Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.06.2007
OVG NRW: gemeinde, lebensmittel, unbestimmter rechtsbegriff, neubau, eag, stadt, versorgung, bevölkerung, markt, grundstück
Oberverwaltungsgericht NRW, 10 A 2439/06
Datum:
13.06.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 A 2439/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 6950/04
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 22.
Dezember 2004 verpflichtet, der Klägerin einen Bauvorbescheid für den
Neubau eines Lebensmitteldiscounters gemäß ihrem Antrag vom 27.
Februar 2004 auf dem Grundstück B.-- --straße (Gemarkung X. -F. , Flur
39, Flurstücke 575, 576, 578, 586, 587, 590, 591) zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines
Lebensmitteldiscounters. Sie ist Eigentümerin der in I. gelegenen, zur Zeit mit
Wohngebäuden bebauten Grundstücke Gemarkung X. -F. , Flur 39, Flurstücke 575, 576,
578, 586, 587, 590 und 591. Die Flurstücke liegen in einem Bereich, der im Norden und
Westen durch ausgedehnte Bahnanlagen begrenzt wird. Östlich schließt sich die
vierspurig ausgebaute E. Straße (B ) an. Südlich verläuft die B.----straße . Hier findet an
der Einmündung in die E. Straße gewerbliche Nutzung statt, daran schließt sich in
westlicher Richtung Wohnnutzung an. Unmittelbar südlich dieser Wohnbebauung
befinden sich wiederum Bahnanlagen sowie ausgedehnte Haldenanlagen der Zeche H.
C. und verschiedene Gewerbebetriebe. Das Baugrundstück und die beschriebene
Umgebung liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
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Ca. 1 km südlich im Ortsteil I1. befinden sich entlang der C1. Straße diverse
Einzelhandelsnutzungen, u.a. ein Edeka-Markt mit einer Verkaufsfläche von etwa 800
qm.
3
Mit Schreiben vom 27. Februar 2004 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag
auf Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Lebensmitteldiscounters mit
699 qm Verkaufsfläche sowie 108 Stellplätzen. Die Fragestellung lautet: "Ist eine
Realisierung des Bauvorhabens gemäß den beigefügten Unterlagen planungs- und
bauaufsichtsrechtlich möglich?" In der Baubeschreibung wird zur Art des Betriebes
ausgeführt: "Errichtung eines Lebensmitteldiscounters, Einzelhandel mit Waren aller Art
einschließlich Lebensmittel und frei verkäuflichen Arzneimitteln".
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Mit Schreiben vom 4. August 2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, ein positiver
Bescheid könne nicht in Aussicht gestellt werden. Der geplante Lebensmitteldiscounter
sei als Einzelhandelsstandort einzustufen, der im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO
negative Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur der Bevölkerung und auf die
Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche habe. Das Vorhaben sei planungsrechtlich
nur in einem Sondergebiet nach § 11 BauNVO zulässig und füge sich daher nach Art
der Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
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Mit Schreiben vom 1. September 2004 machte die Klägerin geltend, es handele sich
nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO.
Auch der neue § 34 Abs. 3 BauGB stehe der Genehmigung nicht entgegen, weil von
dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
ausgingen. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 ein schalltechnisches
Gutachten der Ingenieurgesellschaft H1. und Partner vom 3. September 2004 vor.
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Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 sprach sich die Industrie- und Handelskammer
C2. gegen den beabsichtigten Neubau eines Lebensmittel-Discountmarktes aus. Eine
Realisierung des Vorhabens führe zu einem Kaufkraftabfluss aus benachbarten
Ortsteilen. Angesichts der möglichen Gefahren für eine weitere positive städtebauliche
und versorgungsstrukturelle Entwicklung der Stadt I. in dem genannten Bereich halte sie
die Einleitung bauplanerischer Schritte für unverzichtbar.
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Unter dem 22. Dezember 2004 vermerkte der Beklagte, die Erschließung über die B.----
straße sei gesichert; ferner belege das Schallgutachten vom 3. September 2004, dass
die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt seien. Auch
eine Beeinträchtigung des Ortsbildes liege nicht vor. Das Maß der baulichen Nutzung,
die Bauweise und die zu überbauende Grundstücksfläche des geplanten Vorhabens
fügten sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
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Durch Bescheid vom gleichen Tag lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage der Klägerin
mit der Begründung ab: Das Vorhaben sei planungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB
zu beurteilen, weil es innerhalb einer Gemengelage aus Wohnnutzung und
gewerblicher Nutzung, die in einem Mischgebiet nicht zulässig sei, realisiert werden
solle. Der geplante Lebensmitteldiscounter liege mit einer Verkaufsfläche von 699 qm
im Grenzbereich zum großflächigen Einzelhandel. Das Vorhaben stelle keine
wohnungsnahe Versorgungseinrichtung dar, weil die hierzu erforderliche Bevölkerung
nicht vorhanden sei. Die überdimensionierte Stellplatzanlage verdeutliche, dass der
Standort autokundenorientiert sei. Daher seien trotz einer Geschossfläche von unter
1.200 qm und einer Verkaufsfläche von unter 700 qm Auswirkungen auf zentrale
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Versorgungsbereiche der Stadt I. zu befürchten, so dass das Vorhaben
planungsrechtlich nur in einem Sondergebiet zulässig sei. Die zu erwartende negative
Vorbildwirkung des geplanten Vorhabens führe zu einer ausgedehnten, städtebaulich
nicht integrierten Verdichtung großflächiger Einzelhandelsbetriebe. Der Erteilung eines
positiven Vorbescheids stehe insbesondere § 34 Abs. 3 BauGB entgegen. Es seien
Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Stadt I. zu erwarten. Dies werde
durch die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer belegt. Der geplante
Standort sei auf Autokunden ausgerichtet. Die Verlagerung der Kaufkraft zu einem
zwischenzentrischen Standort führe zu einer Schwächung der Nahversorgung in den
zentralen Versorgungsbereichen. Die Erreichbarkeit von Gütern des täglichen Bedarfs
werde durch eine solche Entwicklung nachhaltig erschwert und die Versorgung der
nicht automobilen Bevölkerung dauerhaft gefährdet.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid
Widerspruch ein.
10
Bereits am 21. Dezember 2004 hatte die Klägerin mit der Begründung Untätigkeitsklage
erhoben, ihr stehe ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids zu. Das
Vorhaben sei nach § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig. Die
Umgebungsbebauung werde sowohl durch gewerbliche Nutzung als auch durch
Wohnnutzung geprägt. Der Zulässigkeit könne auch nicht die Bestimmung des § 11
Abs. 3 BauNVO entgegengehalten werden. Das Vorhaben liege mit einer
Verkaufsfläche von 699 qm weit unterhalb der Grenze zur Großflächigkeit, welche das
Bundesverwaltungsgericht nunmehr bei 800 qm Verkaufsfläche angesetzt habe. Auch
die Neuregelung des § 34 Abs. 3 BauGB stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Diese
Regelung habe Ausnahmecharakter, so dass der Beklagte für das Vorliegen der
Ausnahmevoraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig sei. Im Übrigen gingen von
dem Vorhaben auch keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche aus. Bei Lebensmitteldiscountern mit einer Verkaufsfläche, die
deutlich unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit bleibe, sei dies ohnehin fern
liegend. Die Klägerin verweist darüber hinaus auf die von ihr eingeholten
Verträglichkeitsanalyse der C3. Unternehmensberatung GmbH aus August 2005 mit
einem Nachtrag aus Januar 2006.
11
Die Klägerin hat beantragt,
12
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 22. Dezember 2004 zu
verpflichten, ihr einen positiven Bauvorbescheid für den Neubau eines
Lebensmitteldiscounters gemäß ihrem Antrag vom 27. Februar 2004 auf dem
Grundstück B.-- --straße (Gemarkung X. -F. , Flur 39, Flurstücke 575, 576, 578, 586, 587,
590, 591) zu erteilen.
13
Der Beklagte hat beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung hat er ausgeführt, das Vorhaben sei jedenfalls mit Einführung des § 34
Abs. 3 BauGB unzulässig geworden. Der Klägerin obliege der Beweis, dass von dem in
Rede stehenden Vorhaben keine Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu
erwarten seien. Dieser Beweis sei der Klägerin nicht gelungen. Die von ihr vorgelegte
Verträglichkeitsanalyse sei als Nachweis ungeeignet, weil sie auf falschen bzw.
16
unplausiblen Annahmen beruhe. Die Gefährdungsschwelle für das Versorgungszentrum
I1. sei überschritten. Ausgehend vom Einzelhandelsgutachten 1995 sei bis zum Jahr
2005 ein Rückgang der Betriebe zu verzeichnen. Dem Versorgungszentrum I2. Straße
stehe ein Übermaß an Einzelhandelsangeboten in dezentraler Lage gegenüber. Dieses
Übergewicht würde durch den neuen Markt noch einmal deutlich verstärkt.
Nach Durchführung eines Orts- und Erörterungstermins durch den Berichterstatter hat
das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. Mai 2006 die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Vorhaben stehe § 34 Abs. 3
BauGB entgegen. Es unterfalle auch als nicht großflächiger Einzelhandelsbetrieb dem
Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Aus den von der Klägerin eingereichten
Unterlagen, insbesondere der Verträglichkeitsanalyse der C3. Unternehmensberatung
GmbH aus August 2005, lasse sich aber nicht mit hinreichender Verlässlichkeit
prognostizieren, dass von dem geplanten Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen
auf zentrale Versorgungsbereiche ausgingen. Das vom Beklagten als gefährdet
angesehene Versorgungszentrum I1. stelle einen zentralen Versorgungsbereich im
Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB dar. Allerdings zähle der PLUS-Markt an der westlichen
Seite der E. Straße nach dem städtebaulichen Konzept der Stadt I. nicht mehr zum
Bereich des Versorgungszentrums. Damit eine schädliche Auswirkung vorliege, müsse
das Vorhaben eine Umsatzverlagerung von wenigstens 10 % zu Lasten des zentralen
Versorgungsbereichs erwarten lassen. Für das Nichtvorliegen einer entsprechenden
Umsatzverlagerung trage die Klägerin die Darlegungslast. Dieser sei sie nicht in vollem
Umfang nachgekommen. Das von der Klägerin beigebrachte Gutachten der C3. GmbH
komme zwar zu dem Schluss, dass durch den geplanten Discountmarkt, soweit er das
Versorgungszentrum I1. betreffe, nur eine Umsatzlenkung von 3,8 % bis 7,7 % erfolgen
werde. Das Gutachten habe aber ein mögliches Randsortiment des Lebensmittel-
Discountmarktes nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl Discountmärkte gerade auch
solche Randsortimente anböten. In ihrem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides
habe die Klägerin die Verkaufsfläche weder bezogen auf das Kernsortiment des
kurzfristigen Bedarfs (insbesondere Lebensmittel) noch auf ein Randsortiment begrenzt.
Ein Marktbetreiber wäre demnach nicht gehindert, die Verkaufsfläche für das
Randsortiment auszudehnen. Daher könne die Umlenkungsquote zu Lasten des
Versorgungszentrums I1. ansteigen und die Grenze von 10 % übertreffen. Es könne
somit keine hinreichend verlässliche Prognose getroffen werden, dass vom Vorhaben
der Klägerin keine schädlichen Auswirkungen auf den betroffenen zentralen
Versorgungsbereich I1. zu erwarten sei. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung
wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen.
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Gegen das der Klägerin am 15. Mai 2006 zugestellte Urteil hat diese am 14. Juni 2006
Berufung eingelegt. Mit am 4. Juli 2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die
Klägerin die Berufung begründet. I1. sei kein zentraler Versorgungsbereich. Es handele
sich um einen von § 34 Abs. 3 BauGB nicht erfassten Nahversorgungsbereich. Nicht
jede noch so kleine Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben könne in einer Großstadt
wie I. als zentraler Versorgungsbereich angesehen werden. Jedenfalls gingen von dem
geplanten Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen aus. Die Beweislast für das
Nichtvorliegen schädlicher Auswirkungen liege bei dem Beklagten. Nach den
allgemeinen Beweislastregeln müsse der Nachweis entgegenstehender Vorschriften
durch die Behörde erbracht werden. Die vom Verwaltungsgericht angenommene
Schwelle von mindestens 10 % Kaufkraftverschiebung werde unterschritten; zudem
müsse diese Schwelle, da das Gesetz "schädliche" Auswirkungen verlange, höher als
10 % angesetzt werden. Gegenstand des Antrags sei ein Lebensmitteldiscounter.
18
Dieser Betriebstyp schließe eine unbegrenzte Erweiterung der vorgesehenen Flächen
für andere Waren als Lebensmittel aus. Zudem führe eine Erweiterung des
Randsortiments zu einer Verringerung des Kernsortiments, so dass die Auswirkungen
auf das Versorgungsgebiet I1. insoweit wieder kompensiert würden. Schließlich sei
davon auszugehen, dass von nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben nur selten
schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgehen dürften.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines
Bescheides vom 22. Dezember 2004 zu verpflichten, ihr einen Bauvorbescheid für den
Neubau eines Lebensmitteldiscounters gemäß ihrem Antrag vom 27. Februar 2004 auf
dem Grundstück B.-- --straße (Gemarkung X. -F. , Flur 39, Flurstücke 575, 576, 578, 586,
587, 590, 591) zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22
Er trägt vor: Aus dem vom Rat der Stadt I. am 27. März 2007 beschlossenen
Nahversorgungskonzept ergebe sich, dass der Discountmarkt an der E. Straße in das
Zentrum I1. einzubeziehen sei. Ferner ergebe sich aus dem Konzept, dass jede weitere
Einzelhandelsentwicklung außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs unterbunden
werden müsse.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
24
Entscheidungsgründe:
25
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht
abgewiesen. Die als Untätigkeitsklage (§ 75 S. 1 VwGO) erhobene Verpflichtungsklage
(§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) ist zulässig und begründet.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2004 ist rechtswidrig und
verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat
einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides für den Neubau eines
Lebensmitteldiscounters. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht
entgegen, §§ 71 Abs. 2, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW.
27
Da das Grundstück der Klägerin nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt,
richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB.
Das Vorhaben erfüllt die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB (1.). Ihm steht § 34
Abs. 3 BauGB nicht entgegen (2.)
28
1. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist
innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es
sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der
Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung
einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren
Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die
29
Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser
Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Die nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben
auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft
wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die
Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken
kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen
Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
30
BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1979 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.
31
Die nähere Umgebung des Vorhabens weist hier hinsichtlich der Nutzungsstrukturen
einen diffusen Charakter auf. Nördlich und westlich des Vorhabengrundstücks befinden
sich großflächige Bahnanlagen mit einem ausgedehnten Gleissystem, die zum
Güterbahnhof X. -F. gehören. Nördlich des Bahngeländes entlang der C4. Straße
herrscht gewerbliche Nutzung vor. Östlich des Vorhabengrundstücks verläuft die
vierspurige Bundesstraße B (E. Straße), die Grundstücke jenseits dieser Straße werden
gewerblich genutzt (Bahnbetriebswerk, Elektrowerk). Südlich des Vorhabengrundstücks
verläuft die B.----straße . Hier wird an der Einmündung in die E. Straße ein Grundstück
gewerblich genutzt, daran schließt sich entlang der B.----straße in westliche Richtung
Wohnnutzung in Form von Ein- und Mehrfamilienhäusern an. Unmittelbar südlich dieser
Wohnbebauung befinden sich wiederum Bahnanlagen sowie ausgedehnte
Haldenanlagen der Zeche H. C5. . Im weiteren südlichen Verlauf der E. Straße wird die
westliche Straßenseite gewerblich genutzt, während an der östlichen Straßenseite
Wohnnutzung vorherrscht.
32
Da die nähere Umgebung des Vorhabens durch gewerbliche Nutzung sowie - in
begrenztem Umfang - entlang der B.----straße durch Wohnnutzung geprägt wird,
entspricht die Eigenart der näheren Umgebung keinem der in der
Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete. Sie ist als Gemengelage zu
beurteilen. Wegen der intensiven und großflächigen Nutzung durch die Bahnanlagen
des Güterbahnhofs kommt auch eine Einordnung als Mischgebiet im Sinne von § 6
BauNVO nicht in Betracht. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift dienen Mischgebiete neben
dem Wohnen der Unterbringung von "nicht wesentlich störenden" Gewerbebetrieben im
Sinne eines gleichwertigen Nebeneinanders zweier Nutzungsarten. Die allgemeine
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich daher seiner Art nach
nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB.
33
Der von der Klägerin geplante Einzelhandelsbetrieb fügt sich seiner Art nach in die
Eigenart der näheren Umgebung ein, weil er sich als gewerbliche Nutzung im Rahmen
der Umgebungsbebauung hält. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der
Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche ergeben sich keine Anhaltspunkte,
dass sich das Vorhaben nicht innerhalb des sich aus der näheren Umgebung
hervorgehenden Rahmens hält.
34
Anhaltspunkte, dass das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" enthaltene
Gebot der Rücksichtnahme verletzt sein könnte, bestehen nicht. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der Lärmbelastung der Wohnnutzung an der B.----straße durch Pkw-
und Lkw-Verkehr. Nach dem schalltechnischen Gutachten der Ingenieurgesellschaft H1.
und Partner vom 3. September 2004 liegen die durch die Nutzung des Pkw-Parkplatzes
35
und der Lkw-Warenanlieferung entstehenden Geräuschimmissionen tagsüber unter dem
Immissionsrichtwert der TA Lärm von 60 dB(A). Dabei haben die Gutachter den
Immissionsrichtwert eines Mischgebiets zugrunde gelegt, was vor dem Hintergrund der
oben aufgezeigten Gemengelage zwischen gewerblicher und Wohnnutzung nicht zu
beanstanden ist. Auch die von Kühl- oder Lüftungsgeräten entstehenden
Geräuscheinwirkungen verstoßen nach dem Schalltechnischen Gutachten bei
Beachtung der Vorgaben nicht gegen die Schallschutzanforderungen. Auch der
Beklagte ist in seinem Vermerk vom 22. Dezember 2004 davon ausgegangen, dass
hinsichtlich des Schallschutzes die Anforderungen an gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben. Schließlich ist die Erschließung über die B.-- --
straße gesichert.
2. Das Vorhaben der Klägerin verstößt nicht gegen § 34 Abs. 3 BauGB. Nach dieser
Vorschrift, die mit dem Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien
(Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau, BGBl. 2004 I S. 1359) zum 20. Juli
2004 in Kraft getreten ist, dürfen von Vorhaben nach § 34 Absatz 1 oder 2 BauGB keine
schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in
anderen Gemeinden zu erwarten sein.
36
Die Vorschrift ist anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits mit
Schreiben vom 27. Februar 2004, also vor dem Inkrafttreten des § 34 Abs. 3 BauGB am
20. Juli 2004, den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids gestellt hat. Es gilt - wie
regelmäßig in Verpflichtungssituationen - der Grundsatz, dass bei der Versagung einer
Baugenehmigung oder eines Vorbescheids die letzte behördliche Entscheidung bzw. -
falls Klage erhoben wird - die letzte mündliche Verhandlung maßgeblicher Zeitpunkt für
die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist.
37
Etwas anderes folgt nicht aus den Überleitungsvorschriften der §§ 233 Abs. 1, 244
BauGB. Die aus Anlass des EAG Bau eingeführte Vorschrift des § 244 BauGB, die im
Verhältnis zur allgemeinen Überleitungsvorschrift spezielle Überleitungsregelungen
enthält, ist ebenso wenig wie § 233 BauGB einschlägig. Sie betreffen nur nach dem
BauGB förmlich eingeleitete Verfahren. Dies sind Verfahren zur Aufstellung, Änderung,
Ergänzung und Aufhebung von Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und
sonstigen Satzungen des Baugesetzbuchs, nicht aber dazu gehören die in den
Bauordnungen der Länder geregelten Baugenehmigungsverfahren oder sonstige
bauaufsichtsrechtliche Verfahren. Infolgedessen gelten die Grundsätze des
intertemporären Rechts.
38
Bielenberg/Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Dezember 2006, § 233
Rn. 6.
39
Auch aus dem durch das EAG Bau eingeführten § 238 Satz 2 BauGB ergibt sich, dass
die neue Rechtslage Anwendung findet. Diese Vorschrift behandelt die Gewährung
einer Entschädigung, wenn durch die Änderung des § 34 BauGB durch das EAG Bau
die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich
geändert wird.
40
Vgl. Gatawis, Die Neuregelung des § 34 III Baugesetzbuch (BauGB), in: NVwZ 2006,
272.
41
Bei dem geplanten Lebensmitteldiscounter handelt es sich um ein Vorhaben im Sinne
42
von § 34 Abs. 3 BauGB (a). Zentrale Versorgungsbereiche können auch Grund- und
Nahversorgungszentren sein (b). Der Senat lässt offen, ob es sich bei dem Bereich I1.
um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne dieser Vorschrift handelt (c).
Jedenfalls sind schädliche Auswirkungen auf diesen Bereich durch das Vorhaben der
Klägerin nicht zu erwarten; der Senat folgt nicht den Ausführungen des VG zur
Darlegungslast (d).
a) Der geplante Lebensmitteldiscounter ist ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 3
BauGB, auch wenn es sich hierbei nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb
handelt. Die Klägerin plant eine Verkaufsfläche einschließlich des Kassenvorraums von
698,64 qm, hinzu kommt ein Windfang für den Ein- und den Ausgang von jeweils 6,60
qm. Da bei der Berechnung der Verkaufsfläche auch der Kassenvorraum sowie ein
Windfang einzubeziehen sind,
43
vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 4 C 10.04 -, BRS 69 Nr. 71,
44
beträgt die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens insgesamt 711,84 qm. Damit
überschreitet das streitige Vorhaben nicht die Schwelle zur Großflächigkeit, die das
Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO bei 800
qm gezogen hat.
45
Der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB ist jedoch nicht auf
großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO
beschränkt. Der Wortlaut der Vorschrift, welcher allein auf "Vorhaben nach Absatz 1
oder 2" abstellt, gibt für eine derartige einschränkende Auslegung nichts her. Zwar wird
in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/2250, S. 54) ausgeführt, dass die Vorschrift
"insbesondere Vorhaben des großflächigen Einzelhandels, deren städtebaulichen
Auswirkungen über die nähere Umgebung hinausgehen", betrifft. Jedoch geht die
Begründung auch davon aus, dass "bei entsprechender Fallkonstellation" die Regelung
des § 34 Abs. 3 BauGB auch für andere Vorhaben als großflächigen Einzelhandel
Bedeutung erlangen kann. Damit wird deutlich, dass jedenfalls im Einzelfall auch
Einzelhandelsbetriebe unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit unter Berufung auf §
34 Abs. 3 BauGB abgelehnt werden können.
46
So auch Gatawis, a.a.O., S. 273; Uechtritz, Neuregelungen im EAG Bau zur
"standortgerechten Steuerung des Einzelhandels", in: NVwZ 2004, 1025 (1029), Fn. 44;
Heilshorn/Seith, Zulassung und Planung großflächiger Einzelhandelsbetriebe, in:
VBlBW 2004, 409 (410).
47
b) Zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB können auch Grund-
und Nahversorgungszentren sein.
48
Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde,
denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse
Dienstleistungen und gastronomisch Angebote - eine bestimmte Versorgungsfunktion
für die Gemeinde zukommt. Ein "Versorgungsbereich" setzt mithin Nutzungen voraus,
die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - ggf. auch nur eines Teils des
Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. "Zentral" sind
Versorgungsbereiche, wenn ihnen die Bedeutung eines Zentrums für die Versorgung
zukommt. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der
Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich auf
49
Grund der verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion
eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat. Diese Funktion besteht
darin, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs mit einem auf den
Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel oder langfristigen
Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2006 - 7 A 964/05 -; BauR 2007, 845 m.w.N.
50
Dabei können zentrale Versorgungsbereiche sowohl einen umfassenden als auch
einen nur eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken. Zu den zentralen
Versorgungsbereichen gehören demnach Innenstadtzentren, die einen größeren
Einzugsbereich, in der Regel das gesamte Stadtgebiet und ggf. darüber hinaus ein
weiteres Umland versorgen, und in denen regelmäßig ein breites Spektrum von Waren
für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird. Ferner gehören dazu auch
Nebenzentren, welche eine Teilfunktion des eigentlichen Innenstadtzentrums
übernehmen.
51
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2006 - 4 B 50.06 -, wonach es "nicht
zweifelhaft" sei, dass in einer entsprechend großen Gemeinde auch mehrere
Nahversorgungszentren bestehen können, die gegebenenfalls in Haupt- und
Nebenzentren zu unterteilen seien.
52
Schließlich können auch Bereiche für die Grund- und Nahversorgung zentrale
Versorgungsbereichen im Sinne des § 34 Abs. 3 darstellen. Diese versorgen in der
Regel nur bestimmte Stadtteile größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte mit Waren
des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs. In größeren und mittleren Städten dienen
sie der Versorgung der Bevölkerung verschiedener Quartiere von zumeist einigen
tausend Einwohnern vornehmlich mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, die regelmäßig
auch durch beschränkte Angebote von einzelnen Waren des mittelfristigen Bedarfs wie
z.B. Bekleidung sowie von Dienstleistungen (Bank, Lottoannahmestellen, Friseur etc.)
ergänzt werden. Häufig sind solche Grund- und Nahversorgungszentren dadurch
gekennzeichnet, dass in ihnen ein größerer Frequenzbringer - zumeist ein
Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs - vorhanden ist.
53
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2006, a.a.O.; Kuschnerus, Der
standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007, Rn. 155.
54
Dass in einer Gemeinde mehrere zentrale Versorgungsbereiche bestehen können,
ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 BauGB ("zentrale
Versorgungsbereiche"). Auch die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass in einer
größeren Gemeinde zentrale Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen bestehen
können. In der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum EAG Bau (BT-Drs.
15/2250, S. 41), durch welches § 34 Abs. 3 BauGB neu eingefügt worden ist, heißt es
zur Neufassung des § 2 Abs. 2 BauGB, in der vorgeschlagenen Regelung würden die
"Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche - auch in ihren unterschiedlichen
Stufen - der Gemeinde genannt". Noch deutlicher kommt der Wille des Gesetzgebers in
der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des zum 1. Januar 2007 in Kraft
getretenen Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung
der Städte (BT-Drs. 16/2496, S. 11) zum Ausdruck, mit dem unter anderem
bauplanerische Festsetzungen zur Zulässigkeit nur bestimmter Nutzungsarten im
unbeplanten Innenbereich ermöglicht worden sind (§ 9 Abs. 2a BauGB n.F.). In der
55
Entwurfsbegründung heißt es, " der Begriff ‚Zentraler Versorgungsbereich' umfasst
Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen, also insbesondere Innenstadtzentren
vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie
Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen und nichtstädtischen
Gemeinden". Dass demselben Begriff in § 2 Abs. 2 BauGB, § 9 Abs. 2a BauGB und §
34 Abs. 3 BauGB jeweils ein anderes Verständnis zugrunde liegen sollte, ist
fernliegend.
c) Es mag einiges dafür sprechen, dass es sich bei dem Bereich I1. um einen zentralen
Versorgungsbereich im Sinne eines Grund- und Nahversorgungszentrums handelt.
Maßgeblich für eine derartige Abgrenzung sind in erster Linie die konkreten räumlichen
Gegebenheiten.
56
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2006 a.a.O.
57
Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch gemeindliche Planungen zur Abgrenzung
eines zentralen Versorgungsbereichs herangezogen werden können und welchen Grad
an Verbindlichkeit und Konkretheit diese ggf. aufweisen müssen.
58
Vgl. hierzu nunmehr Reidt, Zentrale Versorgungsbereiche auf Grund von (informellen)
Planungen - interkommunale Abstimmung und weitere Anforderungen nach § 34 III
BauGB, in: NVwZ 2007, 664.
59
Der in Rede stehende Bereich dient der Versorgung insbesondere der Bevölkerung des
I3. Stadtteils I1. mit etwa 11.000 Einwohnern. Es werden nicht nur Waren des
kurzfristigen Bedarfs (insbesondere Lebensmittel), sondern auch des lang- und
mittelfristigen Bedarfs angeboten. Dieses Angebot wird durch Dienstleistungen ergänzt,
und es ist mit einem Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs ein sog.
"Frequenzbringer" vorhanden. Der maßgebliche Bereich erstreckt sich ausgehend vom
Kreuzungsbereich an der E. Straße entlang der C1. Straße in nordöstliche Richtung bis
etwa zum Bereich des Edeka- Supermarktes (C1. Straße 145). Innerhalb dieses
Bereichs ist ein verdichteter Geschäftsbesatz zu verzeichnen. Die Ladenabfolge wird
durchsetzt mit einem recht hohen Anteil von Gastronomie- und Imbissbetrieben. Ferner
werden Dienstleistungen angeboten (Reisebüro, Versicherungsbüro, Sparkasse,
Schuhmacher, Friseur, Hundesalon). Darüber hinaus sind auch Angebote für den mittel-
und langfristigen Bedarf vorhanden (Bekleidung, Lederwaren- und Geschenkartikel,
Stoffe und Gardinen, Schreibwaren, Schmuck, Telekommunikation). Außerdem
befinden sich in dem Bereich ein Schlecker-Drogeriemarkt, zwei
Ladenhandwerksbetriebe (Bäckerei und Metzgerei) sowie vier Kioskbetriebe. Den
östlichen Abschluss bildet ein Edeka-Supermarkt mit Bäckerei. Dieser Betrieb ist dem
fraglichen Bereich zuzurechnen, weil er an den verdichteten Geschäftsbesatz an der C1.
Straße angrenzt und darüber hinaus wegen der barrierefreien fußläufigen Anbindung
auch ein hohes Verknüpfungspotential damit aufweist. Ob es sich um ein Grund- und
Nahversorgungszentrum handelt, welches einen zentralen Versorgungsbereich im
Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB darstellt, bedarf jedoch ebenso wenig der Entscheidung
wie die Frage, ob auch der westlich der vierspurigen E. Straße (B 226) im
Kreuzungsbereich E. Straße / C1. Straße gelegene Lebensmitteldiscountmarkt PLUS
diesem Bereich zuzurechnen ist.
60
d) Denn jedenfalls sind schädliche Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB (dazu aa)
auf diesen Bereich in I. -I1. nicht zu erwarten (dazu cc). Ob dies der Fall ist, muss im
61
Rahmen der Amtsermittlungspflicht aufgeklärt werden, so dass es im Regelfall auf
Fragen der Darlegungs- und Beweislast nicht ankommt (dazu bb).
aa) Aus dem Wortlaut des Begriffs "schädliche Auswirkungen" ist abzuleiten, dass die
zu erwartenden Auswirkungen des jeweilige Vorhabens auf den betroffenen zentralen
Versorgungsbereich als in besonderem Maße negativ einzustufen sind. Das ist dann der
Fall, wenn die städtebauliche Funktion des Bereichs beeinträchtigt ist; die Störung der
Funktionsfähigkeit muss dabei, um als schädlich qualifiziert werden zu können, von
beachtlichem Gewicht sein.
62
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2006, a.a.O.; Söfker, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 34 Rn. 86; Berkemann/Halama,
Erstkommentierungen zum BauGB, 1. Auflage 2005, § 34 Rn. 26.
63
Für die Annahme einer beachtlichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des
Versorgungsbereichs ist von der vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielrichtung des § 34
Abs. 3 BauGB auszugehen. Dem Gesetzgeber kam es mit der Einfügung des Absatzes
3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34
BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen namentlich im
Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen. Damit ist die
Zulassungsfähigkeit von Vorhaben, von denen schädliche Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind, der Sache
nach der Zielsetzung des § 11 Abs. 3 BauNVO jedenfalls angenähert, ohne dass jedoch
das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO - namentlich die Vermutungsregel des
Satzes 3 der genannten Vorschrift - uneingeschränkt übernommen wurde.
64
Hiervon ausgehend berücksichtigt der Senat bei der Prüfung von schädlichen
Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB in Übereinstimmung mit dem 7. Senat
des OVG NRW insbesondere die Größe des Vorhabens, während der voraussichtlichen
Umsatzumverteilung regelmäßig nicht die allein maßgebende Bedeutung zukommt.
Auch bei § 34 Abs. 3 BauGB ist - nicht anders als sonst im Baurecht - auf baurechtlich
relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabensmerkmale abzustellen, die durch die für
das Vorhaben zu erteilende Baugenehmigung auch gesteuert werden können. Hierzu
gehört bei Einzelhandelsnutzungen insbesondere die Verkaufsfläche. Sie ist
maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen großflächigen und nicht
großflächigen Einzelhandelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO
und damit Maßstab für die Beurteilung der städtebaulichen Wirkung solcher Betriebe.
65
Demgegenüber lassen sich objektive Aussagen über voraussichtliche
Umsatzverteilungen nur schwer treffen. Bereits die zu erwartenden Umsätze eines
Betriebes können nur wenig verlässlich bestimmt werden. Zwar lässt sich für
verschiedene Branchen anhand von Erfahrungswerten näherungsweise ermitteln, mit
welchen ungefähren Größenordnungen des Umsatzes in der Regel je Quadratmeter
Verkaufsfläche zu rechnen ist; dabei gibt es jedoch erhebliche Bandbreiten. Noch
schwerer ist es, tragfähige Aussagen über eine voraussichtliche Umverteilung des
Umsatzes zu machen.
66
Vielmehr hängt die Frage, in welchem Ausmaß ein Unternehmen auf die bestehende
Markt- und Versorgungssituation einwirkt, von verschiedenen, baurechtlich nicht
beeinflussbaren Faktoren der individuellen Betriebsgestaltung des Unternehmens und
der Auswirkungen dieser Faktoren auf ein ebenfalls durch individuelle Besonderheiten
67
anderer Betriebe geprägtes Marktgeschehen ab. Hierzu gehören etwa die
Preisgestaltung, die Attraktivität des Warenangebots und seine Präsentation sowie das
Werbeverhalten. Diese Faktoren sind allesamt bodenrechtlich nicht relevant und damit
für die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben nur eingeschränkt geeignet.
Schon deshalb gibt es keinen "Schwellenwert", der - quasi automatisch - die Grenze zur
Schädlichkeit markiert.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2006, a.a.O., m.w.N.; Kuschnerus, a.a.O., Rn.
328 ff.; a.A. - Schwellenwert bei wenigstens 10 % - : Hofherr, in: Berliner Kommentar
zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., § 34 Rn. 71 b; Rieger in: Schrödter, Kommentar zum
BauGB, 7. Aufl. 2006, § 34 Rn. 76; Uechtritz, a.a.O., S. 1031; differenzierend Gatawis,
a.a.O., S. 275.
68
Auszugehen ist ferner davon, dass in der Regel nur von großflächigen
Einzelhandelsbetrieben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
ausgehen können. Auch der Gesetzgeber hatte - wie bereits ausgeführt - in erster Linie
diese großflächigen Vorhaben im Blick. Nur "bei entsprechenden Fallkonstellationen"
(vgl. BT- Drs. 15/2250, S. 54) habe diese Regelung auch für andere Vorhaben als
großflächigen Einzelhandel Bedeutung.
69
Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung sind im jeweiligen Einzelfall die
wechselseitigen Wirkungen zwischen dem in Rede stehenden Vorhaben und dem von
ihm beeinflussten zentralen Versorgungsbereich zu berücksichtigen. Kriterien sind
insbesondere die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens, die Verkaufsfläche
derselben Branche in dem zu schützenden Versorgungsbereich, der Abstand des
Vorhabens von dem betroffenen Versorgungsbereich sowie die konkrete städtebauliche
Situation insgesamt. Von Bedeutung sein kann vor allem, ob der außerhalb des
zentralen Versorgungsbereich anzusiedelnde Einzelhandelsbetrieb gerade auf solche
Sortimente abzielt, die in diesem Bereich von einem "Magnetbetrieb" angeboten
werden, dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die weitere
Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat.
70
bb) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts trägt - jedenfalls bei nicht
großflächigen Einzelhandelsbetrieben - nicht der Bauherr die Darlegungs- und
gegebenenfalls Beweislast für das Vorliegen schädlicher Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB.
71
Für eine Darlegungslast der Genehmigungsbehörde: Berkemann/Halama, a.a.O., § 34
Rn. 28; wohl auch Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage
2004, Rn. 2070, Uechtritz, a.a.O., S. 809; ders., § 34 III BauGB - Klarstellungen und
offene Fragen, NVwZ 2007, 660; Nr. 8.1.2 des Einzelhandelserlasses (Runderlass Nr.
23/1/2007) des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Raumplanung v.
10. April 2007; dagegen: Einführungserlass NRW zum EAG Bau vom 30. Januar 2005
(MBl. NRW v. 15. März 2005, S. 342); modifizierend: Gatawis, a.a.O., S 277.
72
Wer das Vorliegen schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in
einer Nachbargemeinde darzulegen hat, ist im vorliegenden Verfahren ohne Belang.
73
Das Tatbestandsmerkmal "schädliche Auswirkungen" ist ein gerichtlich voll
überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Die Behörde muss, um die Frage, ob
schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, beantworten zu können, die dem
74
Prognoseschluss zugrundeliegenden Tatsachen (Prognosebasis) von Amts wegen in
eigener Verantwortung ermitteln, § 24 Abs. 1 VwVfG NRW. Entsprechendes gilt für die
gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Entscheidung. Das Gericht hat sich gemäß
§ 86 Abs. 1 VwGO in eigener Verantwortung und ohne Bindung an eine Initiative der
Beteiligten das Tatsachenmaterial zu beschaffen und die nötigen Beweise zu erheben.
Im Verwaltungsprozess gibt es keine formelle Beweislast. Eine (materielle)
Beweislastentscheidung kommt nur in Betracht, wenn es trotz der erfolgten Ermittlung
des Tatsachenmaterials bei der Unerweislichkeit der Behauptung bleibt ("non liquet").
Vgl. Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006 § 108 Rn. 106 ff. m.w.N., vgl.
auch Schulte, (In-)Kompetenzen des Verwaltungsrichters bei der örtlichen
Augenscheinnahme, in: NJW 1988, 1006 (1010).
75
Wer in einem solchen Fall die Beweislast trägt, ist als materiellrechtliche Frage in
Auslegung der maßgeblichen Vorschrift zu ermitteln.
76
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 1978 - V C 20.76 -, BVerwGE 55, 288.
77
Für den vorliegenden Fall einer behördlichen Entscheidung zu § 34 Abs. 1 und 3
BauGB ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Regelung nach Wortlaut und
Systematik, dass die Genehmigungsbehörde ggf. die Beweislast dafür trägt, dass
schädliche Auswirkungen zu erwarten sind. § 34 Abs. 3 BauGB ist als
Ausnahmevorschrift anzusehen. Sie schränkt die Zulässigkeit eines Vorhabens nach §
34 Abs. 1 und 2 BauGB ein, so dass die Behörde für das Vorliegen der
einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen beweispflichtig ist.
78
Ebenso zu dem vergleichbaren "Günstigkeitsprinzip" Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 114;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 108 Rn. 13 mwN.
79
Die Zuweisung der materiellen Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des §
34 Abs. 3 BauGB an die Genehmigungsbehörde ist auch aus verfassungsrechtlichen
Gründen im Hinblick auf das besondere Gewicht des Eigentumsgrundrechts geboten.
80
Vgl. zur Bedeutung eines Grundrechts bei der Beweislastverteilung ebenfalls
Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 119 ff.
81
Die Baufreiheit im Sinne der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks beruht nicht auf
einer öffentlich-rechtlichen Verleihung; die Baugenehmigung teilt insoweit kein
"Baurecht" zu. Das materielle Recht zum Bauen folgt vielmehr letztlich aus dem
Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Das Recht, bauliche Anlagen zu
errichten und zu verändern, gehört nach den Grundsätzen des Baurechts zum Inhalt des
Eigentums.
82
Vgl. zur Baufreiheit BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512/97 -, BVerfGE
104, 1 ff; BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 - 4 C 10/97 -, BRS 60 Nr. 98 m.w.N.; vgl.
auch Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen,
Stand: Jan. 2007, § 75 Rn. 3 ff; Peschau, Die Beweislast im Verwaltungsrecht, 1983, S.
111.
83
Schließlich tritt hinzu, dass hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche nicht die Verantwortungs- und Verfügungssphäre des Bauherrn
84
betroffen ist.
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. März 1978,a.a.O.; Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 114.
85
Die Genehmigungsbehörde hat in aller Regel erheblich bessere Kenntnisse über die
gemeindlichen zentralen Versorgungsbereiche als der Bauherr. Sie hat einen Überblick
über die raumordnungsrechtlichen und städtebaulichen Konzeptionen der Gemeinde
sowie über die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse. Diese Beweislastverteilung ist auch
deshalb interessengerecht, weil die Gemeinde es in der Hand hat, Auswirkungen auf
ihre Versorgungsbereiche durch Bauleitplanung zu lenken. Mit Einführung des § 9 Abs.
2a BauGB zum 1. Januar 2007 hat der Gesetzgeber den Gemeinden zudem die
Möglichkeit eröffnet, die Zulässigkeit von Nutzungen im unbeplanten Innenbereich zur
"Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche" durch einfachen
Bebauungsplan zu steuern. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/2496, S. 10)
soll § 9 Abs. 2a BauGB es ermöglichen, über die "in ihrer Praktikabilität ...
eingeschränkte" Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB hinaus zentrale
Versorgungsbereiche zu sichern.
86
Reidt, a.a.O., verweist darauf, dass § 34 Abs. 3 BauGB in erster Linie dazu dient,
Nachbargemeinden Rechtsschutzmöglichkeiten zu gewähren. Die Standortgemeinde
könne sich selbst durch aktive Bauleitplanung Abwehrmöglichkeiten schaffen.
87
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass es Sache des Antragstellers im
Genehmigungsverfahren ist, die für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen
Unterlagen (Bauvorlagen) bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen (vgl. §§ 71 Abs. 2,
69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Dementsprechend soll die Bauaufsichtsbehörde den
Bauantrag zurückweisen, wenn die Bauvorlagen unvollständig sind oder erhebliche
Mängel aufweisen (§ 72 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW). Grund hierfür ist, dass der
Bauantrag das Vorhaben und damit den zu beurteilenden Verfahrensgegenstand
festzulegen hat, damit eine verlässliche baurechtliche Beurteilung durch die
Genehmigungsbehörde möglich ist. Die Bauaufsichtsbehörde soll von wesensfremden
Arbeiten - etwa der Vervollständigung der Bauvorlagen durch eigenes Personal oder
durch Hinzuziehung anderer Fachbehörden - entlastet werden.
88
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 72 Rn. 12.
89
Dieser aus § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW folgenden Pflicht kommt ein Antragsteller
nach, wenn er alle erforderlichen vorhabenbezogenen Bauvorlagen (vgl. dazu § 1 Abs.
1 BauPrüfVO) einreicht. Dies hat hier der Kläger getan. Er hat mit seinem Antrag auf
Erteilung eines Vorbescheids und den zugehörigen Bauvorlagen das Vorhaben
hinreichend genau festgelegt und damit eine baurechtliche Beurteilung durch die
Behörde ermöglicht. Seine Mitwirkungspflicht ist erfüllt, wenn den Bauvorlagen
einschließlich der Betriebsbeschreibung zu entnehmen ist, welche Auswirkungen von
seinem Vorhaben zu erwarten sein werden. Die Frage, ob diese Auswirkungen in der
näheren oder weiteren Umgebung als "schädlich" einzustufen sind, gehört hingegen
nicht zu der dem Antragsteller obliegenden Beschreibung seines Vorhabens.
90
Dem steht nicht entgegen, dass ein Antragsteller, der ein mit Beeinträchtigungen der
Umgebung verbundenes Vorhaben zur Genehmigung stellt, im Rahmen seiner
Mitwirkungspflicht in bestimmten Fallkonstellationen Gutachten beizubringen hat, wenn
nur so prognostiziert werden kann, welches Ausmaß etwa die von dem Vorhaben
91
verursachte Geräuschbeeinträchtigung oder Schattenwurfproblematik haben wird.
Vgl. für eine Windenergieanlage OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2001 - 7 A
410/01 -, BRS 64 Nr. 155.
92
Denn dabei handelt es sich um eine andere Fallgestaltung. Ohne ein Gutachten zum
Ausmaß der Schallemissionen oder zum Schattenwurf kann die Genehmigungsbehörde
in einem derartigen Fall keine Entscheidung darüber treffen, ob die Auswirkungen des
Vorhabens seiner Genehmigungsfähigkeit entgegenstehen. In dem hier vorliegenden
Fall eines Vorhabens, das möglicherweise Fernwirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3
BauGB auslösen könnte, muss der Antragsteller die Behörde im Rahmen seiner
Mitwirkungspflicht lediglich über diejenigen Faktoren unterrichten, die für die Bewertung
der Fernwirkungen maßgeblich sind, insbesondere also - wie dargestellt - über
Betriebsumfang und Betriebsstruktur.
93
cc) Von dem geplanten Vorhaben der Klägerin sind keine schädlichen Auswirkungen
auf den Bereich I1. zu erwarten. Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen ist
nicht ersichtlich, dass der geplante nicht großflächige Einzelhandel zu einer
beachtlichen Funktionsstörung des Bereichs I1. führen kann.
94
Das streitige Vorhaben liegt etwa 1 km nördlich dieses Bereichs an der vielbefahrenen,
vierspurigen Bundesstraße B (E. Straße) mit überörtlicher Verbindungsfunktion. Die
Umgebung ist von überwiegender gewerblicher Nutzung geprägt, Wohnnutzung findet
nur in geringem Rahmen entlang der B.----straße statt. Daraus und aus der hohen Zahl
der geplanten Parkplätze ergibt sich ohne weiteres, dass der strittige
Lebensmitteldiscounter in erster Linie auf die entlang der E. Straße fahrende
Autokundschaft abzielt. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Demgegenüber ist der Bereich I1. in weniger starkem Maße von dem
Durchgangsverkehr an der E. Straße abhängig. Er befindet sich an der C1. Straße und
ist von umfangreicher Wohnnutzung umgeben. Anders als das geplante Vorhaben ist
dieses Gebiet durch die I2. Bevölkerung fußläufig gut erreichbar. Dies zeigt, dass durch
das strittige Vorhaben eher Wettbewerbswirkungen auf die entlang der E. Straße bzw.
der C4. Straße gelegenen - außerhalb von Versorgungsbereichen angesiedelten -
weiteren systemgleichen Discountmärkte (insbesondere Lidl und Aldi) zu erwarten sind.
Auswirkungen des Vorhabens auf die Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs I1. -
unterstellt, dass es sich bei dem maßgeblichen Bereich um einen zentralen
Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB handelt - sind dagegen nur in
unbeachtlichem Maße zu befürchten.
95
Dies gilt insbesondere für den östlich gelegenen Edeka-Markt. Dieser stellt als einziger
Lebensmittelmarkt an der C1. Straße einen "Frequenzbringer" oder "Magnetbetrieb" dar
mit der Folge, dass dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die
Funktion der angrenzenden Geschäftsstraße hat. Aufgrund der anders gearteten
Sortiments- und Zielkundenausrichtung - der Edeka-Markt ist ein Vollsortimenter - und
wegen der oben dargelegten integrierten Lage mit einer nur geringen Orientierung an
den Durchgangsverkehr der E. Straße wird sich für diesen Betrieb keine grundlegend
veränderte Wettbewerbssituation durch das streitige Vorhaben ergeben, wovon auch die
von der Klägerin vorgelegte Verträglichkeitsanalyse der C3. Unternehmensberatung
GmbH ausgeht. Aufgrund dieser Gegebenheiten des Einzelfalls ist es auch nicht von
entscheidender Bedeutung, dass die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens an die
Verkaufsfläche des Edeka-Markts von etwa 800 qm heranreicht.
96
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist schließlich auch nicht die
Annahme gerechtfertigt, dass die Randsortimente des geplanten Lebensmittel-
Discountmarktes - typischerweise handelt es sich um in kurzen Zeitabständen
wechselnde Aktionsware, die auf einer begrenzten Verkaufsfläche angeboten wird - zu
Umsatzverlagerungen führen, die schädliche Auswirkungen auf den
Versorgungsbereich erwarten ließen. Zwar hat die Klägerin die Verkaufsfläche bezogen
auf dieses Randsortiment in ihrem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids nicht
begrenzt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine mehr oder
wenige unbegrenzte Ausweitung der Randsortimente zu Lasten des Kernsortiments
Lebensmittel beabsichtigt oder zulässig wäre. Denn der Vorbescheid ist ausdrücklich für
das Vorhaben "Neubau eine Lebensmitteldiscounters" beantragt worden. Durch diese
Bezeichnung des Vorhabens hat die Klägerin festgelegt, welche Nutzung beabsichtigt
ist und damit von einer entsprechenden Genehmigung gedeckt wäre. Damit wird der
Großteil der Verkaufsfläche dem Kernsortiment Lebensmittel vorbehalten bleiben.
97
Nichts anderes ergibt sich ferner unter Einbeziehung des PLUS-Marktes an der
westlichen Straßenseite der E. Straße. Anders als der Edeka-Markt stellt er aufgrund
seiner Lage und seiner recht geringen Verkaufsfläche von etwa 350 qm keinen
prägenden Frequenzbringer dar. Auch soweit er durch das geplante Vorhaben
möglicherweise in besonderem Maße einer Konkurrenzsituation ausgesetzt sein wird,
ist eine schädliche Auswirkung im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB nicht anzunehmen.
Denn es sind die Auswirkungen auf den gesamten Bereich des fraglichen
Versorgungszentrums in den Blick zu nehmen und nicht nur auf einen einzelnen
Betrieb, der ein ähnliches Sortiment anbietet. § 34 Abs. 3 BauGB dient nicht dem
Konkurrentenschutz. Das Bauplanungsrecht hat nicht die Wahrung von
Wettbewerbsinteressen im Blick, sondern verhält sich in dieser Hinsicht neutral. Mit der
Vorschrift soll die Funktionalität des gesamten Versorgungsbereichs geschützt werden.
Entscheidend ist allein, ob für diesen Gesamtbereich die kritische Schwelle der
Schädlichkeit überschritten wird.
98
Zur Wettbewerbsneutralität des § 34 Abs. 3 BauGB vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.
März 2007 - 10 B 2675/06 -, NVwZ 2007, 735; Gatawis, a.a.O., S. 275; Kuschnerus,
a.a.O., Rn. 347; Berkemann/Halama, a.a.O., § 34 Rn. 24.
99
Dies ist nach den obigen Ausführungen indes nicht der Fall.
100
Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte dem
Vorhaben der Klägerin entgegenstehen.
101
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
102
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 und 713 ZPO.
103
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
104
105