Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.05.1996

OVG NRW (garage, grundstück, grenze, länge, verhältnis zu, verwaltungsgericht, begründung, 1995, breite, terrasse)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 3378/93
Datum:
02.05.1996
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 3378/93
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 K 6151/92
Tenor:
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des
Berufungsverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand: Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid der
Beklagten (früher: Regierungspräsident B. ), mit dem diese eine der Klägerin erteilte
Baugenehmigung für eine Garage auf den Widerspruch der Beigeladenen und ihres
Geschäftsführers aufgehoben hat.
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Die Klägerin und die Beigeladene sind Nachbarn, deren Grundstücke in einem durch
Bebauungsplan der Stadt B. festgesetzten Industriegebiet mit offener Bauweise liegen.
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Der Klägerin ist vom Oberkreisdirektor des Kreises P. mit Bauschein Nr. 3127.89 vom
12. Dezember 1989 die Genehmigung zum Neubau einer Industriehalle mit
Betriebsräumen erteilt worden. Nach den genehmigten Bauvorlagen hält der Baukörper
nahezu durchgehend einen Abstand von mehr als 3 Meter zu der Grenze zwischen dem
Grundstück der Klägerin und dem westlich hiervon gelegenen Grundstück der
Beigeladenen ein. Lediglich im rückwärtigen Bereich ist auf 5,99 m Länge eine
grenzständige Bebauung zugelassen. Dieser grenzständige Bauteil ist in den
genehmigten Bauzeichnungen wie folgt festgelegt:
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- Im Keller- bzw. Untergeschoß, das im hier interessierenden Bereich aus dem Gelände
herausragt, Nutzung als "Demonstrationsraum" mit einem rückwärtigen Fenster und
einer Breite (gemessen von der Grundstücksgrenze) von rd. 6 m; - im Erdgeschoß
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Nutzung als gleichfalls rd. 6 m breite Doppelgarage mit einem rückwärtigen Fenster und
einem 4,76 m breiten Rolltor; - Gesamthöhe bezogen auf die Geländeoberkante des
Grundstücks der Beigeladenen 3,665 m. Eine weitere der Klägerin erteilte
Baugenehmigung des Oberkreisdirektors des Kreises P. vom 10. Mai 1990 (Nr.
3038.90) bezieht sich auf die Aufstockung des Gebäudes um einen Wohntrakt und die
Änderung verschiedener Teile des 1989 genehmigten Baukörpers. Der Wohntrakt liegt
im hinteren Bereich des Grundstücks der Klägerin neben dem Grundstück der
Beigeladenen, hält zu diesem jedoch einen Abstand von mindestens 3 m ein. In den
1990 genehmigten Bauvorlagen ist der grenzständig zum Grundstück der Beigeladenen
vorgesehene Bauteil weiterhin im Kellergeschoß als "Demonstrationsraum" und im
Erdgeschoß als "Doppelgarage" dargestellt. Die genehmigten Bauvorlagen sehen
ferner für das 1. Obergeschoß über der Doppelgarage eine Nutzung als "Terrasse" vor,
die jedoch nur einen Bereich erfaßt, der mindestens 3 m vom Grundstück der
Beigeladenen entfernt ist. Tatsächlich wird das gesamte Dach über der Doppelgarage
bis zur Grenze als Dachterrasse genutzt. An der Höhe des grenzständigen Baukörpers
hat sich in den 1990 genehmigten Bauvorlagen gegenüber der Genehmigung vom 12.
Dezember 1989 nichts geändert.
Zu Lasten des Grundstücks der Beigeladenen (Flurstück 106) ist im
Baulastenverzeichnis von B. auf Grund einer Baulasterklärung des Geschäftsführers der
Beigeladenen vom 8. Dezember 1989 am 2. Januar 1990 eine Baulast folgenden Inhalts
eingetragen worden:
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"Verpflichtung, an die auf dem Grundstück in 5952 B. -F. , S. straße , Gemarkung B. ,
Flur 40, Flurstück 107, gem. Bauschein Nr. 3127.89 des Kreises P. zu erichtende
Garage*im Falle der Bebauung des Flurstücks 106 (in diesem Grenzbereich)
anzubauen.
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*mit Demonstrationsraum im Untergeschoß"
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Mit Bauschein Nr. 3111.91 des Oberkreisdirektors des Kreises P. vom 7. November
1991 wurde der Klägerin die im vorliegenden Verfahren strittige Baugenehmigung für
die Errichtung von Garagen erteilt. Nach den genehmigten Bauvorlagen sollen diese
Garagen im vorderen Grundstücksbereich in T-Form errichtet werden. Die Garage 1 mit
einer Länge von 6,50 m und einer Breite von 3,0 m soll - von Osten aus anfahrbar - mit
ihrer Rückwand bis an die Grenze zum Grundstück der Beigeladenen heranrücken. Die
gleichfalls 3 m breite Garage 2 soll - von Norden, d.h. der straßenabgewandten Seite
aus anfahrbar - mit ihrer gesamten 6 m langen Westwand an die Grenze zum
Grundstück der Beigeladenen heranrücken, so daß insgesamt eine grenzständige
Bebauung von 9 m Länge entstehen soll. Für die Garage 1 ist ein Satteldach mit
Dachneigung von 18o und First parallel zur Grundstücksgrenze vorgesehen; dieses
Dach soll sich - als Pultdach - über der Garage 2 fortsetzen. In den genehmigten
Bauzeichnungen ist ferner eine Höhe der Grenzwand von 3 m über dem Gelände
unmittelbar an der Grenze vorgesehen, wobei das Gelände auf dem Grundstück der
Beigeladenen in der genehmigten Bauzeichnung als etwas tiefer liegend als das
Gelände auf dem Grundstück der Klägerin, jedoch mit einer Anböschung im
Grenzbereich, dargestellt ist.
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Diese Garage ist bislang nicht errichtet. Stattdessen hat die Beigeladene auf Grund
eines weiteren ihr erteilten Bauscheins des Oberkreisdirektors des Kreises P. vom 1.
Oktober 1992 (Nr. 3373.92) eine Doppelgarage errichtet, die insgesamt von Osten aus
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anfahrbar ist. Diese rückt lediglich mit ihrem 3 m breiten südlichen (straßenwärts
errichteten) Teil bis an die Grenze zum Grundstück der Beigeladenen heran (Länge in
diesem Bereich 9,5 m) und hält mit dem weiteren 3 m breiten nördlichen Teil (Länge in
diesem Bereich 6,5 m) einen Abstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen ein.
Auch diese Garage weist ein Satteldach mit 18o Dachneigung und First parallel zur
Grundstücksgrenze auf und hat an der Grenze dieselbe Wandhöhe wie der 1991
genehmigte Baukörper.
Gegen den - ihnen nicht mit Rechtsbehelfsbelehrung zugestellten - Bauschein vom 7.
November 1991 erhoben die Beigeladene und ihr Geschäftsführer am 4. Februar 1992
Widerspruch. Diesem gab die Beklagte mit dem im vorliegenden Verfahren
angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1992 statt und hob die
Baugenehmigung auf. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, außer der vom
Bauschein vom 7. November 1991 erfaßten Grenzgarage sei bereits eine weitere
Grenzgarage mit einem Längenmaß von 5,99 m vorhanden, die auf die nach § 6 Abs. 11
BauO NW vorgeschriebene Gesamtlänge von Grenzgaragen an einer
Grundstücksgrenze anzurechnen sei. Bei Berücksichtigung beider Garagen werde das
nach § 6 Abs. 11 BauO NW zulässige Maß von 9 m überschritten, so daß die mit
Bauschein vom 7. November 1991 genehmigte Garage unzulässig sei.
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Gegen den ihr am 15. Oktober 1992 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die
Klägerin am 13. November 1992 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im
wesentlichen vorgetragen, der 1989 im Hintergelände genehmigte Bauteil sei keine
Grenzgarage im Sinne von § 6 Abs. 11 BauO NW und daher nicht auf die zulässige
Länge von Grenzgaragen anzurechnen. Er sei unterkellert, enthalte einen
Aufenthaltsraum und weise an der Grenze eine Gesamthöhe von über 3 m auf.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Oktober 1992 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat im wesentlichen vorgetragen, zwar seien auf das Längenmaß des § 6 Abs. 11
BauO NW andere Gebäude als Garagen nicht anzurechnen, bei dem im Hintergelände
vorhandenen Gebäudeteil handele es sich jedoch um eine Garage. Sie sei lediglich
unterkellert und habe deshalb mit einer Baulast des Nachbarn die zulässige Höhe
überschreiten dürfen; eine eventuelle rechtswidrige Nutzung der Unterkellerung ändere
hieran nichts. Der Sinn des § 6 Abs. 11 BauO NW wäre verfehlt, wenn zu Lasten eines
Nachbarn eine zweite Grenzgarage zugelassen werden könnte, weil sich dieser
Nachbar mit Baulast zur Hinnahme der überhöhten (ersten) Grenzgarage und zum
Garagenanbau in gleicher Tiefe verpflichtet habe.
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Die Beigeladene hat gleichfalls beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich im wesentlichen den Ausführungen der Beklagten angeschlossen und
ergänzend hervorgehoben, entscheidend sei, daß das bereits vorhandene Bauwerk als
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Grenzgarage genehmigt worden sei.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und
den Widerspruchsbescheid der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es im
wesentlichen ausgeführt, auch wenn der grenzständige Baukörper im Hintergelände in
den 1989 genehmigten Bauvorlagen als Doppelgarage bezeichnet und tatsächlich als
solche genutzt werde, handele es sich nicht um eine Grenzgarage im Sinne des § 6
Abs. 11 BauO NW. Dies folge schon aus der Überschreitung der für eine zulässige
Grenzgarage vorgeschriebenen Wandhöhe. Weiterhin sei der unter der Garage
liegende Bereich im Untergeschoß als betriebszugehöriger Demonstrationsraum
genehmigt worden; zwischen ihm und der Garage bestehe kein funktionaler
Zusammenhang. Schließlich sei 1990 der teilweise Überbau und die Nutzung des
Flachdachs als Terrasse genehmigt worden. Eine Garage mit Dachterrasse sei jedoch
keine Grenzgarage. § 6 Abs. 11 BauO NW enthalte eine in sich geschlossene und eng
auszulegende Sonderregelung für den Grenzanbau mit überdachten Stellplätzen und
Garagen einschließlich Abstellraum. Die vom Geschäftsführer der Beigeladenen
übernommene Baulast führe zu keiner anderen Beurteilung. Sie zeige vielmehr, daß die
Beteiligten die Unvereinbarkeit des Baukörpers mit § 6 Abs. 11 BauO NW erkannt
hätten.
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Gegen das ihnen jeweils am 23. September 1993 zugestellte Urteil haben die
Beigeladene am 12. Oktober 1993 und die Beklagte am 25. Oktober 1993 - einem
Montag - Berufung eingelegt.
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im wesentlichen vor, die
Entstehungsgeschichte der zunächst rechtswidrig gewesenen Grenzgarage, die dann
dank nachbarlicher Großzügigkeit doch noch habe genehmigt und mit einer
Unterkellerung versehen werden können, mache deutlich, daß eine Anrechnung nur von
echten Grenzgaragen im engen Sinne des § 6 Abs. 11 Satz 1 1. Halbsatz BauO NW
zwangsläufig den materiell rechtswidrigen Bestand an Grenzbauten begünstigen würde.
Die Berufung auf die Abweichungen vom zulässigen Grenzgaragenformat mache die
weitere Beanspruchung einer Grenzgarage ohne die 9-m-Begrenzung
rechtsmißbräuchlich und rücksichtslos.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene hebt zur Begründung ihrer Berufung insbesondere hervor, bei der
Baulast sei es ausschließlich um die Zustimmung zu einem Grenzgaragenobjekt
gegangen, wobei dieses die zulässigen Maße geringfügig überstiegen habe. Für das
Verlangen nach der Baulast sei ausschließlich die Höhenüberschreitung der mittleren
Wandhöhe maßgeblich gewesen. Alle Beteiligten seien sich bei Abgabe der
Baulasterklärung darüber einig gewesen, daß die Baulast für eine Grenzgarage erteilt
werde und mit ihr nur die Überschreitung der mittleren Wandhöhe "abgesegnet" werden
sollte. Eine Zustimmung zu einer Dachterrassennutzung habe sie nicht erteilt; eine
solche sei auch nicht genehmigt. Für sie - die Beigeladene - sei nicht verständlich, daß
ihre Großzügigkeit aus dem Jahr 1989 nunmehr zu einer Einschränkung ihrer Rechte
führen solle. Ergänzend weist die Beigeladene darauf hin, daß auch die mittlere
Wandhöhe der 1991 genehmigten Garage zu hoch sei. Das Gelände auf ihrem
Grundstück liege bei Abstellen auf das natürlich gewachsene Gelände 1 m tiefer als das
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- aufgeschüttete - Gelände auf dem Grundstück der Klägerin, so daß die mittlere
Wandhöhe der genehmigten Garage im Verhältnis zu ihrem - der Beigeladenen -
Grundstück 4 m betrage.
Die Beigeladene beantragt gleichfalls,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend insbesondere vor,
bei dem grenzständigen Baukörper handele es sich um ein nicht nach § 6 Abs. 11 BauO
NW anzurechnendes sonstiges Gebäude. Durch die Eintragung der Baulast habe sich
die Beigeladene lediglich damit einverstanden erklärt, daß sich die einzuhaltende
Abstandfläche auf ihr Grundstück erstrecke. Hinsichtlich der Wandhöhe der strittigen
Garage sei auf das tatsächlich vorhandene Gelände abzustellen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des von der Beklagten vorgelegten
Widerspruchsvorgangs sowie der vom Oberkreisdirektor des Kreises P. vorgelegten
Bauakten und sonstigen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung
entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben.
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Die zulässigen Berufungen sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu
Recht stattgegeben, weil der Widerspruchsbescheid der Beklagten rechtswidrig ist und
die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat die der Klägerin erteilte
Baugenehmigung vom 7. November 1991 zu Unrecht auf den Widerspruch der
Beigeladenen und ihres Geschäftsführers aufgehoben; denn diese Baugenehmigung
verstößt nicht zu Lasten der Widerspruchsführer gegen nachbarschützende Vorschriften
des öffentlichen Baurechts.
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Ein von der Beklagten zur tragenden Begründung ihrer Widerspruchsentscheidung
gemachter Verstoß des genehmigten Vorhabens gegen § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW -
sowohl in der Fassung der BauO NW 1984 als auch der BauO NW 1995 - liegt nicht vor.
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Die von der Baugenehmigung erfaßte Garage als solche erfüllt die Merkmale einer
zulässigen Grenzgarage im Sinne der genannten Vorschrift. Dies gilt insbesondere
auch bezüglich der im vorliegenden Verfahren erörterten Wandhöhe. Das zulässige
Maß der mittleren Wandhöhe von 3 m wird nicht überschritten. § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO
NW stellt nicht auf die Geländeoberfläche generell ab, sondern ausschließlich auf die
Geländeoberfläche "an der Grenze". Sie ist im Regelfall für beide Grundstücke gleich,
es sei denn, das Gelände weist an der Grenze einen Versprung auf. Des weiteren ist
nicht auf die Geländehöhe abzustellen, die auf den betroffenen Grundstücken
ursprünglich, also vor jeder Bebauung bestanden hat. In Regionen, in denen gebaut und
das Gelände verändert wird, ist vielmehr auf das Geländeniveau abzustellen, welches
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vor der in Rede stehenden Baumaßnahme vorgefunden wird. Das gilt jedenfalls für
Geländeverhältnisse, die von den Beteiligten unangefochten hingenommen worden
sind.
Vgl.: OVG NW, Urteil vom 13. November 1991 - 7 A 2569/88 -; Urteil vom 22. Januar
1996 - 10 A 1464/92 -.
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Hiernach ist unerheblich, daß das Gelände auf dem Grundstück der Beigeladenen
ursprünglich deutlich tiefer lag als das jetzige Niveau des Grundstücks der Klägerin und
daß auch jetzt noch weite Bereiche des Grundstücks der Beigeladenen zumindest
etwas unter dem Niveau des Grundstücks der Klägerin liegen. Nach den genehmigten
Bauzeichnungen, die nach den vom Berichterstatter des Senats vor Ort getroffenen
Feststellungen zutreffen, ist das Gelände auf dem Grundstück der Beigeladenen im hier
interessierenden Bereich in Richtung auf die Grenze leicht angeböscht, so daß es in
diesem Bereich an der Grenze selbst das Niveau des Grundstücks der Klägerin erreicht.
Auf diese Situation haben sich die Beteiligten auch eingestellt, was schon dadurch
belegt wird, daß die Beigeladene ihr Grundstück im grenznahen Bereich dicht bepflanzt
hat. Dieses hier maßgebliche, für beide Grundstücke an der Grenze selbst identische
Niveau der Geländeoberfläche wird nach den genehmigten Bauzeichnungen nicht um
mehr als 3 m überschritten.
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Das der Klägerin genehmigte Vorhaben verstößt auch nicht deshalb gegen § 6 Abs. 11
Nr. 1 BauO NW, weil auf seine mit der genannten Vorschrift noch zu vereinbarende
Länge an der Grenze von 9 m die Länge der im hinteren Grundstücksbereich bereits
vorhandenen Grenzbebauung von 5,99 m anzurechnen wäre.
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Zutreffend ist das Verwaltungsgericht insoweit in Übereinstimmung mit der
einschlägigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts davon ausgegangen, daß auf
das in § 6 Abs. 11 Nr. 1 2. Halbsatz BauO NW genannte Längenmaß ausschließlich die
zulässige Länge einer Grenzbebauung mit überdachten Stellplätzen und Garagen
einschließlich Abstellraum (nach § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW 1984) bzw. nunmehr von
überdachten Stellplätzen und Garagen bis zu einer Länge von 9 m sowie Gebäuden mit
Abstellräumen und Gewächshäusern mit einer Grundfläche von nicht mehr als 7,5 qm (§
6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW 1995) anzurechnen ist, so daß eine Anrechnung anderer an
der Grenze errichteter baulicher Anlagen auf das Längenmaß von 9 m ausscheidet.
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Vgl.: OVG NW, Urteil vom 14. Januar 1993 - 7 A 1039/91 -, Beschluß vom 22. Januar
1993 - 7 B 22/93 - und Urteil vom 30. Oktober 1995 - 10 A 3096/91 -.
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Daß die hier im Hintergelände vorhandene Grenzbebauung schon ihrer Art nach keine
Grenzbebauung in Form einer zulässigen Grenzgarage darstellt, hat das
Verwaltungsgericht im wesentlichen zutreffend dargelegt. Zwar ist das Erdgeschoß als
Garage genehmigt und wird so auch genutzt. Dieser Garagenraum liegt jedoch über
einem das Gelände überragenden Keller- bzw. Untergeschoß, in dem sich ein Raum
befindet, der als "Demonstrationsraum" und damit zu Aufenthaltszwecken genehmigt ist.
Schon dieser mit der Garage baulich eine Einheit bildende Aufenthaltsraum führt dazu,
daß der grenzständige Bauteil insgesamt nicht als bloße Garage mit einem nach § 6
Abs. 11 Nr. 1 BauO NW 1984 zulässig gewesenen untergeordneten Abstellraum
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- zum Erfordernis der Unterordnung des einer Grenzgarage zugeordneten Abstellraums
nach § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW 1984 vgl.: OVG NW, Urteil vom 12. März 1993 - 7 A
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1901/90 -, Beschluß vom 13. Januar 1995 - 7 B 2378/94 - und Urteil vom 30. Oktober
1995 - 10 A 3096/91 -
und auch nicht als Garage im Sinne von § 9 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW 1995 zu
qualifizieren ist. Ein Gebäude mit Abstellräumen bzw. Gewächshaus im Sinne der
letztgenannten Vorschrift scheidet ohnehin aus. Auf die vom Verwaltungsgericht weiter
erörterte Nutzung des Flachdachs über dem Garagenraum als (Dach-)Terrasse, die im
grenznahen Bereich jedenfalls nicht von den Baugenehmigungen vom 12. Dezember
1989 und vom 10. Mai 1990 gedeckt ist, kommt es hiernach nicht an.
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Die seitens der Berufungsführer vorgetragenen Billigkeitserwägungen gebieten keine
andere Beurteilung. Dem für den Nachbarn mißlichen Umstand, daß er, wäre das im
rückwärtigen Bereich an der Grenze vorhandene Bauwerk als reine Grenzgarage in den
nach § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NW festgelegten geringeren Dimensionen entstanden, ggf.
insgesamt mit einer weit weniger intensiven Grenzbebauung konfrontiert wäre, kann
nicht mit einer Beschränkung der vom Gesetz für zulässig erklärten Bebauung mit
Grenzgaragen begegnet werden. Es wäre vielmehr Sache des Betroffen, sich - soweit
dies in seiner Rechtsmacht liegt - gegen die anderweitige Grenzbebauung zu wehren.
Ist dies, aus welchen Gründen auch immer, ausgeschlossen, hat er die weitere
Grenzbebauung mit einer abstandrechtlich privilegierten Grenzgarage angesichts der
konkreten Ausgestaltung des Abstandrechts hinzunehmen. Auf die von den Beteiligten
insbesondere im Berufungsverfahren eingehend erörterte Frage, aus welchem Anlaß
mit welchem Inhalt die Baulast für den hinteren Grundstücksbereich eingetragen wurde,
kommt es im vorliegenden Fall ebensowenig an, wovon auch das Verwaltungsgericht
bereits zutreffend ausgegangen ist.
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Auch im übrigen lassen sich Verstöße der genehmigten Garage gegen
nachbarschützende Vorschriften - etwa des Bauplanungsrechts - nicht feststellen. Der
Standort der Garage liegt innerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren
Grundstücksfläche. Daß die Garage etwa wegen Verstoßes gegen § 15 BauNVO
unzulässig und der Beigeladenen gegenüber rücksichtslos wäre, scheidet in der hier
gegebenen Situation offensichtlich aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3
VwGO iVm § 100 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO,
708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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