Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.05.2006

OVG NRW: fürsorgepflicht, beihilfe, programm, krasses missverhältnis, medizinische indikation, zahnarzt, prothese, gerätschaften, konkretisierung, materialien

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 3633/04
Datum:
24.05.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 3633/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 16 K 4270/01
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Ruhestandsbeamter und als solcher beihilfeberechtigt nach den
Beihilfevorschriften des Bundes.
2
Im Zusammenhang mit einer umfangreichen Zahnbehandlung seiner Ehefrau
beantragte der Kläger unter dem 8. Februar 1999 eine Beihilfe zu der Rechnung des
Zahnarztes Dr. M. vom 4. Februar 1999 über implantologische Leistungen in einer
Gesamthöhe von 11.499,80 DM. Bestandteil dieser Rechnung ist auch ein Eigenbeleg
über Leistungen des Praxislabors des behandelnden Zahnarztes in Höhe von 4.527,33
DM, wobei u.a. anteilige Kosten für die bei der Implantierung benutzten und
verbrauchten Gerätschaften, wie Pilotkreissäge, Perimatexsäge, Blattimplantat-Fräsen,
Messimplantat, Bohrersatz etc. in Rechnung gestellt werden.
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Laut des zuvor erstellten Behandlungsplans von Dr. M. sollten im Oberkiefer der Ehefrau
des Klägers insgesamt acht Implantate eingesetzt werden (Zähne: 12, 13, 14, 16, 22, 23,
34 und 26). Diesen Behandlungsplan übersandte der Kläger der Beihilfestelle der
Beklagten mit der Bitte um Überprüfung auf die Beihilfefähigkeit.
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Die Beklagte ließ daraufhin die geplanten implantologischen Leistungen durch das
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Institut für medizinische Begutachtung auf ihre Notwendigkeit überprüfen. In einem
Gutachten vom 22. Februar 1999 führte der Zahnarzt C. I. , Gutachter der ZÄK/X. -M1. ,
Obergutachter Implantologie BdiZ, aus, dass in den Kostenvoranschlägen für die
Versorgung des Oberkiefers sechs Implantate aufgeführt seien, die über sechs
Teleskopkronen und Stege der Fixierung einer herausnehmbaren Prothese dienen
sollten. Laut dem OPG-Röntgenbild vom 27. Januar 1999 und der Rechnung vom 4.
Februar 1999 seien über die geplanten sechs Implantate hinaus zwei weitere Implantate
inseriert. Laut den Konsensuserklärungen der relevanten wissenschaftlichen
Fachgesellschaften seien bei vorliegender Zahnlosigkeit für die Fixierung einer
Prothese im Oberkiefer im Regelfall nur sechs Implantate notwendig. Die Fixierung an
weniger als sechs Implantaten sei im vorliegenden Fall wegen der geringen
Knochendichte im Oberkiefer aus fachlicher Sicht als kontraindiziert einzustufen, da
eine zu geringe Implantatzahl nicht mit einer dauerhaft günstigen Prognose verbunden
sei. Die medizinische Notwendigkeit für mehr als sechs Implantate für die Befestigung
einer herausnehmbaren Prothese könne gutachterlicherseits nicht anerkannt werden.
In den Beihilfevorschriften seien weniger als sechs Implantate in einem Kiefer
vorgesehen. Daher könnten nur (maximal) vier Implantate erstattet werden.
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In seiner „medizinischen Begründung für die Implantation im Oberkiefer mit acht
Implantaten bei Frau H. G. „ vom 11. Mai 1999 trug der die Ehefrau des Klägers
behandelnde Zahnarzt zu den geplanten implantologischen Leistungen vertiefend vor,
dass aufgrund der starken Kieferatrophie sowohl in vertikaler als auch in transversaler
Dimension aus statischen Gründen eine distale Abstützung im Molarenbereich
unverzichtbar gewesen sei. Um eine Sinus-Augmentation zu vermeiden, sei im Bereich
des 1. und 2. Moralen auf beiden Seiten jeweils ein Osteoplat (zweiphasiges
titanplasmabeschichtetes Blattimplantat) eingesetzt worden. Zusammenfassend könne
gesagt werden, dass eine Implantation im Oberkiefer mit vier Implantaten, so wie von
der Beihilfe allgemein vorgesehen, einen Misserfolg aufgrund statischer
Unterdimensionierung darstellen würde. Die im Falle von Frau G. durchgeführte
Implantation habe jedoch eine absolut hervorragende Erfolgsprognose und stelle somit
langfristig die wirtschaftlich günstigere Lösung dar.
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In ihrer Leistungsabrechnung vom 26. Mai 1999 lehnte die Postbeamtenkrankenkasse
(PBeaKK), Bezirksstelle L. , eine Beihilfe zu den Aufwendungen für implantologische
Leistungen über den beihilferechtlichen Höchstsatz von vier Implantaten nebst der dazu
notwendigen Materialien hinaus sowie zu den in Rechnung gestellten Instrumenten ab
und setzte den beihilfefähigen Betrag für die Rechnung des Herrn Dr. M. vom 4. Februar
1999 auf 6.007,04 DM fest, wobei 70 %, mithin 4.204,93 DM erstattet wurden. Zur
Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der beihilfe- und erstattungsrechtlichen
Vorgaben nur Aufwendungen für vier Implantate anerkannt werden könnten. Außerdem
seien gemäß § 4 Abs. 3 GOÄ/GOZ mit den Gebühren für die ärztlichen und
zahnärztlichen Leistungen die Praxiskosten einschließlich des Sprechstundenbedarfs
abgegolten. Folgende Aufwendungen hätten daher keine Anerkennung finden können:
Pilotkreissäge, Perimatexsäge, Fräsen, Bohrersätze.
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Auf Bitten des Klägers erfolgten in der Folgezeit verschiedene Nacherstattungen,
wodurch sich die Beihilfeleistungen noch leicht erhöhten.
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Mit weiterem Beihilfeantrag vom 22. Juli 1999 begehrte der Kläger die Erstattung einer
weiteren Zahnarztrechnung des Herrn Dr. M. für die Behandlung seiner Ehefrau vom 14.
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Juli 1999 in Höhe von insgesamt 40.097,94 DM. Diese Rechnung umfasste nach den
Angaben des Klägers die noch ausstehenden Behandlungen für die
Implantatfreilegung, den Ober- und Unterkieferzahnersatz.
Mit Leistungsabrechnung der PBeaKK vom 13. August 1999 erkannte die Beklagte von
der Rechnung des Herrn Dr. M. vom 14. Juli 1999 einen Betrag in Höhe von 23.456,67
DM als beihilfefähig an und gewährte eine Beihilfe in Höhe von 70 %, mithin 16.419,67
DM. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der beihilfe- und
erstattungsrechtlichen Vorgaben nur Aufwendungen für vier Implantate anerkannt
werden könnten. Auch hier erfolgten in der Folgezeit geringfügige Nacherstattungen.
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Gegen die Erstattung der Kosten für nur vier Implantate und die Nichtberücksichtigung
der bei der Implantatbehandlung in Rechnung gestellten Kosten für Bohrer, Fräsen etc.
wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 1999 und 20. August 1999. Zur
Begründung trug er im Wesentlichen vor:
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In § 4 Abs. 3 GOZ sei nicht festgelegt, dass Einmalinstrumente zu den Praxiskosten
gehörten. Eine solche Festlegung sei auch nicht möglich. So würden z.B.
Implantatfräsen nur bei einem Patienten, und zwar unabhängig von der Zahl der
Implantate, verwendet. Außerdem sei nicht § 9 GOZ, sondern § 10 GOÄ anzuwenden.
Dort werde in § 10 Abs. 1 Nr. 1 GOÄ bestimmt, dass Kosten für Materialien, die mit einer
einmaligen Anwendung verbraucht seien, berechnet werden könnten. Die Kosten für die
Materialien, die nicht berechnet werden könnten, seien in Abs. 2 aufgeführt. Darüber
hinaus enthielten die im Gebührenverzeichnis genannten zahnärztlichen Leistungen
nicht so hohe Sachkostenanteile, wie sie im Bereich der Implantologie anfielen.
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Die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Implantaten in den Beihilfevorschriften
sei mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht vereinbar. Bei größeren
implantologischen Leistungen werde die zumutbare Eigenvorsorge des
Beihilfeberechtigten überschritten, weil auch eine angemessene Krankenversicherung
durch die Postbeamtenkrankenkasse nicht gegeben sei. Ferner stelle die von dem
behandelnden Zahnarzt angewandte Operationsmethode der „Sinus-Implantat-
Stabilisator" eine Weltneuheit dar. Im Seitenzahnbereich des Oberkiefers würden bei
reduziertem Kieferkammprofil die Implantate, nach Einbringung der biologischen
Knochenmasse, mit Hilfe des Sinus-Implantat- Stabilisators in nur einer einzigen
Sitzung fixiert. Man benötige daher nur eine Operation, halbiere die Behandlungszeit
und verursache dadurch weniger Kosten.
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Mit Bescheid vom 23. März 2001 lehnte die Deutsche Telekom AG eine weitere
Beihilfeleistung zu den implantologischen Leistungen hinsichtlich der Ehefrau des
Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es nach Anlage 2 Ziffer 4 zu § 6 Abs. 1
Nr. 1 BhV nur möglich sei, Aufwendungen für maximal vier Implantate pro Kiefer
inklusive der damit verbundenen zahnärztlichen Leistungen sowie der Labor- und
Materialkosten als beihilfefähig anzuerkennen. Darüber hinaus seien nach § 4 Abs. 3
GOZ mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial,
für den Sprechstundenbedarf sowie für die Anwendung von Instrumenten und
Apparaten abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt
sei. Eine gesonderte Abrechnung jener Kosten dürfe nach Abs. 4 nicht erfolgen. In
Anwendung dieser Bestimmungen seien die Aufwendungen für Pilotkreissäge, Fräsen,
Bohrer usw. nach der Gebührenordnung nicht berechnungsfähig und damit auch nicht
beihilfefähig.
15
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 20. April 2001 Widerspruch
ein. Zur Begründung führte er vertiefend aus, dass die beamtenrechtliche
Fürsorgepflicht die Übernahme der Aufwendungen für alle implantologischen
Leistungen gebiete. Die Ablehnung der Auslagen für Pilotkreissäge, Fräsen, Bohrer
usw. entspreche darüber hinaus nicht den heutigen aus medizinischer Sicht gebotenen
Erkenntnissen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2001 wies die Deutsche Telekom AG den
Widerspruch des Klägers unter Wiederholung und Vertiefung der bisherigen
Ausführungen zurück.
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Am 7. Juni 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die
Ausschlussregelung in Nr. 4 (hier: Satz 2) der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV nehme
keinerlei Rücksicht auf die jeweiligen fachlichen und medizinischen Besonderheiten.
Ein dahingehender Ausschluss der Beihilfefähigkeit bestimmter Maßnahmen - völlig
losgelöst von der medizinischen Notwendigkeit - sei rechtswidrig und verstoße gegen
den Grundsatz der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht aus § 79 BBG. Die
Beihilfevorschriften als bloße Verwaltungsvorschriften stellten keine Rechtsnormen dar.
Sie seien zwar für die Verwaltung verbindlich, würden allerdings das Gericht nicht
binden. Ob der generelle Ausschluss der Beihilfefähigkeit von mehr als vier Implantaten
pro Kiefer eine zulässige Konkretisierung der Fürsorgepflicht darstelle oder ob dieser
voraussetzungslose Ausschluss von Mehr-Leistungen die Fürsorge- und
Schutzpflichten in ihrem Wesenskern verletze, sei fraglich. Es sei jedenfalls nicht
zulässig, ohne Rücksicht auf jedwede medizinische Indikation und Notwendigkeit von
Behandlungsmaßnahmen die Beihilfefähigkeit für anerkannte Verfahren pauschal zu
limitieren, soweit ein bestimmter „Aufwand" überschritten werde. Die medizinische
Notwendigkeit sei im Falle der Ehefrau bescheinigt. In diesem Zusammenhang werde
auf das zahnärztlich-implantologische Gutachten des Zahnarztes Dr. E. vom 22. Februar
1999 verwiesen und auf die eigene Beurteilung der Postbeamtenkrankenkasse nach
sachverständiger Beratung, derzufolge im Falle seiner Ehefrau die Fixierung an weniger
als sechs Implantaten wegen der geringen Knochendichte im Oberkiefer aus fachlicher
Sicht als contraindiziert einzustufen sei. Aus der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts lasse sich der Grundsatz ableiten, dass jedenfalls (alles)
das beihilfefähig sein müsse, was für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende
Versorgung des Patienten notwendig sei. Es gehe insbesondere nicht an, Bestandteile
einer medizinischen Versorgung, die sich aus medizinischen Gründen als notwendig
erwiesen, von der Beihilfefähigkeit auszuschließen.
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Die in Rechnung gestellten Kosten hinsichtlich der Einmal-Gerätschaften für die
Implantatversorgung seien ebenfalls beihilfefähig. Diese Ansicht vertrete auch das
Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 18. August 1995 (302 S 47/95). Der Begriff
„Instrument" in § 4 Abs. 3 GOZ stehe nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit
„Anwendung". Nicht gesondert berechnungsfähig sei demnach der Aufwand für die
Anwendung von Instrumenten. Dies gelte etwa für den üblichen Fall der Benutzung von
Schleifinstrumenten, Bohrern etc. in der zahnärztlichen Praxis, diese nutzten sich
naturgemäß bei der Anwendung ab und seien, wenn ihre Lebensdauer erschöpft sei, zu
ersetzen. Etwas anderes gelte aber, wenn es sich - wie vorliegend - um Gerätschaften
handele, die von vornherein für die einmalige Benutzung bestimmt seien. Diese Kosten
ließen sich unmittelbar einer ganz bestimmten, konkreten Behandlung zuordnen,
sodass sich schon nicht das Problem der „Verteilung" auf eine Vielzahl von Patienten
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stelle. Es handele sich auch nicht um einen Materialaufwand, der bei der Kalkulation der
Gebührensätze der Ziffern 900 ff. GOZ erfasst sein könne. Gerätschaften, die sich bei
dem einmaligen Gebrauch zugleich „verbrauchten", würden nicht im Sinne von § 4 Abs.
3 GOZ „angewendet"; sie würden „verwendet" oder - genauer gesagt - sogar
„verbraucht". Dieser Fall werde von § 4 Abs. 3 GOZ nicht umfasst. Unabhängig hiervon
verbliebe ihm, dem Kläger, auch in finanzieller Hinsicht ein großer „Selbstbehalt",
nämlich ein Betrag von rund 19.000 DM, der es notwendig mache, über eine Verletzung
der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nachzudenken.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Deutschen Telekom vom
23. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2001 zu
verpflichten, auf seine Anträge vom 8. Februar 1999 und vom 22. Juli 1999 zu den
Rechnungen des Herrn Dr. M. vom 4. Februar 1999 und vom 14. Juli 1999 eine weitere
Beihilfe in Höhe von 8.763,55 DM (4.480,73 Euro) zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass dann, wenn die Beihilfevorschriften für
bestimmte Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beschränkten oder
ausschlössen, ein Beihilfeanspruch nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht ohne weiteres unmittelbar aus der Fürsorgepflicht
gemäß § 79 abgeleitet werden könnte. Eine andere Entscheidung sei nur im Falle der
Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern gerechtfertigt. Die Begrenzung der
Beihilfegewährung durch Einführung einer Obergrenze hinsichtlich der Implantatanzahl
sei rechtlich - auch unter dem Aspekt haushaltswirtschaftlicher Überlegungen - nicht zu
beanstanden. Dem Kläger stehe auch - wie bereits vorgetragen - kein Anspruch auf
Beihilfe zu Aufwendungen für Pilotkreissäge, Fräse, Bohrersatz usw. zu.
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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen. Im Kern hat es die Auffassung vertreten, dass die durch Nr. 4 der Anlage 2
zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV u.a. erfolgte zahlenmäßige Begrenzung der Implantate (auf vier
pro Kiefer) mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Die Begrenzung sei insbesondere
nicht willkürlich vorgenommen worden und verletze damit nicht den
Gleichbehandlungsgrundsatz. Vor dem Hintergrund bestehender, zumutbarer
alternativer Behandlungsformen eines zahnlosen Kiefers werde auch die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn jedenfalls nicht in ihrem Wesenskern verletzt.
Schließlich ergebe sich auch nicht aus dem „Programm" der Beihilfevorschriften selbst,
dass Aufwendungen der in Rede stehenden Art unbeschränkt beihilfefähig sein
müssten. Betreffend die (gesonderte) Erstattung der bei der Implantierung verwendeten
bzw. verbrauchten Gerätschaften fehle es an einer durchgreifenden Rechtsgrundlage;
aus § 4 Abs. 3 GOZ ergebe sich vielmehr gerade Gegenteiliges.
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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers. Zur
Begründung führt dieser - unter vertiefender Bezugnahme auf sein Vorbringen im
Zulassungsverfahren - im Wesentlichen aus: Auch nachdem die als
Verwaltungsvorschriften ergangenen Beihilfevorschriften des Bundes im Gefolge der
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Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur noch für eine Übergangszeit
Geltung beanspruchten, bleibe es bei folgendem Grundsatz: Der Beihilfegeber müsse,
wenn er hinsichtlich des Rahmens für die Bereitstellung von Beihilfen ein „Programm"
vorgebe, dieses in sich konsistent und konsequent umsetzen. Es sei dann nicht statthaft,
Einzelregelungen zu treffen, die dieses „Programm" nicht erfüllten. Vorliegend sei das
„Programm" des Beihilfegebers dadurch gekennzeichnet, im Krankheitsfall
Aufwendungen anteilig zu übernehmen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der
Höhe nach angemessen seien. Für die Angemessenheit sei dabei ausschließlich der
Gebührenrahmen der jeweils anzuwendenden Gebührenordnung (hier: der GOZ)
maßgeblich. In Konsequenz dessen stehe dem Beamten und seinen Angehörigen für
GOZ-Leistungen eine Beihilfe zu, sobald sich diese als medizinisch notwendig und
wirtschaftlich angemessen erwiesen. Ein derartiger Fall sei vorliegend belegt und werde
auch nicht in Zweifel gezogen. Die in der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV zusätzlich
eingeführte Limitierung löse sich in rechtswidriger Weise von diesem Ansatz. Sie
beschränkten sich nicht auf eine inhaltliche Ausschärfung und Präzisierung der BhV
selbst, sondern schafften eine Vorgabe, die im Widerspruch zu dem dort aufgestellten
Programm stehe. Was die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die
Implantatbohrsätze betreffe, werde ergänzend auf die inzwischen geänderten Hinweise
des BMI zu den Beihilfevorschriften (Rundschreiben vom 15. Dezember 2004) und das
dem zugrunde liegende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2004 - III ZR 264/03
- verwiesen. Dort werde eine gesonderte Berechnungsfähigkeit anerkannt; auch
insoweit erweise sich mithin das Urteil des Verwaltungsgerichts als fehlerhaft und
korrekturbedürftig.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem Klageantrag erster Instanz zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich im Übrigen auf ihr bisheriges
Vorbringen sowie den Beschluss des Senats vom 6. Mai 2004 - 1 A 1160/03 -.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Bände) ergänzend
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, weil die
Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2
VwGO).
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Die (fristgerecht begründete) Berufung ist zulässig.
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Zwar enthält die Berufungsbegründungsschrift keinen ausdrücklich ausformulierten
„förmlichen" Antrag. Gleichwohl genügt dies im Ergebnis noch den Anforderungen des §
124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Es reicht in diesem Zusammenhang
aus, dass sich der beabsichtigte Berufungsantrag im Wege der Auslegung den
Ausführungen zu den Berufungsgründen entnehmen lässt.
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Vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, § 14. Aufl. 2005, § 124 a Rn. 32, m.w.N.
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Solches ist hier der Fall. Namentlich hat der Kläger als Berufungsführer hinreichend
zum Ausdruck gebracht, dass er das Urteil des Verwaltungsgerichts, nicht nur teilweise,
sondern in vollem Umfang angreifen und zur Überprüfung des Senats stellen möchte.
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Die Berufung ist insgesamt nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf,
dass ihm die Beklagte zu den Rechnungen seines Zahnarztes Dr. M. vom 4. Februar
1999 und vom 14. Juli 1999 weitere Beihilfe gewährt.
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1. Was die Aufwendungen für die bisher von der Beklagten beihilferechtlich nicht
anerkannten und dementsprechend in den für die umfangreiche Zahnbehandlung der
Ehefrau des Klägers lt. Rechnungen ihres Zahnarztes Dr. M. vom 4. Februar und 14. Juli
1999 bereits erbrachten Beihilfeleistungen nicht berücksichtigten vier weiteren
Implantate im Oberkiefer betrifft, ergibt sich dies aus Folgendem:
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a) Ein Anspruch des Klägers lässt sich in diesem Zusammenhang zunächst nicht
unmittelbar auf die von der Beklagten allgemein angewendete Allgemeine
Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen
(Beihilfevorschriften - BhV), hier anwendbar in der Fassung vom 1. Juli 1997 (GMBl. S.
186), stützen. Allein auf der Grundlage der dort enthaltenen Bestimmungen in den durch
den (hier) eindeutigen Wortlaut gesetzten Auslegungsgrenzen ergibt sich für die im
Streit stehende Fallkonstellation kein Anspruch auf die begehrten weiteren
Beihilfeleistungen.
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Dem steht allerdings nicht entgegen, dass die betreffenden Beihilfevorschriften des
Bundes, die in der Gestalt einer Verwaltungsvorschrift erlassen worden sind, nicht den
Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen, wie das
Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17. Juni 2004
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- 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103 = DVBl. 2004, 1420 = DÖV 2005, 24 = ZBR 2005, 42
(Juris Rn. 16 ff.)
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ausgeführt hat. Für Aufwendungen, die - wie hier - in der Zeit vor dem Ergehen des
genannten Urteils entstanden sind, kann dies nicht zum Nachteil der
Beihilfeberechtigten berücksichtigt werden; um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu
geben, seiner Normierungspflicht nachzukommen, sind die Beihilfevorschriften sogar für
die Zeit nach dem Erlass des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts noch für einen
Übergangszeitraum anzuwenden (BVerwG, a.a.O. und Juris Rn. 20). Da die
Beihilfevorschriften grundsätzlich ein einheitliches, geschlossenes Handlungsprogramm
darstellen, kann sich diese vorübergehende Fortgeltung auch nicht etwa nur auf die
„begünstigenden" Regelungen beziehen, sodass Ausschluss- und
Begrenzungsregelungen von ihr nicht ausgenommen sind.
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Ferner ist der Kläger auch grundsätzlich beihilfeberechtigt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BhV) und
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geht es um Aufwendungen einer berücksichtigungsfähigen Angehörigen, nämlich seiner
Ehefrau (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV).
Jedoch ist die Beihilfefähigkeit der konkret in Rede stehenden Aufwendungen nach
Maßgabe der BhV vom Vorliegen bestimmter weiterer, eingrenzender Voraussetzungen
abhängig, die hier - wie es auch dem Kläger bewusst ist - schon nach dem Wortlaut
eindeutig nicht gegeben sind.
47
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit u.a.
auch zahnärztliche Leistungen prinzipiell beihilfefähig. (U.a.) für zahnärztliche und
kieferorthopädische Leistungen enthält der Satz 2 der Vorschrift indes eine wesentliche
Ergänzung und zugleich Begrenzung. Danach bestimmen sich „Voraussetzungen" und
„Umfang" der Beihilfefähigkeit der diesbezüglichen Aufwendungen nach (der) Anlage 2
(zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV). Diese Anlage 2 enthält in ihrer Nr. 4 spezielle Maßgaben für
„Implantologische Leistungen". Zum einen werden die diesbezüglichen (einschließlich
aller damit verbundenen weiteren) zahnärztlichen Leistungen vom Vorliegen einer der
nachfolgend unter a) bis c) bestimmten Indikationen abhängig gemacht (Satz 1). Zum
anderen wird zusätzlich bestimmt, dass Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro
Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, nur bei Einzelzahnlücken oder mit
besonderer Begründung zur Fixierung von Totalprothesen beihilfefähig sind;
Aufwendungen für mehr als vier Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener
Implantate, sind von der Beihilfefähigkeit (ganz) ausgeschlossen (Satz 2). Vorliegend
kommt dabei - wegen des unstreitigen Vorliegens der Indikation nach der Alternative c
(Fixierung einer Totalprothese) allein dem Satz 2 Bedeutung zu; die dort klar bestimmte
zahlenmäßige Begrenzung auf höchstens vier Implantate pro Kiefer ist im Fall der
Ehefrau des Klägers - Einbringung von insgesamt acht Implantaten in den Oberkiefer -
unstreitig überschritten.
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Ist keine der Indikationen der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV erfüllt bzw. - wie
hier - die Obergrenze der insgesamt pro Kiefer berücksichtigungsfähigen Implantate
überschritten, so scheidet insoweit die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für -
weitergehende - implantologische Leistungen grundsätzlich und in aller Regel aus.
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Insbesondere ist der Weg versperrt, gewissermaßen auf einer zweiten Stufe der Prüfung
den jeweiligen Fall zusätzlich an den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV zu
messen und einen Anspruch zuzuerkennen, wenn nur dessen generelle
Voraussetzungen - die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen - erfüllt
sind. § 5 Abs. 1Satz 1 BhV enthält eine (gewissermaßen vor die Klammer gezogene)
„Generalklausel" für die spezielleren nachfolgenden Vorschriften der BhV betreffend die
einzelnen Leistungsarten. Die Konkretisierung dessen, was der Dienstherr mit Blick auf
die verschiedenen Leistungsarten jeweils für notwendig und insbesondere für
angemessen erachtet, wird i.d.R. abschließend in den §§ 6 ff. BhV bestimmt. Soweit der
Gesichtspunkt der Notwendigkeit dort keine nähere Konkretisierung erfahren hat, ist er
zwar zusätzlich zu prüfen, aber nicht in dem Sinne, dass er einer nach den §§ 6 ff. BhV
von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Maßnahme unmittelbar und allein am Ende
doch zur Anerkennung der Beihilfefähigkeit verhelfen könnte, sondern vielmehr
umgekehrt in seiner allgemeinen, vor die Klammer gezogenen Begrenzungsfunktion für
im Sinne der §§ 6 ff. BhV grundsätzlich beihilfefähige Aufwendungen/Leistungen. Das
„Programm" der Beihilfeleistungen wird dementsprechend nicht allein durch die in § 5
Abs. 1 Satz 1 BhV niedergelegten allgemeinen Grundsätze - mag diesen auch eine
hervorgehobene Bedeutung zukommen -, sondern letztlich durch die jeweils
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anwendbaren Beihilfevorschriften in ihrer Gesamtheit bestimmt. Es widerspricht diesem
„Programm" insbesondere nicht von vornherein, wenn von in den BhV ausdrücklich
bestimmten Leistungsausschlüssen und -begrenzungen auch solche Aufwendungen
erfasst werden, die medizinisch erforderliche Behandlungen betreffen. Dies gilt
jedenfalls solange, wie derartige Ausschlüsse und Begrenzungen nicht insgesamt
gesehen einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichen, dass auch bei
typisierender Betrachtung die Beihilfegewährung den Vorgaben des höherrangigen
Rechts wie insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn als solche nicht mehr
gerecht würde. Diese Frage bedarf indes aus Anlass der Würdigung des sehr
begrenzten Bereichs der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für implantologische
Leistungen, um den es hier allein geht, keiner grundsätzlichen und abschließenden
Klärung.
Vgl. hierzu auch Urteil vom heutigen Tage in der Sache 1 A 3706/04.
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Dies zugrunde gelegt, kommt auch dem Umstand, dass die im vorliegenden Fall konkret
in Rede stehenden Leistungsbegrenzungen „nur" in einer Anlage zu den BhV näher
geregelt und ausgestaltet worden sind, letztlich keine entscheidende, eine andere
Bewertung rechtfertigende Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich um einen rein
rechtstechnischen Vorgang, der erkennbar lediglich bezweckt, angesichts des schon
vorhandenen beträchtlichen Regelungsumfangs einzelner Bestimmungen der BhV die
dortigen Absätze und Sätze nicht noch umfangreicher und damit zugleich
unübersichtlicher werden zu lassen. Die Bestimmungen der „Anlage" werden hierdurch
aber nicht zu solchen einer anderen, niedrigeren Ebene bzw. Stufe; das wird durch § 6
Abs. 1 Satz 2 BhV im Wege der dortigen (direkten) Inbezugnahme der Anlage 2
zusätzlich verdeutlicht. Anders als etwa bei vorschriftenausfüllenden Erlassen oder
Hinweisen zu als Gesetz oder Rechtsverordnung erlassenen Beihilfebestimmungen
stellt sich daher die Frage, inwiefern solche - im Verhältnis zu den Beihilfevorschriften -
„unterrangige" Ausführungsbestimmungen bzw. Auslegungshilfen ihrerseits noch
hinreichend von dem „Programm" der (etwa in Gestalt einer Rechtsverordnung
erlassenen) Beihilfevorschriften selbst getragen werden,
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vgl. in jenem Zusammenhang etwa BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2003 - 2 C 26.02 -,
BVerwGE 119, 168 = NJW 2004, 1339 = ZBR 2004, 172,
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bezogen auf die Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV - und damit den hier zu
entscheidenden Fall - nicht. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass es sich bei den
hier (noch) zur Anwendung gelangenden Beihilfevorschriften insgesamt nur um
Verwaltungsvorschriften handelt, hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Denn er
übersieht, dass das - übrigens nicht von der Vollerstattung sämtlicher medizinisch
notwendiger krankheitsbedingter Aufwendungen ausgehende - „Programm" des
Beihilfegebers nicht nur in den wenigen Generalklauseln der BhV, sondern im Prinzip in
der Gesamtheit dieser Verwaltungsvorschriften seinen maßgeblichen Niederschlag
gefunden hat.
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b) Dieses grundsätzlich abschließende Verständnis der sich aus der Anlage 2
55
- hier bezogen auf deren Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 - zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV ergebenden
Leistungsbegrenzungen steht mit höherrangigem Recht im Einklang. Auch nach
neuerlicher Überprüfung hält der Senat in diesem Zusammenhang an seiner bereits mit
Beschluss vom 6. Mai 2004
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- 1 A 1160/03 -, Juris,
57
geäußerten Rechtsauffassung fest, dass die im Rahmen der Indikationen sowie (aus
entsprechenden Gründen auch) der Festlegung von Obergrenzen nach Nr. 4 der Anlage
2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV erfolgte Begrenzung der Beihilfefähigkeit ggf. auch
medizinisch notwendiger Aufwendungen prinzipiell mit höherrangigem Recht vereinbar
ist und insbesondere weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstößt.
58
Das Verwaltungsgericht hat insoweit in dem angefochtenen Urteil zu Recht
hervorgehoben, dass sich die in der Nr. 4 der Anlage 2 getroffenen Festlegungen
59
- auch zur Obergrenze der Zahl der beihilfefähigen Implantate - im Ergebnis als eine Art
„Kompromiss" auf der Grundlage eines Spannungsverhältnisses darstellen. Auf dessen
einer Seite steht die grundsätzliche Bereitschaft des Dienstherrn, die in Rede stehende
neue Form prothetischer Zahnbehandlung in einem angemessenen Umfang zu
unterstützen. Auf der anderen Seite steht die - auch von der Zahnärzteschaft gesehene -
Notwendigkeit, der drohenden Gefahr einer Ausuferung der durch diese prinzipiell recht
teure Behandlungsart für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten angemessen
entgegenzutreten, Letzteres auch vor dem Hintergrund, dass in aller Regel neben der
Einbringung von Implantaten zugleich die Möglichkeit einer (grundsätzlich
kostenschonenderen) Alternativversorgung auf „herkömmliche" Art und Weise gegeben
ist. Auch bei der Ausgestaltung der Begrenzungen im Einzelnen hat der Beihilfegeber -
wie in dem angefochtenen Urteil auf den Seiten 11 ff. des Abdrucks ausführlich
dargestellt - nicht etwa willkürliche Anknüpfungspunkte gewählt. Er hat sich hierbei
vielmehr jedenfalls im Grundsatz auch an den Vorgaben der Zahnärzteschaft sowie den
zu dem jeweiligen Zeitpunkt anerkannt gewesenen wissenschaftlichen Standards
orientiert, hat also nicht schlechthin oder auch nur grob einseitig das Interesse an einer
Kostenbegrenzung über alle damit konfligierenden anderen Interessen, etwa diejenigen
der Beihilfeberechtigten, gestellt. Das betrifft im Speziellen auch die Festlegung auf eine
beihilferechtliche Obergrenze von „vier Implantaten" pro Kiefer, auf welche das
vorinstanzliche Gericht auf Seiten 13/14 seines Urteils substanziiert eingegangen ist.
Die dortigen überzeugenden Ausführungen werden mit Blick auf die im Beihilferecht
grundsätzlich gebotene „typisierende" Betrachtungsweise (die mögliche „Härten" in
Einzelfällen zwangsläufig einschließt) durch das Berufungsvorbringen nicht
durchgreifend in Frage gestellt. Das als Inhalt des Verwaltungsvorgangs dem Senat
vorliegende „zahnärztliche implantologische Gutachten" des Dr. E. vom 22. Februar
1999, auf das sich der Kläger u.a. bezieht, geht zwar - ohne weitere Belegstellen -
davon aus, schon seinerzeit seien nach den Konsensuserklärungen der relevanten
wissenschaftlichen Fachgesellschaften zur Fixierung einer (Total- )Prothese im
Oberkiefer sechs Implantate medizinisch notwendig gewesen. Ob darin ein Widerspruch
zu den vom vorinstanzlichen Gericht herangezogenen Belegstellen zu sehen ist, bedarf
indes keiner weiteren Ermittlung und Vertiefung. Denn die Begrenzung der
beihilfefähigen Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der
Leistungen kann jedenfalls in gewissem - hier bei typisierender Betrachtung nicht
überschrittenen Maße - auch medizinisch notwendige Aufwendungen umfassen. Das
Verwaltungsgericht hat insoweit (beispielhaft) zutreffend auf die nur anteilige Erstattung
der Kosten zahntechnischer Leistungen hingewiesen. Auch die diesbezüglich
eingreifende Begrenzung der beihilfefähigen Aufwendungen gilt grundsätzlich
umfassend und insbesondere unabhängig davon, welche Art von (in vielen Fällen für
60
die Erhaltung der Kaufunktion medizinisch notwendigem) Zahnersatz der Betroffene
wählt; von Kürzungen erfasst wird dementsprechend bereits das „Standardmodell" und
nicht erst die „Luxusausführung".
c) Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Beihilfeleistungen seines
Dienstherrn, soweit die in den BhV bestimmte Obergrenze für die Beihilfefähigkeit
implantologischer Leistungen überschritten ist, auch nicht unmittelbar aus der
Fürsorgepflicht des § 79 BBG als Anspruchsgrundlage. Besonderheiten gerade dieses
Einzelfalles, welche es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen würden, mit
Blick auf ein ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechendes Ergebnis den vom
Kläger geltend gemachten Anspruch auf weitere Beihilfe unmittelbar aus der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn herzuleiten, sind hier nicht gegeben.
61
Vgl. zur Abgrenzung etwa Urteil des Senats vom heutigen Tage in der Sache 1 A
3706/04.
62
Die Beihilfevorschriften des jeweiligen Dienstherrn - hier in Gestalt der BhV - enthalten
im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für
diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil
in der Besoldung ergänzenden - Leistungen u.a. in Krankheitsfällen für geboten und
angemessen ansieht. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine „lückenlose" Erstattung
sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner
berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Unbeschadet dessen kann es in gewissen,
entscheidend durch „atypische" Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls geprägten
Ausnahmekonstellationen allerdings geboten sein, einen „Beihilfeanspruch" unmittelbar
auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren. Das setzt voraus, dass diese
ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt würde.
63
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, z.B. Urteile vom 10. Juni 1999 - 2 C 29.88 -,
ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 39 (Juris Rn. 21, 22), und vom 31. Januar 2002 - 2 C 1.01 -,
ZBR 2002, 401 = DÖD 2002, 172 (Juris Rn. 17); zu implantologischen Leistungen etwa
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 2003 - 4 S 1869/02 -, IÖD 2004, 22
(Juris Rn. 13, 14).
64
Diese Voraussetzungen sieht der Senat hier aber nicht als gegeben an. Schon aus
Gründen grundsätzlich gebotener Gleichbehandlung aller einem bestimmten
Dienstherrn zugehörigen Beihilfeberechtigten kann die Abweichung von im Rahmen der
Beihilfevorschriften typisierend vorgenommenen Leistungsausschlüssen bzw. -
begrenzungen zugunsten einzelner Beihilfeberechtigter unter unmittelbarer Anknüpfung
an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht höchstens in seltenen Ausnahmefällen in
Betracht kommen, in denen sich - atypischerweise - die Verweigerung der
Beihilfeleistung aufgrund ganz besonderer Fallumstände schlechterdings als grob
fürsorgepflichtwidrig darstellen würde. Auf der Grundlage der insoweit gebotenen
Gesamtwürdigung der Fallumstände kann hier ein solcher Ausnahmefall nicht bejaht
werden:
65
In die Betrachtung einzustellen ist zunächst schon, dass der Ehefrau des Klägers nicht
etwa die Beihilfefähigkeit für eine Implantatversorgung ihres Oberkiefers insgesamt
versagt worden ist. Vielmehr ist den Vorschriften entsprechend für vier Implantate
Beihilfe gewährt worden. In Rede steht somit kein (den Betroffenen grundsätzlich härter
treffender) Leistungsausschluss, sondern lediglich eine Begrenzung des Umfangs bzw.
66
der Höhe gewährter Beihilfeleistungen. Dass es sich gleichwohl um einen ansehnlichen
Betrag handelt, verkennt der Senat dabei nicht. Dieser Umstand ist indes gerade der
kostenmäßigen Aufwändigkeit der im Streit stehenden Behandlungsart immanent.
Besonderheiten bestehen hier auch nicht insoweit, als es medizinisch gesehen
praktisch keine sinnvolle und zumutbare Alternative zu der tatsächlich durchgeführten
Behandlung gegeben hätte. Zunächst hätte neben einer durch Implantate am
Kierferknochen fixierten Prothese (festsitzendem Zahnersatz) grundsätzlich auch eine
herausnehmbare Prothese als Alternative zur Verfügung gestanden, um in der Situation
des Totalverlusts der Zähne im Oberkiefer die Kaufähigkeit wiederherzustellen. Dies
ggf. ausschließende Unverträglichkeiten der Patientin sind hier weder vorgetragen noch
ersichtlich. Beschränkt man demgegenüber den Blick auf die sicher „optimalere" und
dem heutigen Stand der Zahntechnik eher entsprechende Alternative festsitzenden
Zahnersatzes, welche das Beihilferecht - wie Buchstabe c des Satzes 1 der Nr. 4 der
Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV gerade zeigt - in Grenzen durchaus anerkennen will,
so mag es zwar sein, dass wegen zu geringer Knochendichte im Oberkiefer der Ehefrau
des Klägers eine Einbringung von weniger als sechs Implantaten (jedenfalls in diesem
speziellen Fall) „aus fachlicher Sicht als kontraindiziert einzustufen" und „nicht mit einer
dauerhaft günstigen Prognose verbunden" gewesen ist (vgl. Gutachten Dr. E. ; ähnlich
auch die medizinische Begründung des behandelnden Zahnarztes). Es spricht jedoch
auch im Lichte der übrigen Argumentation des Klägers und des o.g. Gutachters -
Erforderlichkeit von sechs Implantaten im Oberkiefer gewissermaßen als medizinisch
indizierter Regelfall - nichts dafür, dass es sich hierbei um eine völlig
außergewöhnliche, atypische Fallkonstellation handeln würde, für welche die (Grund-
)Intention der Nr. 4 der Anlage 2, nämlich die allgemein-typisierende Beschränkung der
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für implantologische Leistungen, nicht zutrifft.
Ferner sind hier elementare Interessen der Patientin auch nicht etwa in vergleichbarer
Weise mit dem Fall betroffen, dass diese bei einer Alternativbehandlung mit dem Verlust
weiterer, gesunder Zähne hätte rechnen müssen oder aber auf eine Wiederherstellung
der Kaufähigkeit hätte verzichten müssen.
67
Vgl. zu einem derartigen Fall konkret: Urteil des Senats vom heutigen Tage in dem
Verfahren 1 A 3706/04.
68
Bei einer Reduzierung der Implantatzahl hätte aus medizinisch-fachlicher Sicht vielmehr
im Wesentlichen „nur" für die Dauerhaftigkeit des Zahnersatzes in dem sowieso bereits
zahnlosen Oberkiefer der Ehefrau des Klägers keine so günstige Prognose bestanden
wie bei der Verwendung von sechs Implantaten.
69
Schließlich besteht hier ersichtlich auch keine Vergleichbarkeit mit Fallkonstellationen,
in denen es mit Blick auf die deutliche Einsparung von Kosten gerade im Falle der
Entscheidung für das Implantat als Behandlungsmethode zu eine „Verkehrung" der
wesentlichen Ziele und Zwecke der durch die Indikationen und Höchstzahlen der Nr. 4
der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV geschaffenen Beihilfebegrenzungen „in ihr
Gegenteil" kommen würde. Die „Kappung" der Beihilfeleistungen ab einer bestimmten
Zahl von Implantaten entspricht vielmehr auch vorliegend „typischerweise" dem
Grundgedanken der mit der Nr. 4 der Anlage 2 geschaffenen Begrenzungen der
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen. Dieser geht namentlich dahin, vor dem Hintergrund
eines stetigen Anstiegs implantatversorgter Patienten eine allgemeine Begrenzung der
Kosten bezogen auf die betreffende, grundsätzlich kostenintensive Art der Behandlung
zu erzielen.
70
Vgl. etwa Beschluss des Senats vom 6. Mai 2004 - 1 A 1160/03 - (Juris Rn. 6); VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 1999 - 4 S 1700/98 - (Juris Rn. 6)
71
2. Der Kläger kann aber auch keine Beihilfeleistungen seines Dienstherrn
beanspruchen, soweit er mit seiner Klage die anteilige Erstattung der Aufwendungen für
den Bohrersatz bzw. die Fräsen, Sägen etc. begehrt, wie sie in dem Praxislabor-
Eigenbeleg zu der Zahnarztrechnung vom 4. Februar 1999 näher aufgeführt sind. Nach
dem Vorstehenden kommt dabei ein solcher Anspruch allenfalls in Bezug auf vier
Implantate in Betracht, weil unter Beachtung der in der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1
Nr. 1 BhV bestimmten Obergrenzen überhaupt nur in diesem Umfang ein
Zusammenhang des Bohrens, Fräsens etc. mit einer beihilfefähigen implantologischen
Leistung des Zahnarztes gegeben sein kann. Im Ergebnis besteht aber auch
diesbezüglich kein Anspruch auf weitere Leistungen, weil es für die vom Zahnarzt
vorgenommene gesonderte Berechnung der in Rede stehenden Aufwendungen an der
erforderlichen rechtlichen Grundlage mangelt.
72
Der Senat hält in diesem Zusammenhang im Grundsatz an seiner bisherigen
Rechtsprechung
73
Urteil vom 11. Juni 2003 - 1 A 358/01 -, NVwZ-RR 2004, 123; vgl. auch OVG NRW,
Beschluss des 6. Senats vom 14. Februar 2002 - 6 A 2978/98 -, NWVBl. 2003, 185
74
fest. Soweit der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 27. Mai 2004
75
- III ZR 264/03 -, NJW-RR 2004, 1198 = VersR 2004, 1138 (Juris Rn. 13 ff.),
76
auf welches sich der Kläger bezogen hat, zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, liegen
dem spezifische Besonderheiten des dort entschiedenen Falles zugrunde, an denen es
hier indes fehlt. Der Umstand, dass für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des
Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung
des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgeblich ist,
77
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 34.03 -, ZBR 2005, 169,
78
wirkt sich demzufolge hier nicht unmittelbar zugunsten des Klägers aus.
79
Im Einzelnen gilt:
80
Die in Rede stehenden anteiligen Kosten für bestimmte, bei der implantologischen
Behandlung verwendete bzw. verbrauchte Materialien können beihilferechtlich - wie
andere Aufwendungen des behandelnden Arztes auch - nur dann im Sinne des § 5 Abs.
1 Satz 1 BhV als notwendig und angemessen anerkannt werden, wenn sie der Arzt zu
Recht gesondert abrechnen durfte. Dies bestimmt sich maßgeblich und grundsätzlich
abschließend nach dem zahnärztlichen sowie ggf. ergänzend dem ärztlichen
Gebührenrecht. Dieses bietet für die konkret im Streit stehenden Leistungen aber keine
einschlägige Grundlage.
81
Die Vergütung des Zahnarztes bestimmt sich im Prinzip nach der Gebührenordnung für
Zahnärzte (GOZ), § 1 Abs. 1 GOZ. Bestimmte Leistungen können ggf. auch nach der
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet werden, § 6 GOZ. Die Voraussetzungen
82
der insoweit in Betracht zu ziehenden Gebührentatbestände sind indes betreffend die
Bohrerkosten etc. nicht erfüllt.
Um Auslagenersatz im Sinne des § 9 GOZ geht es nicht. Diese Vorschrift meint allein
Kosten, die bei der Inanspruchnahme des praxiseigenen Labors oder eines
Fremdlabors anfallen (sog. zahntechnische Leistungen); bei der Implantatbehandlung
benutzte Bohrersätze, Fräsen o.ä. werden davon nicht umfasst.
83
Vgl. Urteil des Senats vom 11. Juni 2003 - 1 A 358/01 -, a.a.O.
84
§ 3 GOZ ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage für Gebühren oder
Auslagenersatz, sondern beinhaltet lediglich eine Aufzählung der dem Zahnarzt
zustehenden Gebührenarten.
85
§ 4 Abs. 1 GOZ in Verbindung mit dem der Gebührenordnung für Zahnärzte
zugehörigen Gebührenverzeichnis scheidet als Grundlage für die besondere
Berechnungsfähigkeit der in Rede stehenden Leistungen/Aufwendungen des
Zahnarztes aus, weil sich dort kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine gesonderte
Vergütung finden lässt. Namentlich in dem thematisch einschlägigen Abschnitt K des
Gebührenverzeichnisses („Implantologische Leistungen") ist für die Kosten der bei der
betreffenden Behandlung verwendeten Bohrer, Fräsen, Sägen etc. kein eigener
Gebührentatbestand vorgesehen. Nr. 2 der dortigen, den einzelnen
Gebührentatbeständen vorangestellten „Allgemeinen Bestimmungen" befasst sich - im
bejahenden Sinne - ausschließlich mit der Frage, ob die bei den Leistungen nach
Abschnitt K verwendeten Implantate und Implantatteile gesondert berechnungsfähig
sind. Zu jenen gehören aber die in Rede stehenden Werkzeuge bzw. Werkzeugteile
nicht. Das gilt unabhängig davon, ob sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind.
86
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus § 6 Abs. 1 GOZ
i.V.m. § 10 GOÄ. Zwar werden durch § 6 Abs. 1 GOZ die Abrechnungsmöglichkeiten
des Zahnarztes betreffend die dort aufgezählten, der Gebührenordnung für Ärzte bzw.
dem Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen unterfallenden Leistungen dahin
erweitert, dass er die Möglichkeit erhält, nach den Bestimmungen der GOÄ
abzurechnen. Würde der vorliegende Fall in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift
fallen, so würde etwa auch § 10 GOÄ Anwendung finden. Dieser sieht in Absatz 1 Satz
1 Nr. 1 - neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren -
Auslagenersatz u.a. betreffend die Kosten für solche Arzneimittel, Verbandmittel und
sonstige Materialen vor, die mit einer einmaligen Anwendung verbraucht sind (soweit
sie nicht, wie etwa Kleinmaterialien, Einmalspritzen etc., dem Absatz 2 unterfallen).
87
Vorliegend ist jedoch ein Zugriff auf die Regelung des § 10 GOÄ schon deshalb
versperrt, weil § 6 Abs. 1 GOZ die dort bestimmte Rechtsfolge ausschließlich für
diejenigen Leistungen bzw. Leistungsbereiche eröffnet, die in dem grundsätzlich
abschließenden Katalog jener Vorschrift auch aufgeführt sind. Hierzu gehören
insbesondere die dem Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche
Leistungen zugeordneten implantologischen Leistungen nicht. Soweit in der Rechnung
des Zahnarztes Dr. M. vom 4. Februar 1999 auch einzelne Gebührenpositionen der
GOÄ bzw. des zugehörigen Gebührenverzeichnisses in Ansatz gebracht wurden,
darunter mit den Nrn. Ä2442, Ä2730 und Ä2675 solche des - von § 6 Abs. 1 GOZ u.a. in
Bezug genommenen - Abschnitts L jenes Verzeichnisses („Chirurgie, Orthopädie"), ist
ein Zusammenhang der anteiligen Kosten für Bohrer, Fräsen, Sägen etc. (= Nrn. BLA 2
88
und PIT 2 des Praxislabor- Eigenbelegs zu der Rechnung) weder in der
Zahnarztrechnung verdeutlicht worden noch unter Berücksichtigung der
Leistungsbeschreibungen der vorgenannten, dem Abschnitt L des
Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen entnommenen Gebührenpositionen -
abgrenzbar von den Leistungen nach den Nrn. 900 bis 903 im Abschnitt K des
Gebührenverzeichnisses für Zahnärzte - aus sich heraus ersichtlich.
Für die vom BGH in diesem Zusammenhang vertretene erweiternde Auslegung der -
zuvor bereits erwähnten - Allgemeinen Bestimmung Nr. 2 des Abschnitts K
89
Urteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 264/03 -, a.a.O.,
90
ist vorliegend kein Raum, weil die besonderen Voraussetzungen, unter denen sich der
BGH ausnahmsweise zu einer solchen, die Grenze des Wortlauts („Implantate",
„Implantatteile") erkennbar überschreitenden Auslegung entschlossen hat, nicht in
vergleichbarer Weise gegeben sind.
91
In dem vom BGH entschiedenen Fall stand ganz im Vordergrund der Gesichtspunkt der
weitestgehenden Aufzehrung der Gebühr(en) für die zahnärztlichen (hier:
implantologischen) Leistungen durch die Höhe der Kosten der Implantatbohrersätze. In
jenem Fall machten die Bohrerkosten immerhin zwischen (rund) 50 und 58 v.H. der
nach dem 3,5-fachen Satz berechneten Gebühren für die implantologischen Leistungen
aus. Gerade mit Blick auf die dortige außergewöhnliche Konstellation eines sofort ins
Auge springenden Missverhältnisses zwischen den Kosten der Einmalwerkzeuge und
den Gebühren hat es der BGH als nicht (mehr) für zumutbar angesehen, die Zahnärzte
auf eine Neuregelung durch den Verordnungsgeber zu verweisen, und ist in
Konsequenz dessen von einer im Wege der erweiternden Auslegung zu schließenden
objektiven, unbeabsichtigten Regelungslücke im System der Gebührengestaltung
ausgegangen.
92
Dafür, wie zu entscheiden ist, wenn kein vergleichbar krasses Missverhältnis in Rede
steht, gibt die angesprochene Entscheidung indes keine klare Vorgabe. Der Senat
vermag ihr insbesondere nicht mit der nötigen Deutlichkeit zu entnehmen, dass
Implantatbohrerkosten generell, d.h. unabhängig davon, wie sich das Kosten-
/Gebührenverhältnis im jeweiligen Einzelfall darstellt, gesondert berechnungsfähig sein
sollen. Eine erweiternde Auslegung des Gebührenrechts hält er deshalb in diesem
Zusammenhang nur dann für angezeigt, wenn ansonsten die bisher vorliegende
Gebührengestaltung zu einem erkennbar sachwidrigen Ergebnis führen würde. Das ist
hier indes (noch) nicht der Fall.
93
Auf der Grundlage der Angaben in der Zahnarztrechnung vom 4. Februar 1999
(Praxislabor-Eigenbeleg) ist das Verhältnis der auch hier mit dem 3,5-fachen
Steigerungssatz berechneten Gebühren für die implantologischen Leistungen nach Nrn.
900 bis 903 des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen zu den in Ansatz
gebrachten Kosten für den Bohrersatz etc. deutlich günstiger als in dem vom BGH
entschiedenen Fall: Bezogen auf sämtliche acht Implantate standen hier den Gebühren
in Höhe von (1.478,40+346,50+1.478,40=) 3.303,30 DM Kosten für Bohrerset, Fräsen,
Sägen etc. in Höhe von (426,30+159,00=) 585,30 DM gegenüber; die Kosten haben
demnach zwischen 17 und 18 % der Gebührenhöhe aufgezehrt. Bezogen auf die vier
beihilfefähigen Implantate ergibt sich bei einer „Durchschnittsbetrachtung" der hier
verwendeten unterschiedlichen Werkzeuge ein vergleichbarer Wert des betreffenden
94
Kostenanteils an den Gebühren. Bei Berücksichtigung allein des (hier bei sechs
Implantaten zur Anwendung gekommenen) kostengünstigeren Pitt-Easy-Bohrersatzes
läge er sogar noch deutlich darunter; dort lagen die Kosten der Einmalwerkzeuge pro
Implantat nur bei 26,50 DM (entspricht 106,00 DM bei vier Implantaten bzw. zwischen 6
und 7 % der - auf die Obergrenze vier bezogenen - Gebührenhöhe ). In einer solchen
Konstellation erscheinen dem Senat die Voraussetzungen für eine „Korrektur" des
eindeutigen Wortlauts der Nr. 2 der Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt K des
Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen („Implantate und Implantatteile")
mit dem Mittel der erweiternden Auslegung noch nicht erreicht. Ein unbeabsichtigtes
Regelungsdefizit liegt insoweit jedenfalls nicht gleichermaßen auf der Hand wie in dem
vom BGH entschiedenen Fall. Vorliegend fallen die Kosten der Einmalwerkzeuge
nämlich noch nicht so sehr ins Gewicht, dass von einer schweren und nachhaltigen, ja
schlechterdings nicht mehr sachgerechten Aufzehrung der Gebühren für die
zahnärztlichen Leistungen ausgegangen werden könnte. Zugleich ist es hier noch
zumutbar, die Zahnärzte auf eine evtl. Neuregelung durch den Verordnungsgeber zu
verweisen.
Im Gefolge dieser Überlegungen verbleibt es letztlich dabei, dass die betreffenden
Kosten - Entsprechendes gilt hier zudem für das OP-Set - in Ermangelung einer (etwa
dem § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GOÄ vergleichbaren) rechtlichen Grundlage für ihre
gesonderte Abrechnung als oder jedenfalls wie Praxiskosten im Sinne des § 4 Abs. 3
Satz 1 GOZ mit der Gebühr für die jeweilige zahnärztliche Leistung - hier für die
implantologischen Leistungen nach dem Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses -
bereits abgegolten sind, sodass in (zumindest entsprechender) Anwendung des § 4
Abs. 4 Satz 1 GOZ ihre gesonderte Abrechnung nicht erlaubt ist.
95
Vgl. auch bereits Urteil des Senats vom 11. Juni 2003 - 1 A 358/01 -, sowie OVG NRW,
Beschluss vom 14. Februar 2002 - 6 A 2978/99 -, jeweils a.a.O.; weitere Nachweise bei
BGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 264/03 -, a.a.O. (Juris Rn. 16).
96
Ob eine Zuordnung der Bohrersätze zum Begriff der „Instrumente" im Sinne des § 4 Abs.
3 Satz 1 GOZ möglich ist, was das LG Hamburg in dem vom Kläger angeführten Urteil
vom 18. August 1995 - 302 S 47/95 - bezweifelt, spielt hierfür keine maßgebliche Rolle.
Es würde nämlich auch bei fehlender (unmittelbarer) Zuordnung zur Regelung des § 4
Abs. 3 Satz 1 GOZ an einer erforderlichen einschlägigen „positiven" Anknüpfung in den
Vergütungsbestimmungen für die Zahnärzte fehlen. Dementsprechend leitet letztlich
auch das LG Hamburg sein für den dortigen Kläger (Zahnarzt) günstiges Ergebnis
jedenfalls nicht allein aus der Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ, sondern zumindest
ergänzend aus einer entsprechenden Anwendung des § 10 GOÄ bzw. einem - nach der
Ansicht jenes Gerichts - in dieser Vorschrift enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken
ab. Nach Auffassung des Senats steht indes § 6 Abs. 1 GOZ mit den dort ausdrücklich
normierten Anwendungsbegrenzungen der letztgenannten Sichtweise für den Bereich
des zahnärztlichen Gebührenrechts zwingend entgegen.
97
Schließlich folgt ein Anspruch des Klägers auf eine beihilferechtliche (anteilige)
Erstattung der Kosten für die Bohrersätze, Fräsen, Sägen etc. auch nicht aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung an ihre eigene Verwaltungspraxis.
Zwar hat der Kläger im Berufungsverfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass sich im
Gefolge des bereits an anderer Stelle angesprochenen BGH-Urteils die Hinweise des
BMI zu den Beihilfevorschriften dahin geändert hätten, dass durch Rundschreiben vom
98
15. Dezember 2004 folgender Satz eingefügt worden ist: „Implantatbohrsätze gehören
ebenfalls nicht zu den Praxisgebühren und können gesondert berechnet werden (BGH-
Urteil vom 27.05.2004 - III ZR 264/03 -)". Maßgeblich im Außenrechtsverhältnis ist indes,
wie der Inhalt solcher Hinweise in der Verwaltungspraxis verstanden und (ggf. auch auf
schon anhängige Verfahren) angewendet wird. Vorliegend hat eine telefonische
Anfrage des Senatsvorsitzenden vom 23. Mai 2006 bei dem zuständigen
Prozesssachbearbeiter der Beklagten (Herrn X1. ) ergeben, dass die Beklagte bzw. die
sie vertretende Deutsche Telekom AG die durch die Hinweise des BMI in Bezug
genommene Rechtsprechung des BGH nur in vergleichbaren Fallgestaltungen
beihilferechtlich umsetzt; über den hierzu aufgenommenen Vermerk sind die
Prozessbevollmächtigten des Klägers am gleichen Tage per Fax informiert worden.
Eine solche vergleichbare Fallgestaltung liegt hier allerdings nach dem oben dazu
näher Dargelegten nicht vor. Im Übrigen wird der Inhalt der Auskunft auch durch das
sonstige Verhalten der Beklagten in diesem Verfahren insofern gestützt, als diese die
Neufassung der Hinweise des BMI nicht zum Anlass genommen hat, hieraus
irgendwelche Konsequenzen in Richtung auf eine etwaige Teilerledigung des
Rechtsstreits in dem betreffenden Punkt zu ziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711
Zivilprozessordnung.
99
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO,
§ 127 BRRG nicht gegeben sind.
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