Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.05.1997

OVG NRW (hausarbeit, prüfer, universität, örtliche zuständigkeit, satzung, bundesbehörde, kritik, bewertung, rüge, prüfung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 22 A 2105/94
Datum:
23.05.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
22. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
22 A 2105/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 K 4291/91
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin bezüglich der im
Prüfungsbescheid des Beklagten vom 18. Juli 1991 festgesetzten
Gesamtnote ​ausreichend" (5,38 Punkte) nach Maßgabe der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Beschluß ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin unterzog sich 1990 und 1991 der zweiten juristischen Staatsprüfung. Ihre
schriftlichen Leistungen wurden wie folgt bewertet:
3
Hausarbeit: ausreichend (4 Punkte), A-Klausur: ausreichend (5 Punkte), B-Klausur:
befriedigend (7 Punkte), C-Klausur: mangelhaft (2 Punkte), D-Klausur: ausreichend (4
Punkte).
4
In der mündlichen Prüfung am 15. Juli 1991 erzielte die Klägerin folgende Ergebnisse:
5
Vortrag: befriedigend (7 Punkte), Prüfungsgespräch: befriedigend (7 Punkte),
6
Aufgrund der sich hieraus rechnerisch ergebenden Gesamtnote von 5,38 Punkte
erklärte der Beklagte durch Bescheid vom 18. Juli 1991 die Prüfung der Klägerin mit
7
„ausreichend" als bestanden.
Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben und geltend gemacht, die Bewertung ihrer
Hausarbeit sei fehlerhaft. Hinsichtlich der Einwendungen der Klägerin im einzelnen wird
gemäß § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen verwiesen.
8
Der Beklagte hat während des Klageverfahrens zu den von der Klägerin gegen die
Bewertung der Hausarbeit erhobenen Einwänden Stellungnahmen der Mitglieder des
Prüfungsausschusses eingeholt. Diese haben auch in Anbetracht der Einwände der
Klägerin keine Veranlassung gesehen, von ihrer ursprünglichen Bewertung der
Hausarbeit abzuweichen.
9
Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, sie bezüglich der in dem Prüfungsbescheid vom 18. Juli
1991 festgesetzten Gesamtnote „ausreichend" (5,38 Punkte) nach Maßgabe der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
11
Der Beklagte hat beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Er hat auf die während des Klageverfahrens eingeholten Stellungnahmen der Prüfer
verwiesen und vorgetragen: Die Einwände der Klägerin richteten sich ausschließlich
gegen prüfungsspezifische Wertungen, die in den Bewertungsspielraum der Prüfer
fielen und nicht zu beanstanden seien.
14
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, als unbegründet abgewiesen.
15
Die Klägerin hat rechtzeitig Berufung eingelegt, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt sie vor: Die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts genüge nicht den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten
Anforderungen an die Überprüfung berufsbezogener Prüfungen.
16
Die Klägerin beantragt,
17
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
18
Der Beklagte beantragt,
19
die Berufung zurückzuweisen.
20
Er hat auf den Hinweis des Berichterstatters, daß die Einwände Klägerin teilweise
berechtigt seien, ergänzende Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses
eingeholt. Diese sehen weiterhin keine Veranlassung, ihre ursprüngliche Bewertung der
Hausarbeit der Klägerin zu ändern.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
22
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
23
Der Senat kann der Berufung der Klägerin gemäß § 130 a VwGO durch Beschluß
stattgeben, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2
Satz 3 VwGO gehört worden; ihrer Zustimmung bedarf es nicht.
24
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht
als unbegründet abgewiesen.
25
Der auf §§ 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 4 Sätze 1 und 2, 28, 12, 13, 14 und 15 des
Juristenausbildungsgesetzes in der für das Prüfungsverfahren der Klägerin noch
maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985, GV NW S. 522 (im
folgenden: JAG), gestützte Prüfungsbescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch darauf, daß der Beklagte sie
bezüglich der in dem Prüfungsbescheid vom 18. Juli 1991 festgesetzten Gesamtnote
nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats erneut bescheidet, weil der Beklagte
den Prüfungsanspruch der Klägerin noch nicht erfüllt hat.
26
Berufsbezogene Prüfungsentscheidungen der vorliegenden Art sind nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
27
Beschluß vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81, 213.81 -, NJW 1991, 2005 (2007 f.),
28
der die Verwaltungsgerichte folgen,
29
vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 307 = DVBl. 1993, 503, OVG NW, Urteil vom 27. Februar 1997 - 22
A 1326/94 -, Urteilsabdruck S. 8 f. m.w.N.,
30
mit Blick auf das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG von den Gerichten in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachzuprüfen. Lediglich
bei „prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein
Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob
Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die
Prüfungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen
allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen
hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat. Eine wirksame gerichtliche
Kontrolle setzt allerdings voraus, daß durch substantiierte Einwände gegen die
Prüfungsentscheidung konkret und nachvollziehbar dargelegt wird, in welchen Punkten
die Beurteilung vermeintliche Bewertungsfehler aufweist.
31
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Bewertung der Hausarbeit der Klägerin
fehlerhaft.
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1. Die Einwände der Klägerin gegen die Kritik der Prüfer an ihren Ausführungen zur
örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts I. gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO (S.
12 oben der Hausarbeit) und zur Verwaltungskompetenz des Bundes gemäß Art. 87 a
und b GG (S. 23 oben der Hausarbeit) sind zum Teil, ihre Einwände gegen den Vorwurf
33
der Prüfer, sie habe auf S. 22 der Hausarbeit Art. 75 Nr. 1 a GG nicht geprüft, insgesamt
berechtigt.
a) Die Klägerin hat die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts I. gemäß § 52 Nr.
2 Satz 1 VwGO darauf gestützt, daß sich die vorliegende Anfechtungsklage gegen
einen Verwaltungsakt der Universität der Bundeswehr in I. richte, die gemäß § 1 Abs. 1
Satz 2 der Rahmenbestimmungen für Struktur und Organisation der Hochschule der
Bundeswehr I. (RB) eine Bundesbehörde sei. Nach der letztgenannten Vorschrift ist die
Bundeswehrhochschule I. eine mitgliedschaftlich organisierte, nicht rechtsfähige
Einrichtung des Bildungswesens und zugleich eine Dienststelle im Geschäftsbereich
des Bundesministers der Verteidigung.
34
Der Erstgutachter hat in seinem Votum, dem sich der Zweit- und Drittgutachter
angeschlossen haben, ausgeführt, die Klägerin habe zwar zutreffend auf § 52 Nr. 2
VwGO abgestellt; es sei aber näher zu erörtern gewesen, ob die Universität der
Bundeswehr eine unmittelbare Bundesbehörde im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO
sei. Außerdem hätte der Rechtscharakter der Universität unter Heranziehung der hierzu
ergangenen Rechtsprechung und der vorliegenden Literaturmeinungen näher
dargestellt und problematisiert werden müssen.
35
Gegen diese Kritik hat die Klägerin eingewandt, der Erstkorrektor sei von einem
falschen Normtext ausgegangen, weil in § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO nicht zwischen
unmittelbaren und mittelbaren Bundesbehörden unterschieden werde. Außerdem sei
nach § 1 Abs. 1 Satz 2 RB unzweifelhaft, daß die Universität der Bundeswehr eine
Bundesbehörde sei.
36
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Erstgutachter dazu ausgeführt, daß der Einwand
der Klägerin am Kern der Prüferkritik vorbei gehe. Er habe den Begriff „unmittelbar" als
Gegensatz zu dem Begriff „bundesmittelbare Körperschaften" verwandt. Seine Kritik sei
darin zu sehen, daß die von ihm angesprochenen Fragen nicht zufriedenstellend erörtert
worden seien. Insbesondere reiche der bloße Hinweis auf § 1 Abs. 2 Satz 2 RB -
gemeint wohl: § 1 Abs. 1 Satz 2 RB - nicht aus.
37
Im Berufungsverfahren hat der Erstgutachter in seiner Stellungnahme vom 21. März
1997 unter Bezugnahme auf den Vermerk eines Mitarbeiters des Beklagten ergänzend
ausgeführt, daß es ihm nicht um die Erörterung der Frage einer mittelbaren oder
unmittelbaren Bundesbehörde gehe, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem
Begriff der in § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO aufgeführten „Körperschaft". Seine
prüfungsspezifische Kritik sei auch unter Berücksichtigung des Lösungsansatzes der
Klägerin gerechtfertigt, weil ihr Lösungsansatz völlig unzureichend dargestellt worden
sei und so nicht akzeptiert werden könne.
38
aa) Nach dem Inhalt dieser Stellungnahmen des Erstgutachters enthält die Rüge der
Prüfer entgegen der Auffassung des Beklagten keine in den Beurteilungsspielraum der
Prüfer gestellte prüfungsspezifische Wertung, sondern eine (fachspezifische) Aussage
zur Richtigkeit bzw. Angemessenheit der von der Klägerin dargestellten Lösung. Die
Berechtigung der Rüge, der Prüfling habe seinen Lösungsansatz nicht hinreichend
begründet und fehlerhaft die Prüfung weiterer Tatbestandsmerkmale einer Norm
unterlassen, ist der - ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen auszuübenden - richterlichen
Kontrolle ohne weiteres zugänglich. Denn es handelt sich im Grundsatz - wie hier - nicht
um eine komplexe (prüfungsspezifische) Wertung, die im Gesamtzusammenhang eines
39
oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden muß und sich deshalb im
gerichtlichen Verfahren eines Prüflings nicht isoliert nachvollziehen läßt, sondern um
die Beurteilung der rechtlichen und methodischen Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit der
Lösung des Prüflings.
Vgl. zur Abgrenzung prüfungsspezifischer Wertungen und fachspezifischer Aussagen
der Prüfer: BVerwG, Urteile vom 16. März 1994 - 6 C 5.93 -, NVwZ - RR 1994, 582 (583),
und vom 21. Oktober 1993 - 6 C 12.92 -, BayVBl 1994, 443 (443); OVG NW, Urteil vom
27. Februar 1997 - 22 A 1326/94 -, Urteilsabdruck S. 9.
40
bb) Die damit gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbare Prüferkritik ist nicht zu
beanstanden, soweit der Klägerin vorgeworfen wird, daß sie ihre Lösung, die Universität
der Bundeswehr sei eine Bundesbehörde im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO, nicht
hinreichend begründet habe. Der hiergegen gerichtete Einwand der Klägerin, ihre
Lösung ergebe sich „unzweifelhaft" aus der von ihr in der Hausarbeit zitierten Vorschrift
des § 1 Abs. 1 Satz 2 RB, ist unsubstantiiert. Sie hat ihren Einwand - wie auch ihre
Lösung in der Hausarbeit - weder durch Rechtsprechung oder Literatur belegt, noch
plausibel begründet.
41
Vgl. zu diesen Anforderungen: OVG NW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -,
Urteilsabdruck S. 21 f.
42
Allein aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 RB, auf den sich die Klägerin beruft, läßt
sich nicht herleiten, daß die Universität der Bundeswehr eine Behörde im Sinne des §
52 Nr. 2 Satz 1 VwGO ist. Weder die in § 1 Abs. 1 Satz 2 RB genannte Eigenschaft der
Universität als mitgliedschaftlich organisierte, nicht rechtsfähige Einrichtung noch der in
§ 1 Abs. 1 Satz 2 RB enthaltene Begriff „Dienststelle", der nicht nur in gesetzlichen
Bestimmungen, sondern auch im Verwaltungsorganisationsrecht in unterschiedlichster
Weise verwandt wird,
43
vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 13. März 1972 - I DB 1.72 -, BVerwGE 43, 323 (329
ff.); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., 1976, § 73 I c 7 (S. 31), § 74 I f 10 (S. 52),
§ 76 I f (S. 86 f.) und § 108 I b (S. 481),
44
lassen für sich betrachtet darauf schließen, daß die Universität eine Behörde im Sinne
des Verwaltungsprozeßrechts ist. Das sind vielmehr nur solche Stellen, die durch
organisationsrechtliche Rechtssätze gebildet, vom Wechsel ihrer Amtsträger
unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen sind, unter
eigenem Namen für den Staat oder einen anderen Träger öffentlicher Verwaltung
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
45
Vgl. nur OVG NW, Urteil vom 13. März 1991 - 22 A 871/90 -, NJW 1991, 2586 (2587)
m.w.N.
46
Ausgehend hiervon hätte sich die Klägerin nicht mit dem bloßen Hinweis auf die
Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 RB begnügen dürfen. Dieser Regelung lassen sich über
die Merkmale der Behörde im Sinne des Verwaltungsprozeßrechts offensichtlich keine
hinreichenden Aussagen entnehmen.
47
cc) Fehlerhaft ist dagegen die weitergehende Prüferkritik. Die hiergegen gerichteten
Einwände der Klägerin sind substantiiert, schlüssig und in der Sache begründet.
48
Die (ursprüngliche) Rüge der Prüfer, die Klägerin habe nicht erörtert, ob die Universität
der Bundeswehr eine unmittelbare Bundesbehörde sei, verkennt den Wortlaut des § 52
Nr. 2 Satz 1 VwGO. Danach genügt für die Annahme der örtlichen Zuständigkeit die
Feststellung, daß der angefochtene Verwaltungsakt von einer Bundesbehörde erlassen
worden ist. Diese Feststellung schließt bereits voraussetzungsgemäß das Vorliegen
einer Unmittelbarkeit der Behörde insofern ein, als es sich um eine Stelle handelt, deren
Aufgabenwahrnehmung dem Bund unmittelbar zugerechnet wird. Die Stellung der
Bundesbehörde im Verwaltungsaufbau - etwa als mittelbare oder unmittelbare
Bundesbehörde - ist demgegenüber für die örtliche Zuständigkeit gemäß § 52 Nr. 2 Satz
1 VwGO irrelevant.
49
Wenn die Prüfer entgegen dem eindeutigen Inhalt ihrer ursprünglichen Rüge nunmehr
behaupten, ihre Kritik richte sich in Wahrheit dagegen, daß die Klägerin nicht erörtert
habe, ob die Universität der Bundeswehr eine bundesunmittelbare Körperschaft im
Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO sei, so ist auch diese Kritik fehlerhaft. Sie verstößt
gegen das Willkürverbot, weil die Prüfer nicht vom Lösungsansatz der Klägerin
ausgehen.
50
Um festzustellen, ob der Prüfling den Prüfungsanforderungen gerecht geworden ist,
muß der Prüfer die Lösung des Prüflings nachvollziehen und deren Wert beurteilen. Er
muß die vom Prüfling angesprochenen Gesichtspunkte und Gedanken - unabhängig
davon, ob sie in einer vom Prüfungsamt erstellten „Musterlösung" enthalten sind -
danach beurteilen, ob sie sich im Rahmen des vom Prüfling gewählten Aufbauschemas
bewegen, ob sie sachlich richtig oder zumindest vertretbar und logisch begründet sind
und ob wichtige Gesichtspunkte, die zu erörtern waren, gesehen worden sind.
51
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5.93 -, NVwZ-RR 1994, 582 (584).
52
Danach liegt auf der Hand, daß die Leistungsbewertung sachlich nicht gerechtfertigt und
damit willkürlich ist, wenn der Prüfer die fehlende Erörterung solcher Gesichtspunkte
rügt, die sich nach der - vom Prüfer im Ergebnis nicht beanstandeten - Lösung des
Prüflings gar nicht stellen.
53
So liegt der Fall hier. Die Prüfer haben die Lösung der Klägerin, daß die Universität der
Bundeswehr eine Bundesbehörde im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO sei, im
Ergebnis nicht beanstandet. Ihre Kritik hätte sich deshalb darauf beschränken müssen,
daß die Klägerin - wie ausgeführt - ihre Lösung nicht hinreichend begründet hat. Denn
vom Lösungsansatz der Klägerin wäre eine Erörterung des Tatbestandsmerkmals
„bundesunmit-telbare Körperschaft" aus Rechtsgründen fehlerhaft gewesen, weil sich
die Begriffe Bundesbehörde und bundesunmittelbare Körperschaft im Sinne des § 52
Nr. 2 Satz 1 VwGO gegenseitig ausschließen.
54
Die Qualifizierung der Universität der Bundeswehr als Bundesbehörde bedeutet, daß
die Universität Teil der unmittelbaren Bundesverwaltung ist, deren Träger der Bund
selbst ist. Bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
Rechts sind demgegenüber vom Bund ausgegliederte (selbständige)
Verwaltungsträger, deren Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mittelbare
Bundesverwaltung darstellt, weil ihr Zuordnungssubjekt nicht der Bund selbst ist. Sie
sind im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO bundesunmittelbar, wenn sie der Aufsicht
des Bundes unterstehen.
55
Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1960 - 1 BvR 190/58 u.a. -, BVerfGE 11, 105
(108).
56
Eine Bundesbehörde kann damit nicht (zugleich) eine bundesunmittelbare Körperschaft,
Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO sein.
57
b) Auf Seite 23 oben der Hausarbeit hat die Klägerin ausgeführt, daß sich aus Art. 87 a
und b GG eine Kompetenz des Bundes zur Errichtung und zum Betrieb der Universität
der Bundeswehr ergebe.
58
Der Erstgutachter hat in seinen Randbemerkungen und in seinem Votum, dem sich der
Zweit- und Drittgutachter angeschlossen haben, unter anderem gerügt, daß diese
Annahme der Klägerin "unklar" sei. Sie hätte auf die Frage eingehen müssen, ob eine
durch das Abkommen zwischen dem Land I. und der Bundesregierung erfolgte
Kompetenzverschiebung verfassungsrechtlich zulässig sei. In diesem Zusammenhang
sei "der Verzicht auf Grundrechte durch Träger öffentlicher Gewalt aufgrund der
prinzipiell vorliegenden landesrechtlichen Hochschulhoheit zu prüfen" gewesen.
59
Hiergegen hat die Klägerin eingewandt, daß es ein schwerer Fehler gewesen wäre, das
Land I. als Grundrechtsträger anzusehen.
60
Zu diesem Einwand haben sich die Prüfer im erstinstanzlichen Verfahren nicht näher
geäußert. Im Berufungsverfahren haben sie ausgeführt, aus dem
Gesamtzusammenhang der Anmerkungen des Erstgutachters gehe hervor, daß nicht
die Erörterung des "Verzichts auf Grundrechte", sondern Ausführungen dazu erwartet
worden seien, ob das Land I. zulässigerweise auf verfassungsrechtliche Kompetenzen
verzichten konnte.
61
Mit Rücksicht darauf, daß sich offensichtlich nicht die Frage der Zulässigkeit des
Verzichts auf Grundrechte - zumal durch einen Träger öffentlicher Gewalt - stellte, kann
zwar entsprechend den Ausführungen der Prüfer im Berufungsverfahren davon
ausgegangen werden, daß sie in Wahrheit von der Klägerin nur Ausführungen zur
Zulässigkeit des Verzichts auf verfassungsrechtliche Kompetenzen des Landes I.
erwarteten. Diese Prüferkritik ist aber fehlerhaft, weil die Prüfer auch insoweit nicht den
Lösungsansatz der Klägerin beachtet haben.
62
Sie hat die Kompetenz des Bundes zur Errichtung und zum Betrieb der Universität der
Bundeswehr aus Art. 87 a und b GG hergeleitet. Ausgehend von diesem Lösungsansatz
stellte sich damit nicht die Frage und konnten auch keine weitergehenden
Ausführungen der Klägerin dazu erwartet werden, ob das Land I. verfassungswidrig zu
Gunsten des Bundes auf hochschulrechtliche Kompetenzen verzichtet hat. Selbst wenn
- wie der Beklagte meint - die Prüfer die Richtigkeit des Lösungsansatzes der Klägerin
(zu Recht) beanstandet haben sollten, weil es in dem Votum des Erstgutachters heißt,
die Kompetenz des Bundes gemäß Art. 87 a und b GG "ändere doch nichts an der
fehlenden Berechtigung des Bundes zur Errichtung einer Hochschule", hätte sich die
(weitergehende) Prüferkritik etwa darauf beschränken müssen, daß sich die Klägerin mit
ihrem fehlerhaften Lösungsansatz den Weg zu der Problematik versperrt habe, ob das
Land I. auf hochschulrechtliche Kompetenzen verzichten konnte.
63
c) Auf den Seiten 22 und 23 der Hausarbeit hat die Klägerin die Frage erörtert, ob der
64
Bund eine Kompetenz zur Errichtung und zum Betrieb der Universität der Bundeswehr
aus Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG habe. Sie hat dies verneint, weil der Bund keine
Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulrecht habe. Diese Aussage hat die
Klägerin mit einem Literaturzitat belegt.
Der Erstgutachter hat in seinem Votum, dem sich der Zweit- und Drittgutachter
angeschlossen haben, gerügt, daß die Ausführungen der Klägerin oberflächlich und
unvollständig seien. Es sei u.a. „näher" auf Art. 75 Nr. 1 a GG einzugehen gewesen.
65
Gegen diese Prüferkritik hat die Klägerin eingewandt, daß sich aus der
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes über die allgemeinen Grundsätze des
Hochschulwesens offensichtlich keine Kompetenz des Bundes zur Errichtung einer
Hochschule herleiten lasse.
66
Zu diesem substantiierten und schlüssigen Einwand haben die Prüfer sich im
erstinstanzlichen Verfahren nicht näher geäußert. Der Erstgutachter hat in seiner
Stellungnahme vom 4. November 1991 lediglich auf sein Erstgutachten Bezug
genommen. Im Berufungsverfahren haben die Prüfer ausdrücklich an ihrer
ursprünglichen Kritik festgehalten. Der Erstkorrektor hat ergänzend ausgeführt, daß ein
„gründliches" Eingehen auf Art. 75 Nr. 1 a GG erforderlich gewesen sei.
67
aa) Diese Rüge der Prüfer enthält entgegen der Auffassung des Beklagten keine
komplexe (prüfungsspezifische) Wertung, sondern eine (fachspezifische) Aussage zur
Angemessenheit der von der Klägerin gewählten Lösung, die sich im gerichtlichen
Verfahren der Klägerin - ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen - ohne weiteres
nachvollziehen läßt. Dem steht nicht entgegen, daß durchaus
Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen können, ob es angemessen ist, eine
bestimmte Norm in einer Hausarbeit zu erörtern. In einem solchen Fall stünde dem
Prüfling allerdings ein angemessener Antwortspielraum zu mit der Folge, daß eine
vertretbare und mit gewichtigen Gründen folgerichtige Lösung jedenfalls nicht als falsch
bewertet werden darf.
68
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 213/81 -, a.a.O., (2008).
69
Das haben die Prüfer hier verkannt. Sie übersehen nach wie vor, daß hinsichtlich der
Frage, ob in der Hausarbeit Art. 75 Nr. 1 a GG zu erörtern war, die genannten
Voraussetzungen eines Antwortspielraums gegeben sind.
70
bb) Mit Blick auf die Regelungen in §§ 22 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 25 Abs. 1 sowie 29 Abs.
2 JAG, die (auch) normative Bindungen für die Leistungsbewertungen der Prüfer
enthalten, war es - auch ohne eine nähere Begründung der Klägerin - zumindest
vertretbar, die Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Universität der Bundeswehr
nicht „näher" bzw. „gründlich" unter dem Gesichtspunkt der
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 75 Nr. 1 a GG zu erörtern.
71
Anders als im ersten juristischen Staatsexamen, in dem eine Hausarbeit anzufertigen
ist, die ein rechtswissenschaftliches Gutachten zum Gegenstand hat (§ 10 Abs. 3 JAG),
hat der Prüfling im zweiten juristischen Staatsexamen als praktische Hausarbeit anhand
einer der Praxis entnommenen Aufgabe ein Gutachten über die abschließende
Sachbehandlung der mit der Aufgabe befaßten Stelle zu erstatten und die zu treffende
Entscheidung zu entwerfen (§ 29 Abs. 2 JAG). Diese schriftliche Prüfungsleistung dient
72
u.a. der Feststellung, ob der Prüfling praktisch-methodische Fähigkeiten besitzt, und ob
er in der Lage ist, zweckmäßig zu arbeiten (§§ 22 Abs. 3 Sätze 1 und 1, 25 Abs. 1 JAG).
In der gerichtlichen Praxis - worauf hier nach dem von der Klägerin zu bearbeitenden
Aktenfall abzustellen ist - ist es aber grundsätzlich weder geboten noch üblich, „näher"
oder „gründlich" auf solche Normen einzugehen, die für die Beantwortung der sich
stellenden Rechtsfrage ersichtlich nichts hergeben. Ist dies zudem in der
Rechtsprechung und/oder Literatur geklärt, so entspricht es außerdem der gerichtlichen
Praxis, die entsprechende Aussage in einer gerichtlichen Entscheidung oder in einem
die gerichtliche Entscheidung vorbereitenden Gutachten (nur) mit einem Zitat zu
belegen.
Vgl. hierzu auch Ramsauer, Die Assessorprüfung im öffentlichen Recht, 1991, S. 13.
73
Danach hat die Klägerin in ihrer Hausarbeit zumindest vertretbar auf eine „nähere" bzw.
„gründliche" Erörterung des Art. 75 Nr. 1 a GG verzichtet und sich auf die mit
Literaturzitaten belegte gutachterliche Aussage beschränkt, daß der Bund nicht die nach
Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG erforderliche Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung der
Universität der Bundeswehr habe. Diese Gesetzgebungskompetenz läßt sich aus dem
allenfalls in Erwägung zu ziehenden Art. 75 Nr. 1 a GG ersichtlich nicht herleiten. Die
Norm ermächtigt den Bund nicht zu inhaltlich abschließenden Regelungen, sondern nur
zum Erlaß von Rahmenvorschriften, die zudem inhaltlich auf die Regelung der
allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens begrenzt sind. Dies ist nicht nur in der
von der Klägerin in Fußnote 66 ihrer Hausarbeit zitierten Literatur, sondern auch in der
sonstigen Literatur ein seit langem anerkannter Grundsatz, der - weil selbstverständlich -
auch nicht „näher" oder „gründlich" erörtert wird.
74
Vgl. neben den von der Klägerin zitierten Literaturstellen: Thieme, Deutsches
Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986 Rdnr. 147; Dallinger/Bode/Dellian,
Hochschulrahmengesetz Kommentar, 1978 § 70 Rdnr. 7; Erhardt, Stiftungsuniversität
bürgerlichen Rechts?, WissR 1970, 97 (116 f.).
75
2. Die weiteren Einwände der Klägerin gegen die Bewertung ihrer Hausarbeit sind
unberechtigt.
76
a) Unsubstantiiert ist der Einwand der Klägerin, daß ihre Ergebnisse und Argumente an
keiner Stelle des Votums des Erstgutachters ausdrücklich als falsch bezeichnet worden
seien. Inwiefern die Klägerin hierin einen Bewertungsfehler sieht, hat sie weder im
erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren konkret und plausibel
dargelegt.
77
b) In der Sache unbegründet ist der Einwand der Klägerin, sie habe die Prüfung der
formellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu Recht mit der Erörterung der
Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes begonnen, weil jede
Rechtmäßigkeitsprüfung zunächst die Klärung des anzuwendenden
Prüfungsmaßstabes erfordere. Diese Auffassung der Klägerin ist in dieser Form
unzutreffend.
78
Ein Gutachten genügt nur dann den Anforderungen einer praktischen Hausarbeit gemäß
§§ 22 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 25 Abs. 1 sowie 29 Abs. 2 JAG, wenn die angesprochenen
Fragestellungen auf den Fall bezogen formuliert werden. Hiermit ist es nicht vereinbar,
die Frage nach der Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes
79
abstrakt zu stellen. Nur wenn die Beachtung konkreter Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes nach der Aufgabenstellung problematisch ist, entspricht
die Prüfung, ob diese Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes
anwendbar sind, den Anforderung gemäß den §§ 22 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 25 Abs. 1
sowie 29 Abs. 2 JAG.
Die Klägerin hat demgegenüber zu Beginn der formellen Rechtmäßigkeitsprüfung ohne
konkreten Fallbezug und damit ohne konkreten Prüfungsanlaß erörtert, ob das
Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes mit Einschränkungen auf die hoheitliche
Tätigkeit der Universität der Bundeswehr Anwendung finde. Diese gutachterliche
Feststellung der Klägerin ist für ihre nachfolgende Zuständigkeitsprüfung ohne Belang,
da sie in diesem Zusammenhang ausschließlich Vorschriften der
Rahmenbestimmungen für Organisation und Struktur der Universität der Bundeswehr in
I. , nicht aber Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes erörtert. Erst
im Anschluß an die Zuständigkeitsprüfung geht die Klägerin auf §§ 28 Abs. 1 und 41
Abs. 1 VwVfG ein.
80
c) Unschlüssig ist der Einwand der Klägerin, die Prüfung der konkreten Anwendbarkeit
des § 10 Abs. 6 Satz 2 der Diplomprüfungsordnung für den Fachbereich Pädagogik der
Hochschule der Bundeswehr in I. (DPO Päd) sei entgegen der Rüge der Prüfer nicht
aufbaufehlerhaft. Vielmehr sei diese Prüfung im Anschluß an die Prüfung der Gültigkeit
der Satzung „schulmäßig" und im Obersatz auf S. 20 der Hausarbeit vorgezeichnet.
81
Dieser Einwand der Klägerin stellt die Berechtigung der Prüferrüge nicht in Frage, weil
sie am Kern der Rüge vorbeigeht. Aus den Randbemerkungen des Erstgutachters auf S.
30 der Hausarbeit und dem Votum des Erstgutachters geht eindeutig hervor, daß nicht
die von der Klägerin gewählte Prüfungsreihenfolge, sondern der im Zusammenhang mit
der Erörterung des § 10 Abs. 6 Satz 2 DPO Päd fehlende Fallbezug kritisiert wird.
82
d) Unberechtigt sind auch die Einwände der Klägerin gegen die Rüge der Prüfer, daß
sie die Problematik des besonderen Gewaltverhältnisses auf S. 9 der Hausarbeit nicht
ansprechend und auf S. 21 der Hausarbeit nicht hinreichend erörtert habe.
83
aa) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,
10. Aufl., 1995, § 8 Rdnr. 26 geltend macht, daß Ausführungen zum besonderen
Gewaltverhältnis entbehrlich seien, weil es sich um ein überholtes Rechtsinstitut
handele, ist dieser Einwand unsubstantiiert. Maurer selbst, a.a.O., hält ein Eingehen auf
dieses Rechtsinstitut für erforderlich, weil es auch heute noch in der Rechtsprechung in
Literatur verwandt werde. Darüber hinaus widerspricht sich die Klägerin, weil sie selbst
auf S. 9 ihrer Hausarbeit auf das „sogenannte besondere Gewalt- oder
Pflichtenverhältnis" des Soldaten abgestellt hat.
84
bb) Soweit die Klägerin vorträgt, umfassende theoretische Ausführungen zum
besonderen Gewaltverhältnis seien in ihrer Hausarbeit mit Blick auf § 29 Abs. 2 JAG
entbehrlich gewesen, ist dieser Einwand unschlüssig. Er stellt die Berechtigung der
Prüferrügen zu den Ausführungen der Klägerin auf Seiten 9 und 21 ihrer Hausarbeit
nicht in Frage.
85
Hinsichtlich der Ausführung auf S. 9 der Hausarbeit kritisieren die Prüfer, daß es der
Klägerin nicht „ansprechend" gelungen sei, das Problem der Außenwirkung im Sinne
der Problematik des besonderen Gewaltverhältnisses als einen im rechtlichen Wandel
86
begriffenen Rechtsbegriff darzustellen. Damit verlangen die Prüfer im Kern keine
umfassenden theoretischen Ausführungen zum Begriff des besonderen
Gewaltverhältnisses. Ihre Kritik richtet sich vielmehr zu Recht dagegen, daß die Klägerin
in ihrer Hausarbeit ohne nähere Begründung auf einen Rechtsbegriff zurückgegriffen
hat, der - wie die Klägerin im gerichtlichen Verfahren selbst vorträgt - heute in der
Rechtsprechung und Literatur weitgehend nicht mehr verwandt wird und dessen Inhalt
wie auch Bedeutung durch die neuere Rechtsprechung und Literatur gewandelt worden
ist.
Auch hinsichtlich der Ausführungen auf S. 21 der Hausarbeit verlangen die Prüfer keine
theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses.
Ihre Kritik richtet sich zu Recht lediglich dagegen, daß die Klägerin nicht erörtert hat,
welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem von ihr auf S. 9 der Hausarbeit
festgestellten besonderen Gewalt- oder Pflichtenverhältnis für den auf S. 21 der
Hausarbeit erörterten Außenrechtscharakter der Diplomprüfungsordnung ergeben.
87
e) Soweit die Klägerin sich gegen die Kritik der Prüfer an den Ausführungen zum
richtigen Klagegegner (S. 12 - 17 der Hausarbeit) wendet sind ihre Einwände in der
Sache unbegründet.
88
aa) Die Prüfer rügen zunächst, daß die Klägerin ihre Annahme auf S. 17 der Hausarbeit,
die Universität der Bundeswehr sei Beliehene, nicht begründet habe. Der Erstkorrektor
hat in seiner Stellungnahme vom 4. November 1991 klarstellend ausgeführt, daß die
kritisierten Ausführungen der Klägerin zur Frage nach dem richtigen Klagegegner „rein
apodiktische Äußerungen" enthielten, die die erforderliche Gründlichkeit vermissen
ließen sowie unvollständig und oberflächlich seien. Diese Kritik ist nicht zu
beanstanden.
89
Die Klägerin hat auf S. 17 ihrer Hausarbeit die Eigenschaft der Universität der
Bundeswehr als Beliehene nicht näher begründet, sondern lediglich auf ihre
vorhergehenden Ausführungen auf S. 8 der Hausarbeit verwiesen. Die dortigen
Ausführungen enthalten aber ebenfalls keine nähere Begründung, sondern lediglich die
auf §§ 70 Abs. 3 HRG, 143 Abs. 1 HambHG und einer Literaturstelle gestützte
Behauptung, daß die Universität der Bundeswehr Beliehene sei. Die erforderliche und
vom Erstkorrektor sowohl auf S. 8 als auch auf S. 17 der Hausarbeit als fehlend
bemängelte Definition des Begriffs Beliehener, wie auch die sich hieran anschließende
Subsumtion unter den Merkmalen des Begriffs Beliehener fehlen vollständig.
90
bb) Soweit die Prüfer weiter rügen, daß die Klägerin sich im Rahmen der Frage nach
dem richtigen Klagegegner nicht mit §§ 70 HRG, 143 HambHG näher
auseinandergesetzt habe, ist auch diese Rüge nicht zu beanstanden. Es liegt auf der
Hand, daß für die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Universität der
Bundeswehr als teilrechtsfähige öffentliche Einrichtung richtiger Klagegegner ist, der
mögliche Status der Universität als staatliche Hochschule im Sinne des § 70 HRG wie
auch die durch das Land I. erfolgte Übertragung der in §§ 143 Abs. 1 HambHG
genannten Rechte von Bedeutung sind. Die Klägerin ist hierauf jedoch im
Zusammenhang mit der Frage nach dem richtigen Klagegegner nicht eingegangen.
91
Ins Leere geht in diesem Zusammenhang auch ihr Einwand, daß sich Ausführungen zu
§§ 70 HRG, 143 HambHG auf S. 8 der Hausarbeit befänden, und daß auf diese
Ausführungen auf S. 17 der Hausarbeit Bezug genommen worden sei. Auf S. 8 der
92
Hausarbeit werden die Vorschriften zwar genannt, aber nicht unter dem Gesichtspunkt
einer möglichen Teilrechtsfähigkeit der Universität der Bundeswehr erörtert.
f) In der Sache unbegründet ist der Einwand der Klägerin, daß sie auf S. 21 der
Hausarbeit begründet habe, warum eine Satzung vorliegen müsse. Eine dahingehende
Begründung hat die Klägerin nicht gegeben. Sie hat auf S. 21 lediglich unter Hinweis
auf eine Literaturstelle behauptet, daß ein Eingriff in subjektive Rechte nicht auf eine
Verwaltungsvorschrift gestützt werden könne. Eine nähere eigenständige Begründung
ist nicht erfolgt. Vielmehr beziehen sich die weiteren Ausführungen der Klägerin
ausschließlich auf die Frage, ob die Diplomprüfungsordnung der Universität der
Bundeswehr eine Satzung ist.
93
g) Die Prüfer rügen in diesem Zusammenhang weiter, daß die auf S. 21 der Hausarbeit
erfolgte Prüfung, ob die Diplomprüfungsordnung eine Satzung sei, „so" nicht
überzeugend sei. Die Klägerin habe insbesondere ihren Ausführungen nicht die
Definition einer Satzung vorangestellt und weder die gesetzliche Ermächtigung zum
Erlaß einer Satzung noch die Satzungsautonomie der Universität als nicht rechtsfähige
Einrichtung hinreichend erörtert. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin sind
ebenfalls unberechtigt.
94
aa) Unschlüssig ist ihr Einwand, sie habe zutreffend nicht mit der Definition einer
Satzung, sondern mit der Frage begonnen, ob die Diplomprüfungsordnung lediglich
eine Verwaltungsvorschrift sei, denn dann wäre keine „taugliche"
Ermächtigungsgrundlage vorhanden gewesen. Diese Ausführungen der Klägerin gehen
am Kern der Prüferkritik vorbei. Die Prüferkritik knüpft an das Ergebnis der
Ausführungen der Klägerin an, daß die Diplomprüfungsordnung eine Satzung sei. Daß
dieses Ergebnis nur dann überzeugend begründet ist, wenn den Ausführungen die
Merkmale einer Satzung vorangestellt werden, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen
werden.
95
bb) Entgegen dem Vortrag der Klägerin hat der Erstkorrektor in diesem Zusammenhang
auch nicht seine ursprüngliche Wertung geändert. Seine Ausführungen in seiner
Stellungnahme vom 4. November 1991, die Wertung als Satzung sei unzureichend, die
Argumentation sei nicht vertretbar, knüpfen erkennbar an die im Erstvotum enthaltene
Wertung an, daß die Prüfung der Klägerin „so" nicht überzeugend sei.
96
Diese Wertung ist auch sachlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin leitet ihre
Feststellung, daß die Diplomprüfungsordnung eine Satzung sei, allein aus den der
Universität der Bundeswehr übertragenen Rechten und der Genehmigungsbedürftigkeit
ihrer Studien- und Prüfungsordnungen ab. Hieraus wird in keiner Weise ersichtlich, daß
die Begriffsmerkmale einer Satzung erfüllt sind.
97
cc) In der Sache unbegründet ist der weitere Einwand der Klägerin, die Prüfer hätten
übersehen, daß sie sich auf den Seiten 23 - 25 der Hausarbeit mit der gesetzlichen
Ermächtigung zum Erlaß einer Satzung beschäftigt habe. Die dortigen Ausführungen,
die die Prüfer ausweislich der Randbemerkung auf S. 23 unten („das war auch
hinsichtlich der grundsätzlichen Frage näher zu prüfen") entgegen der Behauptung der
Klägerin nicht „übersehen" haben, betreffen aber lediglich die (gesetzliche) Befugnis
zum Erlaß einer Prüfungsordnung und gerade nicht die von den Prüfern zu Recht
vermißte Frage, ob die Prüfungsordnung in Form einer Satzung erlassen werden
konnte.
98
dd) Sachlich unbegründet ist außerdem der Einwand der Klägerin, daß sie auf S. 21 der
Hausarbeit die Frage nach der Satzungsautonomie aufgeworfen und beantwortet habe.
Diese Ausführungen der Klägerin enthalten entsprechend der zutreffenden Prüferkritik
keine hinreichende Begründung dieser - von ihr auf S. 21 allenfalls mittelbar
aufgeworfenen - Frage. Sie hat die Satzungsautonomie der Universität der Bundeswehr
allein aus deren Befugnis zum Erlaß von Prüfungsordnungen abgeleitet. Das ergibt sich
aus dem ihren Ausführungen vorangestellten Obersatz, wonach Prüfungsordnungen
zum Gegenstand akademischer Rechtsetzung gehören und die Form akademischer
Rechtsetzung Satzung seien. Es liegt auf der Hand, daß dies eine völlig unzureichende
Erörterung der Satzungsautonomie ist.
99
h) Unsubstantiiert ist schließlich der Einwand der Klägerin, die Fehlerfreiheit des
Tatbestandes und der Entscheidungsgründe sei „eindeutig nicht ausreichend" bei der
Gesamtbeurteilung berücksichtigt worden, weil sie "gerade einmal die sonst für das
Gutachten isoliert zutreffende Bewertung als mangelhaft" beseitige.
100
Bereits der Ausgangspunkt der Klägerin ist unzutreffend. Die Prüfer haben den von der
Klägerin entworfenen Tatbestand wie auch deren Entscheidungsgründe nicht als
fehlerfrei bezeichnet, sondern sowohl am Rand der Hausarbeit wie auch im Votum des
Erstgutachters, dem sich auch insoweit der Zweit- und Drittkorrektor angeschlossen
haben, Mängel aufgezeigt. Darüber hinaus hat die Klägerin in keiner Weise konkret und
plausibel aufgezeigt, aus welchen Gründen und in welchem Umfang eine bessere
Gesamtbewertung aus ihrer Sicht geboten wäre.
101
4. Die gebotene Neubewertung der Hausarbeit der Klägerin ist von anderen als den an
der Erstkorrektur beteiligten Prüfern vorzunehmen. Nur eine Neubewertung durch neue
Prüfer gewährleistet eine unbefangene Neubewertung der Hausarbeit.
102
Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet zwar, daß eine gebotene Nachkorrektur
und/oder Neubewertung einer Prüfungsleistung in aller Regel von den Prüfern oder dem
Prüfungsausschuß vorzunehmen ist, die die beanstandeten frühere Bewertung
vorgenommen haben. Etwas anderes gilt aber dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte
für eine Voreingenommenheit der Prüfer bestehen, weil sie sich etwa für eine eventuell
erforderliche erneute Überprüfung bereits dahin festgelegt haben, daß eine Änderung
der Note nicht in Betracht komme, oder weil objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen,
daß die Prüfer nicht fähig oder auch nicht willens sind, sich bei der erneuten Bewertung
von dem früheren falschen Bewertungsmaßstab zu lösen.
103
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. Juli 1996 - 6 B 22.96 -, DVBl. 1996, 1373 (1374) sowie
Urteile vom 30. Januar 1995 - 6 C 1/92 -, NVwZ 1995, 788 (799) und vom 24. Februar
1993 - 6 C 38/92 -, NVwZ 1993, 686 (688).
104
Die letztgenannten Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar gibt es keine Anhaltspunkte
dafür, daß die Prüfer bei der ursprünglichen Bewertung der Hausarbeit der Klägerin
voreingenommen gewesen wären. Nach der prozessualen Entwicklung besteht aber
objektiv der Eindruck, daß sie sich bei einer erneuten Korrektur der Hausarbeit vom
Inhalt und Ergebnis der Erstkorrektur beeinflussen lassen. Denn die Art und Weise, in
der die Prüfer auch nach ihren im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen ihre
ursprünglich erhobenen Rügen zu den Ausführungen der Klägerin zu § 52 Nr. 2 Satz 1
VwGO nachträglich interpretieren und aufrechterhalten, weckt den Eindruck, daß es
105
ihnen darum geht, sich aus der (offenbar erkannten) Situation einer fachlich nicht
haltbaren Rüge herauszuwinden. Das läßt befürchten, daß sie weiterhin nicht willens
sind, den prüfungsrechtlichen Grundsatz zu beachten, daß die Bewertung von
Prüfungsleistungen vom Lösungsansatz des Prüflings auszugehen hat. Außerdem
beachten sie weiterhin nicht den der Klägerin bezüglich der Erörterung des Art. 75 Nr. 1
a GG gebührenden Antwortspielraum. Der Erstkorrektor erwartet vielmehr nach wie vor
„gründliche" Ausführungen zu Art. 75 Nr. 1 a GG, obwohl sich derartige Ausführungen -
wie schon in dem Schreiben des Berichterstatter dargelegt - auch in der Literatur nicht
finden lassen. Dementsprechend drängt sich auch hier der Eindruck auf, daß eine
Beachtung des der Klägerin gebührenden Antwortspielraums nicht zu erwarten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
106
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
107