gebühren nicht zu rechtfertigen. Denn es ist schon nicht erkennbar, daß der Beklagte
zum Einschreiten verpflichtet gewesen ist, weil die der Klägerin zugewiesene Unterkunft
nicht den Mindestanforderungen an ein Obdach entsprochen hätte. Zu den
Mindestanforderungen gehört zwar, daß u.a. eine ausreichende Beheizbarkeit des
Raumes im Winter sichergestellt und den hygienischen Grundanforderungen
genügende sanitäre Anlagen, also eine Waschmöglichkeit und eine Toilette, vorhanden
sein müssen.
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Vgl. HessVGH, Urteil vom 23. Juni 1991 -11 UE 3675/88-, DVBl. 1991, 1371.
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Mängel dieser Art rügt die Klägerin aber selbst nicht. Insoweit verkennt sie offensichtlich,
daß ein Obdach trotz des in der Satzung verwendeten Begriffs der „Wohneinheiten"
nicht zu messen ist an den Anforderungen einer wohnungsmäßigen Unterbringung.
Vielmehr muß ein Obdach lediglich vorübergehenden Schutz vor den Unbilden des
Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen.
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Urteil des Senats vom 4. März 1992 - 9 B 3939/91 -, DÖV 1992, 675.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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