Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.02.2008

OVG NRW: wirtschaftliche einheit, aufwand, erlass des beitrags, beitragspflicht, bebauungsplan, fahrbahn, stadt, gemeinde, eigentümer, verfügung

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2568/05
Datum:
19.02.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 2568/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 5522/02
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit
in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks C.----straße 93 (Gemarkung E. , Flur 41, Flur
268), das eine Fläche von 2407 qm aufweist und mit verschiedenen Gebäuden bebaut
ist. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 33, der für die Fläche ein
Gewerbegebiet mit dreigeschossiger Bebaubarkeit festsetzt. Im Westen grenzt das
Grundstück an einen Zweig der C.----straße , der früher ein Teil der alten N.------straße
war. Im Süden grenzt es an die N.------straße . Im Osten liegt der ausgebaute Teil der C.-
---straße . Dieser Teil der C.----straße liegt auf der Trasse der ehemaligen Bundesstraße
. Im Rahmen der Verlegung der Bundesstraße im Jahre 1965 (heutiger Ostring) ist die
C.----straße in diesem Bereich durch Verfügung des Ministers für Wohnungsbau und
öffentliche Arbeiten vom 29. August 1969 zur Gemeindestraße abgestuft worden. Die
Stadt E. hat keine Ausbaumaßnahmen an dieser Straße bis zum hier streitigen Ausbau
vorgenommen. Am 16. April 1996 beschloss der Stadtentwicklungs- und
Umweltausschuss der Stadt E. , im Rahmen der Verlegung eines Kanals die C.----straße
zwischen N.------ straße und dem Ausbauende, einem Wendehammer, auszubauen. Es
sollten eine 6 Meter breite Fahrbahn hergestellt sowie Gehwege, Parkstreifen und
Randstreifen angelegt werden. Eine Fläche vor dem klägerischen Grundstück, die Teil
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des Straßenflurstücks war, sollte nicht ausgebaut werden. Diese Fläche wurde später
als Flurstück 383 ausparzelliert. Der Kläger erwarb sie im Jahre 2003. Die
Ausbauarbeiten wurden im Rahmen einer Ausschreibung an die Firma W. Straßen- und
Tiefbau GmbH in E. vergeben, die das niedrigste Angebot abgegeben hatte. Die
Kostenposition Baustelleneinrichtung betrug nach dem Angebot für den vergebenen
Gesamtausbau, der die Kanalverlegung, den Straßenausbau des E1. Weges und der
C.----straße betraf, 429.869,69 DM bei einem Gesamtaufwand von 2.192.256,25 DM. Auf
den hier in Rede stehenden Ausbau (Fahrbahn C.----straße ) entfielen nach der
Endabrechnung von einem insgesamt als umlagefähig angenommenen Aufwand ohne
Mehrwertsteuer von 346.089,45 DM 69.246,70 DM auf die Position
Baustelleneinrichtung. Die Ausbauarbeiten wurden am 3. Juli 1997 abgenommen. Am
28. November 2001 wurde die Widmung der C.----straße als Gemeindestraße im
Amtsblatt der Stadt E. bekannt gemacht, wobei die Fläche des heutigen Flurstücks 383
von der Widmung ausgenommen war. Nach Erhebung einer Vorausleistung setzte der
Beklagte durch Bescheid vom 29. November 2001 gegenüber dem Kläger einen
Straßenbaubeitrag in Höhe von 16.853,27 DM fest für den Ausbau der Fahrbahn und
der Straßenbeleuchtung der C.----straße , wobei er einen Gewerbezuschlag ansetzte
und dreigeschossige Bebaubarkeit zugrunde legte. Für die übrigen Ausbaumaßnahmen
an der C.----straße wurde ein Erschließungsbeitragsbescheid erlassen. Den gegen den
Straßenbaubeitragsbescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2002 (zugegangen am 7. Oktober 2002) zurück.
Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen den
Straßenbaubeitragsbescheid. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte den
Bescheid wegen der geltend gemachten Kosten des Ausbaus der Beleuchtungsanlage
am 12. Mai 2005 aufgehoben, soweit ein Beitrag vom mehr als 15.673,54 DM gefordert
wird. Insoweit haben die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt.
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Der Kläger hat vorgetragen: Da es sich bei der Straßenfläche früher um eine
klassifizierte Straße gehandelt habe, könne weder ein Erschließungs- noch ein
Straßenbaubeitrag gefordert werden. Jedenfalls sei eine Beitragsforderung verjährt oder
verwirkt, wobei auf den Zeitpunkt der Straßenabstufung abzustellen sei. Auf den
Bebauungsplan könne sich die Abrechnung ohnehin nicht stützen, da die Festsetzung
eines Gewerbegebietes mit Dreigeschossigkeit unzulässig gewesen sei. Es habe sich
um ein Mischgebiet mit Hotel und einer Vielzahl normaler Wohnungen gehandelt, die
tatsächliche Bebauung des Grundstücks betrage zweieinhalb Geschosse. Darüber
hinaus sei der Kläger erst im Jahre 2003 Eigentümer der Parzelle 383 geworden, so
dass diese Fläche der Veranlagung zur C.----straße seinerzeit entgegen gestanden
habe. Diese Parzelle 383 sei zu verkehrlichen Zwecken nicht benutzt worden.
Jedenfalls müsse der Bescheid im Wege einer Billigkeitsentscheidung aufgehoben oder
reduziert werden, da das Grundstück an drei Straßen grenze, wobei auch schon für den
Ausbau der übrigen Straßen Beiträge gefordert worden seien. Auch könne nicht das
gesamte Grundstück der Veranlagung zu Grunde gelegt werden, da es im hinteren nach
Westen ausgerichteten Teil von der veranlagten Straße wegen einer Brandwand nicht
begehbar sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Heranziehungsbescheid vom 29. November 2001 betreffend einen
Straßenbaubeitrag für das Grundstück C.----straße 93, Gemarkung E. , Flur 41, Flurstück
268 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2002
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- soweit er noch anhängig ist - aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen: Schon vor 1965 habe eine Vereinbarung mit dem Landesbetrieb
Straßenbau bestanden, im Falle einer Abstufung die frühere Bundesstraße zu
übernehmen. Ausbauarbeiten seien seitdem vom Beklagten an der verschlissenen
Fahrbahn nicht vorgenommen worden. Soweit ein Vergabefehler wegen unzulässiger
Mischkalkulation im Angebot der Firma W. Straßen- und Tiefbau GmbH bei der
Kostenposition Baustelleneinrichtung geltend gemacht werde, berühre dies nicht die
Wirksamkeit des Vertragsschlusses.
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Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung des Klägers
mit der er vorträgt: Sein Grundstück unterliege wegen des seinerzeit ihm noch nicht
gehörenden Flurstücks 383, das ein Sperrgrundstück dargestellt habe, nicht der
Beitragspflicht für den Ausbau der C.----straße . Diese Fläche sei bis zum Erwerb durch
den Kläger unbefestigt und mit Grün bewachsen gewesen. Jedenfalls könne aber der
festgesetzte Beitrag seiner Höhe nach nicht aufrechterhalten bleiben. Schon die alte
Bundesstraße sei erneuerungsbedürftig gewesen. Wäre die Bundesstraße zum
damaligen Zeitpunkt rechtszeitig ausgebaut worden, wäre nunmehr keine Beitragspflicht
entstanden bzw. wäre eine Beitragspflicht später entstanden. Daher müsse zumindest
anteilig der Beitrag, soweit die Liegezeit betroffen war, die in die Zeit der Eigenschaft als
Bundesstraße falle, dieser Zeit zugerechnet werden. Das Grundstück sei darüber hinaus
in Folge der Lage an drei Straßen und wegen der konkreten Bebauung, die durch eine
das Grundstück in zwei Teile trennende Brandschutzwand gekennzeichnet sei, in zwei
wirtschaftliche Einheiten aufzuteilen, so dass nicht die gesamte Flurstücksfläche zu
Grunde gelegt werden dürfe. Auch habe kein Gewerbezuschlag angesetzt werden
dürfen, da die Ausweisung der Fläche als Gewerbegebiet im Bebauungsplan nichtig
sei. Im Zeitpunkt der Bauleitplanung seien entsprechende Gewerbebetriebe nicht
vorhanden gewesen. Jedenfalls müsse wegen der vom Beklagten angenommenen
Dreifacherschließung ein Eckabschlag oder ein Billigkeitserlass gewährt werden.
Schließlich müsse der Beitrag auch reduziert werden im Hinblick auf die unzulässige
und vergaberechtswidrige Mischkalkulation für die Kostenposition
Baustelleneinrichtung.
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Der Kläger beantragt,
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das angegriffene Urteil zu ändern und den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom
29. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2002
und der Teilaufhebung vom 12. Mai 2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er nimmt auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug und trägt weiter
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vor: Die Fläche des an den Kläger veräußerten Flurstücks 383 sei seinerzeit öffentliche
Verkehrsfläche gewesen und als Fahrbahn bzw. Parkfläche benutzt worden. Dass das
klägerische Flurstück auch von der C.----straße erschlossen gewesen sei, ergebe sich
schon daraus, dass die aufstehenden Gebäude zu dieser Straße hin ausgerichtet und
auch faktisch von dieser Straße erschlossen gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen
Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige
Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Beitragsbescheid ist rechtmäßig (vgl. §
113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Er kann sich auf § 8 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) i.V.m. der
Satzung der Stadt E. über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG NRW für
straßenbauliche Maßnahmen vom 29. Dezember 1988 (SBS) stützen. Nach § 1 SBS
erhebt die Stadt E. Beiträge zum Ersatz des Aufwandes u.a. für die Herstellung von
Anlagen im Bereich der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze und als Gegenleistung
für die dadurch den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke erwachsenden
wirtschaftlichen Vorteile.
20
Die Beitragspflicht für die nachmalige Herstellung der verschlissenen Fahrbahn ist
gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG NRW mit der endgültigen Herstellung der Straße, d.h. mit
der Abnahme der Ausbauarbeiten, am 3. Juli 1997 entstanden.
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Vgl. zur Maßgeblichkeit der Abnahme OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 2007 -
15 B 1837/07 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks; Beschluss vom 31. Januar 2000 - 15 A
290/00 -, NWVBl. 2000, 372 (373).
22
Auf den Zeitpunkt der Widmung der C.----straße durch den Beklagten vom 26.
November 2001 kommt es nicht an. Allerdings regelt § 1 SBS nur eine Beitragspflicht für
Anlagen im Bereich öffentlicher Straßen. Damit sind straßenrechtlich öffentliche Straßen
gemeint.
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Vgl. zur Auslegung einer solchen Satzungsvorschrift OVG NRW, Urteil vom 25. Juli
2006 - 15 A 2316/04 -, NWVBl. 2007, 150 (151); Beschluss vom 14. November 1997 -
15 A 529/95 -, OVGE 46, 220 f.
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Die C.----straße im hier betroffenen Bereich war jedoch auch vor dieser Widmung bereits
gewidmet. Bis zum Jahre 1969 war auf der Trasse nämlich die Bundesstraße
vorhanden, die im hier streitgegenständlichen Bereich durch Verfügung des Ministers für
Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten vom 29. August 1969 zur Gemeindestraße
abgestuft wurde. Aus der Abstufung ergibt sich, dass die Straße gewidmet war.
Abstufung, also eine Form der Umstufung, bedeutet nämlich, dass der Straße unter
Aufrechterhaltung der Eigenschaft als öffentliche Straße die Zugehörigkeit zu einer
neuen Straßenklasse verliehen wird, während allein die Einziehung die Widmung als
öffentliche Straße aufhebt.
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Vgl. § 2 Abs. 1 und 4 des Bundesfernstraßengesetzes; Herber, in: Kodal, Straßenrecht,
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6. Aufl., Kapitel 9 Rn. 8 und Kapitel 10 Rn. 14.
Die Verfügung des Ministers vom 29. August 1969 differenziert genau zwischen den
bloß abgestuften und den eingezogenen Teilen der Bundesstraße. Daraus ergibt sich,
dass hinsichtlich des in die Straßenbaulast der Gemeinde übergegangene Teils der
Bundesstraße als Gemeindestraße die Widmung aufrecht erhalten worden ist.
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Der Kläger ist mit seinem Grundstück beitragspflichtig, da er die die Beitragspflicht
begründende vorteilsrelevante Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten
Anlage hat (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW). Unmittelbar an der ausgebauten Straße
liegende Grundstücke sind beitragsrechtlich relevant erschlossen, wenn bis zu deren
Grenze von der ausgebauten Straße herangefahren werden kann und sie von dort aus -
unbeschadet eines eventuell dazwischen liegenden Gehweges, Radweges oder
Seitenstreifens - ohne weiteres betreten werden können.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 2007 - 15 B 1837/07 -, S. 7 f. des
amtlichen Umdrucks; Beschluss vom 26. Juli 2007 - 15 A 785/05 -, NVwZ-RR 2007,
808.
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Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Fläche der heute dem Kläger gehörenden
Parzelle 383 war Teil der Straßenparzelle 242 und diente damit der Erschließung des
klägerischen Grundstücks. Das deckt sich mit den tatsächlichen Verhältnissen: Das
1987/88 errichtete Gebäude C.----straße 93 ist mit seinem Haupteingang zum hier
ausgebauten Teil der C.----straße ausgerichtet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wie
der Kläger behauptet - die Fläche befestigt oder bewachsen war. Dass ein Betreten der
Fläche nicht möglich gewesen sei, wird jedenfalls vom Kläger nicht behauptet. Es
widerspräche auch dem vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
vorgelegten Luftbild. Von einem Sperrgrundstück, wie es der Kläger darstellt, kann
daher keine Rede sein.
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Auch die rechtliche Möglichkeit einer fingierten Widmung hat im Rahmen des
abgerechneten Ausbaus nicht zu einer Entwidmung der Fläche vor dem klägerischen
Grundstück geführt. Zwar gilt nach § 6 Abs. 8 des Landesstraßengesetzes dann, wenn
eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird, der neue
Straßenteil durch die Verkehrsübergabe ohne weitere Förmlichkeiten als gewidmet.
Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass bei einem verschmälerten Straßenausbau der
nicht mehr ausgebaute Teil der Straße automatisch entwidmet würde. Das gibt schon
der Wortlaut nicht her. Aber auch mit Rücksicht auf den Straßenanliegergebrauch (§ 14
a StrWG NRW) und die Ersatz- und Entschädigungspflichten des Trägers der
Straßenbaulast bei Zugangs- und Zufahrtsunterbrechungen durch Einziehung (§ 20
Abs. 5 StrWG NRW) verbietet sich eine automatische Einziehung.
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Die Beitragspflicht ist auch in der durch den angegriffenen Bescheid geltend gemachten
Höhe entstanden. Der Beklagte hat dem Bescheid das richtige Grundstück zugrunde
gelegt, nämlich das Flurstück 268. Ein der Beitragspflicht unterliegendes Grundstück im
Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW ist die wirtschaftliche Einheit, also jeder
demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig baulich oder
gewerblich genutzt werden kann. Ausgangspunkt ist aber das Buchgrundstück, denn in
der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zugleich
auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist festzustellen, ob das
Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder
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verkleinert werden muss. Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Flurstück
um eine wirtschaftliche Einheit oder mehrere handelt, beurteilt sich nicht nach der
tatsächlichen, sondern der zulässigen Nutzung des Grundstücks. Sie hängt von den
tatsächlichen Umständen wie Lage, Zuschnitt und Größe des Grundstücks und von
rechtlichen Gesichtspunkten, nämlich der Zuordnung des Grundstücks zu einem
bestimmten Baugebiet und in den hierfür festgesetzten Bezugsgrößen für Maß und Art
der baulichen Nutzung ab. Dabei ist in beplanten Gebieten von dem auszugehen, was
der Bebauungsplan selbst als Einheit vorsieht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Januar 2006 - 15 A 3256/03 -, S. 9 f. des amtlichen
Umdrucks.
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Auch jenseits der Regelungen eines Bebauungsplans hat der Senat Kriterien
entwickelt, nach denen namentlich übergroße Grundstücke in wirtschaftliche Einheiten
aufzuteilen sind.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2007 - 15 A 4358/06 -, S. 3 f. des amtlichen
Umdrucks; Beschluss vom 2. September 2003 - 15 A 1982/03 -, S. 3 des amtlichen
Umdrucks.
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Hier gibt es keinen Gesichtspunkt, der dazu zwänge, statt des Flurstücks 268 von einer
kleineren wirtschaftlichen Einheit auszugehen. Das Flurstück ist mit 2407 m2 für ein
Gewerbegrundstück nicht übergroß. Der Bebauungsplan lässt durch seine
Festsetzungen, insbesondere die festgesetzten Baugrenzen, keine kleineren
wirtschaftlichen Einheiten erkennen. Die verwirklichten Baugenehmigungen sprechen
dafür, dass das gesamte Flurstück als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen ist: Es
liegt eine zusammenhängende Bebauung vor, die - ausgehend von einer Tankstelle -
kontinuierlich anwachsend aus mehreren Hallen, Betriebswohnungen und einem
Geschäftshaus besteht. Eine den Baugenehmigungen zu entnehmende Zuordnung
bestimmter abgegrenzter Grundstücksteile zu bestimmten selbständigen Bauvorhaben
kann nicht festgestellt werden. So beantragte der Kläger unter dem 2. Juli 2001 für das
im westlichen Grundstücksteil gelegene Bürogebäude die bauplanungsrechtliche
Genehmigung, es in eine Betriebswohnung umbauen zu dürfen. Als Baugrundstück
werden im Antrag die Flurstücke 192, 268 und 242 genannt, also sogar die noch nicht
im Eigentum des Klägers befindliche Straßenfläche auf der Ostseite des Grundstücks.
Der Vorbescheid ist antragsgemäß unter Nennung dieser Flurstücke ergangen. Der
Kläger selbst sieht also für ein Bauvorhaben im Westteil des Grundstücks selbst noch
nach Entstehen der Beitragspflicht nicht nur das Flurstück 268, sondern sogar noch
Flächen östlich davon als das Baugrundstück an. Auch die Geschichte der Flurstücke
spricht dafür, zumindest das Flurstück 268 nicht in kleinere wirtschaftliche Einheiten
aufzuteilen: Das Geschäfts- und Bürohaus im östlichen Teil an der ausgebauten Straße
befand sich früher auf der eigenständigen Parzelle 140. Noch 1990/91, als im
westlichen Teil die Halle und das Bürogebäude errichtet wurden, stellte sich die
Flurstückssituation so dar. Damals gab es nach der damaligen Flurstückssituation und
der Gelbeintragung im zur Baugenehmigung für die Bebauung im westlichen Teil
gehörenden Lageplan Anhaltspunkte dafür, dass dieses Flurstück 140 eine
eigenständige wirtschaftliche Einheit war. Dieses Flurstück wurde dann jedoch, und
zwar spätestens bis Februar 1997, also noch vor Entstehung der Beitragspflicht, mit den
westlichen Flurstücken zum veranlagten Flurstück 268 vereinigt. Spätestens damit
entfiel ein Grund für die Aufteilung dieses Flurstücks in kleinere wirtschaftliche
Einheiten. Auch der vom Kläger in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt einer
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unüberwindlichen Brandwand trägt nicht. Diese ist allein als nördliche
Grundstücksabgrenzung zu dem dort vorhandenen Hotelbetrieb angeordnet. Die
Existenz einer weiteren Brandwand im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht
wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht substantiiert behauptet.
Die satzungsrechtlichen Maßstäbe sind richtig angewandt worden. Insbesondere durfte
dafür der Bebauungsplan Nr. 33 zugrunde gelegt werden. Soweit der Kläger dessen
Unwirksamkeit geltend macht, kann eine solche nicht festgestellt werden. Schon der
Vortrag des Klägers, wonach das Gelände bei Erlass des Bebauungsplanes als ein
Mischgebiet einzustufen gewesen sei, begründet keine Nichtigkeit des
Bebauungsplans. Eine Gemeinde ist bauplanungsrechtlich nicht gezwungen, ein
bislang unbeplantes Gebiet als ein solches Baugebiet auszuweisen, wie es seiner
aktuellen Bebauung entspricht. Im übrigen wären Abwägungsmängel heute
unbeachtlich: Gegen den Bebauungsplan sind darauf bezogene Rügen nicht geltend
gemacht worden. Das wäre aber binnen sieben Jahren nach dem 1. Juli 1987
erforderlich gewesen (§ 244 Abs. 2 Satz 1 des Baugesetzbuches i.d.F. der
Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 - BGBl. I S. 2253).
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Vgl. dazu, dass die nach Satz 2 dieser Vorschrift angeordnete ortsübliche
Bekanntmachung dieser Rechtsänderung nur deklaratorischer Natur ist, BVerwG,
Beschluss vom 8. Mai 1995 - 4 NB 16.95 -, NVwZ 1996, 372 (373); OVG NRW, Urteil
vom 28. Juni 1995 - 7a D 48/93.NE -, NVwZ-RR 1996, 192.
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Der Beklagte hat den beitragsfähigen Aufwand richtig angesetzt. Keinerlei
beitragsrechtliche Bedeutung hat die Auffassung des Klägers, die im Jahre 1969 zur
Gemeindestraße abgestufte Bundesstraße sei bereits verschlissen gewesen und aus
diesem Grunde sei der Ausbauaufwand ganz oder anteilig dem Bund zuzurechnen. Für
eine solche Aufwandsverminderung gibt es keinen Anlass. Beitragsfähig ist der
Aufwand, der durch die Ausbaumaßnahme in Erfüllung des Bauprogramms im Rahmen
des Grundsatzes der Erforderlichkeit verursacht wurde.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2005 - 15 A 873/04 -, NWVBl. 2006, 231.
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Das ist hier der gesamte geltend gemachte Aufwand. Eine Gemeinde ist nicht
verpflichtet, im Rahmen einer Abstufung nur solche Straßen in die eigene Baulast zu
übernehmen, die nicht verschlissen sind. Erst Recht haben die Anlieger keinen
Anspruch darauf, dass der Straßenbaulastträger einer Bundesfernstraße vor einer
Abstufung die Straße nachmalig herstellt.
41
Der Aufwand ist auch nicht mit Rücksicht auf die in den beitragsfähigen Aufwand
eingeflossenen Kosten für die Baustelleneinrichtung zu kürzen. Dabei ist unerheblich,
ob die Ausbauarbeiten unter Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts vergeben
wurden. Wie oben ausgeführt, ist für die Beitragsfähigkeit von Aufwand allein
maßgeblich, ob er durch die Ausbaumaßnahme in Erfüllung des Bauprogramms im
Rahmen des Grundsatzes der Erforderlichkeit verursacht wurde. Die
Vergaberechtswidrigkeit alleine stellt die Erforderlichkeit von Aufwand nicht in Frage,
vielmehr ist das nur dann der Fall, wenn die Vergaberechtswidrigkeit zu einem erhöhten
Aufwand geführt hat, etwa wenn statt des wirtschaftlichsten Angebots ein Angebot zu
unangemessenem Preis zum Zuge kommt (§§ 2 Nr. 1 Satz 1, 25 Nr. 3 Abs. 1 und Abs. 3
Satz 2 und 3 der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A - VOB/A -).
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Vgl. dazu, dass auch im Gebührenrecht ein Vergaberechtsverstoß alleine nicht dazu
führt, dass der betreffende Aufwand nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt werden
dürfte, OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, NRWE Rn. 165.
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Ein solcher aufwandrelevanter Vergaberechtsverstoß steht hier nicht in Rede. Der in der
Tat auffällig hohe Betrag für die Position Baustelleneinrichtung, der fast 20 % des
Gesamtangebotspreises umfasst, ist ein Hinweis auf eine unzulässige Mischkalkulation,
die gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A zum Ausschluss
des Angebots führt.
44
Vgl. zu einer solchen Konstellation OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Januar
2006 - 1 Verg 6/05 -, Juris.
45
Eine - hier unterstellte - Mischkalkulation mag zu einer unzulässig intransparenten und
gleichheitswidrigen Vergabe geführt haben. Es ist aber nicht erkennbar, dass dadurch
höherer Aufwand entstanden ist. Die übrigen Angebote setzen zum Teil zwar deutlich
niedrigere Preise für die Position Baustelleneinrichtung an (zwischen 25.000 und
839.042,50 DM). Jedoch ist der Gesamtpreis des zum Zuge gekommenen Anbieters W.
Straßen- und Tiefbau GmbH noch immer so niedrig, dass selbst dann, wenn diesem
Gesamtpreis einschließlich der Kostenposition Baustelleneinrichtung der jeweilige
Preis für die Baustelleneinrichtung der Konkurrenzangebote hinzugefügt würde, das so
erhöhte Angebot der W. Straßen- und Tiefbau GmbH immer noch günstiger als das
jeweilige Konkurrenzangebot wäre. Damit kann nicht festgestellt werden, dass der
geltend gemachte Aufwand zum Teil nicht erforderlich und damit nicht beitragsfähig
wäre.
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Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Kläger einen
Anspruch auf teilweisen Erlass des Beitrags wegen des Umstandes hätte, dass das
klägerische Grundstück von drei Straßen erschlossen wird. Dies kann zwar nach Lage
des einzelnen Falles unbillig sein, sodass gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG NRW
i.V.m. § 227 der Abgabenordnung ein Anspruch auf Billigkeitserlass bestehen kann.
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Vgl. zum Gesichtspunkt der Dreifacherschließung als Umstand, der einen Anspruch auf
Billigkeitserlass begründen kann, OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2003 - 15 A
169/03 -, S. 2 des amtlichen Umdrucks; Beschluss vom 14. August 2000 - 15 A 3873/00
-, S. 3 ff. des amtlichen Umdrucks.
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Indes würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides führen, vielmehr ist
der Erlassanspruch in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen und
gegebenenfalls in Form einer Verpflichtungsklage gerichtlich durchzusetzen.
49
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2006 - 15 A 2922/04 -, S. 10 des amtlichen
Umdrucks; Urteil vom 4. Dezember 2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (190).
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Das ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
53
nicht vorliegen
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