Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.02.2002

OVG NRW: empfang, radio, grundsatz der gleichbehandlung, allgemeine lebenserfahrung, gerät, wörterbuch, dienstzeit, erlass, verordnung, auflage

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 3540/00
Datum:
26.02.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 3540/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 K 5519/98
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird, soweit darin das Verfahren nicht
eingestellt worden ist, geändert.
Der durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht um 24,75 DM reduzierte Gebührenbescheid vom 30.
Juli 1998 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13. August
1998 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Verfahren zweiter Instanz auf (475,55 DM :
1,95583 =) 243,144854 EUR festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Erlass des angefochtenen Urteils wird
entsprechend § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
Bezug genommen. Der Senat macht sich die dort enthaltenen Feststellungen in vollem
Umfang zu Eigen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und
zur Begründung unter anderem ausgeführt: Der Kläger nutze sein tragbares Radio nicht
als tragbares Gerät und halte es auch objektiv nicht lediglich vorübergehend außerhalb
seiner Wohnung zum Empfang bereit. Ein vorübergehendes Bereithalten eines
tragbaren Radios außerhalb der Wohnung könne nur dann angenommen werden, wenn
das Radio nur für kurze Zeit und/oder nur ganz sporadisch außerhalb der Wohnung zum
Empfang bereitgehalten werde, nicht aber wenn es - wie im Fall des Klägers -
regelmäßig außerhalb der Wohnung genutzt werde. Das Hin- und Hertragen eines
Radios zu einem Ort, an dem es über eine gewisse Dauer und vor allem auch
regelmäßig zum Empfang bereitgehalten werde, lasse die Gebührenpflicht nicht
entfallen.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner mit Beschluss vom 20. September 2001
zugelassenen Berufung vor: Er nehme sein tragbares Radio regelmäßig, aber nicht
immer zum Dienst beim Landgericht D. mit. Auch außerhalb des Dienstes nutze er das
Radio in seiner Wohnung, z. B. im Bad, sowie im Garten und auf Urlaubsfahrten. In allen
Fällen liege ein vorübergehendes Bereithalten des Radios zum Empfang außerhalb der
Wohnung vor. Das Wort vorübergehend umfasse nämlich auch sich regelmäßig oder
häufig wiederholende Ereignisse von kurzer Dauer, weil das Wort nicht auf die
Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit eines Ereignisses, sondern auf dessen Dauer
abstelle. Mit der Gebührenfreiheit für tragbare Radios, die vorübergehend außerhalb der
Wohnung zum Empfang bereitgehalten würden, solle verhindert werden, dass
derjenige, der bereits für ein in seiner Wohnung stehendes Empfangsgerät Gebühren
zahle, für ein weiteres Gerät, dessen Benutzungsdauer gegenüber dem Erstgerät
deutlich in den Hintergrund trete, eine zusätzliche Rundfunkgebühr bezahlen müsse.
Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf das von ihm genutzte tragbare Radio erfüllt.
Er benutze es etwa 1285,9 Stunden pro Jahr während der Dienstzeit. Das entspreche
nur 15 % der Dauer des Bereithaltens eines stationären Radios, das 8760 Stunden im
Jahr zum Empfang bereitgehalten werde. Ein tragbares Radio sei im Übrigen mit einem
Autoradio insofern vergleichbar, als es gekauft werde, um es wie ein Autoradio
regelmäßig außerhalb der Wohnung nutzen zu können.
5
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
7
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor: Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger, wie er im
erstinstanzlichen Verfahren behauptet habe, sein tragbares Radio täglich zum Büro
transportiere. Im Übrigen behaupte er nunmehr im Berufungsverfahren, dass er das
Radio nicht immer, sondern regelmäßig mit zum Büro nehme. Im Büro nutze der Kläger
das Radio wie ein stationäres Gerät, weil es dort zumindest fast täglich zum Empfang
bereitgehalten werde. Damit liege auch kein vorübergehendes Bereithalten zum
Empfang außerhalb der Wohnung vor. Das Wort vorübergehend erfordere nämlich, dass
der ursprüngliche, dauerhafte Zustand baldmöglichst wiederhergestellt werde. Diese
Voraussetzung sei nur dann erfüllt, wenn der Kläger das Radio etwa für die Dauer einer
Fußballweltmeisterschaft oder für die Dauer olympischer Spiele mit ins Büro nehme, um
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sich über diese Sportereignisse aktuell zu informieren. Tragbare Radios seien im
Übrigen zumindest ursprünglich vor allem für die Nutzung im Freien konzipiert worden.
Die Gebührenfreiheit für tragbare Radios gelte deshalb nicht für solche Radios, die in
einen anderen Raum oder in eine weitere Wohnung des Rundfunkempfängers gebracht
würden. Unabhängig davon könne der Kläger sich auf eine Gebührenbefreiung nicht
berufen, weil diese nicht eingreife, wenn das tragbare Radio in gewerblich genutzten
Räumen aufgestellt werde.
II.
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Der Senat kann der Berufung gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss stattgeben,
weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich hält. Der Zustimmung der Beteiligten bedarf es nicht. Sie sind zu der
Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130 a Satz 2 iVm § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO
gehört worden.
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Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Gebührenbescheid des
Beklagten vom 30. Juli 1998 und der Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998 sind,
soweit sie nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
erfolgten Reduzierung der festgesetzten Gebührenforderung noch im Streit stehen,
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind §§ 1, 2 Abs. 1 und Abs. 2, 4 Abs. 1
bis Abs. 4, 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RgebSTV) vom
31. August 1991, GV NRW S. 423, in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides
maßgeblichen Änderung durch Art. 4 des Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrages,
GV NRW S. 495, iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages vom
31. August 1991, GV NRW S. 425, und § 8 Nr. 1 des
Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages vom 26. November 1996, GV NRW S. 495.
Danach kann der Kläger nicht zur Zahlung einer (weiteren) Rundfunkgebühr für sein
tragbares Radio herangezogen werden, weil für dieses Radio Gebührenfreiheit gemäß
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV besteht.
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Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV ist eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten für
weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder
ihrem Ehegatten als der allgemeinen Zweckbestimmung nach tragbare
Rundfunkempfangsgeräte vorübergehend außerhalb ihrer Wohnung oder
vorübergehend außerhalb ihres Kraftfahrzeuges zum Empfang bereitgehalten werden.
Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf das tragbare Radio des Klägers erfüllt.
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Es handelt sich um ein Zweitgerät im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV. Der Kläger
hat bei dem Beklagten ein weiteres Rundfunkempfangsgerät angemeldet, für das er
eine Rundfunkgebühr zahlt.
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Das Radio des Klägers ist ein der allgemeinen Zweckbestimmung nach tragbares
Rundfunkempfangsgerät. Ob diese objektive Voraussetzung für eine Gebührenfreiheit
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV vorliegt, richtet sich nach der Bauweise des
Gerätes.
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Vgl. Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, 1983, S. 132 f.
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Danach ist das Radio des Klägers ein der allgemeinen Zweckbestimmung nach
tragbares Rundfunkempfangsgerät, weil es - unstreitig - nach seiner Größe in einer
Aktentasche mitgenommen werden kann, mit Batterien betrieben wird und deshalb nicht
auf einen (ortsfesten) Stromanschluss angewiesen ist, sowie über eine Stabantenne
verfügt, die es ermöglicht, das Gerät an jedem Ort, an dem ein Rundfunkempfang
technisch möglich ist, einzusetzen.
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Die Gebührenfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV setzt weiter voraus, dass
der Kläger sein Radio auch tatsächlich als tragbares Rundfunkempfangsgerät zum
Empfang bereithält und zwar vorübergehend außerhalb der Wohnung. Das ist der Fall.
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Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV kommt
es nicht darauf an, dass und in welchem Umfang der Kläger das Radio auch in seiner
Wohnung, z. B. im Bad, nutzt. Die Gebührenfreiheit nach dieser Vorschrift setzt nämlich
voraus, dass das Zweitgerät vorübergehend außerhalb der Wohnung zum Empfang
bereitgehalten wird. Das Bereithalten eines tragbaren Radios zum Empfang in der
Wohnung und in weiteren Wohnungen des Rundfunkteilnehmers unterfällt allein dem
Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RgebSTV. Danach besteht
Gebührenfreiheit, soweit das tragbare Rundfunkempfangsgerät als Zweitgerät in der
Wohnung des Rundfunkteilnehmers bereitgehalten wird (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Halbsatz 1 RgebSTV). Hält er das tragbare Radio als Zweitgerät (auch) in weiteren
Wohnungen zum Empfang bereit, ist dies demgegenüber gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Halbsatz 2 RgebSTV gebührenpflichtig.
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Ob Gebührenfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 RgebSTV besteht,
soweit der Kläger sein tragbares Radio "hin und wieder" auch im Garten nutzt, weil -
wofür einiges spricht - der Begriff Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
RgebSTV den (hauseigenen) Garten umfasst, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner
näheren Erörterung. Sowohl das vom Kläger geltend gemachte gelegentliche
Bereithalten zum Empfang des tragbaren Radios im Garten als auch das gelegentliche
Bereithalten zum Empfang auf Urlaubsfahrten und das regelmäßige Bereithalten zum
Empfang am Arbeitsplatz für die Dauer der täglichen Dienstzeit stellen nicht nur eine
tatsächliche Nutzung des Radios als tragbares Rundfunkempfangsgerät, sondern auch
ein vorübergehendes Bereithalten zum Empfang im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
RgebSTV dar. Ein vorübergehendes Bereithalten zum Empfang im Sinne des § 5 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 RgebSTV liegt nämlich dann vor, wenn das tragbare
Rundfunkempfangsgerät nur zeitweilig und damit nicht dauernd außerhalb der
Wohnung zum Empfang bereitgehalten wird. Ein Indiz für dauernden Gebrauch liegt
dann vor, wenn das tragbare Rundfunkempfangsgerät außerhalb der Wohnung
stationär, also ortsfest, genutzt wird.
22
Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 5 August 1982 - 1 K 294/81 -; Grupp, a. a. O., S. 133.
23
Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV. Nach
dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "vorübergehend", soweit das Wort, wie in §
5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV zur Umschreibung der Zeitdauer eines Zustandes oder
Ereignisses gebraucht wird, zeitweilig. Den Gegensatz dazu bilden Zustände oder
Ereignisse, die andauern.
24
Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, 12. Band, 2. Abteilung, 1984, S. 1821; Paul,
25
Deutsches Wörterbuch, 6. Auflage, 1966, S. 768; Duden, das große Wörterbuch der
deutschen Sprache, Band 6, 1981, S. 2823; Duden, Vergleichendes
Synonymwörterbuch, 1964, S. 714.
Wie häufig ein Zustand oder Ereignis auf- bzw. eintritt, ist nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch des Wortes "vorübergehend" nicht entscheidend. Gelegentliche wie
auch regelmäßig wiederkehrende Zustände oder Ereignisse sind vorübergehende,
sofern sie jeweils nur zeitweilig auf- bzw. eintreten. In diesen Fällen dauern sie nämlich
nicht an, mögen sie auch eine gewisse Zeitspanne währen. Für regelmäßig
wiederkehrende Zustände oder Ereignisse, also etwa die tägliche Mitnahme eines
Radios zum Arbeitsplatz, folgt dies daraus, dass das jeweilige Ende der betreffenden
Zeitspanne des regelmäßig wiederkehrenden Zustandes oder Ereignisses eine Zäsur
darstellt, die - auch in der Gesamtschau - einem Andauern der Zustände und Ereignisse
entgegensteht.
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Für die dargelegte Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV spricht auch, dass
der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums,
27
vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 6. Februar 1996 - 6 B 72.95 -, Buchholz 401.84,
Nr. 78, S. 50 (51), vom 20. November 1995 - 6 B 73.95 -, Buchholz 401.84, Nr. 77, S. 49
(50), und vom 9. März 1984 - 7 B 238.81 -, Buchholz 401.84, Nr. 49, S. 25 (28);
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in dieser Vorschrift eine Gebührenfreiheit (nur) für solche Zweitgeräte vorsieht, die ihrer
allgemeinen Zweckbestimmung nach als tragbare Rundfunkempfangsgeräte außerhalb
der Wohnung genutzt werden. Tragbare Rundfunkempfangsgeräte sind nämlich nach
ihrer allgemeinen Zweckbestimmung nicht nur, wie der Beklagte meint, dazu bestimmt,
gelegentlich zeitweilig außerhalb der Wohnung zum Empfang bereitgehalten zu
werden. Der Erwerb eines tragbaren Rundfunkempfangsgerätes dient vielmehr nach der
Lebenserfahrung prinzipiell dem Zweck, das Gerät regelmäßig auch außerhalb der
Wohnung nutzen zu können. Mit dem Erwerb eines tragbaren
Rundfunkempfangsgerätes sind nämlich keinerlei rechtliche noch technische oder
sonstige Einschränkungen bei der Häufigkeit der Benutzung des Gerätes verbunden.
Vor diesem Hintergrund hätte, wenn nur für das gelegentlich zeitweilige, nicht aber für
das regelmäßig wiederkehrende Bereithalten eines tragbaren
Rundfunkempfangsgerätes außerhalb der Wohnung Gebührenfreiheit gewollt wäre,
Veranlassung bestanden, eine entsprechende Regelung in den
Rundfunkgebührenstaatsvertrag aufzunehmen. Da dies nicht geschehen ist, lässt dies
auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass er die Gebührenfreiheit gemäß § 5
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV auch auf die regelmäßig wiederkehrende und daher
jeweils nur zeitweilige Nutzung von tragbaren Rundfunkgeräten außerhalb der
Wohnung erstrecken wollte.
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Eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV, nach der das regelmäßig
wiederkehrende zeitweilige Bereithalten zum Empfang nicht gebührenfrei ist, wäre auch
mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Eine
dahingehende Auslegung würde bedeuten, dass derjenige eine Rundfunkgebühr
zahlen müsste, der regelmäßig bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein
tragbares Rundfunkempfangsgerät nutzt, weil er kein Kraftfahrzeug mit
Rundfunkempfangsgerät besitzt. Wer ein Kraftfahrzeug mit Rundfunkempfangsgerät
besitzt, muss dagegen für die regelmäßige Nutzung des Rundfunkempfangsgerätes im
Kraftfahrzeug gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 RgebSTV keine zusätzliche
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Rundfunkgebühr zahlen. Einen sachlich rechtfertigenden Grund, diese
Fallgestaltungen, in denen jeweils regelmäßig ein tragbares Rundfunkempfangsgerät
außerhalb der Wohnung zum Empfang bereitgehalten wird, gebührenrechtlich
unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich.
Die praktische Handhabung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV spricht ebenfalls
dafür, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Gebührenfreiheit auch das regelmäßige
zeitweilige Bereithalten zum Empfang außerhalb der Wohnung umfasst. Ob der
Rundfunkteilnehmer ein tragbares Radio dauernd, also in der Regel stationär, oder nur
vorübergehend außerhalb der Wohnung gebraucht, ist im Allgemeinen ohne besondere
rechtliche Schwierigkeiten zu klären. Die rechtliche - und auch tatsächliche -
Grenzziehung zwischen dem nur gelegentlich zeitweiligen und dem (schon)
regelmäßigen zeitweiligen Gebrauch eines Radios außerhalb der Wohnung ist dagegen
mit Hilfe klarer rechtlicher Abgrenzungskriterien angesichts der Vielgestaltigkeit der
denkbaren Lebenssachverhalte nicht in der Weise zu leisten, dass für jede in Betracht
kommende Fallgestaltung eine überzeugende und schlüssige Abgrenzung möglich ist.
Es widerspräche deshalb dem Zweck der Regelungen im
Rundfunkgebührenstaatsvertrag, den Rundfunkanstalten klare Abgrenzungskriterien an
die Hand zu geben, um den Verwaltungsaufwand angesichts der geringen
Gebührenhöhe möglichst niedrig zu halten,
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vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Februar 1996 - 6 B 72.95 -, a. a. O., und vom 20.
November 1995 - 6 B 73.95 -, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.
März 2000 - 2 S 74/99 -, DVBl 2000, 1710 (1711),
32
die Grenze zwischen dem gebührenpflichtigen und dem gebührenfreien Bereitstellen
von Zweitgeräten außerhalb der Wohnung daran festzumachen, ob ein nur
gelegentliches zeitweiliges oder (schon) ein regelmäßiges zeitweiliges Bereithalten
zum Empfang vorliegt. Dass auch bei der Grenzziehung zwischen dauerndem und
regelmäßig wiederkehrendem zeitweiligen Bereithalten entsprechend dem Vortrag des
Beklagten in tatsächlicher Hinsicht (Beweis-) Schwierigkeiten entstehen, ist für die
Frage der Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV ohne Belang, weil diese
Schwierigkeiten eine zwangsläufige Folge der - rechtlich nicht gebotenen -
Entscheidung des Gesetzgebers sind, vorübergehend außerhalb der Wohnung zum
Empfang bereitgehaltene tragbare Zweitgeräte nicht der Gebührenpflicht gemäß § 2
Abs. 2 RgebSTV zu unterwerfen.
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Soweit der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung, die Gebührenfreiheit gemäß §
5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV gelte nur für das gelegentliche zeitweilige Bereithalten
zum Empfang außerhalb der Wohnung, vorträgt, tragbare Rundfunkgeräte seien
zumindest ursprünglich in erster Linie für den Gebrauch im Freien "konzipiert" worden,
während der Kläger sein tragbares Radio überwiegend in den Räumen seines
Arbeitgebers zum Empfang bereithalte, kann dem nicht gefolgt werden. Ungeachtet aller
weiteren Zweifelsfragen vermag der Vortrag des Beklagten schon angesichts der
Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 RgebSTV nicht zu überzeugen. Danach gilt die
Gebührenfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder
Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen
Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt werden. Das
Anknüpfen an die Nutzung nur in Räumen lässt erkennen, dass der Gesetzgeber davon
ausgegangen ist, dass tragbare Rundfunkempfangsgeräte - selbstverständlich - auch in
Räumen ohne weitere Gebührenpflicht zum Empfang bereitgehalten werden können.
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Der Beklagte macht weiter ohne Erfolg geltend, dass der Kläger sich nicht auf
Gebührenfreiheit berufen könne, wenn er sein tragbares Radio vorübergehend in einer
Zweitwohnung zum Empfang bereithalte. Richtig ist, dass in diesem Fall für das
tragbare Zweitgerät Gebührenpflicht besteht, weil die Gebührenfreiheit nach § 5 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 RgebSTV daran anknüpft, dass das tragbare Zweitgerät außerhalb der
Wohnung genutzt wird, und weil die Gebührenpflicht für Zweitgeräte in Zweitwohnungen
nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RgebSTV nicht davon abhängt, ob das Zweitgerät dauernd
oder nur vorübergehend in der Zweitwohnung zum Empfang bereitgehalten wird. Unter
dem allein in Betracht kommenden Grundsatz der Gleichbehandlung lässt sich daraus
für die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV allerdings nichts herleiten. Bei
der Anwendung des Gleichheitssatzes ist nämlich stets danach zu fragen, ob eine
Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift ohne
sachlich rechtfertigenden Grund schlechter gestellt wird als eine andere vergleichbare
Person oder Gruppe.
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BVerfG, Beschlüsse vom 16. Oktober 1979 - 1 BvL 51/79, BVerfGE 52, 277 (280), und
vom 12. Dezember 1967 - 2 BvL 14/62, 3/64, 11/65, 15/66 und 2 BvR 15/67 -, BVerfGE
22, 387 (415); Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, 7. Auflage, Stand: Juli 2001,
Art. 3 Rdn. 151, m. w. N.
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Vor diesem Hintergrund kommt allein eine für die Entscheidung des vorliegenden
Verfahrens unerhebliche mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Schlechterstellung
derjenigen Rundfunkteilnehmer in Betracht, die tragbare Zweitgeräte vorübergehend in
Zweitwohnungen zum Empfang bereithalten.
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Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze besteht für das tragbare Radio des
Klägers auf der Grundlage seines Vortrags Gebührenfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 RgebSTV. Die Nutzung des Radios im Garten, soweit, wie ausgeführt, diese
Nutzung nicht bereits gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 RgebSTV gebührenfrei
ist, und die Mitnahme auf Urlaubsfahrten erfolgen vorübergehend außerhalb der
Wohnung, weil es sich - unstreitig - um gelegentliche zeitweilige Ereignisse handelt. Die
Nutzung des tragbaren Radios im Büro während der Dienstzeit stellt ebenfalls ein
vorübergehendes Bereithalten zum Empfang außerhalb der Wohnung dar, weil es sich
zwar um regelmäßig wiederkehrende Ereignisse handelt, die aber jeweils nur zeitweilig
sind. Denn der Kläger nimmt nach seinem Vortrag das Radio an den Tagen, an denen
er es im Büro nutzt, morgens zum Dienst mit und abends wieder zur Wohnung zurück.
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Zweifel daran, dass der Kläger sein Radio, soweit er es im Dienst zum Empfang
bereithält, morgens mit- und abends zurücknimmt, bestehen auch unter
Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten nicht.
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Soweit der Beklagte geltend macht, ein solches Verhalten widerspreche "jeder
Lebenserfahrung", fehlt ein substantiierter Vortrag dazu und ist auch sonst nicht
erkennbar, dass es eine allgemeine Lebenserfahrung mit diesem Inhalt gibt. Das
Verhalten des Klägers mag zwar im Vergleich zu dem Verhalten anderer
Rundfunkteilnehmer unüblich sein, weil es insbesondere mit Aufwand verbunden ist,
der von der Größe und dem Gewicht des tragbaren Rundfunkempfangsgerätes abhängt.
Anhaltspunkte dafür, dass das tragbare Radio des Klägers so groß oder so schwer ist,
dass ein täglicher Transport zum Arbeitsplatz völlig unwahrscheinlich erscheint, liegen
nicht vor. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers kann er sein
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Radio in einer Aktentasche transportieren. Im Übrigen gibt es auch keine
Lebenserfahrung, nach der während der Arbeitszeit stets nur stationäre, also ortsfeste,
Rundfunkgeräte genutzt werden.
Fehl geht auch der Vortrag des Beklagten, die Behauptung des Klägers im
Berufungsverfahren, er nehme sein Radio nicht jeden Tag mit zum Dienst, widerspreche
den Ausführungen in der Klagebegründung vom 6. Oktober 1998. Der Kläger hat auch
dort (S. 3 der Klagebegründung vom 6. Oktober 1998) vorgetragen, dass er sein Radio
"nicht einmal jeden Tag mitnehme".
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Unzutreffend ist auch die Auffassung des Beklagten, der Kläger könne sich nicht mit
Erfolg auf Gebührenfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RgebSTV berufen, weil das
Bereithalten eines tragbaren Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang in gewerblich
genutzten Räumen auch dann gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 RgebSTV gebührenpflichtig sei,
wenn das Rundfunkempfangsgerät dort nur vorübergehend aufgestellt werde. Eine
Nutzung zu gewerblichen Zwecken im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 RgebSTV liegt nur
dann vor, wenn eine Gewinn bringende, auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil
ausgerichtete Tätigkeit ausgeübt wird.
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BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1996 - 6 B 72.95 -, a. a. O.; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 20. März 2000 - 2 S 74/99 -, a. a. O.; OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 7. September 1988 - 6 A 88/87 -, NJW 1989, 1049 (1050).
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Es liegt auf der Hand, dass das Landgericht D. , bei dem der Kläger tätig ist, nicht in
diesem Sinne auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 11, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht erfüllt sind.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 73 Abs. 1 GKG iVm §§ 13 Abs. 2, 14 GKG a. F.
und erfolgt unter Berücksichtigung des Art. 3 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform des
Zivilprozesses vom 27. Juli 2001, BGBl I S. 1887, iVm Art. 4 der Verordnung (EG) Nr.
1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang
mit der Einführung des Euro, Abl. EG Nr. L 162 S. 1, sowie Art. 14 der Verordnung (EG)
Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro, Abl. EG Nr. L 139
S. 1.
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