Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.12.2009

OVG NRW (wiedereinsetzung in den vorigen stand, einhaltung der frist, antrag, frist, ablauf der frist, wiedereinsetzung, monat, verlängerung der frist, anpassung der leistungen, nichteinhaltung der frist)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 271/08
Datum:
02.12.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 A 271/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 5 K 760/06
Schlagworte:
Bewohnerorientierter Aufwendungszuschuss Kurzzeitpflege
monatsübergreifender Aufenthalt Antrag Ausschlussfrist
Wiedereinsetzung
Normen:
PfG NRW § 11; PflFeinrVO § 3 Abs. 2; SGB X § 27
Leitsätze:
Die in § 3 Abs. 2 PflFEinrVO geregelte monatsweise Antragstellung und
die Frist zur Stellung des Antrags auf Gewährung des
bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses i. S. v. § 11 PfG NRW
bis zum 15. des Folgemonats gelten auch bei monatsübergreifenden
Kurzzeitpflegeaufenthalten.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird, soweit es Gegen¬stand des
Berufungsverfahrens ist, geändert.
Die noch anhängige Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens bei¬der Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
voll¬streckbar. Die Klägerin darf die Voll-streckung durch
Sicher¬heitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden,
wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der-selben
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Trägerin der Kurzzeitpflegeeinrichtung I. N. in N1. .
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Mit Antrag vom 7. November 2005 beantragte sie beim Beklagten die Gewährung des
bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses für Investitionskosten nach § 11 des
Landespflegegesetzes NRW für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Oktober 2005 in
Höhe von insgesamt 11.207,67 Euro. Der Antrag enthält den Vermerk, dass für 14
namentlich benannte Nutzer der Einrichtung der Antrag vorsorglich gestellt werde. Der
Antrag ging beim Beklagten am 22. November 2005 ein.
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Mit Telefax vom 23. November 2005 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten
unter Bezugnahme auf ein Telefonat vom selben Tag und unter Beifügung einer Kopie
des Briefumschlags, in dem sich der Investitionskostenzuschuss-Antrag befunden habe,
dass dessen Annahme wegen nicht ausreichender Frankierung von der
Stadtverwaltung N1. am 10. November 2005 verweigert worden sei. Eine Nachfrage
im Postausgangsbüro habe ergeben, dass der Umschlag am 15. November 2005 vom
Postservicecenter bearbeitet und daher erst am 18. November 2005 bei der Klägerin
eingegangen sei. Am gleichen Tag sei der Brief ausreichend frankiert direkt wieder zur
Stadtverwaltung N1. verschickt worden.
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Mit Bescheid vom 10. Januar 2006 lehnte der Beklagte die beantragte Gewährung eines
bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses für Oktober 2005 ab. Zur Begründung
führte er aus, der Antrag sei gemäß § 3 Abs. 2 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung
monatlich bis zum 15. des folgenden Kalendermonats zu stellen. Ausschlaggebend für
die Fristwahrung sei ausschließlich der Antragseingang bei der Stadt N1. . Der
Antragsteller habe dafür Sorge zu tragen, dass die Frist gewahrt werde. Da der Antrag
der Klägerin erst am 22. November 2005 bei der Stadt N1. eingegangen sei, sei die
vorgeschriebene Antragsfrist nicht eingehalten worden. Eine Verlängerung der Frist
komme auch unter Würdigung aller Aspekte nicht in Betracht.
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Dagegen erhob die Klägerin mit am 18. Januar 2006 beim Beklagten eingegangenen
Schreiben Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass das ihr zur Last gelegte
Fristversäumnis durch das Zusammentreffen widriger Umstände bei der
Postbeförderung zustande gekommen sei. Eine Ablehnung des bewohnerorientierten
Aufwendungszuschusses in voller Höhe halte sie nicht für angemessen. Die
entsprechende Leistung sei tatsächlich von der Einrichtung erbracht worden und habe
reale Kosten verursacht.
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Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006
zurück. Ergänzend zu seinen früheren Ausführungen teilte er mit, dass das
Übermittlungsrisiko des Antrags der Antragsteller trage. Dies gelte auch für das Risiko
der Nichtannahme eines unterfrankierten Poststücks und eines damit verbundenen
Rücklaufs der Sendung.
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Am 26. April 2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, ihr Schreiben
vom 23. November 2005 an den Beklagten sei als Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß § 27 SGB X zu verstehen und habe beschieden werden müssen.
Der Beklagte habe den Wiedereinsetzungsantrag nicht bearbeitet und nicht darüber
entschieden. Sie sei der Ansicht, die Frist zur Einreichung des Antrags auf Gewährung
des bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses ohne Verschulden versäumt zu
haben. Nach normalen Erfahrungen erreichten unzureichend frankierte Sendungen den
Absender am Tag nach der Zurückzuweisung, spätestens am übernächsten Tag. Wäre
dies auch in diesem Fall so gewesen, hätte die Klägerin den Antrag problemlos noch
erneut ausreichend frankiert vor dem 15. November 2005 auf den Weg bringen können
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(notfalls per Boten). Die für das Einkuvertieren zuständige Mitarbeiterin habe
versehentlich nicht berücksichtigt, dass im vorliegenden Fall nicht nur drei, sondern vier
Blätter verschickt worden seien. Dies habe zu einer Frankierung mit einer 0,55-Euro-
Briefmarke statt mit einer 0,95-Euro-Briefmarke geführt. Die betreffende Mitarbeiterin sei
seitens der Klägerin mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und immer
überwacht worden. Sie habe in 13 Jahren Tätigkeit keinen einzigen vergleichbaren
Fehler in dieser Form begangen, arbeite zuverlässig und biete keinen Anlass für
Beanstandungen. Die Klägerin habe sich daher auf die Arbeit der eingesetzten Kraft
verlassen. Die Klägerin vertrete die Ansicht, dass hier deshalb kein ihr zurechenbares
Verschulden angenommen werden könne. Die Nichtgewährung der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand erschei-ne auch unverhältnismäßig. Die fehlende Frankierung
bewege sich im Cent-Be-reich. Der Klägerin entstehe, wenn es bei der Entscheidung
des Beklagten bliebe, ein Schaden von fast 7.000,00 Euro. Die Klägerin vertrete
überdies die Auffassung, die Frist zur Beantragung eines bewohnerorientierten
Investitionszuschusses für einen Heimbewohner, der sich monatsübergreifend in der
Kurzzeitpflege aufgehalten habe, beginne erst mit Beendigung der Kurzzeitpflege zu
laufen. Die gegenteilige Auffassung führe dazu, dass für jemanden, der am letzten Tag
eines Monats in der Einrichtung aufgenommen werde, bis zum 15. des Folgemonats ein
eigener Abrechnungsantrag gestellt werde müsse. Ein zweiter Abrechnungsantrag sei
dann für den zweiten sich dann unmittelbar anschließenden Monat zu stellen. Allein der
Verwaltungsaufwand für diese zusätzliche erste Rechnung liege höher als der Betrag,
den der Träger der Einrichtung anschließend vom Beklagten erstattet erhalte. Dies
könne aus Praktikabilitätsgesichtspunkten nicht richtig sein. Sie, die Klägerin, verfolge
insoweit nur noch ihr Begehren dahingehend weiter, als es die Gewährung von
Investitionskosten für solche Heimbewohner betreffe, die monatsübergreifend in der
Einrichtung gepflegt worden seien. Insofern sei der Antrag in jedem Fall fristgerecht
gewesen. Den Wiedereinsetzungsantrag nehme sie zurück.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom
10. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. April
2006 zu verpflichten, den beantragten bewohnerorientierten
Aufwendungszuschuss für Investitionskosten für den Monat Oktober 2005
für den Aufenthalt der Heimbewohner zu bewilligen, der
monatsübergreifend in den November 2005 hinein stattgefunden hat.
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Der Beklagten hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er vorgetragen, nach seiner Auffassung sei es eindeutig, dass auch
bei monatsübergreifender Pflege die Gewährung jeweils für einen Monat erfolge und der
entsprechende Antrag jeweils bis zum 15. des Folgemonats gestellt sein müsse. Dies
ergebe sich auch aus der Begründung zu § 3 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung
NRW. Danach sei die Förderung "bei rechtzeitiger Antragstellung für den jeweils
vorangegangenen Zeitraum von einem Monat zu gewähren". Folge man der
gegenteiligen Auffassung, betrage der beantragte Zuschuss für die monatsübergreifend
in der Einrichtung der Klägerin gepflegten Heimbewohner 4.263,51 Euro. Der insoweit
vorsorglich beantragte Zuschuss belaufe sich auf 1.531,80 Euro.
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Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit die Klage
zurückgenommen worden ist. Im Übrigen hat es den Beklagten unter entsprechender
Aufhebung seines Bescheides vom 10. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheides
vom 6. April 2006 verpflichtet, der Klägerin die beantragten bewohnerorientierten
Aufwendungszuschüsse in Höhe von insgesamt 5.795,31 Euro zu gewähren. Es hat
ausgeführt, der Antrag vom 7. November 2005 sei bezüglich der hier streitigen
Zuschüsse fristgerecht gestellt worden. Die Antragsfrist sei für die
monatsübergreifenden Heimaufenthalte eingehalten worden. Das Gericht gehe aus
Gründen der Praktikabilität davon aus, dass zur Fristberechnung bei
monatsübergreifenden Kurzzeitpflegeaufenthalten auf den Zeitpunkt der
Aufenthaltsbeendigung abzustellen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt
der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
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Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Beklagte unter
Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen Folgendes vor: Der Wortlaut des § 3
Abs. 2 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung NRW sei eindeutig. Danach sei der
Zuschuss monatlich bis zum 15. des folgenden Kalendermonats zu beantragen. Dem
stünden Gründe der Praktikabilität nicht entgegen.
15
Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil, soweit es noch Gegenstand des
Berufungsverfahrens ist, zu ändern und die noch anhängige Klage
abzuweisen.
17
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
19
Sie macht geltend, der Wortlaut der Pflegeeinrichtungsförderverordnung NRW stehe der
Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht entgegen. Eine Zuordnung des
beantragten Zuschusses auf ein spezielles Datum der Antragstellung sei – soweit
ersichtlich und abweichend von den Regelungen zum Pflegewohngeld – nicht gegeben.
Hinsichtlich des Pflegewohngelds sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der
Pflegeeinrichtungsförderverordnung NRW sogar explizit eine Rückbeziehung der
Antragstellung vorgesehen. Ein klar umrissener Zeitraum liege dem Verfahren der
Bewilligung der Zuschüsse für Kurzzeitpflegeeinrichtungen auch zugrunde, wenn bei
der hier in Rede stehenden Kurzzeitpflege die Antragstellung nachfolgend stattfände.
Auch die nachfolgende Bewilligung entspräche dem Ziel des Gesetzgebers, wie er es in
§ 1 des Landespflegegesetzes NRW definiert habe. Die vom Beklagten vertretene
Auffassung führe zu einem übermäßig hohen Verwaltungsaufwand. Denn neben der
Tatsache, dass gegebenenfalls mehrfach Anträge gestellt werden müssten, sei eine
Fristüberwachung erforderlich, soweit finanzielle Nachteile vermieden werden sollten.
Die Auffassung werde auch den tatsächlichen Gegebenheiten der Kurzzeitpflege nicht
gerecht. Bei derartigen Sachverhalten sei es typisch, dass der mit der Pflege befasste
Träger sehr kurzfristig mit der Unterbringung des Pflegebedürftigen konfrontiert werde.
Personen, die bislang in ihrem häuslichen Umfeld gepflegt worden seien, würden
überraschend zugewiesen, z.B. weil die ansonsten die Pflege übernehmende Person
plötzlich erkrankt und/oder verhindert sei. Zeitnahe Zuweisungen erfolgten auch im
Rahmen der Zusammenarbeit mit Krankenhäusern oder bei plötzlicher
Pflegebedürftigkeit. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, bei denen eine im Voraus
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nicht planbare Aufnahme im Rahmen der Kurzzeitpflege stattfinde, seien z.B. die Fragen
der Pflegekategorie, des Kostenträgers, der Gründe der Pflegebedürftigkeit etc.
ungeklärt, weil z.B. die Pflegebedürftigkeit erst im Zusammenhang mit einer Erkrankung
eingetreten sei oder weil nahe Angehörige bislang keine entsprechende
Pflegezuweisung beantragt hätten. Mangels einschlägiger Sachverhaltskenntnisse wäre
der Träger zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gegebenenfalls gezwungen,
unmittelbar mit der Aufnahme der betreffenden Person und ins "Blaue hinein" einen
Antrag zu stellen, ohne zuvor belastbare Tatsachen recherchiert zu haben. Es müssten
gegebenenfalls ungerechtfertigt Verwaltungsverfahren ausgelöst werden.
Im Übrigen komme vorliegend eine Wiedereinsetzung gemäß § 27 SGB X i. V. m. § 16
PfG NRW in Betracht. Die Klägerin sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die
Antragsfrist einzuhalten. Bei der Frist gemäß § 3 Abs. 2 der
Pflegeeinrichtungsförderverordnung NRW handele es sich nicht um eine materielle
Ausschlussfrist. Es werde aus der Regelung in der Verordnung nicht erkennbar, dass
der materielle Anspruch auf bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss gemäß § 11
PfG NRW bei Fristversäumnis untergehen solle. Ebenso wenig lasse sich feststellen,
dass Sinn und Zweck des Aufwendungszuschusses mit Einhaltung der Frist stehe und
falle. Die Prüfung, ob eine Zuschussbedürftigkeit vorliege oder nicht, sei auch nach
Ablauf der Frist noch sinnvoll und in der Regel unproblematisch möglich. Die Wertung
der Regelung als Ausschlussfrist sei verfassungsrechtlich bedenklich, da nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausschlussfristen nur dann
mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren seien, wenn der Rechtsschutz nicht unzumutbar
erschwert werde. Die Klägerin habe die Frist unverschuldet versäumt, denn der
Beklagte habe die Annahme der nicht ausreichend frankierten Postsendung nicht
verweigern dürfen. Es gelte generell das Prinzip, dass Verzögerungen der
Briefbeförderung oder Briefzustellung nicht als Verschulden angerechnet werden
dürften. In diesem Sinne hätten auch der VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom
29. August 1988 – 10 S 151/88 –) und das Finanzgericht Thüringen (Urteil vom
13. Februar 1997 – I 169/96 –) entschieden. Die Klägerin habe auch zu dem in Abrede
gestellten Organisationsverschulden rechtzeitig vorgetragen. Gemäß § 27 Abs. 2 SGB X
sei nur der Antrag innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Wegfall des Hindernisses zu
stellen. Gleichzeitig sei die versäumte Handlung nachzuholen. Wiedereinsetzung könne
sogar ohne Antrag gewährt werden. Außerdem sei der Beklagte verpflichtet
entsprechend § 20 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und die für den
Einzelfall bedeutsamen, insbesondere auch die für die Klägerin günstigen Umstände zu
berücksichtigen. Insofern sei zu beachten, dass die Klägerin die zuständige
Mitarbeiterin des Beklagten telefonisch vorab sowohl über den Sachverhalt der
postalischen Übermittlung als auch über den Gegenstand des Antrags am
23. November 2005 in Kenntnis gesetzt habe. Hinsichtlich der Zurechnung eines
Verschuldens der Hilfsperson, welche den Briefumschlag frankiert habe, habe der
Beklagte den entsprechenden Sachverhalt im Rahmen der ihm obliegenden
Untersuchungspflicht ermitteln müssen. Es sei nicht im Sinne des § 27 SGB X
erforderlich, das Auswahlprozedere hinsichtlich der handelnden Personen darzulegen
und zu dokumentieren. Der notwendige Tatsachenvortrag im Rahmen des § 27 SGB X
beschränke sich darauf, die Gründe für die Nichteinhaltung der Frist ihrem wesentlichen
Inhalt nach darzulegen. Da diese Gründe dem Beklagten aufgrund des
vorangegangenen Telefonats ohnehin bekannt gewesen seien, habe dem
Wiedereinsetzungsantrag ohne weitere Erläuterung/Nachfrage stattgegeben werden
müssen. Im Übrigen werde es als behördenbekannt vorausgesetzt, dass subalterne
Mitarbeiter mit der Frankierung der Postsendungen beauftragt seien. Darüber hinaus sei
21
es der Behörde bekannt gewesen, dass eine vorausgegangene Zurückweisung wegen
falscher Frankierung nicht vorgelegen habe. Ferner werde auf § 26 Abs. 7 SGB X
verwiesen, wonach nach Fristablauf Fristen rückwirkend verlängert werden könnten,
insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen
Rechtsfolgen bestehen zu lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
23
Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.
24
Die noch anhängige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 6. April 2006 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, als die von ihr für monatsübergreifende
Kurzzeitpflegeaufenthalte (in den Monaten Oktober und November 2005) beantragten
bewohnerorientierten Aufwendungszuschüsse abgelehnt wurden. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf die Bewilligung dieser Zuschüsse (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
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Einem solchen Anspruch steht die Versäumung der Antragsfrist entgegen. Für den von
der Klägerin hinsichtlich der von ihr betriebenen Kurzzeitpflegeeinrichtung begehrten
bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss nach § 11 des Gesetzes zur Umsetzung
des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen – PfG
NRW) vom 19. März 1996 in der ab 1. August 2003 geltenden Fassung des Art. 1 des
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Umsetzung des Pflegeversicherungsgesetzes
vom 8. Juli 2003 (GV. NRW, S. 380) ist in § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Förderung
der Investitionen von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie über den
bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss vollstationärer Dauerpflegeeinrichtungen
(Pflegewohngeld) – Pflegeeinrichtungsförderverordnung (PflFEinrVO) vom 15. Oktober
2003 (GV. NRW, S. 613) ausdrücklich und nicht nur als bloß unverbindliche
Ordnungsfrist vorgesehen, dass der Antrag auf den Zuschuss monatlich bis zum 15. des
folgenden Kalendermonats zu stellen ist (Hervorhebung durch den Senat). Der Wortlaut
des § 3 Abs. 2 PflFEinrVO sieht damit eine nach Kalendermonaten differenzierte
Antragstellung bis zum 15. des folgenden Kalendermonats vor, ohne eine Ausnahme
bei monatsübergreifenden Kurzzeitpflegeaufenthalten zuzulassen.
27
Dass eine solche aus Gründen der Praktikabilität geboten erscheint, ist nicht ersichtlich.
Mit Blick auf § 2 Satz 2 PflFEinrVO i. V. m. § 3 Abs. 2 PflFEinrVO ergibt sich, dass der
Zuschuss für die tatsächlichen Belegungstage im Monat vor der Antragstellung durch
Personen, die als pflegebedürftig nach dem SGB XI anerkannt sind, gewährt wird. Mit
dem Bezug auf den jeweiligen Kalendermonat und mit der monatsweise erfolgenden
Antragstellung spätestens bis zum 15. des Folgemonats liegt dem Verfahren der
Bewilligung der Zuschüsse jeweils ein klar umrissener Zeitraum im Hinblick auf jeden
Bewohner der Kurzzeitpflegeeinrichtung – unabhängig von der eventuell über das
Monatsende hinausgehenden Dauer seines Aufenthalts – zugrunde. Mit dieser
einheitlich auf einen formal, d. h. zeitlich, und damit eindeutig bestimmten und zugleich
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auf einen ohne weiteres über-schaubaren Zeitraum von lediglich einem Monat
beschränkten Antragszeitraum trägt § 3 Abs. 2 PflFEinrVO in besonders geeigneter
Weise den Anforderungen Rechnung, die sich aus den Besonderheiten der Tages-,
Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen mit ihren häufigen Belegungswechseln und –
zum Teil – stark schwankenden Belegungsquoten ergeben und in einem effektiven
Verwaltungsverfahren mit dem Ziel einer möglichst zeitnahen Auszahlung des bewoh-
nerorientierten Aufwendungszuschusses zu bewältigen sind. Gerade durch die
monatsweise Antragstellung ist eine kurzfristige Überprüfung und Bewilligung des
Antrags möglich. Zudem entfällt durch die zeitliche Beschränkung sowohl für die
Pflegeeinrichtung als auch für die zuständige Behörde die – bei etwaigen Unter-
brechungen um den Monatswechsel ggf. aufwendigen und zu Streitfragen Anlass
gebende – Prüfung, welcher Einrichtungsbewohner sich "über das Monatsende hinaus"
in der Einrichtung aufgehalten hat, und es entfällt der damit verbundene Aufwand einer
bei den Antragstellungen im Folgemonat und dem darauf folgenden Monat zu
berücksichtigenden Differenzierung.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren darauf verwiesen hat, es müssten zwei
Abrechnungsanträge gestellt werden, wenn jemand beispielsweise am letzten Tag des
Monats in der Einrichtung aufgenommen werde, ist ein damit verbundener übermäßig
hoher Verwaltungsaufwand nicht ersichtlich, da nach § 3 Abs. 1 PflFEinrVO nur ein
Antrag gestellt wird, in dem die Belegungstage durch Personen, die als pflegebedürftig
nach dem SGB XI anerkannt sind, aufgelistet sind. Die pflegebedürftigen Personen, die
über das Monatsende hinaus in der Einrichtung verbleiben, sind demnach lediglich im
Rahmen der auch nach dem Modell der Klägerin weiterhin für jeden Monat zu
stellenden Anträge in beiden Monatslisten aufzuführen.
29
Ein übermäßig hoher Verwaltungsaufwand durch die nach Monaten getrennte
Antragstellung lässt sich auch nicht damit begründen, dass ansonsten eine
Fristenüberwachung erforderlich sei, um finanzielle Nachteile zu vermeiden. Die
Notwendigkeit einer solchen Überwachung ergibt sich schon allein aus der in § 3 Abs. 2
PflFEinrVO genannten Antragsfrist und ist auch mit Blick auf den Aufenthalt von
Personen notwendig, die nicht monatsübergreifend in der Einrichtung verweilen.
Vielmehr erhöht sich durch die nach den jeweiligen Aufenthaltsdaten zu
unterscheidenden Antragsfristen der Aufwand der Fristenüberwachung, da jeweils
differenziert werden muss, welche Frist für welchen Bewohner einzuhalten ist.
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Die nach dem Kalendermonat differenzierte Antragstellung bis zum 15. des
Folgemonats trennt zudem klar zwischen der Voraussetzung der fristgerechten
Antragstellung und den die Höhe des Anspruchs bestimmenden Voraussetzungen, zu
denen die Dauer des Aufenthalts und damit auch die Aufenthaltsbeendigung gehört.
Diese Trennung ist nicht zuletzt aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität
sachgerecht, weil die Einhaltung der Antragsfrist jedenfalls nicht von im Einzelfall
abweichenden Würdigungen zum Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie der
Aufenthaltsbeendigung abhängt.
31
Dass die monatsweise Antragstellung bei monatsübergreifenden Aufenthalten den
Besonderheiten der Kurzzeitpflege nicht gerecht würde, ist nicht ersichtlich. Der
Umstand, dass bei einem Teil der die Kurzzeitpflege nutzenden Personen bei der
Aufnahme noch nicht feststeht, ob sie als pflegebedürftig i. S. d. SGB XI anerkannt
werden, spricht nicht dafür, dass bei monatsübergreifenden Kurzzeitpflegeaufenthalten
auf den Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung mit der Folge abzustellen ist, dass ein
32
Antrag noch bis zum 15. des übernächsten Monats nach der Aufnahme in der
Einrichtung gestellt werden könnte. Denn diese Problematik stellt sich nicht nur bei
monatsübergreifend in der Einrichtung gepflegten Bewohnern, sondern auch bei
solchen, die nicht über das Monatsende hinaus in der Einrichtung verbleiben. Zudem
kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jedenfalls bis zum 15.
des übernächsten Monats nach der Aufnahme die entsprechenden Feststellungen
getroffen sind. Im Übrigen kann der Antrag für den jeweiligen Kalendermonat – wie von
der Klägerin auch in dem für den Monat Oktober 2005 gestellten Antrag praktiziert – bei
Unklarheiten hinsichtlich der Bewilligungsvoraussetzungen vorsorglich gestellt werden.
Vgl. zu einer vorsorglichen Antragstellung: LSG NRW, Urteil vom 25.
Februar 2008 – L 20 SO 63/07 –, FEVS 60, 157 ff.
33
Es ist zudem nicht zu erkennen, dass es den Zielen des Gesetzgebers widersprechen
würde, auch bei monatsübergreifenden Aufenthalten in der Kurzzeitpflegeeinrichtung
eine nach Kalendermonaten differenzierte Antragstellung bis zum 15. des Folgemonats
vorzusehen. Das in § 1 PfG NRW beschriebene Ziel des Gesetzes, eine leistungsfähige
und wirtschaftliche ambulante, teilstationäre, vollstationäre und komplementäre
Angebotsstruktur für alle Pflegebedürftigen zu gewährleisten, verlangt ein Absehen von
der in § 3 Abs. 2 PflFEinrVO genannten Frist bei monatsübergreifenden
Kurzzeitpflegeaufenthalten nicht. Eine Gefährdung dieses Ziels durch eine zu restriktive
Antragsfrist ist weder ersichtlich noch dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen.
34
Dass der Verordnungsgeber hinsichtlich des Pflegewohngelds, das für Heimplätze von
Bewohnern vollstationärer Dauerpflegeeinrichtungen, die anders als im Rahmen der
Kurzzeitpflege regelmäßig über einen längeren Zeitraum in der Einrichtung leben, in § 7
Abs. 2 PflFEinrVO andere Regelungen zur Leistungsgewährung, die im Übrigen auch
von anderen Voraussetzungen abhängt, getroffen hat, ist für das Antragsverfahren
hinsichtlich der Gewährung der bewohnerorientierten Investitionszuschüsse für Tages-,
Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen ohne Belang.
35
Eine Fristverlängerung nach § 26 Abs. 7 SGB X schied von vornherein aus. Gemäß §
26 Abs. 7 Satz 1 SGB X können Fristen verlängert werden, die von einer Behörde
gesetzt sind. Bei der Frist nach § 3 Abs. 2 PflFEinrVO handelt es sich aber nicht um eine
behördliche, sondern um eine in einer Rechtsverordnung vorgesehene Frist. Der
Beklagte war nicht befugt, diese zu verlängern.
36
Die Klägerin hat die Frist für den Antrag auf Gewährung bewohnerorientierter
Aufwendungszuschüsse für den Monat Oktober 2005 auch für den Aufenthalt von
Bewohnern, der monatsübergreifend in den November 2005 stattfand, versäumt. Der
entsprechende Antrag ging beim Beklagten erst am 22. November 2005 und nicht schon
bis zum 15. November 2005 ein.
37
Eine Wiedereinsetzung nach § 27 SGB X i. V. m. § 16 PfG NRW kommt nicht in
Betracht, weil es sich bei der in § 3 Abs. 2 PflFEinrVO geregelten Frist um eine
materielle Ausschlussfrist handelt. Gemäß § 27 Abs. 5 SGB X ist die Wiedereinsetzung
unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.
Dies ist der Fall bei einer Ausschlussfrist, deren Versäumung zur Folge hat, dass der
Betreffende seine materielle Rechtsposition verliert, auch wenn ihn an der
Fristversäumung kein Verschulden trifft.
38
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1993 – 6 C 10.92 –, DVBl. 1994, 170 ff.
= NVwZ 1994, 575 ff.
39
Materiell-rechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen
verbindlich. Sie stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte; ihr
Ablauf ist vielmehr von Amts wegen zu beachten. Nach Ablauf der Frist kann der
Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, sofern und soweit das einschlägige
Recht keine Wiedereinsetzung, Nachsichtgewährung oder sonstige Ausnahme
gestattet.
40
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 38.95 –, NJW 1997, 2966 ff.;
OVG NRW, Urteil vom 27. Februar 2003 – 16 A 5570/00 –, NVwZ-RR 2004,
38 ff.
41
Eine Ausschlussfrist in diesem Sinne liegt vor, wenn entweder der Ausschluss der
Wiedereinsetzung ausdrücklich in der gesetzlichen Fristenregelung bestimmt ist oder
deren Auslegung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen – einerseits
des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der Frist, andererseits des Interesses des
Einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bei unverschuldeter
Fristversäumung – ergibt, dass der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist
"steht und fällt", ein verspäteter Antragsteller also materiell-rechtlich seine
Anspruchsberechtigung endgültig verlieren soll.
42
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 1997 – 8 C 38.95 –, a. a. O., vom 28.
März 1996 – 7 C 28.95 –, BVerwGE 101, 39 ff. u. vom 20. Dezember 1990 –
7 B 167.90 –, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 133; BSG, Urteile vom 23.
Januar 2008 – B 10 EG 6/07 R –, SGb 2009, 54 f. = NJ 2008, 381 f. u. vom
25. Oktober 1988 – 12 RK 22/87 –, BSGE 64, 153 ff.; OVG NRW, Urteile
vom 28. Januar 2003 – 15 A 203/02 –, OVGE MüLü 49, 84 ff. = NWVBl.
2003, 312 ff., vom 27. Februar 2003 – 16 A 5570/00 –, a. a. O. u. vom 26.
Februar 2002 – 15 A 527/00 –, ZKF 2002, 233 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 14.
März 2007 – 4 LC 16/05 –, OVGE MüLü 50, 443 ff.; OVG Saarl., Beschluss
vom 29. April 2009 – 3 D 453/08 –, LKRZ 2009, 316; Hauck/Noftz, SGB X,
Bd. 1, Stand: Oktober 2009, § 27 Rn. 16; Kallerhoff, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 31 Rn. 8; Ziekow, VwVfG,
2006, § 32 Rn. 24.
43
Da die Ausschlusswirkung den Verlust einer gesetzlich begründeten Rechtsposition
bedeutet und dadurch den Anspruchsberechtigten belastet, bedürfen Ausschlussfristen
einer ausreichenden Rechtsgrundlage, d. h. sie müssen von der Legislative erlassen
werden oder auf einer von ihr erteilten Ermächtigung beruhen.
44
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1993 – 6 C 10.92 –, a. a. O.; OVG
NRW, Urteil vom 27. Februar 2003 – 16 A 5570/00 –, a. a. O., m. w. N.
45
Hauptanwendungsfall ist das Subventionsrecht, bei dem die Ausschlussfrist u. a. dazu
dient, eine Verteilung haushaltsmäßig begrenzter Subventionsmittel in angemessener
Zeit zu gewährleisten.
46
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 2002 – 15 A 527/00 –, a. a. O.; OVG
Nds., Urteil vom 14. März 2007 – 4 LC 16/05 –, a. a. O.; Ritgen, in:
47
Knack/Henneke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 32 Rn. 47.
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der in § 3 Abs. 2 PflFEinrVO geregelten
Antragsfrist um eine Ausschlussfrist. Mit ihrer Regelung in der genannten Verordnung,
die auf § 11 Abs. 4 PfG NRW beruht, durch den das für die Pflegeversicherung
zuständige Ministerium ermächtigt wird, im Einvernehmen mit dem Innenministerium
und dem Finanzministerium nach Anhörung der zuständigen Ausschüsse des Landtags
durch Rechtsverordnung das Nähere über die Voraussetzungen der
Leistungsgewährung, das Antragsverfahren, die Dauer der Leistungen, ihre Höhe und
das Verfahren der Anpassung der Leistungen an die Kostenentwicklung zu regeln, liegt
eine hinreichende rechtliche Grundlage für die Ausschlussfrist vor.
48
Dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 PflFEinrVO lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, ob es
sich bei der darin geregelten Frist um eine Ausschlussfrist handelt. Er beschränkt sich
auf die Vorgabe, dass der Antrag auf den Zuschuss monatlich bis zum 15. des
folgenden Kalendermonates zu stellen ist. Die Auslegung als Ausschlussfrist entspricht
aber dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Diese dient dazu, das Antragsverfahren für
den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss für Einrichtungen der Tages-, Nacht-
und Kurzzeitpflege zu strukturieren und zu ordnen. Der Aufwendungszuschuss wird zur
Finanzierung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen der Einrichtung
gewährt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 PfG NRW). Es handelt sich dabei nach dem Willen des
Gesetzgebers um eine einkommensunabhängige nachschüssige Förderung.
49
Vgl. LT-Drucks. 13/3498, S. 35.
50
Der bewohnerorientierte Aufwendungszuschuss entspricht damit einer Subvention, für
deren Beantragung typischerweise Ausschlussfristen geregelt sind. Anhaltspunkte
dafür, dass in diesem Fall abweichend trotz der Gewährung einer Subvention keine
Ausschlussfrist vorgesehen werden sollte, liegen nicht vor. Die Finanzierung dieser
Zuschüsse erfolgt in der Regel durch die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche
Träger der Sozialhilfe (vgl. § 3 Abs. 2 SGB XII, § 1 AG-SGB XII NRW). Diese haben an
der Verschaffung eines zeitnahen Überblicks der von ihnen zu leistenden Zahlungen,
deren Höhe wegen der Abhängigkeit von der zeitlichen Nutzung der Einrichtung in
jedem Monat unterschiedlich ist, ein großes Interesse. Die Regelung der Antragsfrist hat
damit auch den Zweck, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu
bestimmten Zeitpunkten endgültige Gewissheit über die Verteilung haushaltsmäßig
knapper Mittel in angemessener Zeit zu gewährleisten. Des Weiteren dient die Frist der
kurzfristigen Überprüfbarkeit der Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses
gerade auch vor dem Hintergrund, dass die in der Regel hoch betagten und
pflegebedürftigen Bewohner sich grundsätzlich nur kurz in der Einrichtung befinden.
51
Es kann auch nicht mit Blick auf die Interessen der Einrichtungsträger der
Kurzzeitpflegeeinrichtungen davon ausgegangen werden, dass die in § 3 Abs. 2
PflFEinrVO genannte Frist keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist darstellt. Der
Einrichtungsträger hat zwar aus finanziellen Gründen ein Interesse am Erhalt des
Zuschusses und damit ggf. an einer Wiedereinsetzung bei unverschuldeter
Fristversäumung zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile. Sein Interesse überwiegt
jedoch das dargelegte öffentliche Interesse nicht, zumal er auf die jeden Monat erneut
unter Beachtung der Frist erfolgende Antragstellung wegen der damit einhergehenden
Regelmäßigkeit im Rahmen seiner Organisation eingestellt ist. Außerdem betrifft der
Ausschluss jeweils nur den Zuschuss für einen Monat, so dass diese Auslegung des § 3
52
Abs. 2 PflFEinrVO jeweils keine unverhältnismäßig hohen Folgen etwa im Sinne einer
Existenzgefährdung für einen Einrichtungsträger hat.
Die Qualifizierung des § 3 Abs. 2 PflFEinrVO als materielle Ausschlussfrist ist mit Art. 19
Abs. 4 GG, der die Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes zum Inhalt hat,
vereinbar. Denn es wird dadurch nicht der Zugang zu den Gerichten vereitelt oder
unzumutbar erschwert. Vielmehr ist dem jeweiligen Kläger der Rechtsweg für sein
Begehren, eröffnet und er kann gerichtlich überprüfen lassen, ob ihm der Anspruch auf
Gewährung des von ihm begehrten bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses
zusteht.
53
Vgl. zur Vereinbarkeit von Ausschlussfristen mit Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG,
Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, BVerfGE 61, 82 ff.
54
Eine Wiedereinsetzung oder sonst eine Ausnahme von der Ausschlussfrist ist nicht
möglich. Denn es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung der Wiedereinsetzung,
Nachsichtgewährung oder einer sonstigen Ausnahme in der
Pflegeeinrichtungsförderverordnung oder im Landespflegegesetz NRW. Dass sich aus
anderen Umständen dennoch eine Ausnahme ergeben könnte,
55
vgl. zu solchen Ausnahmen und ihren Voraussetzungen: Kallerhoff, a. a. O.,
§ 31 Rn. 10; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 31 Rn. 13,
56
ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
57
Selbst wenn eine Wiedereinsetzung nach § 27 SGB X i. V. m. § 16 PfG NRW
grundsätzlich in Betracht käme, bliebe sie hier schon deshalb ohne Erfolg, weil die
Klägerin ihren Wiedereinsetzungsantrag mit Schriftsatz vom 22. März 2007 ausdrücklich
zurückgenommen und damit das Risiko einer abweichenden Rechtsauffassung in der
Rechtsmittelinstanz übernommen hat. Unabhängig davon wäre eine Wiedereinsetzung
jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert
war, die Antragsfrist einzuhalten. Bei einer unzureichenden oder mangelnden
Frankierung einer Postsendung als Grund für eine Fristversäumung ist grundsätzlich
vom Verschulden eines Beteiligten auszugehen.
58
Vgl. Hauck/Noftz, a. a. O., § 27 Rn. 10; von Wulffen, in: von Wulffen, SGB X,
6. Auflage 2008, § 27 Rn. 8.
59
Der Empfänger darf die Annahme unterfrankierter Briefsendungen verweigern.
60
Vgl. Hamb. OVG, Urteil vom 21. März 1995 – Bf VI 24/94 –, NJW 1995, 3137
ff.; Kallerhoff, a. a. O., § 32 Rn. 23.
61
Etwas anderes folgt nicht aus der Entscheidung des Thüringer Finanzgerichts, auf
welche die Klägerin in diesem Zusammenhang hinweist. Denn es wurde darin nicht
davon ausgegangen, es läge kein Verschulden bei der Fristversäumung aufgrund einer
Versendung eines unterfrankierten Briefes vor, sondern das Verschulden wurde dem
Kläger nicht zugerechnet.
62
Vgl. Thür. FG, Urteil vom 13. Februar 1997 – I 169/96 –, Juris; vgl. auch: FG
München, Urteil vom 10. Dezember 1997 – 1 K 1965/95 –, Juris.
63
Der weiter von der Klägerin angeführten Entscheidung des VGH Baden-Württemberg
64
- vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. August 1988 – 10 S 1515/88 –,
Justiz 1989, 100 f. (Kurzwiedergabe) -
65
ist nicht zu folgen. Denn es liegt im Verantwortungsbereich des Absenders, das
Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend (also z.B. richtig frankiert
und beschriftet) und so rechtzeitig zur Post zu geben, dass es bei regelmäßigem
Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht.
66
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1999 – 1 BvR 1138/97 –,
NJW 1999, 3701 f.; Beschluss vom 16. Dezember 1975 – 2 BvR 854/75 –,
BVerfGE 41, 23 ff.
67
Der Brief der Klägerin erreichte den Beklagten aber gerade wegen der in ihre
Verantwortung fallenden nicht ausreichenden Frankierung nicht fristgerecht.
68
Hinsichtlich des Umstands, dass die Annahme des Briefs mit dem Antrag auf
Gewährung bewohnerorientierter Aufwendungszuschüsse für den Monat Oktober 2005
wegen Unterfrankierung vom Beklagten verweigert wurde und aus diesem Grund nicht
fristgerecht einging, ist von einem Verschulden der Klägerin auszugehen.
69
Ihr wird das Verschulden der von ihr beschäftigten, für die Frankierung zuständigen
Mitarbeiterin zugerechnet. Ihr (pauschaler) Vortrag, dass sie insofern kein
Organisationsverschulden treffe, weil sie diese Mitarbeiterin mit der erforderlichen
Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und immer überwacht habe, kann schon deshalb nicht
zu einer Wiedereinsetzung in die versäumte Frist führen, weil diese Tatsachen nicht
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB X, sondern erstmals in
der Klagebegründung vom 11. Mai 2006 mitgeteilt wurden. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1
SGB X ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu
stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im
Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Aus diesen
Regelungen ist abzuleiten, dass die zur Darlegung einer unverschuldeten
Fristversäumung erforderliche Tatsachenschilderung bereits innerhalb der Antragsfrist
erfolgen muss; lediglich unselbständige Ergänzungen zu diesem Tatsachenvortrag
sowie die Glaubhaftmachung dieser Schilderungen können unabhängig von der Zwei-
Wochen-Frist während des laufenden Wiedereinsetzungsverfahrens nachgereicht
werden.
70
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 16 A 4097/05 –,
Juris; Giese/Krahmer, SGB I und X, Stand Juni 2007, § 27 SGB X Rn. 7; vgl.
zu den insoweit gleichlautenden Vorschriften der §§ 32 Abs. 2 VwVfG und
60 Abs. 2 VwGO auch etwa Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 32 Rn. 4; Czybulka,
in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 60 Rn. 119 ff., jeweils m. w. N.
71
Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist, die infolge des Eingangs des erkennbar wegen
Unterfrankierung zurückgesandten Briefes am 18. November 2005 am 2. Dezember
2005 endete, hat die Klägerin nichts dazu vorgetragen, dass ihr die Unterfrankierung
nicht zuzurechnen sei. Im Schreiben vom 23. November 2005 verweist sie lediglich auf
die nicht ausreichende Frankierung und schildert den Postlauf nach der Nichtannahme
72
des Briefs durch den Beklagten. Dass das am selben Tag mit der zuständigen
Sachbearbeiterin des Beklagten geführte Telefonat einen darüber hinausgehenden
Inhalt hatte, wird auch im Berufungsverfahren nicht dargelegt.
Der Beklagte war wegen der Darlegungspflicht desjenigen, der die Wiedereinsetzung
beantragt, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, die für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X sprechenden Umstände nach
§ 20 SGB X von Amts wegen selbst zu ermitteln.
73
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag, die Mitarbeiterin der
Klägerin, Frau T. , möge dazu gehört werden, dass sie der zuständigen Mitarbeiterin
des Beklagten, Frau I1. , am 23.11.2005 Kenntnis darüber gegeben hat, dass aufgrund
einer nicht ausreichenden Frankierung des Antrags dieser zurückversandt wurde und
sie diesen Antrag nunmehr mit ausreichender Frankierung versendet, ist abzulehnen
gewesen, denn die Beweistatsachen sind angesichts der Erklärung der Vertreterin des
Beklagten in der mündlichen Verhandlung, sie stelle diese Tatsachen nicht in Abrede,
nicht streitig gewesen und können als wahr unterstellt werden. Die Mitteilung
hinsichtlich der Unterfrankierung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist führt – wie bereits
ausgeführt – jedoch nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dass Frau T.
der Mitarbeiterin des Beklagten in dem Telefonat auch Umstände dazu mitgeteilt hat,
dass der Klägerin die Unterfrankierung nicht zuzurechnen sei, wird weder behauptet
noch unter Beweis gestellt.
74
Dass bei einer unverzüglichen Zustellung des an die Klägerin zurückgesandten Briefes
eine fristgerechte Antragstellung eventuell noch möglich gewesen wäre, lässt ihr
Verschulden nicht entfallen. Der Absender hat die durch die wegen Unterfrankierung
vergebliche Übermittlung eingetretene Verzögerung ebenso zu verantworten wie die
Risiken, die mit einer erneuten Übermittlung verbunden sind.
75
Vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2007 – II ZB 14/06 –, NJW 2007, 1751 f.
76
Es kommt damit hinsichtlich des Verschuldens der Klägerin nicht darauf an, dass der
Beklagte die Annahme ihres Briefes bereits am 10. November 2005 verweigerte, dieser
bei ihr aber erst am 18. November 2005 und damit nach Fristablauf wieder einging.
77
Die unzureichende Frankierung war zudem auch adäquat kausal für die
Fristversäumung. Wäre der Brief nicht unzureichend frankiert gewesen, wäre die
Annahme durch den Beklagten nicht verweigert worden, sondern der Antrag fristgerecht
eingegangen. Die Rücksendung mit (nicht völlig außerhalb jeder Erfahrung liegender)
mehrtägiger Postlaufzeit an die Klägerin wäre nicht nötig gewesen und sie hätte den
Antrag nicht erneut an den Beklagten senden müssen.
78
Sollte der Beklagte früher über eine Verwaltungspraxis verfügt haben, nach der er –
rechtswidrig – auch nach dem 15. eines Monats eingegangene Anträge nicht als
verfristet ansah oder generell Wiedereinsetzung gewährte, so kann sich die Klägerin
darauf schon wegen des Grundsatzes "keine Gleichheit im Unrecht"
79
- vgl. zu diesem Grundsatz: BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Juni 1993 –
1 BvR 390/89 –, NVwZ 1994, 475 f.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember
1969 – VIII C 104.69 –, BVerwGE 34, 278 ff. -
80
nicht berufen. Dass es eine solche Verwaltungspraxis im Jahr 2005 überhaupt (noch)
gegeben haben könnte, ist im Übrigen ohnehin weder dem Vortrag der Vertreterin des
Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
81
Die Kostenentscheidung, die unter deklaratorischer Einbeziehung der die
Klagerücknahme im erstinstanzlichen Verfahren betreffenden Kostenentscheidung des
Verwaltungsgerichts folgt, beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
82
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
83