Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.11.2009

OVG NRW (kläger, betrieb, verwaltungsgericht, lüftungsanlage, nicht störender betrieb, grundstück, lärm, störender betrieb, gaststätte, terrasse)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 146/08
Datum:
13.11.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 146/08
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird über die vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen
Verpflichtungen hinaus verpflichtet, über den Antrag der Kläger vom 22.
Januar 2004 über ein weiteres bauaufsichtliches Einschreiten gegen
den Betrieb des von der Beigeladenen betriebenen Gasthofs I. unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner ¼ der Kosten des Verfahrens I.
Instanz einschließlich ¼ der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen. Der Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils 3/8 der
Gerichtskosten I. Instanz und der außergerichtlichen Kosten der Kläger I.
Instanz; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten I. Instanz tragen sie
jeweils selbst, soweit sie nicht von den Klägern zu tragen sind.
Von den Kosten des Verfahrens II. Instanz tragen die Kläger als
Gesamtschuldner die Gerichts-kosten und die außergerichtlichen Kosten
des Beklagten und der Beigeladenen jeweils zu ½. Der Beklagte und
die Beigeladene tragen jeweils zu ¼ die Gerichtskosten und je ¼ der
außergerichtlichen Kosten der Kläger; darüber hinaus tragen sie ihre
eigenen außergerichtlichen Kosten, soweit diese nicht von den Klägern
zu tragen sind.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung S. , Flur 5, Flurstück 416
(An der L. 17) in S. -L1. . Auf dem Grundstück befindet sich ein
Einfamilienhaus, das sie selbst bewohnen. Die Straße An der L. zweigt von der
Alten L2. Straße ab, führt von dort in nordöstliche Richtung und endet nach ca. 350 m
als Sackgasse. In Höhe des Hauses An der L. 13 zweigt von ihr ein ca. 70 m langer
Stichweg in westlicher Richtung ab, an dem auch das klägerische Grundstück liegt. Die
Straße An der L. und die Alte L2. Straße sind durchgängig mit Wohnhäusern
bebaut. Ein Bebauungsplan besteht nicht.
2
Südlich des klägerischen Grundstücks – ca. 30 m vom Wohnhaus der Kläger entfernt –
betreibt die Beigeladene auf ihrem Grundstück Gemarkung S. , Flur 5, Flurstücke
2005 und 2008 (An der L. 3a) den Landgasthof "I. ". Dieser Gasthof besteht als
(damals noch einfaches) Ausflugslokal im Grünen bereits seit den 1950er Jahren. Die
Wohnbebauung entlang der Straße An der L. und der Alten L2. Straße ist erst im
Laufe der 1970er Jahre an die Gaststätte herangerückt. Das Grundstück der
Beigeladenen geht nach Westen unmittelbar in die ausgedehnten Waldflächen des
Königsforstes über. Südlich grenzt es an das Vereinsgelände eines Tennisclubs, östlich
an die Gärten der Hausgrundstücke An der L. 5 bis 11a und nördlich an den
Bachlauf des L. . Jenseits dieses Bachlaufs befinden sich das klägerische
Grundstück und das Grundstück des Herrn Dr. S1. B. (An der L. 15).
3
Der seinerzeit hierfür noch zuständige Landrat des S2. -C. -Kreises erteilte der
Beigeladenen unter dem 4. Oktober 2000 eine auf § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB gestützte
Baugenehmigung zur Erweiterung ihres Gasthofs durch einen Anbau. Der inzwischen
errichtete Anbau schließt sich an den nordöstlichen Teil des Altbaus an. Er umfasst im
Erdgeschoss einen "kleinen Gesellschaftsraum" ("Kaminzimmer"), einen "großen
Gesellschaftsraum", Küche, Garderobe und Toiletten; im Obergeschoss befinden sich
Gästezimmer und sonstige Zimmer. In der Baubeschreibung ist als Betriebszeit
angegeben: 10.00 bis 24.00 Uhr an allen Tagen. Zu den von der Anlage ausgehenden
Geräuschen heißt es in der Betriebsbeschreibung: "nicht störend". Der zwischenzeitlich
hierfür zuständig gewordene Beklagte erteilte der Beigeladenen unter dem 25.
September 2001 eine Baugenehmigung, die sich nunmehr auch auf die Errichtung einer
Lüftungsanlage an der nördlichen Hausfassade (kleiner dimensioniert als die heute
vorhandene Anlage) und einer östlich an den großen Gesellschaftsraum
anschließenden Außenterrasse erstreckt. Nebenbestimmung Nr. 1 zu der
Baugenehmigung lautet: "Die Nebenbestimmungen und Hinweise der Genehmigung
vom 04.10.2000 durch den Landrat des S3. .-C1. . Kreis behalten weiter ihre
Gültigkeit." Nebenstimmung Nr. 2 lautet: "Der Betrieb der Außenterrasse ist bis 22:00
Uhr zulässig."
4
Mit Schreiben vom 22. Januar 2004 beantragten die Kläger durch ihren damaligen
Prozessbevollmächtigten beim Beklagten ein "ordnungsbehördliches Einschreiten in
Form von nachträglichen Auflagen gemäß § 61 Abs. II S. 1 BauO-NW". Durch den
Betrieb des Landgasthofs der Beigeladenen würden sie unzumutbaren
Lärmimmissionen ausgesetzt. Zu den aus ihrer Sicht in Betracht kommenden
nachträglichen Lärmschutzauflagen gaben die Kläger in dem Schreiben verschiedene
"Anregungen".
5
Am 8. Juni 2004 haben die Kläger Klage erhoben, zunächst nur mit dem Ziel, "den
Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den
Antrag vom 22.1.2004 der Kläger auf ordnungsbehördliches Einschreiten in Form der
6
Erteilung nachträglicher Auflagen gemäß § 61 Abs. II S. 1 BauO-NW zu bescheiden".
Als die Beigeladene im Mai 2005 an der Nordwand des Gasthofs eine neue
Lüftungsanlage installieren ließ, haben die Kläger, um dies zu verhindern, zudem einen
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Diesen hat das
Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 5. September 2005 – 2 L 971/05 – abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 13. April 2006 haben die Kläger ihre Klage erweitert und begehren
nunmehr auch die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 25.
September 2001. Durch Beschluss vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht
den vorliegend allein streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag abgetrennt und das
Verfahren insoweit unter dem neuen Aktenzeichen 2 K 5454/06 fortgeführt. In dem unter
dem Aktenzeichen 2 K 4229/04 fortgeführten Verfahren hat das Verwaltungsgericht
durch Urteil vom 19. Dezember 2006 die angefochtene Baugenehmigung vom 25.
September 2001 aufgehoben; der Senat hat durch Urteil vom heutigen Tag – 7 A 528/07
– auf die Berufung der Beigeladenen das angefochtene Urteil geändert und die Klage
abgewiesen.
Die Kläger haben im vorliegenden Verfahren vorgetragen: Die Klage sei zulässig. Der
Beklagte habe ihren Antrag vom 22. Januar 2004 auf ordnungsbehördliches
Einschreiten bisher nicht beschieden. Daher sei nunmehr Untätigkeitsklage geboten.
Die Klage sei auch begründet. Nach der Baugenehmigung vom 25. September 2001 in
Verbindung mit der Baugenehmigung vom 4. Oktober 2000 sei für das Grundstück der
Beigeladenen ein nicht störender Betrieb genehmigt worden. Die vom Grundstück der
Beigeladenen ausgehenden Immissionen seien jedoch störend. Ihr, der Kläger,
Grundstück liege in einem faktischen reinen Wohngebiet. Sie hätten einen Anspruch auf
Einhaltung der nach der TA Lärm für reine Wohngebiete geltenden Lärmrichtwerte.
Selbst die Lärmrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet würden indes nicht
eingehalten. Besonders lärmintensiv seien die Lüftungsanlage, der Außenbetrieb auf
der östlichen Außenterrasse und im westlichen Biergarten und der Innenbetrieb im
Kaminzimmer und im Gesellschaftszimmer, wenn die Fenster bzw. die Terrassentür
geöffnet seien. Der von der Beigeladenen vorgelegte Messbericht der Fa. L3. vom 14.
September 2005, wonach sich die vom Gasthof ausgelösten Lärmimmissionen im
Rahmen der zulässigen Werte hielten, sei unbrauchbar. Ein von ihnen in Auftrag
gegebenes Gutachten der Fa. H. + Partner vom 26. Oktober 2005, ergänzt durch
Stellungnahme vom 30. November 2005, sowie weitere Gutachten der Fa. H. +
Partner vom 27. September 2006 und vom 4. Dezember 2006 hätten eine deutliche
Überschreitung der einschlägigen Lärmwerte ergeben.
7
Sie, die Kläger, fühlten sich im Übrigen nicht nur durch den Lärm des Gasthofs, sondern
auch durch die Rauch- und Geruchsschwaden belästigt, die von dem Außengrill im
westlichen Biergarten auf ihr Grundstück herüberwehen würden. Das Grillen im Freien
sei nicht Gegenstand der Betriebsbeschreibung. Dort heiße es unter Punkt 6.1
Luftverunreinigung (z.B. durch Rauch, ..., Geruchsstoffe): "Keine Luftverunreinigung". Im
Übrigen stehe Grillen im Freien nicht im Einklang mit den der Baugenehmigung vom 4.
Oktober 2000 beigefügten Nebenbestimmungen, wonach – sinngemäß – jegliches
offene Feuer auf dem Grundstück der Beigeladenen verboten sei. Der westliche
Biergarten sei im Übrigen deutlich größer als nach der Baugenehmigung zulässig.
8
Die Kläger haben beantragt,
9
den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen gegenüber mittels
10
sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung die Beschränkungen des
11
Betriebs von Gaststätte und Außengastronomie, wie sie sich aus
12
der Baugenehmigung vom 25.09.2001 sowie derjenigen
13
vom 04.10.2000 – 63 20 – 01238/99 – jeweils nebst denselben
14
beigegebenen Nebenbestimmungen sowie den einschlägigen
15
Rechtsvorschriften ergeben, wirksam durchzusetzen,
16
insbesondere der Beigeladenen aufzugeben,
17
den Biergarten einschließlich Aufräumarbeiten etc. bis maximal
18
22.00 Uhr zu nutzen und danach jegliche Nutzung sowohl durch
19
dort sitzende Gäste als auch durch Gäste, die das Restaurant ver-
20
lassen, um sich vorübergehend im Freien aufzuhalten, zu unterbin-
21
den,
22
es zu unterlassen, auf den Außenterrassen oder sonst im Freien für
23
ihre Gäste zu grillen bzw. diese grillen zu lassen,
24
die Nutzung der ostwärtigen Terrasse umfassend zu untersagen
25
und der Beigeladenen aufzugeben, die Tür geschlossen zu halten,
26
es zu unterlassen, auf den Außenterrassen Musikanlagen aufzustel-
27
len und zu betreiben,
28
es zu unterlassen, auf den Außenterrassen Live-Musikveranstal-
29
tungen durchzuführen,
30
die zum Grundstück der Kläger weisenden Fenster als verschließ-
31
bare Schallschutzfenster auszuführen und ständig geschlossen zu
32
halten,
33
den westlich der Gaststätte gelegenen Biergarten auf das der Bau-
34
genehmigung zu entnehmende Maß zu reduzieren,
35
die dem Grundstück der Kläger zugewandte Lüftungsanlage zu ent-
36
fernen,
37
alles unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger Anspruch auf
Einhaltung der für ein WR-Gebiet geltenden Immissionsschutzwerte haben.
38
Der Beklagte hat beantragt,
39
die Klage abzuweisen.
40
Er hat vorgetragen: Das genehmigte Vorhaben erweise sich unter
Lärmschutzgesichtspunkten nicht als rücksichtslos. Nach dem von der Beigeladenen
eingereichten Gutachten der Fa. L3. vom 14. September 2005 würden die
maßgeblichen Lärmgrenzwerte auf dem klägerischen Grundstück eingehalten. Auch
das von ihm, dem Beklagten, eingeholte Gutachten des Staatlichen Umweltamtes Köln
vom 5. September 2006 zu den Immissionen der Lüftungsanlage spreche nicht gegen
das genehmigte Vorhaben.
41
Die Beigeladene hat beantragt,
42
die Klage abzuweisen.
43
Sie hat vorgetragen: Die Klage sei unbegründet. Ausweislich des von ihr eingereichten
Gutachtens der Fa. L3. vom 14. September 2005 seien die relevanten Lärmwerte
eingehalten. Die Griffe der Fenster zum klägerischen Grundstück seien inzwischen
verschließbar. Die vom Staatlichen Umweltamt L4. in seinem Gutachten vom 5.
September 2006 gerügte tonale Komponente der Lüftungsanlage sei nach einer
Reparatur nicht mehr vernehmbar. In dem von ihr vorgelegten weiteren Gutachten der
Fa. L3. vom 16. April 2007 werde ausgeführt, dass die maßgeblichen Lärmwerte
eingehalten würden, wenn sie sich bei dem Betrieb ihres Gasthofs in einem bestimmten
Rahmen halten werde. Sie sei hierzu bereit. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2007 habe sie
bereits insoweit erklärt:
44
"Entsprechend der gegenüber dem Beklagten unter dem 29.11.07 abgegebenen
Mitteilung, dass sämtliche Fenstergriffe an den Fenstern zur Hausseite der Kläger
(Nordseite) nunmehr abschließbar sind und demnach auch von Gästen nicht geöffnet
werden können, erklärt die Beigeladene und verzichtet insoweit auf die Ausnutzung der
ihr erteilten Baugenehmigung, dass sie den in der nun als Anlage ZA 1 überreichten
Schallprognose dargestellten Betriebsabläufen (vgl. S. 7) verbindlich folgt, d.h. z.B. die
nach Norden gerichteten Fenster bei jeglicher Nutzung der dahinter liegenden
Räumlichkeiten und soweit sie von der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung
betroffen sind ganztägig geschlossen hält. Gleiches gilt für die nach Osten hin gelegene
Terrassentür nachts bzw. tagsüber bei lauterer Beschallung oder Life-Musik (> 80
dB(A))."
45
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens des Dr.-Ing. X. Q. , Landesamt für Natur, Umwelt
und Verbraucherschutz NRW (LANUV). Auf den Inhalt des Gutachtens vom 2. August
2007 wird Bezug genommen.
46
Mit Urteil vom 6. November 2007 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet,
47
gegen die Beigeladene eine Ordnungsverfügung zu erlassen, mit der der Beigeladenen
aufgegeben wird:
a. Die Zu- und Abluftanlagen für das Restaurant, die Küche und den Grill (alle an der
Westseite des Betriebes der Beigeladenen) dürfen ab 22.00 Uhr nicht mehr
betrieben werden. Die Zu- und Abluftanlagen sind zum Zweck der Durchsetzung
dieser Forderung binnen zwei Monaten mit einer verplombten Schaltuhr zu
versehen, die die Inbetriebnahme der Anlagen zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr
verhindert.
b. Die Terrassentür des Gesellschaftsraumes zur Terrasse an der Ostseite des
Betriebes der Beigeladenen ist ab 19.00 Uhr abgeschlossen zu halten, wenn in
dem anliegenden Gesellschaftsraum eine Veranstaltung stattfindet.
c. Die Terrassentür ist auch vor 19.00 Uhr abgeschlossen zu halten, wenn in dem
anliegenden Gesellschaftsraum eine Veranstaltung mit Musikdarbietung
stattfindet. "Musikdarbietung" in diesem Sinne ist auch die Nutzung der
hausinternen Musikanlage.
d. Alle Fenster an der Nordseite des Gebäudes sind stets während der Nutzung der
dahinter liegenden Räume durch Gäste abgeschlossen zu halten.
e. Die Terrasse an der Ostseite darf für den Restaurantbetrieb ohne Musikdarbietung
nur bis 22.00 Uhr und nur dann benutzt werden, wenn auch in dem anliegenden
Gesellschaftsraum keine Veranstaltung mit Musikdarbietung stattfindet.
f. Der Beigeladenen ist für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der
vorgenannten Forderungen ein Zwangsgeld von 500,00 Euro anzudrohen. Das
Zwangsgeld kann wiederholt festgesetzt und erhöht werden.
48
49
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
50
Die Kläger haben rechtzeitig die Zulassung der Berufung gegen das ihnen am 10.
Dezember 2007 zugestellte Urteil beantragt, soweit das Verwaltungsgericht ihre Klage
abgewiesen hat, und diesen Antrag rechtzeitig - am 10. Februar 2008 - begründet.
Durch Beschluss vom 2. Juni 2008 hat der Senat die Berufung zugelassen. Die Kläger
haben rechtzeitig die Berufung begründet und einen Berufungsantrag gestellt.
51
Sie tragen insbesondere vor: Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung
maßgeblich auf das Gutachten des Dr.-Ing. Q. vom 2. August 2007 gestützt. Bei der
Auswertung dieses Gutachtens seien ihm jedoch Fehler unterlaufen.
52
Das Verwaltungsgericht sei u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass der Nachtbetrieb
des Gasthofs bei Szenario 6.2.6 (Betrieb der beiden Gesellschaftsräume, Fenster und
Terrassentür geschlossen, Geräuschstufe G-III) am Immissionsort IO 1 zu einem
Beurteilungspegel von unter 40 dB(A) führen würde, wenn die Lüftungsanlage ab 22.00
Uhr komplett abgeschaltet wäre. Zu diesem Ergebnis habe das Verwaltungsgericht aber
nur kommen können, weil es der Auffassung gewesen sei, es könne nicht gleichzeitig
maximalen Lärm aus dem Inneren des Gasthofs und maximalen Lärm vom Parkplatz
geben, und deshalb die auf diese beiden Lärmquellen entfallenden Werte – anders als
53
im Gutachten - nicht zusammen in Ansatz gebracht habe. Diese Bewertung sei jedoch
nicht zwingend. Es entspreche durchaus der Lebenswirklichkeit, dass dann, wenn die
motorisierten Gäste (die im Übrigen nicht nur auf dem Parkplatz, sondern auch in den
umliegenden Straßen parkten) innerhalb einer Stunde eine Feier verließen, andere, z.B.
nicht motorisierte Gäste im Gasthof mit unverminderter Lautstärke weiter feierten. Bei der
deshalb gebotenen kumulativen Berücksichtigung beider Lärmquellen lägen die
Immissionswerte am klägerischen Grundstück bei diesem Szenario über 40 dB(A) und
damit über dem für allgemeine Wohngebiete nach der TA Lärm geltenden Grenzwert,
auch wenn die Lüftungsanlage komplett abgeschaltet sei. Der Gutachter habe
festgestellt, dass bereits durch die Immissionsanteile aller Fensterflächen des
Gesellschaftsraums (vgl. Szenario 6.2.6) der nächtliche Immissionsrichtwert für WA-
Gebiete von 40 dB(A) ausgeschöpft würden. Mit einem Abschalten der Lüftungsanlage
nach 22.00 Uhr sei es nach alledem nicht getan. Es müssten darüber hinausgehende
Maßnahmen wie eine Beschränkung des Innenpegels auf die Geräuschstufe G-II, z.B.
durch eine pegelbegrenzte Beschallungsanlage und ein Einbau von
Schallschutzfenstern angeordnet, möglicherweise auch die nächtliche Nutzung generell
untersagt werden. Abgesehen davon sei nach dem Tenor der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung eine komplette Abschaltung der Lüftung nach 22.00 Uhr gar nicht
vorgesehen. Während das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen bei
Szenario 6.2.6 neben dem Parkplatzlärm auch die Lärmquellen "Abluft gr.
Gesellschaftsraum", "Abluft Kaminzimmer und "Ab- und Zuluft Restaurant St.1" in Abzug
gebracht habe, habe es im Tenor seiner Entscheidung lediglich die Verpflichtung
ausgesprochen, die Zu- und Abluftanlagen "für das Restaurant, die Küche und den Grill"
nach 22.00 Uhr nicht mehr zu betreiben. Die Abluftanlagen für den großen
Gesellschaftsraum und das Kaminzimmer seien nicht erwähnt.
Das Verwaltungsgericht sei desweiteren zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht
erforderlich sei, die Benutzung der östlichen Außenterrasse umfassend zu untersagen,
sondern nur für bestimmte Zeiten und unter besonderen Umständen. Bei der von ihm in
diesem Zusammenhang vorgenommenen Prüfung, welche Immissionen beim
Tagbetrieb des Gasthofs einschließlich Benutzung der östlichen Außenterrasse
entstehen, habe es den vom Gutachter für Szenario 6.2.1 ermittelten Beurteilungspegel
von 49,5 dB(A) (Betrieb der beiden Gesellschaftsräume, Fenster und Terrassentür
geschlossen, westlicher Biergarten voll besetzt, Geräuschstufe G-II) und den im
Gutachten (S. 18) für den Betrieb der östlichen Terrasse ermittelten Beurteilungspegel
von 42,3 dB(A) addiert und sei so zu einem Beurteilungspegel von 54,1 dB(A), also
unterhalb von 55 dB(A), gekommen. Dabei habe es jedoch unberücksichtigt gelassen,
dass bei Szenario 6.2.1 die Terrassentür geschlossen sei. Bei geöffneter Terrassentür –
und das Öffnen der Terrassentür sei ja nach dem Urteil außer in bestimmten
Ausnahmefällen gestattet - betrage der Beurteilungspegel allein für den Betrieb des
großen Gesellschaftsraums ohne Musikveranstaltungen nach dem Gutachten, S. 18,
bereits 56,1 dB(A).
54
Hinzu komme, dass die vom Verwaltungsgericht im Urteil angeordneten - ohnehin
unzulänglichen - Maßnahmen nicht hinlänglich kontrollierbar seien.
55
Das Verwaltungsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie, die Kläger,
nur die Einhaltung der nach der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltenden
Lärmwerte beanspruchen könnten. Zwar sehe Ziffer 6.7 der TA Lärm in der Tat die
Bildung einer Art Mittelwert vor, wenn ein faktisches Wohngebiet an den Außenbereich
grenze. Unabhängig davon sei jedoch der Stand der Lärmminderungstechnik
56
einzuhalten. Dieser Stand sei hier in Bezug auf die Lüftungsanlage nicht eingehalten.
Es fehle – von etwaigen technischen Defekten ganz abgesehen – an einer Isolierung
der Lüftungsanlage. Zudem sei die Lüftungsanlage ohne Not und entgegen dem letzten
Satz der Ziffer 6.7 der TA Lärm in Richtung der schutzwürdigen Wohnbebauung
angebracht worden.
Es sei schließlich auch nicht ausreichend, wenn das Verwaltungsgericht in seinem
Urteil nur die Verpflichtung zur Androhung, nicht aber zur Festsetzung von
Zwangsgeldern ausgesprochen habe.
57
Die Kläger beantragen,
58
das angefochtene Urteil, soweit dem Klageantrag nicht entsprochen
59
worden ist, zu ändern und im Übrigen vollen Umfangs gemäß dem
60
erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
61
Der Beklagte beantragt,
62
die Berufung zurückzuweisen.
63
Er trägt vor: Die Berufung sei unzulässig, soweit die Kläger die Unterlassung begehrten,
auf den Außenterrassen oder sonst im Freien für die Gäste der Beigeladenen zu grillen
bzw. diese grillen zu lassen, auf den Außenterrassen Musikanlagen aufzustellen und zu
betreiben sowie Live-Musikveranstaltungen durchzuführen und soweit sie begehrten,
den westlich gelegenen Biergarten auf das der Baugenehmigung zu entnehmende Maß
zu reduzieren. Das Verwaltungsgericht habe die Klage insoweit abgewiesen. In der
Berufungsbegründungsschrift vom 2. Juli 2008 seien die Kläger auf diese Teile des
Streitgegenstandes nicht eingegangen. Nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Sätze 4
und 5 VwGO sei die Berufung damit insoweit unzulässig. Unzulässig sei die Berufung
auch, soweit die Kläger eine Beschränkung der Nutzung des westlichen Biergartens
einschließlich Aufräumarbeiten usw. bis maximal 22.00 Uhr und eine Untersagung
jeglicher späterer Nutzung durch Gäste begehrten. Auch insoweit habe das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf zwei
selbständige tragende Gründe gestützt. Zum einen, so das Verwaltungsgericht, hätten
die Kläger ein entsprechendes Abwehrrecht verwirkt. Zum anderen würde durch den
Betrieb des Biergartens nach 22.00 Uhr das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den
Klägern nicht verletzt. Der letztgenannten Erwägung seien die Kläger in ihrer
Berufungsbegründungsschrift vom 2. Juli 2008 nicht entgegengetreten. Auch damit
würden sie den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Sätze 4 und 5
VwGO nicht gerecht.
64
Im Übrigen sei die Berufung unbegründet.
65
Die Kläger hätten keinen Anspruch darauf, dass die Nutzung der östlichen Terrasse
umfassend untersagt und der Beigeladenen aufgegeben wird, die Terrassentür
dauerhaft geschlossen zu halten. Die Berechnung des Verwaltungsgerichts, wonach bei
normalem Tagesbetrieb einschließlich Betrieb der östlichen Terrasse ein
Beurteilungspegel von (nur) 54,1 dB(A) am klägerischen Grundstück erreicht werde, sei
auch in Ansehung des Berufungsvortrags der Kläger nicht zu beanstanden.
66
Die Kläger hätten auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladenen der Einbau von
verschließbaren, dauernd verschlossen zu haltenden Schallschutzfenstern aufgegeben
werde. Es sei insbesondere nicht zutreffend, dass nachts der maßgebliche
Lärmrichtwert von 40 dB(A) überschritten werde. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt habe, sei mit Sicherheit nicht anzunehmen, dass sich der Parkplatz des
Gasthofs in der Zeit ab 22.00 Uhr binnen einer Stunde leere, während die Musik im
Innern weiterhin im Vollbetrieb laufe. Es sei in der Vergangenheit auch nicht feststellbar
gewesen, dass die Besucher des Gasthofs außer auf dem Parkplatz auch in den
anliegenden Wohnstraßen ihre Fahrzeuge abstellten und hierdurch zusätzlicher Lärm
ausgelöst werde. Vielmehr parkten viele Besucher des Gasthofs auf einem
Wanderparkplatz an der L 170.
67
Die Kläger hätten desweiteren keinen Anspruch auf Entfernung der ihrem Grundstück
zugewandten Lüftungsanlage. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts sei der Betrieb
dieser Anlage bereits erheblich einzuschränken. Es sei entgegen dem Vortrag der
Kläger auch durchaus erkennbar, auf welche Teile der Lüftungsanlage sich der
Urteilsausspruch beziehe. Gemeint sei die miteinander zusammen- hängende Anlage,
die der Entlüftung des Restaurants, der Küche und des Grills diene. Die neben der
Lüftungsanlage an der Nordwand des Gasthofs befindlichen drei Lüftungskästen, die mit
Ventilator betrieben würden und der Belüftung des Gesellschaftszimmers und des
Kaminzimmers dienten, seien nicht Teil dieser Lüftungsanlage, weil sie mit ihr in keinem
betrieblichen oder funktionalen Zusammenhang stünden.
68
Der Vortrag der Kläger, dass von ihnen nicht kontrolliert werden könne, ob die vom
Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtungen tatsächlich eingehalten würden,
greife nicht durch. Es sei nicht Sache der Kläger, die Einhaltung dieser Verpflichtungen
zu kontrollieren; dies falle vielmehr in seinen, des Beklagten, Aufgabenbereich.
Stichprobenartige Kontrollen, wie sie im Verwaltungsvollzug üblich seien, seien ihm
ohne größeren Aufwand möglich. Zur Durchsetzung der Betriebszeitenregelung für die
Lüftungsanlage sei es völlig ausreichend, wenn diese mit einer verplombten Schaltuhr
versehen sei.
69
Die Beigeladene beantragt,
70
die Berufung zurückzuweisen.
71
Sie trägt sinngemäß vor: Der Lärmrichtwert von 55 dB(A) tags werde am klägerischen
Grundstück auch dann nicht überschritten, wenn dem verwaltungsgerichtlichen Urteil
entsprechend bis 19.00 Uhr normaler Gaststättenbetrieb einschließlich Betrieb der
östlichen Außenterrasse herrsche. Anders als die Kläger meinten, dürfe hier nicht der
auf S. 18 des Gutachtens für den großen Gesellschaftsraum (Terrassentür geöffnet)
angeführte Wert von 56,1 dB(A) mit einberechnet werden, denn dieser gelte für
Gaststätten und Spielhallen mit einer Begrenzung der mittleren Maximalpegel auf 80
dB(A).
72
Der Lärmrichtwert von 40 dB(A) nachts werde am klägerischen Grundstück ebenfalls
nicht überschritten, auch nicht wenn man die vom Parkplatz des Gasthofs ausgehenden
Immissionen mitberücksichtige. Der Gutachter habe hier den denkbar ungünstigsten
Ansatz (21 Bewegungen zum Ende einer Familienfeier und vollständige Räumung des
Parkplatzes) gewählt. Diese Situation entspreche jedoch nicht dem Normalfall.
73
Die vorhandene Lüftungsanlage entspreche dem Stand der Lärmminderungstechnik.
Sie könne auch nicht an anderer Stelle des Hauses angebracht werden.
74
Der Berichterstatter hat am 1. September 2009 einen Ortstermin durchgeführt. Auf das
Protokoll dieses Termins und die in diesem Termin gefertigten Fotografien wird
verwiesen.
75
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Gutachter Dr.-Ing. X. Q. zu dem
von ihm erstinstanzlich eingeholten Gutachten angehört. Wegen der Einzelheiten wird
auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
76
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
77
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
78
Die Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
79
Die Berufung ist insgesamt zulässig, insbesondere rechtzeitig und ausreichend
begründet worden. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung klar gestellt, dass
ihr erstinstanzlicher Klageantrag und entsprechend auch ihr Berufungsantrag nicht
lediglich auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags vom
22. Januar 2004 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladene gerichtet
(gewesen) ist, sondern - trotz der insoweit verwendeten Formulierung "insbesondere" –
in erster Linie auf eine Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen die in dem
Klageantrag aufgeführten Einzelmaßnahmen aufzugeben. Handelte es sich also – auch
im Verhältnis der im Einzelnen geforderten Maßnahmen untereinander – letztlich um
eigenständige Streitgegenstände, waren die Kläger gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m.
Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO auch gehalten, für jede der geforderten Einzelmaßnahmen
eine Begründung zu geben, warum insoweit eine Änderung des erstinstanzlichen
Urteils für erforderlich erachtet wird. Dem sind sie mit ihren Schriftsätzen vom 27. Juni
2008 und 2. Juli 2008 noch hinreichend nachgekommen. Die hierin enthaltene
Berufungsbegründung erstreckt sich auf ihr gesamtes Klagebegehren, soweit es das
Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Kläger haben ausgeführt, dass sie sich durch
die vom Gasthof der Beigeladenen verursachten Lärmimmissionen (sowohl vom
Innenbetrieb als auch vom Außenbetrieb des Gasthofs, von der Lüftungsanlage und von
den Parkplätzen) insgesamt beeinträchtigt fühlen. Dabei haben sie im Einzelnen
dargelegt, warum sie die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dass mit den
zuerkannten Maßnahmen unter Lärmschutzgesichtspunkten zumutbare Verhältnisse zu
erreichen sind, für nicht tragfähig erachten und entsprechend dem formulierten
Berufungsantrag eine Entscheidung im Sinne ihres erstinstanzlichen Klageantrags
weiter verfolgen. Damit wird zugleich in einer dem Begründungserfordernis
hinreichenden Weise verdeutlicht, dass und aus welchen Gründen sie auch die
erstinstanzlich geforderten Maßnahmen gegen die Beigeladene weiterverfolgen, die sie
in ihren Begründungsschriftsätzen nicht gesondert ausdrücklich erneut benannt haben.
Im Einzelnen betrifft das das Verbot, auf den Außenterrassen Musikanlagen aufzustellen
und zu betreiben sowie Live-Musikveranstaltungen durchzuführen, den westlich
gelegenen Biergarten auf das in der Baugenehmigung zu entnehmende Maß zu
reduzieren und eine Nutzung dieses Biergartens einschließlich Aufräumarbeiten usw.
80
bis maximal 22.00 Uhr zu gestatten und jegliche spätere Nutzung durch Gäste zu
untersagen. Denn auch diese Begehren zielen letztlich auf eine Minimierung der vom
Gasthof ausgehenden Lärmimmissionen und sind mit der hierauf abzielenden
Berufungsbegründung mit aufgegriffen: Wenn der westliche Biergarten nicht mehr nach
22.00 Uhr genutzt wird und – so die Kläger - auf die in der Baugenehmigung festgelegte
Größe verkleinert würde, verringerten sich die Lärmimmissionen. Die Lärmimmissionen
verringerten sich auch, wenn auf den Außenflächen keine Musikanlagen aufgestellt und
keine Live-Musikveranstaltungen durchgeführt würden. Auch das Begehren der Kläger,
Grillveranstaltungen zu untersagen, wird von der Berufungsbegründung, man fühle sich
durch die Lärmimmissionen des Gasthofs beeinträchtigt, gedeckt. So verfügt der
Außengrill im westlichen Biergarten über eine eigene Abluftanlage, die Lärm auslöst
(vgl. S. 20 des Dr.-Ing. Q. Gutachtens). Außerdem wird durch Grillveranstaltungen
möglicherweise zusätzliches Publikum angezogen, das zusätzliche Lärmimmissionen
verursacht. Dass die Kläger in der Berufungsbegründung nicht auf die von
Grillveranstaltungen ausgehenden Geruchsimmissionen hingewiesen haben, ist daher
unschädlich.
Die Berufung hat aber in der Sache nur teilweise Erfolg.
81
Die gemäß § 75 VwGO zulässige Klage ist unbegründet, soweit die Kläger eine
Verpflichtung des Beklagten begehren, der Beigeladenen die von ihnen in ihrem
Klageantrag ("insbesondere") aufgeführten - vom Verwaltungsgericht nicht anerkannten
- einzelnen Maßnahmen und Unterlassungen aufzugeben. Begründet ist die Klage
allerdings insoweit, als die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass der Beklagte
über ein weitergehendes bauaufsichtliches Einschreiten, als es ihm mit dem bereits in
Rechtskraft erwachsenen Teil des angegriffenen Urteils aufgegeben ist, unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (neu) entscheidet.
82
Die Bauaufsichtsbehörde hat nach § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW nach
pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, dass die öffentlich-
rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen
eingehalten werden.
83
Liegt ein Verstoß gegen Vorschriften vor, die auch dem Schutz eines Nachbarn zu
dienen bestimmt sind, ist das der Bauaufsichtsbehörde durch § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2
BauO NRW eingeräumte Entschließungsermessen regelmäßig auf eine Verpflichtung
zum Einschreiten reduziert.
84
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 13. August 1990 – 7 A 1490/88 - und
85
vom 7. Dezember 1998 – 7 A 2822/96 -.
86
Der Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde steht in diesen Fällen ein Anspruch des
betroffenen Nachbarn auf Einschreiten gegen den Störer gegenüber.
87
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1999 – 4 B 101.99 -,
88
BRS 63 Nr. 203.
89
Einen Anspruch auf eine bestimmte Ausübung des Auswahlermessens haben die
betroffenen Nachbarn dagegen regelmäßig nicht, wenn verschiedene Möglichkeiten
90
bestehen, rechtmäßige Zustände herzustellen.
Vgl. zu dieser Problematik etwa OVG NRW, Urteil vom 22. August
91
2005 - 10 A 3611/03 -.
92
So liegt der Fall auch hier:
93
Der Beklagte ist verpflichtet, bauordnungsrechtlich gegen den Betrieb des Gasthofs der
Beigeladenen vorzugehen. Für diesen Betrieb gilt das auch die Kläger schützende
Gebot der Rücksichtnahme, das als "öffentlicher Belang" in § 35 Abs. 2 und 3 BauGB
enthalten ist. Dementsprechend ist der Beigeladenen mit der Baugenehmigung vom 25.
September 2001 – der von ihr eingereichten Betriebsbeschreibung entsprechend –
lediglich ein "nicht störender" Betrieb genehmigt worden. Der Betrieb des Gasthofs ist
jedoch störend und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn die von dem
Gasthofbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen sind den Klägern nicht (mehr) zumutbar;
die dem Beklagten vom Verwaltungsgericht aufgegebenen Maßnahmen reichen zur
Sicherung der Rechte der Kläger nicht aus.
94
Welche Anforderungen das hier vom Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Belange
umfasste Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängt von den Umständen des Einzelfalls
ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die
Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann er an
Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben
verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben
verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die
sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem
an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegün-stigten und andererseits dem
Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
95
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 -,
96
BRS 55 Nr. 168.
97
Eine Minderung des Schutzanspruchs von Wohnbebauung kommt danach unter dem
Gesichtspunkt in Betracht, dass diese sich am Rand zum bauplanungsrechtlichen
Außenbereich befindet, da dort (im Außenbereich) grundsätzlich mit der Entstehung von
privilegiert zulässigen Vorhaben gerechnet werden muss, die innerhalb des im
Zusammenhang bebauten Ortsteils, namentlich in einem reinen oder allgemeinen
Wohngebiet nicht zulässig wären.
98
Vgl. beispielsweise zur Zumutbarkeit landwirtschaftlicher
99
Immissionen: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 -,
100
BRS 32 Nr. 155.
101
In diesen Fällen kann – wie bei einem Aufeinandertreffen von Baugebieten
unterschiedlicher Schutzwürdigkeit – im Rahmen der durch das Rücksichtnahmegebot
veranlassten Zumutbarkeitsprüfung für Immissionen eine Art von Mittelwert zu bilden
sein, der allerdings nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte darstellt, sondern
102
als "Zwischenwert" unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit und der Umstände des
Einzelfalls die Zumutbarkeit bestimmt.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 1993 – 4 B 151.93 -,
103
BRS 55 Nr. 165.
104
In die Zumutbarkeitsbewertung sind darüber hinaus die spezifischen
Vorhabengegebenheiten sowie konkreten Nachbarschaftsgegebenheiten einzustellen.
So kann beispielsweise im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung der Betrieb
einer Außengastronomie auch dann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen,
wenn ein auf der Grundlage der VDI 3770 erstelltes schalltechnisches Gutachten den
Betrieb gerade noch als zumutbar erscheinen lässt.
105
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008 – 7 A 1868/07 -.
106
Das Wohngrundstück der Kläger rechnet einem faktischen reinen Wohngebiet zu, das
sich bis an das im Außenbereich gelegene Grundstück der Beigeladenen heran
entwickelt hat, ohne den Bebauungszusammenhang des reinen Wohngebiets auf das
Gaststättengrundstück zu erstrecken. Dieses ist vielmehr rückwärtig der Wohnbebauung
für sich stehend vorhanden, und zwar in einen Bereich eingebettet, der bereits durch die
angrenzenden ausgedehnten Waldflächen seinen wesentlichen Charakter erfährt.
Nähere Ausführungen sind hierzu entbehrlich, weil diese Bewertung der Örtlichkeit, die
der Berichterstatter dem Senat anhand der in den Akten befindlichen Karten und Fotos
vermittelt hat, durch die Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird.
107
In einem reinen Wohngebiet muss mit der Entstehung bzw. der Vergrößerung einer
Gaststätte grundsätzlich nicht gerechnet werden. Selbst in einem faktischen
allgemeinen Wohngebiet wären nur der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und
Speisegaststätten allgemein zulässig (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Dennoch ist im
vorliegenden Fall von der grundsätzlichen Zumutbarkeit einer Gaststätte auch in der
Größenordnung und der Betriebsart auszugehen, wie sie durch die Baugenehmigung
vom 25. September 2001 genehmigt worden ist. Die Zumutbarkeit ergibt sich allerdings
nicht schon auf Grund ihrer Lage im (an ein reines Wohngebiet) angrenzenden
Außenbereich. Sie folgt vielmehr daraus, dass die Gaststätte mit Baugenehmigung vom
25. September 2001 genehmigt worden ist, und diese Genehmigung den Klägern
gegenüber bestandskräftig geworden ist, denn die Kläger haben ihr Klagerecht
gegenüber der Baugenehmigung verwirkt. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom
heutigen Tag im Verfahren 7 A 528/07 im Einzelnen ausgeführt. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat auf seine dortigen Ausführungen und macht sie
zum inhaltlichen Bestandteil auch der vorliegenden Entscheidung. Die Folgerungen aus
der Bestandskraft der Baugenehmigung erstrecken sich auch auf die östliche
Außenterrasse, denn diese ist Gegenstand der Baugenehmigung. Soweit von der
Baugenehmigung gewisse Anlagenerweiterungen, wie dies von den Klägern
hinsichtlich des westlichen Biergartens behauptet wird, nicht erfasst sein sollten, folgt
hieraus auf der anderen Seite nicht zugleich, sie wären den Klägern gegenüber
unzumutbar. Denn eine baurechtliche Nachbarklage hat nicht schon dann Erfolg, wenn
eine Baugenehmigung nicht vorliegt, sondern erst dann, wenn das Vorhaben zu vom
Nachbarn nicht hinzunehmenden Rechtsbeeinträchtigungen führt.
108
Allerdings lässt die Baugenehmigung vom 4. Oktober 2000 in der Gestalt der
109
Baugenehmigung vom 25. September 2001 nur den Betrieb einer "nicht störenden"
Gaststätte zu, ohne diese Beschränkung des baurechtlich Zulässigen hinsichtlich der
Frage, wann von einer Störung auszugehen ist, näher zu bestimmen. Jedoch muss die
Beigeladene aufgrund dieser Regelung in der Baugenehmigung, namentlich aber
wegen des reinen Wohngebiets, auf das sie sich mit der Gaststättenerweiterung
zubewegt hat, ihrerseits Rücksicht nehmen und auch mit ordnungsbehördlichen
Regelungen rechnen, die sicherstellen, dass der Gaststättenbetrieb zu keinen
Auswirkungen in der Nachbarschaft führt, die dort nicht mehr hinzunehmen sind. Dass
entsprechende Regelungen nicht in dem Sinne maßgeschneidert sein dürfen, dass ein
entsprechender Betrieb in der Lebenswirklichkeit tatsächlich nicht regelungsgemäß
betrieben werden kann, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung. Vorsorglich merkt der
Senat an, dass es dabei nicht darum geht, dass die Kläger ohne Weiteres in der Lage
sein müssten, betriebsbeschränkende Regelungen zu überprüfen; genügend ist eine
eindeutige Kontrollmöglichkeit des Beklagten.
Entscheidender Maßstab für die Beurteilung, in welchem Umfang und in welcher Art des
Betriebs die Gaststätte den Klägern gegenüber als zumutbar anzusehen ist, kann nach
Auffassung des Senats grundsätzlich auf die auf Grundlage der TA-Lärm ermittelten und
bewerteten Lärmimmissionen abgestellt werden, soweit diese auf Gaststätten
Anwendung findet. Die TA-Lärm ist jedoch ungeeignet, die besondere Lästigkeit der
Immissionen zu erfassen, die mit der Nutzung der östlichen Außenterrasse verbunden
sein können.
110
Die TA-Lärm gilt nicht für Freiluftgaststätten (vgl. Nr. 1 Satz 2 b) TA-Lärm). Zwar handelt
es sich bei der Gaststätte der Beigeladenen nicht um eine Freiluftgaststätte, sondern um
eine sogenannte gemischte Gaststätte, die sowohl auf einen Innenbetrieb als auch auf
einen Außenbetrieb ausgerichtet ist. Die lärmtechnische Zuordnung einer solchen
Gaststätte hängt nach Ansicht des vom Senat in der mündlichen Verhandlung gehörten
Gutachters Dr.-Ing. X. Q. davon ab, in welcher Art die Gaststätte im Freiluftbereich
betrieben wird. Ob diesem Ansatz für den Regelfall zu folgen sein kann, mag
dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn der Freiluftbereich einer Gaststätte bis auf wenige
Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen
Wohngebiets heranreicht, ist es nicht sachgerecht, auch diesen Bereich der Bewertung
auf der Grundlage der TA-Lärm zuzuführen. Die Unzumutbarkeit bestimmter
Lärmauswirkungen in diesen Bereich hinein wird nicht allein dadurch in ihrer
Bedeutsamkeit geringer gewichtig, dass bestimmte Immissionsrichtwerte eingehalten
werden. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Gerichts, dass die
Bewertung der Zumutbarkeit des durch Menschen verursachten Lärms von einem
Bündel von Faktoren abhängt, die nur unvollkommen in einem einheitlichen Messwert
aggregierend erfasst werden können. Dies gilt gerade auch für den von
Freiluftgaststätten ausgehenden Lärm.
111
Vgl. zum Biergartenlärm: OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008
112
– 10 A 2525/07 -, juris, m.w.N..
113
Da andererseits – wie ausgeführt – die östliche Außenterrasse grundsätzlich als den
Klägern gegenüber bestandskräftig genehmigter Betriebsbestandteil zu werten ist, ist für
diesen Bereich eine solche Nutzung als noch zumutbar anzusehen, die einer
Freizeitnutzung von Wohngrundstücken, etwa durch spielende Kinder, vergleichbar ist
oder einem kurzzeitigen Aufenthalt im Freien etwa für eine Raucherpause entsprechen
114
mag.
Für den Gaststättenbereich im Übrigen ist als entscheidender Maßstab auf die
Bewertung nach den Immissonsrichtwerten abzustellen, die nach Nr. 6.1 d) der TA-Lärm
für ein allgemeines Wohngebiet maßgebend sind (55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts).
Nur auf diese Weise wird den Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme genügt,
die hier – wie ausgeführt – namentlich dadurch gekennzeichnet sind, dass die im
Außenbereich gelegene Gaststätte an ein reines Wohngebiet heranrückt, dort aber –
wegen der bestandskräftigen Baugenehmigung – grundsätzlich hinzunehmen ist.
115
Die Einhaltung dieser Werte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts ist beim Betrieb des
Gasthofs der Beigeladenen derzeit nicht gewährleistet.
116
Der Senat folgt insoweit dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten des Dr.-
Ing. Q. , vom 2. August 2007, das dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat ergänzend erläutert hat.
117
Danach gilt Folgendes:
118
Bei dem unter Nr. 6.2.1 dargestellten Szenario für den Tagbetrieb (normaler
Gaststättenbetrieb, Gastronomie in allen Gasträumen und im westlichen Biergarten,
Geräuschstufe G-II, Lüftungsanlage eingeschaltet, alle Fenster und die Terrassentür zur
östlichen Außenterrasse geschlossen) kommt der Gutachter am Grundstück der Kläger
(Immissionsort IO 1) zu einem Beurteilungspegel von 49,5 dB(A). Das
Verwaltungsgericht hat erkannt, dass dabei noch der Lärm des Gaststättenbetriebs auf
der östlichen Terrasse hinzugerechnet werden muss, soweit er denn überhaupt als
zulässig angesehen werden kann. Es hat hierfür in vom Standpunkt des
Verwaltungsgerichts aus konsequenter Weise einen Wert von 52,3 dB(A) angesetzt und
ist in der Summe zu einem Beurteilungspegel am Immissionsort IO 1 von 54,1 dB(A)
gelangt. Nicht berücksichtigt ist bei dieser Berechnung hingegen, dass der Gutachter in
Szenario 6.2.1 davon ausgegangen war, dass die östliche Terrassentür geschlossen ist.
Findet Gaststättenbetrieb auf der östlichen Terrasse statt, ist davon auszugehen (und
Beklagter und Beigeladene haben den entsprechenden Ausführungen der Kläger nicht
widersprochen), dass die Terrassentür zum Zwecke der Bedienung geöffnet ist. Es ist
dann für das große Gesellschaftszimmer nicht, wie in Szenario 6.2.1 bei geschlossener
Terrassentür angenommen, von einem Immissionswert von 26,1 dB(A) (durch die
geschlossenen Fenster an der Nordseite) und 29,1 dB(A) (durch die geschlossene
Terrassentür), sondern von einem erheblich höheren Immissionswert auszugehen. An
anderer Stelle seines Gutachtens (S. 18) hatte der Gutachter für den großen
Gesellschaftsraum bei geöffneter Terrassentür und Geräuschstufe G-II einen
Immissionswert von 56,1 dB(A) ermittelt. Es liegt auf der Hand, dass bei Hinzurechnung
eines Wertes in dieser (aber auch in einer geringeren) Größenordnung der
Beurteilungspegel am Immissionsort IO 1 bei vollem Tagbetrieb des Gasthofs und einer
Geräuschstufe G-II höher als 55,0 dB(A) ist, wie der Gutachter in der mündlichen
Verhandlung bestätigt hat. Das, so der Gutachter, ergebe sich auch, wenn im
(westlichen) Gaststättenbereich nur die Geräuschstufe G II gewertet werde. Eine solche
Belastung übersteigt das den Klägern Zumutbare. Bei einem vollen Tagbetrieb des
Gasthofs und einer Geräuschstufe G-III (Szenario 6.2.5) liegt der Beurteilungspegel am
Immissionsort IO 1 sogar bei 68,3 dB(A).
119
Bei dem unter Nr. 6.2.2 dargestellten Szenario für den Nachtbetrieb
120
(Minimalkombination aus Betrieb der Geräuschstufe G-II im Restaurant ohne
Kaminzimmer und großer Gesellschaftsraum, Fenster und Terrassentür geschlossen,
Betrieb der Lüftung auf Stufe 1 und Parkplatzverkehr) kommt der Gutachter zu einem
Beurteilungspegel von 41,3 dB(A). Bei dem unter Nr. 6.2.6 dargestellten Szenario für
den Nachtbetrieb (Betrieb von Restaurant mit Geräuschstufe G-II und von Kaminzimmer
und großem Gesellschaftsraum jeweils mit Geräuschstufe G-III, Betrieb der Lüftung auf
Stufe 1, Fenster und Türen geschlossen, Parkplatzverkehr) kommt er sogar zu einem
Beurteilungspegel von 44,0 dB(A). Der Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass ein
Zusammentreffen von Gaststättenbetrieb bei voller angenommener Lautstärke und
Parkplatzlärm zur lautesten Stunde nicht der Lebenswirklichkeit entspreche, vermag
sich der Senat nicht anzuschließen. Der Gutachter hat dazu in der mündlichen
Verhandlung überzeugend ausgeführt, die Erfahrungen aus der Überwachung zeigten,
dass in der Regel der Parkplatz einer Gaststätte entleert werde, während die
Veranstaltung noch (zu Ende) laufe. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts würde
insbesondere voraussetzen, dass beim Entleeren des Parkplatzes die Musik im
Wesentlichen bereits abgestellt werde. Solche Gegebenheiten entsprächen nicht seiner
Erfahrung.
An dem sich hieraus ergebenden Befund, dass die vom Gasthof der Beigeladenen
ausgehenden Lärmimmissionen den Klägern sowohl im Tag- als auch im Nachtbetrieb
unzumutbar sind, ändert auch der Umstand nichts, dass die Beigeladene mit Schriftsatz
vom 23. Mai 2007 erklärt hat, auf die Ausnutzung der Baugenehmigung teilweise zu
verzichten, und bestimmte im Lärmgutachten dargestellte Betriebsabläufe einhalten zu
wollen, namentlich die nach Norden gerichteten Fenster bei jeglicher Nutzung der
dahinter liegenden Räumlichkeiten und die nach Osten hin gelegene Terrassentür
nachts bzw. tagsüber bei lauterer Beschallung oder Live-Musik (> 80 dB(A))
geschlossen zu halten. Damit allein ist eine den schutzwürdigen Lärmschutzinteressen
der Kläger Rechnung tragende Betriebsführung nicht hinreichend gesichert. Sie sichert
ihrerseits keinen den Klägern zumutbaren Betrieb. Auch unter Einbeziehung der vom
Verwaltungsgericht zugesprochenen und von der Beigeladenen bereits anerkannten
Maßnahmen verbleibt eine Betriebssituation, die ein Einschreiten des Beklagten auf der
Grundlage des § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NRW rechtfertigt und erfordert.
121
Der Beurteilungspegel von 55 dB(A) tags wird voraussichtlich auch dann überschritten,
wenn die Maßnahmen greifen, zu denen das Verwaltungsgericht den Beklagten
verpflichtet hatte. Nach dem verwaltungsgerichtlichen Urteil ist zwar bei Durchführung
von Veranstaltungen im großen Gesellschaftszimmer die Terrassentür ab 19.00 Uhr zu
schließen (bei musikalischen Veranstaltungen auch vorher schon); wenn keine
Veranstaltung im großen Gesellschaftszimmer stattfindet, darf die Terrassentür zur
östlichen Terrasse indes durchgängig bis 22.00 Uhr geöffnet bleiben und auf der
Terrasse selbst Restaurantbetrieb stattfinden. Wie bereits ausgeführt, wird nach dem
Gutachten des LANUV, dem der Senat folgt, bei vollem Gastronomiebetrieb
einschließlich Bewirtung auf der östlichen Terrasse und geöffneter Terrassentür auch
ohne (Musik-)Veranstaltung bereits ein Beurteilungspegel am Haus der Kläger von über
55 dB(A) erreicht.
122
Hinsichtlich der Einhaltung des nächtlichen Lärmwerts von 40 dB(A) gilt
Entsprechendes. Bei Umsetzung des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist zwar in der
Zeit ab 22.00 Uhr die Lüftungsanlage auszuschalten und die östliche Terrassentür zu
schließen. Selbst wenn - was nach dem Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils
allerdings zweifelhaft ist - nach 22.00 Uhr nicht nur die Zu- und Abluftanlage für das
123
Restaurant, sondern auch die Abluftanlagen für den großen Gesellschaftsraum und das
Kaminzimmer abgeschaltet werden müssten und die dementsprechenden Lärmanteile
aus der Berechnung in Szenario 6.2.6 abzuziehen wären, verbliebe nach den
Berechnungen des Verwaltungsgerichts immer noch ein Beurteilungspegel von 41,5
dB(A). Hiervon kann - wie bereits ausgeführt - nicht noch der Parkplatzlärm oder der
Gaststättenlärm in Abzug gebracht werden.
Darüber hinaus können die Kläger - wie bereits ausgeführt - einen besonderen Schutz
hinsichtlich der Nutzung der östlichen Außenterrasse beanspruchen. Der Beklagte wird
deshalb dafür Sorge zu tragen haben, dass diese Außenterrasse allenfalls in dem einer
Freizeitnutzung von Wohngrundstücken vergleichbaren Rahmen (z.B. spielende Kinder)
oder zu einem kurzzeitigen Aufenthalt (etwa zu einer Raucherpause) genutzt wird.
Dabei könnte, um eine Kumulation des Lärms aus den Innenräumen und von der
Terrasse zu verhindern, auch zu erwägen sein, der Beigeladenen aufzugeben, die
Terrassentür ständig – auch tagsüber - geschlossen zu halten und einen Zugang zu der
Terrasse nur von außen zu gestatten. Im Übrigen dürfte eine Nutzung der Terrasse zu
untersagen sein. Zudem wird der Beklagte ein besonderes Augenmerk auch auf den
Betrieb der Lüftungsanlage zu legen haben. Auch diese befindet sich an einem unter
Nachbarschutzgesichtspunkten besonders sensiblen Standort, nämlich – wie die
östliche Außenterrasse - nur wenige Meter von der Wohnbebauung entfernt. Der
Beklagte wird dafür Sorge zu tragen haben, dass der Betrieb der Lüftungsanlage auch
tagsüber auf das für eine Nutzung der Räumlichkeiten unbedingt Erforderliche
beschränkt wird und zudem weitere Maßnahmen zur Schalldämpfung, etwa durch
zusätzliche Ummantelung der lärmintensiven Lüftungsbestandteile, ergriffen werden.
Wenn der von der Lüftungsanlage ausgehende Lärm hierdurch nicht spürbar gemindert
werden kann, muss die Lüftungsanlage ggf. komplett verlegt werden. Dieser Erwägung
kann der Beschluss des Senats vom 17. November 2003 - 7 B 2287/03 - nicht
entgegengehalten werden. Diese Entscheidung enthält allein die Hervorhebung, dass
Vorhaben im Hinblick auf das in § 34 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot nicht
schon dann unzulässig sind, wenn eine ebenfalls denkbare andere Vorhabenplanung
den Nachbarn weniger beeinträchtigen würde. Zu der hier interessierenden Frage,
welche Schutzansprüche ein Nachbar hinsichtlich der von einem Vorhaben ausgelösten
Immissionen hat, verhält sich die Entscheidung nicht.
124
Um den Schutz, den die Kläger nach den obigen Ausführungen beanspruchen können,
zu gewährleisten, kommt eine Fülle ggf. auch miteinander zu kombinierender
Einzelmaßnahmen in Betracht, etwa eine Beschränkung der Betriebszeiten, u.U.
getrennt nach Innen- und Außengastronomie, bei letzterer u.U. getrennt nach
westlichem Biergarten und östlicher Außenterrasse, Regelungen zum Einbau von
Schallschutzfenstern und -türen, zum Öffnen und Schließen der Fenster und Türen,
Beschränkungen bei der Art der im Gasthof stattfindenden Veranstaltungen,
insbesondere in Bezug auf Musikveranstaltungen, Regelungen zu den Betriebszeiten
und zum Standort der Lüftungsanlage und anderes mehr. Es ist nicht so, dass nur
bestimmte dieser Maßnahmen geeignet wären, neben den bereits vom
Verwaltungsgericht ausgewählten Maßnahmen eine Einhaltung der maßgeblichen
Beurteilungspegel zu gewährleisten. Das Auswahlermessen des Beklagten ist insoweit
nicht reduziert.
125
Die Kläger haben nach alledem nur einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags
auf bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten, nicht aber auf eine Verpflichtung des
Beklagten, der Beigeladenen die von ihnen "insbesondere" begehrten
126
Einzelmaßnahmen aufzugeben. In jenem Umfang verbleibt es bei der Klageabweisung.
Soweit die Kläger auf von dem Gasthof ausgehende Geruchsbelästigungen verweisen
und (auch) unter diesem Gesichtspunkt die Unterlassung von Grillveranstaltungen im
Freien begehren, bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg. Wie bereits das
Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dürften Abwehrrechte gegen den Betrieb des
Außengrills im westlichen Biergarten bereits verwirkt sein. Abgesehen davon ist auch im
Berufungsverfahren nicht substantiiert vorgetragen worden, dass und in welchem
Umfang es auf dem Grundstück der Kläger aufgrund dieses Außengrills zu
Geruchsbelästigungen kommt. Dass auf der östlichen Außenterrasse
Grillveranstaltungen stattgefunden haben, ist nicht vorgetragen.
127
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 159 Satz 1 und 2 und §
162 Abs. 3 VwGO. Die unterschiedliche Kostenquotelung für die Verfahren I. und II.
Instanz beruht auf dem unterschiedlichen Umfang des Streitgegenstandes in den beiden
Instanzen.
128
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 10 und 711 ZPO.
129
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
130