Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.10.2000

OVG NRW: aufschiebende wirkung, wand, gebäude, anbau, luftraum, hauptsache, loggia, dachvorsprung, baurecht, grundstück

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 1266/00
Datum:
20.10.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 1266/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 8 L 1208/00
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen
die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. April 2000 wird
angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten der
Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde ist in dem im Tenor angeführten Umfang begründet; das durch
Baugenehmigung vom 3. April 2000 genehmigte Vorhaben verstößt gegen materielles
nachbarschützendes Baurecht, so dass die kraft Gesetzes entfallende aufschiebende
Wirkung des Nachbarwiderspruchs im Rahmen der nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO
gebotenen Abwägungsentscheidung im vorliegenden Fall anzuordnen ist.
2
Die Baugenehmigung verstößt entgegen der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts gegen § 6 BauO NW; denn das Vorhaben hält die gegenüber dem
Antragstellergrundstück zu wahrende Abstandsfläche nicht ein, so dass nachbarliche
Abwehrrechte des Antragstellers bestehen.
3
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass sich die von dem westlichen Anbau in
Richtung auf das Grundstück des Antragstellers erstreckende Abstandsfläche (T 3) nur
nach der Höhe der geschlossenen erdgeschossigen Wand dieses Anbaus bestimme.
4
Das Geländer der über dem erdgeschossigen Teil liegenden Dachterrasse trete soweit
zurück, dass diese sich im gegebenen Zusammenhang nicht auswirke, der
Dachüberstand führe nicht zu einer Veränderung der Abstandsfläche, weil er nicht mehr
als 1,50 m über die äußere Wand vortrete und damit gemäß § 6 Abs. 7 BauO NW
abstandsrechtlich irrelevant sei.
Die isolierte Betrachtung von erdgeschossigem Anbau einerseits und darüberliegendem
Dachvorsprung andererseits trägt der gegebenen Situation nicht zutreffend Rechnung.
Die Wirkung der genannten Bauteile ist nicht auf sich selbst beschränkt. Ihr
Charakteristikum liegt vielmehr darin, dass sie in wechselseitigem Zusammenwirken
sowohl nach der architektonischen Konzeption als auch nach dem optischen Bild
faktisch dazu führen, dass das Gebäude komplett, d.h. im Umfang des vollen Ausmaßes
des Dachüberstandes seiner vollen Ausmaße, nach Westen hin verlängert in
Erscheinung tritt. Demzufolge wirkt auch der Luftraum zwischen dem Dachüberstand
und der Dachterrasse bzw. dem Dach des Erdgeschossanbaus nicht als dem
eigentlichen Gebäude nicht mehr zugehörig, sondern vielmehr, in der Art einer Loggia,
als in die Gesamtkubatur dieses Gebäudeteils einbezogener Bereich. Dachüberstand
und erdgeschossiger Anbauteil sind damit trotz des zwischenliegenden Luftraums und
des geringfügigen Zurücktretens des Balkons als Strukturelemente einer einheitlichen
Wand anzusehen, so dass sich die Wandhöhe nach der Höhe des Schnittpunktes der
Fortsetzung der Wand mit der Dachhaut bemisst und die Abstandsfläche damit in dem in
Rede stehenden Bereich nicht eingehalten ist.
5
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers war danach stattzugeben. Von der Anordnung einstweiliger Maßnahmen
zur Sicherung des Rechts des Antragstellers war abzusehen. Abgesehen davon, dass
nach Aktenlage viel dafür spricht, dass der die Abwehrrechte auslösende
Dachüberstand bereits errichtet ist, sind dem Antragsteller jedenfalls die insoweit
bewirkten zusätzlichen Belastungen bis zur abschließenden Entscheidung in der
Hauptsache zuzumuten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung
über den Streitwert auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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