Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2004

OVG NRW: halle, betriebsstätte, notausgang, erlass, hauptsache, geschäftsführer, besucher, duldung, abholung, empfang

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 B 1942/03
Datum:
28.01.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 B 1942/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 L 1491/03
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der
Streitwertentscheidung geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig, bis zur rechtskräftigen
Entscheidung im Hauptsacheverfahren, Erlaubnisse gemäß § 33 i
GewO für den Betrieb von zwei Spielhallen im Hause E. C. 2. , 5. L. ,
entsprechend ihren Anträgen vom 16. Februar 2002 zu erteilen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden
Rechtszügen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe greifen
durch. Auch die sonstigen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen
Voraussetzungen liegen vor.
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Zum gerichtlichen Überprüfungsumfang bei der Beschwerde vgl.: OVG NRW, Beschluss
vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390; VGH München, Beschluss vom
23. Januar 2002 - 25 CS 02.172 -, NVwZ 2003, 118; OVG Berlin, Beschluss vom 12.
April 2002 - 8 S 41/02 -, NVwZ- Beilage 2002, I 98, 99; a.A. HessVGH, Beschluss vom
5. Juli 2002 - 12 TG 959/02 -, AuAS 2002, 234.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 iVm § 920 ZPO darf eine einstweilige Anordnung nur
ergehen, wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.
Das ist hier der Fall.
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Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass ihr gemäß § 33 i GewO - wie beim
Antragsgegner beantragt - Erlaubnisse für den Betrieb von zwei Spielhallen im Hause
E. C. 2. , 5. L. , erteilt werden. Der Ansicht des Antragsgegners, die beiden dort
bestehenden Betriebsstätten seien nicht gesondert erlaubnisfähig, so dass für beide nur
eine einzige Erlaubnis erteilt werden könne, ist nicht zu folgen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
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Urteile vom 9. Oktober 1984 - 1 C 21.83 -, BVerwGE 70, 180 = GewArch 1985, 62, vom
30. Mai 1989 - 1 C 17.87 -, GewArch 1989, 264, und vom 27. März 1990 - 1 C 47.88 -,
GewArch 1990, 244 = NVwZ 1990, 760,
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sind benachbarte Betriebsstätten dann gesondert erlaubnisfähig, wenn sie räumlich so
getrennt sind, dass bei natürlicher Betrachtungsweise die Sonderung der einzelnen
Betriebsstätten optisch in Erscheinung tritt und die Betriebsfähigkeit jeder Betriebsstätte
nicht durch die Schließung der anderen Betriebsstätte beeinträchtigt wird. Diese
Voraussetzungen liegen bei summarischer Prüfung vor.
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An einer schließungsbedingten wechselseitigen Beeinträchtigung der Betriebsfähigkeit
fehlt es hier schon deshalb, weil der Betrieb der - von den Eingängen gesehen - rechts
gelegenen Spielhalle 2 ohne weiteres auch bei Schließung der links gelegenen
Spielhalle 1 fortgesetzt werden kann. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang,
dass das für beide Spielstätten geschaffene Büro nur über die Halle 1 zugänglich ist.
Der Betrieb der Spielhalle 2 erfordert kein Büro; im Übrigen ist dieses auch nicht
Gegenstand der Genehmigungsanträge. Wegen der selbstständigen Betriebsfähigkeit
der Spielhalle 2 ist es unerheblich, dass der Rettungsweg zu dem für die Spielhalle 1
erforderlichen Notausgang ebenso wie der Zugang zur Personaltoilette über den
hinteren Bereich der Spielhalle 2 führt, die Schließung der Halle 2 also die
Betriebsfähigkeit der Halle 1 beeinträchtigen würde. Zudem bleibt es dem
Antragsgegner unbenommen, durch entsprechende Nebenbestimmungen sicher zu
stellen, dass bei einer Schließung der Halle 2 der Spielbetrieb in Halle 1 nur fortgeführt
werden darf, wenn auch weiterhin ein Notausgang und, soweit notwendig, eine
Personaltoilette zur Verfügung stehen.
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Die Sonderung der beiden Betriebsstätten tritt bei natürlicher Betrachtungsweise auch
optisch in Erscheinung.
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Eher dagegen sprechen allerdings der vor dem Gebäude liegende gemeinsame
Parkplatz sowie die an der Außenfassade angebrachte Reklame, die beide
Betriebsstätten überspannt und dadurch deutlich macht, dass hier derselbe
Unternehmer tätig wird. Die einheiltliche farbliche Gestaltung der Türen und Fenster
verstärkt diesen Eindruck. Relativiert wird er indessen dadurch, dass die Antragstellerin
die Betriebsstätten durch unterschiedliche Fassadenfarben (weiß bzw. blau) deutlich
optisch gegeneinander abgegrenzt hat und jede Betriebsstätte über einen separaten
Eingang verfügt, der unmittelbar nach außen führt. Gerade der letztgenannte
Gesichtspunkt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
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Urteil vom 27. März 1990 - 1 C 47.88 -, aaO.,
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von wesentlicher Bedeutung. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung
auch von zahlreichen anderen, bei denen der Senat eine optische Sonderung verneint
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hat, weil die Zugänge zu den Betriebsstätten nur über eine gemeinsame Passage zu
erreichen waren. Die optische Sonderung kommt auch darin zum Ausdruck, dass die
beiden Betriebsstätten innerhalb des Gebäudes durch eine undurchsichtige -
inzwischen raumhohe - Trennwand gegeneinander abgegrenzt sind. Diese weist eine
Gesamtlänge von etwa 21 m auf, gemessen von den Eingängen bis zum Beginn der
Toilettenbereiche. Die Trennwand wird lediglich durch den in der Mitte des Gebäudes
gelegenen Aufsichtsbereich mit Kaffeetheke auf eine Länge von ca. 4,5 m unterbrochen.
Zwar besteht hier die Möglichkeit eines ungehinderten Durchblicks von einer
Betriebsstätte in die andere; auch können Besucher am akustischen Geschehen in der
jeweils anderen Spielhalle teilhaben. Der Eindruck der optischen Sonderung beider
Spielstätten wird angesichts der Größe der Betriebsstätten, auf die es nach der
Rechtsprechung des Senats ebenfalls maßgeblich ankommt, aber nicht aufgehoben.
Anders als in früher entschiedenen Verfahren weisen die hier in Rede stehenden
Betriebsstätten nämlich nicht nur geringe Grundflächen auf und können deshalb auch
nicht gleichsam als Spielkabinen eines einzigen Betriebes empfunden werden. Sie
verfügen nach den Antragsunterlagen über Grundflächen von jeweils mehr als 2. qm.
Bei alledem versteht es sich von selbst, dass dieser Eindruck nur Bestand haben kann,
wenn die Antragstellerin eine Nutzung des Aufsichtsbereichs als Durchgang von einer
Spielhalle in die andere ausschließt. Entsprechendes gilt für die auf Anregung der
Bauaufsichtsbehörde hinter den Toilettenbereichen eingebaute Tür, die als zweiter
Rettungsweg dient und den Durchgang von der Halle 1 in die Halle 2 zu dem dort
befindlichen Notausgang ermöglicht. Einer missbräuchlichen Verwendung des an
dieser Tür befindlichen Panikschlosses kann ohne weiteres durch eine optische
Überwachung oder einen akustischen Signalgeber begegnet werden.
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Auf die danach mögliche Erteilung von zwei Spielhallenerlaubnissen hat die
Antragstellerin einen Anspruch, weil Gründe, die nach § 33 i Abs. 2 GewO die
Versagung rechtfertigen könnten, nicht gegeben sind. Insbesondere kann bei
summarischer Prüfung keine Rede davon sein, dass dem Geschäftsführer der
Antragstellerin die für den Betrieb der Spielhallen erforderliche gewerberechtliche
Zuverlässigkeit fehlt (§ 33 i Abs. 2 Nr. 1 iVm §§ 33 c Abs. 2, 33 d Abs. 3 GewO). Die in
dem angefochtenen Beschluss erwähnten Ermittlungsakten haben dem Antragsgegner
vorgelegen und sind von ihm in Ablichtung im Beschwerdeverfahren überreicht worden.
Sie ergeben keinen Anhaltspunkt für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des
Geschäftsführers der Antragstellerin. Auch der Antragsgegner sieht solche
Anhaltspunkte offenbar nicht; denn er ist bereit, der Antragstellerin jedenfalls eine
einzige Erlaubnis zu erteilen. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene
Gesetzesresistenz des Geschäftsführers ist ebenfalls nichts ersichtlich. Die
Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass der Spielhallenbetrieb mit ausdrücklicher
Duldung des Antragsgegners aufgenommen worden ist.
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Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendige Anordnungsgrund liegt
ebenfalls vor. Die Antragstellerin begehrt zwar eine zeitlich befristete Vorwegnahme der
Hauptsache. Dieser Umstand steht dem Erlass der einstweiligen Anordnung aber nicht
entgegen, weil es ihr nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines möglicherweise mehrere
Jahre dauernden Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Maßgeblich hierfür ist der
Umstand, dass ihr nach dem zuvor Ausgeführten die geltend gemachten Ansprüche
zustehen und ihr bei einer Versagung vorläufigen Rechtsschutzes eine nicht
unerhebliche Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG droht, die durch eine
Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
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Vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, NJW 1989, 827,
und vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 -, NJW 1995, 2477.
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Müsste die Antragstellerin auf den Spielhallenbetrieb in den beiden Betriebsstätten mit
insgesamt 20 Geldspielgeräten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren verzichten, hätte dies für sie erhebliche wirtschaftliche Nachteile
zur Folge. Dies ist ihr angesichts der bereits erfolgten Investitionen nicht zuzumuten. Es
kommt hinzu, dass die Antragstellerin sich nach ihrem unwidersprochen gebliebenen
Vortrag während der Planungs- und Errichtungsphase der Betriebsstätten fortlaufend mit
dem Ordnungsamt des Antragsgegners abgestimmt hat und sie deshalb zu Recht davon
ausgehen konnte, die beantragten Erlaubnisse würden erteilt werden. Bei zwei
Terminen am 11. und 15. Oktober 2002 wurde ihr zudem der korrekte Ausbau der
beiden Spielhallen vom Antragsgegner bestätigt und der Geschäftsführer der
Antragstellerin aufgefordert, die zur Abholung bereit liegenden Erlaubnisse in den
Diensträumen des Antragsgegners in Empfang zu nehmen. Dabei wurde ihm erklärt,
dass er ab dem 15. Oktober 2002 beide Spielhallen in Betrieb nehmen dürfe.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt
sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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