Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.11.1997

OVG NRW (zulassung, behörde, prüfung, ausdrücklich, gesetz, durchführung, grund, vorhersehbarkeit, betreiber, kostenpflicht)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 3889/97
Datum:
25.11.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 3889/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 11 K 4434/96
Tenor:
Die Berufung wird zugelassen.
Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der
Einlegung der Berufung bedarf es nicht mehr. Die Berufung ist innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die
Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen.
Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt der
Kostenentscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache Erfolg.
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Die Berufung ist allerdings nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen
Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Zur Klärung
der hierzu allein aufgeworfenen Frage,
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„rechtfertigt die Prüfung einer Emissionserklärung i.S.d. § 27 BImSchG die Annahme,
der Erklärende habe eine gebührenpflichtige Amtshandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 AVwGebO
i.V.m. Tarifstelle 15 a.2.13 d des allgemeinen Gebührentarifes veranlaßt",
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ist - unabhängig davon, ob die Frage in dieser Form über den entschiedenen Einzelfall
hinaus verallgemeinerungsfähig ist und schon daran die Zulassung scheitert - die
Durchführung eines Berufungsverfahrens jedenfalls deshalb nicht erforderlich, weil sich
die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ohne weiteres und eindeutig aus dem
Gesetz ergibt.
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§ 13 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
(GebG NW) knüpft die subjektive Gebührenpflicht u.a. an das Tatbestandsmerkmal der
„Veranlassung" an, das, wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die
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Rechtsprechung des Berufungsgerichts zutreffend ausgeführt hat, nicht jede
Verursachung ausreichen läßt; vielmehr erfordert die „Veranlassung" darüber hinaus zur
Wahrung der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit unter dem Aspekt der
Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der Abgabenbelastung,
vgl. hierzu: BVerfG, Beschluß vom 12. November 1958 - 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 -,
BVerfGE 8, 274 (325); BVerwG, Urteil vom 1. März 1996 - 8 C 29.94 -, BVerwGE 100,
323 (326), vom 24. August 1990 - 8 C 73.88 -, DVBl. 1990, 1411, vom 21. Oktober 1970 -
IV C 137.68 -, DÖV 1971, 102; Beschluß vom 25. September 1989 - 8 B 95.89 -,
Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 23,
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eine „Zurechenbarkeit", was auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich diese Zurechenbarkeit -
jedenfalls in den Fällen, in denen, wie hier, die Prüfung der Emissionserklärung oder
deren Fortschreibung aufgrund der Vorlage der Erklärung bei der zuständigen Behörde
erfolgt - jedoch ohne weiteres aus § 27 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (BImSchG).
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Nach § 27 Abs. 1 BImSchG ist der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage,
wie hier die Klägerin, zur Abgabe einer Emissionserklärung mit einem bestimmten, sich
aus der 11. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes
(Emissionserklärungsverordnung - 11. BImSchV) vom 12. Dezember 1991, BGBl. I S.
2213, ergebenden Inhalt verpflichtet. Damit individualisiert das Gesetz den jeweiligen
Erklärungsverpflichteten, legt zugleich den materiellen Inhalt seiner Erklärungspflicht
fest und bestimmt schließlich auch den Erklärungsempfänger, nämlich die zuständige
Behörde.
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Legt nun der Erklärungsverpflichtete in Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung seine
Emissionserklärung oder deren Fortschreibung bei der zuständigen Behörde vor, ist
diese aufgrund ihrer sich aus § 52 Abs. 1 BImSchG ergebenden, zwingenden
Verpflichtung, die Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes und der auf
dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen, gehalten, zumindest zu
prüfen, ob die vorgelegte Emissionserklärung oder deren Fortschreibung den sich aus
der gesetzlichen Bestimmung des § 27 BImSchG i.V.m. der 11. BImSchV ergebenden
Anforderungen genügt.
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Damit sind der Anlaß (Vorlage einer in bestimmter Weise inhaltlich ausgestalteten
Emissionserklärung oder ihrer Fortschreibung bei der zuständigen Behörde) für die
behördliche Maßnahme (Überprüfung) und deren inhaltliche Reichweite hinreichend
konkretisiert und zugleich aus dem Kreis der sonstigen Überwachungsmaßnahmen
nach § 52 Abs. 1 BImSchG abgrenzbar herausgehoben. Da es der Anlagenbetreiber ist,
der mit der Vorlage seiner zu prüfenden Emissionserklärung oder ihrer Fortschreibung
zielgerichtet an die zuständige Behörde herantritt und dadurch deren gesetzliche,
zwingende Prüfungspflicht aktualisiert - die Behörde wird in diesen Fällen, anders als im
Rahmen sonstiger allgemeiner Überwachungsmaßnahmen, nicht von sich aus tätig -,
rechtfertigt dies eine Zurechnung dieses abgrenzbaren Tatbestandes zum Rechtskreis
des nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BImSchG Verpflichteten. Die „Möglichkeit einer rechtlich
nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handhabung",
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vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1990 und vom 1. März 1996, a.a.O., sowie
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Beschluß vom 25. September 1989, a.a.O.,
ist danach ausgeschlossen, weil die Behörde in den genannten Fällen ohne die aktive
Mitwirkung des Anlagenbetreibers gar nicht handeln kann. Auf die Vorhersehbarkeit der
konkreten Kosten kommt es insoweit nicht an. Das Bestimmtheitsgebot hat lediglich die
Funktion, Gebührentatbestände auszuschließen, die infolge ihrer Unbestimmtheit den
Behörden die Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen
Handhabung eröffnen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1996, a.a.O.
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Dies ist, wie oben dargelegt, ausgeschlossen.
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Auch der von dem Beklagten des weiteren geltend gemachte Zulassungsgrund nach §
124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Die Rechtssache weist keine besonderen
tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf; die Schwierigkeiten dieses
Verfahrens bewegen sich vielmehr im Rahmen eines normalen Maßes und lassen sich
ohne weiteres im vorliegenden Zulassungsverfahren klären.
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Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. März 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung A. vom 18. Juli 1996 ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der streitigen Gebührenerhebung ist § 1 Abs. 1, Abs. 2 GebG NW
i.V.m. § 1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO) in der im
Zeitpunkt der Beendigung der Prüfungen der Emissionserklärungen bzw. ihrer
Fortschreibungen (§ 11 Abs. 1 2. Alternative GebG NW) im August 1995 geltenden
Fassung der 15. Änderungsverordnung vom 30. Mai 1995, GV NW S. 568, sowie der
Tarifstelle 15 a.2.13 d des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) zur AVwGebO.
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Nach Tarifstelle 15 a.2.13 d AGT fällt für die Prüfung einer Emissionserklärung oder
deren Fortschreibung (§ 27 BImSchG) eine Rahmengebühr zwischen 200,- und 800,-
DM an.
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Dieser Gebührentatbestand verstößt nicht gegen höherrangiges Recht; er ist
insbesondere mit §§ 30 und 52 BImSchG vereinbar.
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Die §§ 30 und 52 BImSchG beschränken sich auf die positive Festlegung einer
Kostenpflicht zu Lasten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, wie der
Klägerin, lediglich insoweit, als die Kosten aus der Erfüllung unmittelbar kraft Gesetzes
bestehender (etwa § 27 BImSchG) oder aber im Wege behördlicher Anordnung im
Einzelfall (§§ 26, 28, 29, 29 a, 52 Abs. 2 und Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Sätze 2 und 3
BImSchG) begründeter Verpflichtungen resultieren, lediglich ergänzt um die - hier nicht
einschlägige - Kostentragungspflicht für die Prüfungen im Rahmen von
Genehmigungsverfahren (§ 52 Abs. 4 Satz 1 BImSchG); die Regelung der
Kostentragung im übrigen, d.h. insbesondere der Kostenpflicht für die sonstige
behördliche Überwachung i.S.d. § 52 Abs. 1 BImSchG, die, wie die Prüfung einer
Emissionserklärung oder ihrer Fortschreibung, gerade nicht in Wahrnehmung einer
einzelfallbezogenen Eingriffsermächtigung erfolgt, bleibt hingegen offen. Sie fällt damit
gemäß Art. 83 und 84 des Grundgesetzes in die Regelungskompetenz der
Bundesländer, die das Land Nordrhein-Westfalen mit der Aufnahme der Tarifstelle 15
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a.2.13 d in den Allgemeinen Gebührentarif der Allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung wahrgenommen hat.
Daß die §§ 30, 52 BImSchG die Befugnis der Länder zu Gebührenregelungen lediglich
insoweit ausschließen, als die genannten Bestimmungen selbst Kostenregelungen
treffen, entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens zum 3. Gesetz zur Änderung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes vom 11. Mai 1990, BGBl. I S. 870, in dem Bericht des
Bundestags-Umweltausschusses sinnfällig und eindeutig zum Ausdruck gekommen ist:
„Da der Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes den Ländern obliegt, sind diese
- soweit keine bundesrechtlichen Vorgaben gemacht worden sind - nämlich ohnehin zu
Regelungen über die Erhebung von Gebühren befugt."
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Vgl. BT-Drucks. 11/6633, S. 46; sowie zum vorangegangenen Vorschlag des
Bundesrates, BT-Drucks. 11/4909, S. 36.
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Der objektive Tatbestand der Tarifstelle 15 a.2.13 d AGT ist durch die Prüfung der
jeweiligen Emissionserklärung jeweils dem Grunde nach erfüllt.
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Die Klägerin ist, wie oben dargelegt, aufgrund der Abgabe der Emissionserklärungen
bzw. der Fortschreibungen Veranlasserin der gebührenpflichtigen Amtshandlungen
(Prüfung der Emissionserklärungen bzw. deren Fortschreibung) i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1
1. Alt. GebG NW und damit gebührenpflichtig. Die Höhe der mit dem niedrigstmöglichen
Betrag (200,00 DM) für den Bereich „Qualitätswesen" festgesetzten Gebühr begegnet
keinen Bedenken. Auch die übrigen Gebühren (300,00 DM/Gas- /Ölfeuerung; 400,00
DM/Munitionsbetrieb; 500,00 DM/Sprengstoffbetrieb und Lagerung) lassen eine
fehlerhafte Betätigung des dem Beklagten im Rahmen der Tarifstelle 15 a.2.13 d AGT
zukommenden Ermessens nicht erkennen; das Vorgehen des Beklagten, bei der
Ausfüllung des Gebührenrahmens den jeweiligen Verwaltungsaufwand zu
berücksichtigen, trägt § 9 Abs. 1 Nr. 1 GebG NW Rechnung, der genau dieses fordert.
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Da hiernach ein Obsiegen des Beklagten im Berufungsverfahren deutlich
wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen, begegnet das angefochtene Urteil ernstlichen
Zweifeln i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Vgl. zu diesem Maßstab: OVG NW, Beschluß vom 7. Mai 1997 - 9 A 1850/97 -; Seibert,
Die Zulassung der Berufung, DVBl 1997, 932.
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Der Senat ist im vorliegenden Fall nicht gehindert, aus diesem Grund die Berufung
zuzulassen, obwohl der Beklagte diesen Zulassungsgrund nicht ausdrücklich
bezeichnet hat.
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Zwar ist nach § 124 a Abs. 1 VwGO die Zulassung der Berufung nur im Rahmen der
Darlegung eröffnet und gehört hierzu auch die Geltendmachung bestimmter
Zulassungsgründe aus dem Katalog des § 124 Abs. 2 VwGO. Es ist jedoch nicht
erforderlich und mit der Funktion des Zulassungsverfahrens nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und
2 VwGO als Mittel zur Korrektur falscher erstinstanzlicher Entscheidungen
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vgl. Seibert a.a.O. m.w.N.,
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nicht zu vereinbaren, daß der jeweils in Betracht kommende Zulassungsgrund
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ausdrücklich und vollständig bezeichnet werden muß; vielmehr genügt es, wenn sich
der jeweilige Grund, weshalb der Antragsteller die Zulassung der Berufung begehrt,
unter Anwendung der nach § 88 VwGO maßgebenden Auslegungsregeln mit
hinreichender Deutlichkeit aus der dem Antrag auf Zulassung der Berufung
zugrundeliegenden Darlegung entnehmen läßt. Lediglich dann, wenn hieraus
ausnahmsweise eindeutig zu entnehmen ist, daß der Antragsteller die Zulassung der
Berufung ausschließlich unter dem ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrund
begehrt, ist dem Senat eine darüberhinausgehende Auslegung versagt.
Hiernach ist die Zulassung der Berufung unter dem Aspekt der ernstlichen Zweifel i.S.d.
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gerechtfertigt, weil der Beklagte im Rahmen der Begründung
seines Zulassungsantrags im einzelnen dargelegt hat, daß er die erstinstanzliche
Entscheidung für falsch hält. Der Darlegung ist auch nicht zu entnehmen, daß der
Beklagte seinen Zulassungsantrag ausnahmsweise auf die ausdrücklich bezeichneten
Gründe beschränkt wissen wollte; vielmehr steht das über diese Gründe hinausgehende
und substantiierte Begehren auf Korrektur der für falsch erachteten erstinstanzlichen
Entscheidung durchgängig im Vordergrund, so daß die gesonderte Bezeichnung des
hierfür passenden Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel als bloße Förmelei
verzichtbar ist.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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