Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.12.2008

OVG NRW: versorgung, soldat, kapitalabfindung, auflösende bedingung, altes recht, verfassungskonforme auslegung, ruhegehalt, verwaltungsakt, rücknahme, nato

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 282/07
Datum:
17.12.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 282/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 27 K 6432/04
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der X. West vom 8.
März 2004 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 10.
August 2004 verpflichtet, die Versorgungsbezüge des verstorbenen
Ehemannes der Klägerin unter entsprechend rückwirkender Aufhebung
(Rücknahme) des Regelungsbescheides der X. West vom 5. Januar
1993 über das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 55b SVG a.F. für
die Zeit ab September 1999 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass die
Versorgung nicht weiter in Anwendung des § 55b Abs. 3 Satz 1 i.V.m.
Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. ruht, nachdem der dem verstorbenen Ehemann
von Seiten der NATO an Stelle einer Versorgung zugeflossene
Kapitalbetrag in Höhe von 115.000,00 DM (entspricht 58.798,57 Euro)
durch die bisherigen Ruhensbeträge mit Ablauf des August 1999 in
vollem Umfang ausgeglichen ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, zum Ausgleich der seit dem 1.
September 1999 bis zum 31. August 2004 einbehaltenen
Ruhensbeträge an die Klägerin als Erbin ihres verstorbenen
Ehemannes einen Betrag in Höhe von 48.957 Euro nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab
dem 3. September 2004 zu zahlen. Dieser Anspruch wird fällig mit dem
Erlass des Bescheides über die Teilaufhebung der bisherigen
Ruhensbezüge sowie die entsprechende Neufestsetzung der
Versorgungsbezüge.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin ist die Witwe und zugleich (Allein-)Erbin des im Jahre 1938 geborenen, am
27. Juli 2007 verstorbenen ehemaligen Klägers V. I. . Sie führt das von ihrem Ehemann
in der ersten Instanz noch selbst durchgeführte Klageverfahren in der zweiten Instanz
fort.
2
Der verstorbene Ehemann der Klägerin war nach seinem zum 5. Januar 1960 erfolgten
Eintritt in die Bundeswehr ab dem 2. April 1962 Berufssoldat, zuletzt im Range eines
Oberstleutnants. Vom 14. April 1975 bis zum 30. September 1984 war er zur
Dienstleistung an das NATO I1. Management Office beurlaubt. Für diese Tätigkeit
wurde ihm eine Kapitalabfindung in Höhe von 115.000,00 DM gezahlt. Mit Ablauf des
31. Dezember 1992 wurde Oberstleutnant I. gemäß § 2 Personalstärkegesetz
(PersStärkeG) in den Ruhestand versetzt.
3
Durch Bescheid vom 4. Januar 1993 setzte die Beklagte den Ruhegehaltssatz des
früheren Klägers in Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden
Soldatenversorgungsrechts (SVG a.F.) auf 75 v. H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge
fest. Mit weiterem Bescheid vom 5. Januar 1993 verfügte die Beklagte, dass die
Versorgungsbezüge von Oberstleutnant a. D. I. mit Wirkung vom 1. Januar 1993 der
Ruhensregelung nach § 55b Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. unterliegen und sich
der Ruhensbetrag auf 19,26 v. H. (9 x 2,14) seiner ruhegehaltfähigen Dienstbezüge
beläuft. Zusätzlich wurde mit Bescheid vom 22. November 1999 - begrenzt auf die Zeit
vom 1. September 1995 bis zum 31. Dezember 1995 - das Ruhen eines Betrages von
25,65 v. H. (9 x 2,85) des kinderbezogenen Anteils im Orts- bzw. Familienzuschlag
geregelt. Beide Ruhensbescheide wurden von dem früheren Kläger nicht angefochten.
4
Mit Schreiben vom 15. Februar 2004 beantragte der frühere Kläger bei der Beklagten,
die Kürzung seiner Versorgungsbezüge gemäß § 55b SVG aufzuheben oder zu
mindern, da er bislang aufgrund der Ruhensregelung deutlich mehr zurückgezahlt habe,
als er als Kapitalabfindung für die NATO-Verwendung erhalten habe. Durch die
gleichwohl fortdauernde Kürzung seiner Versorgungsbezüge werde der Dienstherr
somit ungerechtfertigt bereichert.
5
Diesen Antrag lehnte die X. West (W. West) mit Bescheid vom 8. März 2004 mit der
Begründung ab, die in Rede stehenden Versorgungsbezüge unterlägen auf Dauer der
Ruhensregelung des § 55b SVG, da Oberstleutnant I. von der Möglichkeit, den
Kapitalbetrag an den Bund abzuführen, innerhalb der gesetzlich festgelegten Jahresfrist
keinen Gebrauch gemacht habe. Eine andere Möglichkeit, die laufende Kürzung der
Versorgungsbezüge insgesamt auf die Höhe des erhaltenen Kapitalertrags zu
begrenzen, sehe § 55b SVG in der hier maßgeblichen Fassung nicht vor. Dies gelte
auch dann, wenn die Summe der einbehaltenen Versorgungsbezüge den gewährten
Kapitalbetrag übersteige.
6
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde darauf gestützt, dass gemäß § 55b Abs. 7
SVG (n.F.) der Ruhensbetrag die von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen
Einrichtung gewährte Abfindung nicht übersteigen dürfe. Bei dem früheren Kläger seien
bislang insgesamt 104.489,39 Euro an Ruhensbeträgen abgezogen worden (Stand: 30.
April 2004). Der somit zu Unrecht einbehaltene Betrag in Höhe von 45.690,79 Euro sei
von der Beklagten zurückzuzahlen. Zugleich verstoße der weitere Abzug von
Ruhensbeträgen gegen die Grundrechte aus Art. 14, Art. 3 und Art. 2 des
Grundgesetzes (GG).
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2004 wies die W. West den Widerspruch
zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus: Die in § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F.
geregelte Begrenzung der Ruhensregelung auf den Betrag der von der zwischen- bzw.
überstaatlichen Einrichtung gewährten Versorgung gelte nicht für Empfänger von
Kapitalabfindungen. Dies folge aus dem eindeutigen Wortlaut des § 55b Abs. 3 SVG
a.F., der nur auf Abs. 1 Satz 1 Bezug nehme. Eine Abwendung der Ruhensregelung sei
somit allein unter den Voraussetzungen des § 55b Abs. 3 Sätze 2 bis 4 SVG a.F. über
die Abführung des Betrages an den Bund möglich gewesen; hiervon habe der frühere
Kläger aber keinen Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen
des Verfahrens nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) seien nicht erfüllt.
Insbesondere habe sich die der Ruhensregelung zugrunde liegende Sach- oder
Rechtslage nicht nachträglich zugunsten des früheren Klägers verändert. Die
Aufrechterhaltung der nach § 55b SVG a.F. getroffenen Entscheidung sei nicht
schlechthin unerträglich, sodass die Erteilung eines Zweitbescheides ausscheide.
Schließlich seien auch keine Grundrechtsverletzungen erkennbar.
8
Am 3. September 2004 hat der frühere Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er
ergänzend geltend gemacht hat: Alle Bescheide hinsichtlich der Ruhensregelung seien
von dem Zeitpunkt an rechtswidrig, wenn nicht nichtig, von dem an der Abzug der
Versorgungsbezüge den gewährten Kapitalbetrag übersteige. Die Nichtanwendung der
Begrenzungsregelung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. auf diesen Fall sei
offensichtlich fehlerhaft. Aus der Vorschrift des § 55b Abs. 3 SVG a.F. (entspricht Absatz
4 der aktuellen Fassung) ergebe sich, dass die Leistung eines Kapitalbetrags laufenden
Versorgungsbezügen gleichzustellen sei. Sofern noch keine Nichtigkeit der
Ruhensregelung vorliegen sollte, sei die in Rede stehende Ruhensregelung jedenfalls
gemäß § 48 VwVfG zurückzunehmen. Wegen der Schwere des Fehlers sei dabei das
Rücknahmeermessen der Beklagten auf Null reduziert. Auch lägen die
Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG vor, da
sich die Sachlage für ihn, den früheren Kläger, mit dem vollen Ausgleich des gewährten
Kapitalbetrages zu seinen Gunsten geändert habe. Da die Beklagte durch die zu viel
gezahlten Ruhensbeträge ungerechtfertigt bereichert sei, seien diese gemäß bzw.
entsprechend §§ 812 ff. BGB zurückzuzahlen, und zwar einschließlich der bis zur
Klageerhebung weiter aufgelaufenen monatlichen Überzahlungen.
9
Der frühere Kläger hat beantragt,
10
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der W. West vom 8. März 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2004 zu verpflichten, seine
Versorgungsbezüge für die Zukunft neu zu bescheiden und dabei eine Kürzung der
Versorgungsbezüge nach § 55 b SVG nicht mehr vorzunehmen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 49.062,91 Euro nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe
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ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung hat sie ihre in den angefochtenen Bescheiden vertretene
Rechtsauffassung wiederholt und vertieft.
15
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird,
hat das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich beider Anträge abgewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Unabhängig davon, welchen rechtlichen Ausgangspunkt (Nichtigkeitsklage,
Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG oder Klage auf Rücknahme
gemäß § 48 VwVfG bzw. auf Widerruf gemäß § 49 VwVfG) man für das sinngemäß
dahin zu verstehende Begehren zu 1. wähle, die in Rede stehende Ruhensregelung ab
dem Zeitpunkt des vollen Ausgleichs des gewährten Kapitalbetrages durch die
inzwischen aufgelaufenen Ruhensbeträge aufzuheben, hänge die Entscheidung jeweils
zunächst davon ab, ob diese Ruhensregelung den rechtlichen Vorgaben entspreche.
Da dies im Ergebnis zu bejahen sei, erwiesen sich sämtliche Begehren - einschließlich
der Zahlung angeblich rückständiger Beträge - als unbegründet.
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Gemäß der Übergangsvorschrift des § 94b Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 3 SVG a.F., die
gemäß § 6 Abs. 3 des PersStärkeG bei einer Versetzung in den Ruhestand nach den §§
1 und 2 des PersStärkeG - wie hier - entsprechend anzuwenden sei, sei für den
Versorgungsfall des (früheren) Klägers das Soldatenversorgungsgesetz in der bis zum
31. Dezember 1991 gültigen Fassung des Gesetzes maßgeblich (SVG a.F.). Der
(frühere) Kläger gehöre zu dem Personenkreis, auf den § 94b Abs. 5 SVG anzuwenden
sei, da sein Dienstverhältnis als Berufssoldat im Sinne dieser Vorschrift am 31.
Dezember 1991 bestanden habe und die für ihn maßgebende allgemeine oder
besondere Altersgrenze vor dem 1. Januar 2002 erreicht worden wäre (hier: besondere
Altersgrenze mit Vollendung des 57. Lebensjahres am 31. März 1995). Gemäß der nach
§ 94b Abs. 3 SVG durchzuführenden Vergleichsberechnung sei der nach dem bis zum
31. Dezember 1991 geltenden SVG ermittelte Ruhegehaltsatz günstiger für den
(früheren) Kläger gewesen als der nach dem ab 1. Januar 1992 geltenden
Soldatenversorgungsgesetz ermittelte Ruhegehaltssatz.
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Gemäß § 55b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. ruhe das deutsche
Ruhegehalt eines Berufssoldaten in Höhe des Betrages, der einer Minderung des
Vomhundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen
Dienst vollendete Jahr entspreche, wenn der Soldat bei seinem Ausscheiden aus dem
Dienst in der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung an Stelle einer
Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung erhalte. Unstreitig seien beim (früheren)
Kläger diese Voraussetzungen erfüllt. Er habe ebenfalls unstreitig nicht von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, zur Abwendung der hiernach vorzunehmenden
Kürzung den Kapitalbetrag innerhalb der gesetzlich festgelegten Jahresfrist (§ 55b Abs.
3 Satz 4 SVG a.F.) an den Bund abzuführen. Entgegen der Ansicht des (früheren)
Klägers sehe die gesetzliche Regelung für diese Fälle eine Beschränkung des
Ruhensbetrages auf die Höhe der gezahlten Kapitalabfindung nicht vor. Die insoweit in
Betracht kommende Vorschrift des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. beziehe sich nach dem
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klaren Wortlaut nur auf die laufenden Versorgungsbezüge. Solche habe der (frühere)
Kläger jedoch nicht erhalten. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. sei auch nicht entsprechend
anwendbar. Denn § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. nehme ausdrücklich nur auf § 55b Abs.
1 Satz 1 SVG a.F. Bezug.
Die Regelung des § 55b Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. begegne ferner keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstoße die Regelung nicht
deswegen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil anders
als im Fall der Zahlung von laufenden Versorgungsleistungen keine Beschränkung des
Ruhensbetrages auf die Höhe des gezahlten Kapitalbetrages erfolge. Dies wäre nur
dann der Fall, wenn der Gesetzgeber wesentlich Gleiches willkürlich ungleich
behandelt hätte. Bei der Zahlung laufender Versorgungsleistungen einerseits und eines
Kapitalbetrages als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfond
andererseits handele es sich jedoch um unterschiedliche Sachverhalte, die der
Gesetzgeber innerhalb seines gesetzgeberischen Ermessensspielraums
unterschiedlich habe regeln dürfen. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung zu Lasten
der Betroffenen liege auch deshalb nicht vor, weil das Gesetz dem Soldaten in § 55b
Abs. 3 SVG a.F. eine - wenn auch zeitlich befristete - Wahlmöglichkeit einräume, mit der
er aufgrund eigener Entscheidung auf den Umfang des Ruhens seines Ruhegehaltes
Einfluss nehmen könne. Der (frühere) Kläger habe es danach selbst in der Hand gehabt,
das Risiko, dass der auf das Ruhegehalt angerechnete Gesamtbetrag möglicherweise
nach einer gewissen Zeit die erhaltene Kapitalabfindung übersteige, durch ein Abführen
des gewährten Kapitalbetrages an den Dienstherrn abzuwenden. Sofern er hiervon -
wie hier - keinen Gebrauch gemacht habe, sei es nicht ungerechtfertigt, ihn an der
gesetzlichen Ruhensregelung festzuhalten. Soweit der (frühere) Kläger vortrage, er
habe damals die weitreichenden Folgen seiner Entscheidung, die Kapitalabfindung
nicht an den Dienstherrn abzuführen, nicht erkennen können, zeige die Regelung des §
55b Abs. 3 Satz 4 SVG a.F., die ein Wahlrecht nur innerhalb einer Ausschlussfrist
ermögliche, dass der Gesetzgeber das Risiko einer "Fehlentscheidung" bei der
Ausübung des Wahlrechts dem betroffenen Soldaten auferlege. Auf die in der
mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht lediglich aus Verständnisgründen
erörterte Frage, ob und im welchen Umfang auch eine mögliche Kapitalisierung der
erhaltenen Kapitalabfindung bei einem Vergleich zwischen der Summe der
Ruhensbeträge und der Kapitalabfindung zu berücksichtigen wäre, komme es nicht
entscheidungserheblich an. Die in Rede stehende Ruhensregelung sei auch nicht
wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verfassungswidrig. Der
Schutzbereich dieser Garantie werde schon deshalb nicht berührt, weil die von der
zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung an Stelle der laufenden Versorgung
gezahlte Kapitalabfindung als solche durch die streitige Ruhensregelung weder in ihrem
Bestand noch in ihrer Höhe entwertet werde. Sie bilde insoweit lediglich den Grund
dafür, ob und in welchem Umfang die dem Soldaten von seinem (nationalen)
Dienstherrn zu gewährenden Versorgungsbezüge zur Vermeidung einer unerwünschten
Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen gekürzt würden. Ebenso verletze die damit
verbundene Kürzung der Versorgungsbezüge selbst nicht Art. 14 GG, weil die
Ruhensregelungen ihre Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis
hätten, das in Art. 33 Abs. 5 GG eine verfassungsrechtliche Sonderregelung erfahren
habe, die als lex specialis der Eigentumsgarantie vorgehe.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der während des
Berufungszulassungsverfahrens an Stelle ihres verstorbenen Ehemannes in das
Verfahren eingetretenen Klägerin. Zur Begründung macht diese im Wesentlichen
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geltend:
Das angefochtene Urteil beruhe auf einer rechtsfehlerhaften, insbesondere nicht
verfassungskonformen Auslegung des § 55b SVG a.F.. Unter Berücksichtigung der von
ihr, der Klägerin, angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie
Bundesverfassungsgerichts müsse die Regelung in § 55b Abs. 3 SVG a.F. als Verweis
auf die Regelung des § 55b Abs. 1 SVG a.F. insgesamt verstanden werden. Der
Wortlaut verbiete dies nicht. Auch die Gesetzessystematik stehe nicht entgegen. Soweit
die Gleichstellungsregelung in § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. allein den Satz 1 des § 55b
Abs. 1 ausdrücklich in Bezug nehme, werde der (hier sachlich einschlägige) Satz 3
davon inhaltlich mit erfasst. Dieser enthalte nämlich eine Konkretisierung der sich aus
dem Satz 1 ergebenden Befugnis. Dafür, dass diese Konkretisierung im Rahmen des
Absatzes 3 nicht gelten solle, gebe es keinen sonstigen Anhalt. Namentlich spreche
aber der Normzweck eindeutig gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene
Gesetzesauslegung und begrenze insofern den Auslegungsspielraum. Mit der in Rede
stehenden, tradierten Ruhensregelung solle allein die aus einer "Doppelversorgung"
resultierende Überversorgung - also der dieser entsprechende Vorteil - abgeschöpft
werden. Sei der Vorteil hingegen abgeschöpft, so ende zugleich die Ermächtigung zur
Minderung qua Ruhensbetrag, wie sich u.a. aus § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. deutlich
ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung führe hingegen dazu,
dass dieser Zweck in Fällen der vorliegenden Art konterkariert, sogar in sein Gegenteil
verkehrt werde. Ein eindeutig entgegenstehender Wille des Gesetzgebers werde auf
diese Weise missachtet und zugleich der betroffene Soldat versorgungsrechtlich
schlechter gestellt, als wenn er nicht im Dienst einer internationalen Organisation
verwendet worden wäre. Darüber hinaus missachte die Auffassung des
Verwaltungsgerichts die vom Gesetz in § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. ausdrücklich
angeordnete Gleichstellung der Versorgungsarten (Versorgung, kapitalisierte
Versorgung/Versorgungsäquivalent). Liege wie hier der Sinn und Zweck einer
Regelung allein darin, eine Doppelversorgung bzw. Überversorgung zu vermeiden,
bestehe keinerlei Rechtfertigung dafür, dass der Dienstherr bei Überschreiten der
diesbezüglichen Schwelle selbst einen unmittelbaren Vorteil aus der Regelung ziehe,
wie es hier aber der Fall sei. Die Vorstellung, mit der Entscheidung für eine
Kapitalisierung seiner Versorgungsbezüge gegen die NATO habe der frühere Kläger
das Risiko übernommen, ein bestimmtes Lebensalter zu überschreiten und für diesen
Fall eine geringere als ihm nach dem Soldatenversorgungsgesetz allgemein
zustehende Versorgung zu erhalten, sei abwegig und mit Blick auf das
Gleichbehandlungsgebot willkürlich. Unverhältnismäßig sei im Übrigen auch die (nach
altem Recht maßgebliche) Berechnungsgrundlage für die Ruhensbeträge, welche -
bezogen auf das Aufbrauchen des empfangenen Kapitalbetrages durch die
Ruhensbeträge innerhalb von hier knapp sechs Jahren - von der durchschnittlichen
Lebenserwartung eines Soldaten von offenbar nur 61 Jahren ausgehe, was jeder
statistisch belastbaren Grundlage entbehre. Die Unvereinbarkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung mit dem Normzweck entfalle schließlich auch nicht durch die in Gestalt
einer Abführung des Kapitalbetrages bestehende gesetzliche Abwendungsmöglichkeit,
über die der frühere Kläger im Übrigen nicht aufgeklärt worden sei. Diese stelle in dem
Regelungszusammenhang lediglich eine von mehreren Möglichkeiten dar. Indem der
Gesetzgeber inzwischen die in Rede stehende Begrenzungsregelung in § 55b Abs. 7
SVG n.F. verortet habe, habe er im Übrigen die Gefahr von Fehlinterpretationen erkannt
und auf sie - klarstellend - reagiert. Wie die nach § 94b Abs. 3 SVG gebotene
Vergleichsberechnung zeige, solle der Soldat durch die Anwendung der alten Fassung
des SVG nicht schlechter gestellt werden als durch diejenige der neuen Fassung; es
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gelte das Günstigkeitsprinzip.
Darüber hinaus sei die Interpretation der in Rede stehenden Vorschrift durch das
Verwaltungsgericht nicht verfassungskonform. Die weitere Anrechnung des
Kapitalbetrages auf das Ruhegehalt trotz bereits vollständiger Ausgleichung verletze die
Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, welche die Bezüge von Berufssoldaten wegen
fehlender unmittelbarer Einschlägigkeit des Art. 33 Abs. 5 GG schütze. Einen sachlichen
Grund für den Eingriff in die hier in Rede stehende Vermögensposition des
vollständigen Versorgungsbezuges gebe es nicht. Gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG werde ebenfalls verstoßen. Die Abschöpfung der
aus einer Doppelversorgung resultierenden Überversorgung eines zeitweise bei einer
überstaatlichen Einrichtung verwendet gewesenen Soldaten stelle zwar generell einen
sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung mit nicht entsprechend verwendeten
Soldaten hinsichtlich ihrer nationalen Versorgung dar. Dies gelte aber nicht, wenn - wie
im vorliegenden Fall - der auf die Überversorgung entfallende Betrag bereits voll
abgeschöpft sei und demzufolge ab diesem Zeitpunkt keine Vermeidung einer
Besserstellung mehr vorliege, sondern eine Verminderung des Anspruchs auf
Versorgung die Folge sei. Ferner begründe die Maßnahme der Beklagten auch eine
Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Da über den Zweck der gesetzlichen
Ermächtigung hinausgehend sowie sachwidrig differenzierend, sei die
Rechtsanwendung im vorliegenden Falle, die zu erheblichen finanziellen Nachteilen
führe, auch unverhältnismäßig. Sie führe zur Auferlegung eines Sonderopfers für die
betroffenen Soldaten, die nicht den "üblichen" Dienst geleistet hätten.
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Aus alledem folge: Die dem Verfahren zugrunde liegenden Ruhensbescheide seien
wegen eines offenkundigen schwerwiegenden Fehlers nichtig. Folge man dem nicht,
seien sie zumindest rechtswidrig und - ohne für die Beklagte bestehenden
Ermessensspielraum - zurückzunehmen. Daneben komme wegen maßgeblicher
Änderung der Sachlage auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG in
Betracht. Zugleich bestehe ein Anspruch auf entsprechende, die Regelung des § 55b
Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. zutreffend berücksichtigende Neubescheidung. Diese müsse
sich auf den Zeitpunkt zurückbeziehen, von dem an die Ruhensbeträge sämtliche aus
der überstaatlichen Versorgung enthaltenen Beträge (hier: den einmaligen Kapitalbetrag
in Höhe von 115.000,00 DM) ausgeglichen gehabt hätten. Soweit Ruhensbeträge
ungerechtfertigt einbehalten worden seien, bestehe ein öffentlich- rechtlicher
Erstattungsanspruch, welcher für den Zeitraum vor Klageerhebung mit dem Klageantrag
zu 2. gesondert verfolgt werde.
24
Die Klägerin fasst die von dem früheren Kläger erstinstanzlich gestellten Anträge zur
Klarstellung dahingehend neu, dass beantragt wird,
25
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der X. West vom 8. März 2004 in der
Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 10. August 2004 zu verpflichten, die
Versorgungsbezüge des verstorbenen Ehemannes der Klägerin unter entsprechend
rückwirkender Aufhebung (Rücknahme) des Regelungsbescheides der X. West vom 5.
Januar 1993 über das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 55 b SVG a.F. für die Zeit
ab September 1999 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass die Versorgung nicht
weiter in Anwendung des § 55b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. ruht,
nachdem der dem verstorbenen Ehemann von Seiten der NATO zugeflossene
Kapitalbetrag in Höhe von 115.000 DM (entspricht 58.798,57 Euro) durch die bisherigen
Ruhensbeträge mit Ablauf des August 1999 in vollem Umfang ausgeglichen ist,
26
die Beklagte zu verurteilen, zum Ausgleich der seit dem 1. September 1999 bis zum 31.
August 2004 einbehaltenen Ruhensbeträge an die Klägerin als Erbin ihres
verstorbenen Ehemannes einen Betrag in Höhe von 48.957,-- Euro nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. September
2004 zu zahlen.
27
Die Klägerin beantragt,
28
das angefochtene Urteil zu ändern und nach den neu gefassten erstinstanzlichen
Anträgen zu erkennen.
29
Die Beklagte beantragt,
30
die Berufung mit den neu gefassten Klageanträgen zurückzuweisen.
31
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen.
33
Entscheidungsgründe
34
Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist mit den in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat - lediglich zum Zwecke der Klarstellung des der Sache nach von Anfang an
verfolgten Begehrens - neu gefassten Anträgen zulässig und auch begründet.
35
Daran, dass die Klage (weiterhin) zulässig ist, hat sich insbesondere durch den Tod des
früheren Klägers V. I. nichts geändert. Denn die Klägerin ist nach unbestrittenen
Angaben dessen Erbin. Etwaige rückständige Versorgungsansprüche ihres früheren
Ehemannes gegen seinen Dienstherrn sind dementsprechend auf sie gemäß § 1922
Abs. 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.
36
Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 24. Oktober 1994 - 1 R 9/92 -, ZBR 1995,
112 = DÖD 1995, 116 (dort in Abgrenzung zur - grundsätzlich fehlenden - Vererblichkeit
von Beihilfeansprüchen).
37
Der ein von dem Berechtigten wie hier bereits eingeleitet gewesenes Klageverfahren
weiterführende Gesamtrechtsnachfolger hat insofern nicht nur ein
Rechtsschutzinteresse, unmittelbar den auf ihn übergegangenen vermögensrechtlichen
Anspruch auf etwaige noch ausstehende Versorgungsbezüge (weiter) einzuklagen. Er
ist vielmehr auch insofern schutzwürdig, als es darum geht, im Zeitpunkt des Erbfalls
streitig gewesene rechtliche Vorfragen mit Blick auf das Bestehen und/oder die Höhe
des Anspruchs bzw. die Pflicht zur Auszahlung abschließend gerichtlich klären zu
lassen, soweit von der Beantwortung dieser Vorfragen abhängt, ob und ggf. in welchem
Umfang der in Rede stehende Leistungs-/Zahlungsanspruch des Erblassers auf den
Rechtsnachfolger übergegangen ist. Darunter fällt unter anderem der hier einschlägige
Fall, ob und ggf. in welchem Umfange dem früheren Kläger zustehende
Versorgungsansprüche, die grundsätzlich in den Nachlass gefallen sind, zu Recht oder
zu Unrecht geruht haben. War wie hier über die Frage des Ruhens zuvor durch
Verwaltungsakt bestandskräftig entschieden worden, hatte aber der
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versorgungsberechtigte Soldat vor seinem Ableben bereits selbst Anträge auf
Nichtigkeitsfeststellung oder Aufhebung (Rücknahme oder Widerruf) des betreffenden
Bescheides bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gestellt, wird man den
Gesamtrechtsnachfolger - also hier die Klägerin - im Zweifel auch für berechtigt halten
müssen, die diesbezüglichen Klagebegehren weiterzuführen. Das bezieht auch solche
Fälle ein, in denen wie hier bis zum Eintreten des Erbfalls eine für den
versorgungsberechtigten Soldaten positive Entscheidung im behördlichen oder
gerichtlichen Verfahren noch nicht ergangen und der zeitlich rückbezogene
Leistungsanspruch aus diesem Grunde (den Fall etwaiger Nichtigkeit des
ursprünglichen Regelungsbescheids dabei ausgeklammert) noch nicht fällig war.
Ferner konnten beide zur Entscheidung gestellten Klageanträge in zulässiger Weise
miteinander verbunden werden. Die Kombination von Verpflichtungs- und allgemeiner
Leistungsklage, um die es hier geht, erachtet der Senat in entsprechender Anwendung
des § 113 Abs. 4 VwGO für statthaft.
39
Vgl. etwa Senatsurteil vom 13. Februar 2008 - 1 A 4301/06 -, juris (Rn. 32); ferner
BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 -, DVBl. 2000, 162, 163;
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 177 (dort auch mit Hinweisen auf die
Gegenauffassung).
40
Die Klage ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch - beide Anträge
betreffend - begründet.
41
Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Verpflichtungsklage hat in der Sache Erfolg. Die
Klägerin hat unter Aufhebung der insoweit ergangenen ablehnenden Bescheide - mit
den sich aus dem Tenor dieses Urteils ergebenden Einzelheiten - einen
Rechtsanspruch darauf, dass die Beklagte mit teilweiser Rückwirkung - nämlich
bezogen auf den Zeitraum ab September 1999 - die bisherige Ruhensregelung nach §
55b SVG a.F., wie sie in dem Bescheid vom 5. Januar 1993 getroffen worden ist,
zurücknimmt und die Versorgungsbezüge des ruhegehaltberechtigten verstorbenen
Ehemannes der Klägerin entsprechend neu festsetzt/regelt. Dieser Anspruch geht
maßgeblich auf den Umstand zurück, dass die dem früheren Kläger von Seiten der
NATO in Gestalt eines Kapitalbetrages an Stelle einer Versorgung zugeflossene
Leistung jedenfalls mit Ablauf des August 1999 durch die in der Zeit davor angefallenen
Beträge, um welche die Versorgung in Anwendung des § 55b SVG a.F. geruht hat, voll
ausgeglichen bzw. abgeschöpft ist. Hierdurch ist zugleich - wie noch näher ausgeführt
werden wird - jeder tragfähige Grund für die weitere Aufrechterhaltung und Anwendung
der Ruhensregelung entfallen.
42
Seine rechtliche Grundlage findet der genannte Anspruch in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG
des Bundes. Hiernach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die
Vergangenheit zurückgenommen werden. Der durch den Verwaltungsakt nachteilig
Betroffene hat insoweit einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Ausübung des
Rücknahmeermessens, welcher sich gegebenenfalls zu einem Rechtsanspruch auf
Rücknahme des Verwaltungsakts verdichten kann, was hier im Ergebnis der Fall ist.
Wie sich aus § 51 Abs. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) des Bundes ergibt,
besteht dieser Anspruch unabhängig von der durch § 51 Abs. 1 VwVfG in näher
begrenzten Fallgruppen eingeräumten Möglichkeit, ein bestandkräftig abgeschlossenes
Verwaltungsverfahren (förmlich) wieder aufzugreifen. Ob vorliegend auch die
43
Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gegeben sind, braucht
deswegen nicht entschieden zu werden.
Ein rechtswidriger Verwaltungsakt im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt hier in
Gestalt des Bescheides der W. West vom 5. Januar 1993 vor, wobei die unter dem 22.
November 1999 erfolgte, inzwischen durch Zeitablauf erledigte Ergänzung dieses
Bescheides für die sich im vorliegenden Verfahren stellenden Fragen keine
eigenständige Bedeutung hat. Auf einen etwaigen nichtigen Verwaltungsakt wäre die
Vorschrift über die Rücknahme zumindest entsprechend anwendbar;
44
Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 Rn. 19;
45
allerdings dürften angesichts der Komplexität der sich hier stellenden und in der dazu
vorliegenden Rechtsprechung zum Teil anders als hier beantworteten Rechtsfragen die
Nichtigkeitsvoraussetzungen im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG, anders als die Klägerin
meint, namentlich unter dem Gesichtspunkt der u.a. geforderten Offensichtlichkeit des
Fehlers schwerlich zu bejahen sein. Obwohl sie in Abgrenzung zum Widerruf nach § 49
VwVfG in erster Linie auf die Fälle einer von Anfang an bestehenden Rechtswidrigkeit
zugeschnitten ist, bezieht die Rücknahmevorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch
die Fälle mit ein, in denen ein Verwaltungsakt (namentlich ein solcher mit
Dauerwirkung) erst nachträglich rechtswidrig geworden ist und er mit Blick auf den
Eintritt dieser Rechtswidrigkeit durch die Verwaltung mit Wirkung für einen Teil seiner
vorgesehenen Geltungszeit (ab dem Zeitpunkt des Rechtswidrigwerdens) aufgehoben
werden soll bzw. von dem Betroffenen solches verlangt wird. Denn die Vorschriften über
den Widerruf bieten für eine solche Aufhebung auch für die Vergangenheit (von hier
nicht einschlägigen Sondertatbeständen abgesehen) keine hinreichende Grundlage.
46
Vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 13.03 -
, NVwZ-RR 2005 , 341 (342); OVG NRW, Urteil vom 26. August 1987 - 6 A 1910/84 -,
NVwZ 1988, 1; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 53, 54, jeweils m.w.N.
47
Ein derartiges nachträgliches Rechtswidrigwerden ist hier in Bezug auf den
Regelungsbescheid vom 5. Januar 1993 anzunehmen.
48
Das setzt zunächst voraus, dass der regelnde Gehalt dieses Bescheides nicht
nachträglich zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt (1. September 1999) sogar ganz
entfallen ist; in einem solchen Falle wäre der Verwaltungsakt nämlich nicht (nur)
rechtswidrig, sondern gegenstandslos geworden. Für ein derartiges automatisches
Wegfallen des Regelungsgehaltes der Ruhensregelung mit dem vollständigen
Ausgleich des Kapitalbetrages durch die monatlich anfallenden Ruhensbeträge gibt es
indes keinen hinreichenden Anhalt. Eine gesetzliche Regelung als Anknüpfungspunkt
für ein automatisches Wegfallen fehlt. Dem ursprünglichen Regelungsbescheid vom 5.
Januar 1993 ist insoweit - auch konkludent - keine auflösende Bedingung oder
Befristung beigefügt worden, etwa des Inhalts, dass die Ruhensregelung ihre Wirkung
verliert (gegenstandslos wird), wenn durch die bisherigen Ruhensbeträge insgesamt die
dem gewährten Kapitalbetrag entsprechende Summe erreicht ist oder überschritten
wird. Allerdings hat die Ruhensregelung jedenfalls ab dem Monat September 1999 nicht
mehr dem geltenden Recht entsprochen.
49
Im Ausgangspunkt hat die Beklagte die in Rede stehende Ruhensregelung indes
zutreffend auf § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (im
50
Folgenden: SVG a.F.) gestützt. Auf die einschlägigen Ausführungen auf Seiten 5/6 des
angefochtenen Urteils nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Was die in § 94b Abs. 3 SVG vorgesehene Vergleichsberechnung nach dem
Günstigkeitsprinzip betrifft, wird zur näheren Erläuterung darauf hingewiesen, dass sich
hieraus keine Grundlage dafür ergibt, einen allgemeinen Günstigkeitsvergleich auch
unter Einbeziehung des Ruhens von Bezügeteilen nach den jeweiligen Fassungen des
§ 55b SVG anzustellen. Vergleichend zu berechnen ist vielmehr nach der Formulierung
in § 94b Abs. 3 SVG, welche sich beispielsweise von § 69c Abs. 5 BeamtVG
unterscheidet, allein der "Ruhegehaltssatz" (hier in dieser Weise geschehen in den
Anlagen zum Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 4. Januar 1993). Welche Fassung
des § 55b SVG zugrunde zu legen ist, ist - daran anknüpfend - gesetzlich eigenständig
festgelegt worden, und zwar nach den hier vorliegenden Fallumständen durch § 94 Abs.
5 Satz 3 SVG dahin, dass (ausnahmslos) die bis zum 31. Dezember 1991 geltende
Fassung anzuwenden ist. Auch § 96 Abs. 5 SVG hat daran, wie in dessen Satz 3
ausdrücklich bestimmt, nichts geändert.
Auch hat ein Anwendungsfall für das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 55b Abs. 1
Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. - zunächst - zweifellos vorgelegen. Nach § 55b
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SVG a.F. ruht dann, wenn ein Soldat im Ruhestand aus der
Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen
Einrichtung eine Versorgung erhält, sein deutsches Ruhegehalt in Höhe des Betrags,
der einer Minderung des Vomhundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischenstaatlichen
oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht; Halbsatz 2 traf in diesem
Zusammenhang eine Sonderregelung für den Unterschiedsbetrag nach § 47 Abs. 1
SVG (Ruhen um Faktor 2,85). Nach § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. fand Absatz 1 Satz 1
auch Anwendung, wenn der Soldat oder Soldat im Ruhestand bei seinem Ausscheiden
aus dem öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung
an Stelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus
einem Versorgungsfonds erhielt. Darüber, dass der Kapitalbetrag in Höhe von
115.000,00 DM, welchen der frühere Kläger für die Leistung von Diensten beim NATO
I1. Management Office erhalten hat, den Normtatbestand des § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG
a.F. erfüllt, streiten die Beteiligten nicht; auch im Übrigen steht dies nicht in Frage.
51
Für eine Fortsetzung des Ruhens der Versorgungsbezüge in Anwendung der
vorgenannten Bestimmungen ist die rechtfertigende Grundlage indes mit Ablauf des
Monats August 1999 entfallen, nachdem der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin
zugeflossene Kapitalbetrag von 115.000 DM durch die bisherigen Ruhensbeträge in
vollem Umfang ausgeglichen ist. Die weitere Aufrechterhaltung des Bescheides vom 5.
Januar 1993 betreffend das Ruhen der Versorgungsbezüge über diesen Zeitpunkt
hinaus - unter entsprechender Fortsetzung der Kürzung der ausgezahlten
Versorgungsbezüge für die nachfolgende Zeit - erweist sich vor diesem Hintergrund als
rechtswidrig, wie sich im Einzelnen aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt:
52
Der Beamte/Versorgungsempfänger hat einen verfassungsrechtlich geschützten
Anspruch auf amtsangemessene Besoldung/Versorgung (Alimentation). Für Soldaten
im Ruhestand als Versorgungsempfänger gilt im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1
GG Entsprechendes in gebotener Beachtung der sich im gegebenen Zusammenhang
aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Grundsätze wie insbesondere des
Alimentationsprinzips.
53
Vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE
54
76, 256 (294 f.); BVerwG, Beschluss vom 18. April 1991 - 2 WDB 3.91 -, BVerwGE 93,
69 (73); Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 33 Rn. 46.
Ist dieser Anspruch - wie durch entsprechende Gesetzesvorbehalte vorbestimmt -
gesetzlich konkretisiert, treffen die diesbezüglichen Regelungen und die ihnen
zugrunde liegenden (ungeschriebenen) allgemeinen Grundsätze die
Versorgungsempfänger regelmäßig gleich. Etwaige vom Gesetzgeber vorgesehene
Differenzierungen bzw. einseitige Versorgungskürzungen bedürfen insofern sowohl
gemessen an dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG als auch für eine
zulässige Begrenzung der hier bei Soldaten eigentumsrechtlich geschützten
Rechtsposition des Anspruchs auf Versorgung einer sachlichen Rechtfertigung.
55
Zu den grundlegenden Regeln des deutschen öffentlichen Dienstrechts in diesem
Bereich zählt der dort seit langem verankerte Grundsatz, dass Beamte und Soldaten aus
öffentlichen Mitteln keine doppelte Alimentation erhalten. Aus öffentlichem
Dienstverhältnis soll für dieselbe Zeit vielmehr nur einmal Versorgung gezahlt werden,
unabhängig davon, ob gegebenenfalls mehrere Ansprüche auf Versorgung - sei es auch
im Verhältnis zu unterschiedlichen Dienstherren/Versorgungsträgern - bestehen. Dies
betrifft unter anderem die Fälle, in denen ein deutscher Beamter oder Soldat aufgrund
entsprechender Beurlaubung für eine gewisse Zeit im öffentlichen Dienst einer
zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung tätig gewesen ist. Da die
betreffende Zeit nach innerstaatlichem Versorgungsrecht als ruhegehaltfähige Zeit
berücksichtigt wird (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 BeamtVG, § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SVG), wird
die oben genannte, im Ergebnis zu vermeidende "Doppelversorgung" mit Eintritt in den
Ruhestand für den Fall relevant, dass der Betroffene zusätzlich zu seinem deutschen
Ruhegehalt noch eine internationale Versorgung erhält oder ihm an Stelle einer solchen
Versorgung ein Kapitalbetrag ausgezahlt worden ist. Denn derartige Leistungen
stammen zu einem wesentlichen Teil mittelbar aus deutschen öffentlichen Mitteln.
56
Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 1980 - 6 C 14.78 -, Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG
Nr. 2, vom 29. Oktober 1992 - 2 C 19.90 -, Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 5, und vom
21. September 2000 - 2 C 28.93 -, RiA 2001, 38.
57
Ruhensregelungen wie der hier in Rede stehende § 55b SVG a.F. stellen für sich
deswegen grundsätzlich keine Ausnahme vom Grundsatz des Anspruchs auf "volle"
(gesetzliche) Versorgung dar. Sie stellen diesen Anspruch des innerstaatlichen Rechts
nicht in Frage, sondern enthalten lediglich ein Hindernis für die Auszahlung der
Versorgung mit Blick auf die anderweitige Deckung des Versorgungsbedarfs aus
öffentlichen Mitteln. Ihr Zweck als Auszahlungshindernis ist dementsprechend allein die
Vermeidung einer doppelten Versorgung. Hierin finden die einschlägigen Regelungen
ihre sachliche Legitimation, zugleich aber auch ihre (Legitimations-)Grenze.
Maßgeblicher Bezugspunkt ist dabei - namentlich auch für die Begrenzung nach oben -
das jeweils in Rede stehende Äquivalent für die nach deutschem Dienstrecht
zustehende Versorgung, also die von dritter Stelle erbrachte Leistung. Ist ein solches
Äquivalent nicht mehr vorhanden, ist auch für ein weiteres Ruhen der
Versorgungsbezüge kein Raum. Zugleich dürfen Versorgungsbezüge von dem Ruhen
nicht in einem Umfang erfasst werden, welcher dem Äquivalent der Höhe nach nicht
entspricht.
58
Diesen sich in dem Sachzusammenhang aus der Zweckbestimmung einschlägiger
Ruhensvorschriften erschließenden allgemeinen Erwägungen trägt auch § 55b SVG
59
a.F. in vollem Umfang Rechnung, soweit es um den Absatz 1 der Vorschrift, also die
(unmittelbare) Anwendung der Ruhensvorschrift bezogen auf laufende
Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung geht. Dort ist
nämlich im Satz 3 bestimmt, dass der Ruhensbetrag die anderweitige Versorgung nicht
"übersteigen" darf. Dies ist einerseits dahin zu verstehen, dass der monatliche
Ruhensbetrag nicht höher ausfallen darf als der monatliche Rentenbetrag der
internationalen Versorgung. Zumindest sinngemäß zielt die Vorschrift aber auch auf den
(möglicherweise nur theoretischen) Fall, dass die internationale Versorgung nicht bis
zum Lebensende des Soldaten gezahlt wird, sondern nach einer bestimmten Zeitdauer
endet. Tritt Letzteres ein, so soll selbstverständlich auch der an diese
Versorgungszahlung gekoppelte Ruhensbetrag entfallen bzw. die betreffende
Ruhensregelung ihr Ende finden.
Erhält der Soldat wie hier an Stelle einer (laufenden) Versorgung einen Kapitalbetrag
als Abfindung oder als einmalige Zahlung aus einem Versorgungsfonds, ist aber nicht
unmittelbar § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG a.F., sondern vielmehr dessen Absatz 3 Satz 1
einschlägig. Weil dieser ausgehend von seinem Wortlaut lediglich die Anwendung des
Absatzes 1 Satz 1 bestimmt (Hervorhebung durch den Senat), wird verbreitet davon
ausgegangen, dass für Kapitalabfindungen § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. auch nicht
sinngemäß oder entsprechend Anwendung findet, mit der Folge, dass es das Gesetz in
der hier maßgeblichen Fassung nicht zur Voraussetzung erhebt, dass der Umfang der
internationalen Versorgung (hier: des Versorgungsäquivalents/-surrogats) den
Ruhensbetrag in seiner Gesamtheit begrenzt.
60
Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 1991 - 4 C 1126/89 -, juris (Rn.
37); OVG NRW, Urteile vom 4. November 1998 - 12 A 5097/96 - und vom 21. Oktober
1994 - 1 A 2816/91 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C III 1.3 Nr. 20.
61
Dies hat allerdings weitreichende Konsequenzen: Die Ruhensregelung ist nach diesem
(aus aktueller Sicht des Senats verfehlten) Normverständnis aufrecht zu erhalten bzw.
fortzusetzen, obwohl und nachdem sie ihren ausschließlichen Zweck bereits voll erfüllt
hat. Das kann im Einzelfall - wie hier - dazu führen, dass die der Vermeidung einer
Doppelversorgung dienende Ruhensregelung für beachtliche Zeiträume und
Größenordnungen in eine echte Kürzung der deutschen Versorgung umschlägt. Eine
solche Versorgungskürzung setzt ein, sobald der (gegebenenfalls verzinste)
Kapitalbetrag, den der Soldat von der internationalen Einrichtung bzw. deren
Versorgungsfonds erhalten hat, als Bezugspunkt für die genannte Zielsetzung der
Ruhensregelung nicht mehr taugt, weil er durch bisher angefallene Ruhensbeträge
schon voll ausgeglichen bzw. aufgezehrt ist. Eine solche Versorgungskürzung wäre
aber eine von der Legitimation der Ruhensvorschrift erkennbar nicht mehr gedeckte
Folge, was bei der Auslegung entsprechend zu berücksichtigen ist.
62
Hinzu kommt: Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer Doppelversorgung
unterscheiden sich die beiden hier in Rede stehenden Sachverhalte - laufende
Versorgungsleistungen/einmaliger Kapitalbetrag - nicht wesentlich voneinander. In
beiden Varianten geht es vielmehr entscheidend darum, dass der betroffene Soldat nicht
über die ihm nach dem deutschen Dienstrecht zustehende Versorgung hinaus für
denselben Zeitraum von dritter Seite aus öffentlichen Mitteln zusätzlich - also insgesamt
"doppelt" - alimentiert wird. Knüpft der Gesetzgeber dabei für die eine Vergleichsgruppe
- wie in Bezug auf laufende Versorgungsleistungen durch § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F.
geschehen - zusätzlich zum Berechnungsmodell der sog. Zeitkürzung (Zahl der im
63
zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendeten Jahre multipliziert mit dem
durchschnittlichen Steigerungssatz der deutschen Versorgung) begrenzend an die
Höhe der internationalen Versorgung an, geschieht dies aber in Bezug auf die andere
Vergleichsgruppe - wie bei den Kapitalleistungen - (jedenfalls ausgehend vom Wortlaut
her) nicht entsprechend, so wird damit wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Schon
um vor Art. 3 Abs. 1 GG zu bestehen, bedürfte es deswegen einer sachlichen
Rechtfertigung hierfür. Für eine solche Rechtfertigung ist aber nicht auch nur im Ansatz
etwas ersichtlich; insbesondere ergibt sich insoweit aus dem Gesetz keinerlei Hinweis.
Ein rechtfertigender Grund für die unterschiedliche Behandlung ergibt sich
beispielsweise nicht aus dem Umstand, dass es sich bei Kapitalabfindungen um
zweckbestimmte Leistungen handelt, in Bezug auf die der Gesetzgeber typisierend
davon ausgehen konnte, dass der Leistungsempfänger sie zur Ergänzung seiner
Altersversorgung in der Weise einsetzen wird, dass er daraus im Alter einen
regelmäßigen Ertrag wird ziehen können.
64
Vgl. in diesem Zusammenhang allerdings VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni
1991 - 4 S 1126/89 -, juris (Rn. 37).
65
Denn selbst wenn man dies als richtig unterstellt, ergibt sich daraus für den Gesetzgeber
keine sachliche Grundlage dafür, auf eine geeignete Begrenzung der Gesamthöhe der
Ruhensbeträge in Bezug auf an Stelle einer Versorgung gezahlte Abfindungsbeträge
überhaupt (ganz) zu verzichten. Denn einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass der
ausgezahlte Kapitalbetrag einschließlich daraus zu erzielender Erträge in der Regel
nicht durch die Summe der bei dem Versorgungsberechtigten bis zum Lebensende in
Anwendung des § 55b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. anfallenden
Ruhensbeträge (beachtlich) überschritten wird, wie ihn der VGH Baden-Württemberg
(a.a.O.) anscheinend zugrunde gelegt hat, gibt es nicht. Dazu sind die in Betracht
kommenden Lebenssachverhalte viel zu unterschiedlich. Abgesehen davon, dass die
erzielbaren Zinserträge nicht unerheblichen Schwankungen unterliegen können,
ergeben sich schon durch die jeweilige Höhe der Kapitalabfindung sowie durch die
Dauer der späteren Bezugszeit der deutschen Versorgung Imponderabilien von
solchem Gewicht, welche ein bloß überschlägiges Abschätzen, ob der Kapitalbetrag
durch künftige Ruhensbeträge voraussichtlich insgesamt überschritten wird, nicht
zulassen. Hinzu kommt, dass es der Gesetzgeber sogar an hinreichenden
Anhaltspunkten dafür hat fehlen lassen, dass der Kapitalbetrag im Sinne des § 55b Abs.
3 Satz 1 SVG a.F. in Anwendung der Ruhensregelung überhaupt zu "dynamisieren",
d.h. so zu behandeln ist, als sei er verzinslich angelegt worden und im Zeitpunkt des
Eintritts des Soldaten in den Ruhestand entsprechend angewachsen.
66
Vgl. entsprechend zu § 56 BeamtVG: BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 -,
Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 6 = NVwZ-RR 2008, 714.
67
Eine sachliche Rechtfertigung für die in Rede stehende Differenzierung ergibt sich
ferner nicht aus dem Umstand, dass an Stelle einer Versorgung geleistete
Kapitalabfindungen in einem Zuge, und zwar "im Voraus" erbracht werden. Zwar hat der
Betroffene damit ein volles Versorgungsäquivalent bereits erhalten, ohne dass zugleich
gesichert ist, dass der gesamte Betrag später im Rahmen seiner deutschen Versorgung
durch entsprechende Ruhensregelungen auch tatsächlich "abgeschmolzen" wird; stirbt
er früh, so könnte durchaus ein beachtlicher Restbetrag übrig bleiben. Dieser
Gesichtspunkt ist aber zum einen dann bedeutungslos, wenn der Betroffene den
68
Abfindungsbetrag für eine ergänzende Altersversorgung in Form der Verrentung des
eingesetzten Kapitals verwendet hat. Zum anderen ist der Gesichtspunkt auch im
Übrigen nicht geeignet, wie hier geschehen, von Seiten des Gesetzgebers ganz auf
eine an den Zwecken der Ruhensvorschrift ausgerichtete Begrenzung in Richtung auf
eine dem Äquivalent entsprechende Gesamtsumme der Ruhensbeträge zu verzichten.
Denn es hätte andere, die genannten Zwecke im Kern deutlich stärker
berücksichtigende Alternativlösungsmöglichkeiten gegeben. Hinzuweisen ist in diesem
Zusammenhang namentlich auf die Möglichkeit, unter Anknüpfung an statistische
Angaben (z.B. Sterbetafeln) den Kapitalbetrag im Wege der "Verrentung" auf eine
monatliche Vergleichsrente umzurechnen. So gilt ab dem 1. Oktober 1994 das
Erfordernis, bei Zahlung eines Kapitalbetrages den sich bei dessen Verrentung
ergebenden Betrag zu ermitteln und der nach teilweise veränderten Parametern
(Höchstbetrag) erfolgenden Ruhensberechnung zugrunde zu legen (§ 55b Abs. 4 Satz 1
SVG in der, soweit interessierend, bis heute geltenden Fassung vom 19. Januar 1995,
BGBl I. S. 50). Selbst dies entspricht aber noch nicht, wie das
Bundesverwaltungsgericht vergleichbar für § 56 BeamtVG entschieden hat,
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2008 - 2 C 30.06 -, a.a.O.,
69
den rechtlichen Anforderungen, weil es immer noch an exakten, dem Gesetzesvorbehalt
entsprechenden normativen Vorgaben (u.a. zur Laufzeit der Rente) fehlt.
70
Der allgemeine Gesichtspunkt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vermag
ebenso wie ein etwaiger Vereinfachungszweck die vorgenommene Differenzierung zu
Lasten derjenigen Versorgungsempfänger, welche von einer zwischen- oder
überstaatlichen Einrichtung an Stelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag ausgezahlt
erhalten haben, nicht zu tragen. Die bei der gebotenen Konkretisierung der Pflicht zur
amtsangemessenen Alimentation/Versorgung bestehende Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers bezieht (und beschränkt) sich nämlich auf die Realisierung solcher
Entscheidungsalternativen, deren Wahrnehmung anerkannte Sachgesichtspunkte
zugrunde liegen. Die Gestaltungsfreiheit als solche ist nicht selbst ein derartiger
Gesichtspunkt. Auch das etwaige Bestreben, aus fiskalischen Erwägungen
Einsparungen durch (über den eigentlichen Zweck hinausgehende)
Versorgungskürzungen zu bewirken, reicht nicht aus, wenn wie hier keinerlei
Rechtfertigung dafür ersichtlich ist, insoweit exklusiv eine bestimmte Gruppe, hier
diejenige der Empfänger von Kapitalabfindungen im Sinne des § 55b Abs. 3 Satz 1
SVG a.F. herauszugreifen. Ebenso wenig kann ein grundsätzlich legitimer
Vereinfachungszweck bezogen auf die nähere Ausgestaltung des Ruhens der
Versorgungsbezüge solche Regelungen rechtfertigen, welche durch das allgemeine
Anliegen der betreffenden Ruhensvorschrift nicht (mehr) gedeckt werden.
71
Vgl. zu Letzterem auch BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 28.99 -, a.a.O.
72
Schließlich lässt sich die Anwendung von Absatz 3 Satz 1 SVG a.F. unter
Ausklammerung des in Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens,
was zu der dargelegten Ungleichbehandlung und zugleich Beeinträchtigung des
Versorgungsanspruchs führt, auch nicht damit sachlich begründen und als
verfassungsmäßig bewerten, dass der Betroffene den Nachteil selbst hätte abwenden
können. Zwar sieht das Gesetz in der Tat eine solche Abwendungsbefugnis vor, und
zwar in der Weise, dass der Kapitalbetrag (seinerzeit noch unter Beschränkung auf den
die geleisteten eigenen Beträge übersteigenden Teil) zuzüglich gewährter Zinsen
73
innerhalb der gesetzlich bestimmten Ausschlussfrist von einem Jahr an den Bund
abgeführt werden konnte (§ 55b Abs. 3 Sätze 2 bis 4 SVG a.F.). Von dieser - wie gesagt
zeitlich eng begrenzten - Möglichkeit hat der verstorbene Ehemann der Klägerin aber
keinen Gebrauch gemacht, sodass die Regelungen in § 55b Abs. 3 Sätze 2 bis 4 SVG
a.F. vorliegend nicht anwendbar sind, vielmehr der Satz 1 des Absatzes 3 anwendbar
bleibt. Sich so zu verhalten, kann dem früheren Kläger nicht als solches zum Nachteil
gereichen, denn das Gesetz ließ ihm insoweit die Wahl seines Verhaltens offen. Mit
anderen Worten: Gerade weil der Betroffene die gesetzlich eingeräumte
Wahlmöglichkeit hatte, den Kapitalbetrag abzuführen oder nicht, muss auch die von ihm
gewählte Alternative vom Gesetzgeber so ausgestaltet sein, dass sie mit höherrangigem
Recht übereinstimmt. Denn es ist nicht die Frage, wie die Rechtslage ist, wenn § 55b
Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. nicht greift, sondern wie sie zu beurteilen ist, wenn jene
Bestimmung (wie hier) greift. Ob hierdurch möglicherweise jeder Anreiz für den
Betroffenen entfällt, die Alternative der Abführung des Kapitalbetrages an seinen
deutschen Dienstherrn zu wählen, ist dabei unerheblich. Denn wenn § 55b Abs. 3 Satz
2 SVG a.F. darauf zielen sollte, die Vermeidung einer rechtswidrigen Kürzung der
Versorgung durch eine vorherige Geldzahlung gewissermaßen zu erkaufen, wäre dies
nicht rechtlich schützenswert.
Aus den vorstehenden Gründen ist die vor Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG
durchgreifend problematische Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 1 SVG a.F., soweit sie
allein den Satz 1 des Absatzes 1 (und nicht auch dessen Satz 3) ausdrücklich in Bezug
nimmt, verfassungskonform auszulegen. Dies führt auf die entsprechende Anwendung
des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. auch im Anwendungsbereich des § 55 b Abs. 3 Satz 1
SVG a.F. Denn allein auf diese Weise lässt sich ausgerichtet am Normzweck ein
verfassungswidriges Auslegungsergebnis vermeiden. Dies berücksichtigt die objektive
Notwendigkeit einer dem Inhalt des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. entsprechenden
Begrenzung für Ruhensregelungen der hier in Rede stehenden Art. Dass eine solche
Begrenzung in § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. vom Gesetzgeber auch damals schon
inhaltlich selbst vorgezeichnet war, rechtfertigt - auch ohne ausdrückliche Erwähnung im
Gesetzestext - deren sinngemäße Übertragung auf den Anwendungsbereich des § 55b
Abs. 3 Satz 1 SVG a.F.
74
Die Grenze verfassungskonformer Auslegung wird damit nicht überschritten. Denn das
hier vertretene Verständnis des Regelungszusammenhangs zwischen den Absätzen 1
und 3 des § 55b SVG a.F. verkehrt nicht etwa einen aus der objektiven
Gesetzesfassung klar erkennbaren gesetzgeberischen Willen in sein Gegenteil.
Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass die (Rechts- folgen-)Verweisung in §
55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. sich auf Satz 1 von Absatz 1 dieser Vorschrift beschränkt,
nicht herleiten, der Gesetzgeber habe sicher nicht die entsprechende bzw. sinngemäße
Anwendung von Satz 3 des Absatzes 1 im Anwendungsbereich von Absatz 3 Satz 1
gewollt. Vielmehr legen Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelungen insgesamt
nahe, dass die (der Sache nach lediglich entsprechende) Anwendung von Satz 1 des
Absatzes 1 auf die Fallgruppe der Kapitalabfindungen die Anwendung von Satz 3 des
Absatzes 1 mit einschließt, da schon damals ein verfassungskräftiger Grund, die
Anwendungsfälle des Absatzes 1 anders als diejenigen des Absatzes 3 zu behandeln,
nicht erkennbar gewesen ist.
75
Dies wird durch die nachfolgende Entwicklung des Gesetzes noch weiter bestätigt. So
ist durch das Soldatenversorgungsgesetz in der Neufassung vom 19. Januar 1995,
BGBl. I S. 50, die alleinige Verweisung auf den "Absatz 1 Satz 1" im bisherigen § 55b
76
Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. (Fassung 1987) weggefallen und im nunmehrigen § 55b Abs. 4
Satz 1 SVG (Fassung 1995) durch die allgemeine Verweisung auf die "Absätze 1 und 2"
ersetzt worden. Der § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. (Fassungen 1987 und 1995) ist
seitdem also auch ausdrücklich mit eingeschlossen. Dies ging einher mit anderen
Modifizierungen der einschlägigen Ruhensvorschrift, welche - wie etwa das Umstellen
auf den sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrages ergebenden Betrag - ersichtlich
von dem Bemühen geprägt gewesen sind, in dem gegebenen Zusammenhang eine
sachgerechte und zugleich verfassungsrechtlich haltbare Lösung zu finden. Ohne
hieran der Sache nach etwas zu ändern, ist seit dem Versorgungsreformgesetz 1998
vom 29. Juni 1998, BGBl. I. S. 1666, der Inhalt des früheren § 55 b Abs. 1 Satz 3 SVG
a.F. zusammen mit der Festlegung einer Mindestbelassung - in Anlehnung an eine
entsprechende Änderung des § 56 BeamtVG - in einem eigenen Absatz (Absatz 7)
geregelt, welcher sich schon nach seiner systematischen Stellung eindeutig sowohl auf
laufende Versorgungszahlungen als auch auf erhaltene Kapitalabfindungen bezieht.
Die somit zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses gebotene und
zugleich mögliche verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Vorschrift führt
dazu, dass die Summe der insgesamt anfallenden Ruhensbeträge die von der
zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung - das
bezieht sich hier entsprechend auf den von dieser Einrichtung an Stelle einer
Versorgung gezahlten Kapitalbetrag - nicht übersteigen darf. Unter Mitberücksichtigung
dessen, dass der Gesetzgeber insoweit seinerzeit eine anderweitige Regelung - etwa
auf der Basis der rechnerischen Ermittlung einer sich aus dem Kapitalbetrag
ergebenden Vergleichsrente - nicht ansatzweise getroffen hatte, ist die Auslegung so
vorzunehmen, dass sie den Versorgungsanspruch des Betroffenen nicht über das
hinaus schmälert, was der Normzweck notwendig gebietet. Dies führt dazu, dass die
Ruhensregelung lediglich bis zu dem Zeitpunkt hätte verfügt werden dürfen, bis zu dem
die dem Ehemann der Klägerin ausgezahlte Abfindung ihrem Nominalwert
entsprechend abgeschmolzen war. Eine Dynamisierung etwa durch Annahme fiktiver
Verzinsung bleibt wegen insoweit fehlender gesetzlicher Bestimmungen außer Betracht.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 -, a.a.O.
78
Dementsprechend war hier mit dem Verbrauch/Ausgleich des Kapitalbetrages durch die
infolge der auf der Grundlage der mit Bescheid vom 5. Januar 1993 getroffenen
Ruhensregelung nach § 55b SVG a.F. vom Ruhegehalt des Ehemannes der Klägerin
abgezogenen Ruhensbeträge der Gesetzeszweck erfüllt. Aufbauend auf dem von der
Beklagten nicht angegriffenen und vom Senat überprüften Rechenwerk in der
Widerspruchsbegründung vom 21. April 2004 ist dies - auf volle Monate gerundet -
(jedenfalls) ab September 1999 der Fall gewesen. Die Ruhensregelung aus dem
Bescheid vom 5. Januar 1993 ist hierdurch ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig geworden.
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Im Rahmen der Rücknahmeermächtigung des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG des Bundes
hat die Beklagte dieser Rechtswidrigkeit zwingend Rechnung zu tragen.
Ermessensgerecht ist hier allein die Entscheidung, die Ruhensregelung von dem
genannten Zeitpunkt an (unter entsprechend teilweiser Rückwirkung) aufzuheben. Dies
ist in Ansehung der Umstände des Falles geboten, um einerseits dem Gesichtspunkt der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung effektiv Geltung zu verschaffen, andererseits vor allem
aber auch die erheblichen Nachteile, welche der Ehemann der Klägerin durch die
jahrelange weitere Aufrechterhaltung der Ruhensregelung zu Unrecht erlitten hat, im
Interesse der Einzelfallgerechtigkeit nachträglich ausgleichen zu können. Da keinerlei
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entsprechend gewichtige gegenläufige Interessen/Belange ersichtlich sind, wäre ein
Aufrechterhalten des rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts unerträglich. Der
ablehnende Bescheid der W. West vom 8. März 2004 sowie der dazu ergangene
Widerspruchsbescheid vom 10. August 2004 sind dementsprechend rechtswidrig und
unterliegen der gerichtlichen Aufhebung.
Die mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte allgemeine Leistungsklage der Klägerin ist
ebenfalls begründet. Denn die im ersten Teil des Tenors ausgesprochene Verpflichtung
der Beklagten, den Ruhensbescheid vom 5. Januar 1993 für die Zeit ab September
1999 aufzuheben (zurückzunehmen) und die Versorgung dementsprechend unter
Wegfall des Ruhens nach § 55b SVG für die genannte Zeit neu festzusetzen, führt (nach
entsprechender Umsetzung dieser Verpflichtung) zugleich darauf, dass der Klägerin im
Umfang der von der gesetzlichen Versorgung zu Unrecht weiter abgezogenen
Ruhensbeträge im Sinne des § 55b SVG ein Anspruch auf Nachzahlung rückständiger
Versorgung zusteht. Dieser Anspruch beläuft sich auf den Differenzbetrag zwischen der
Versorgung, welche dem Ehemann der Klägerin für die Zeit ab September 1999
rechtmäßigerweise zustand, und derjenigen (geringeren) Versorgung, welche die
Beklagte bisher auf der Grundlage der zu Unrecht weiter aufrecht erhaltenen
Ruhensregelung tatsächlich geleistet hat. Die im Tenor für den sich aus dem Antrag
ergebenden Leistungszeitraum ausgeworfene Gesamtsumme errechnet sich in diesem
Zusammenhang aus den Ruhensbeträgen nach § 55b SVG für die (vollen) Monate
September 1999 bis August 2004 unter Zuhilfenahme des bereits angesprochenen
Zahlenwerks in der Widerspruchsbegründung des früheren Klägers vom 21. April 2004.
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Der Zinsanspruch folgt aus § 291 Satz 1 BGB, der im öffentlichen Recht entsprechend
anwendbar ist, soweit das einschlägige Fachrecht - wie hier - keine abweichende
Regelung enthält.
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Die in den Tenor betreffend den Leistungsanspruch (Haupt- und Nebenforderung)
aufgenommene Fälligkeitsbestimmung trägt klarstellend dem Umstand Rechnung, dass
der ursprüngliche Ruhensbescheid aus dem Jahre 1993 bis zu seiner einen
Teilzeitraum betreffenden Rücknahme noch weiterhin Rechtsgrund für die von
September 1999 an vom zustehenden Ruhegehalt des Ehemannes der Klägerin
abgezogenen Ruhensbeträge ist.
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Die Beklagte hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als im Berufungsrechtszug unterlegene
Partei die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO. Dass der Senat die Vollstreckbarkeitserklärung auf die
Entscheidung wegen der Kosten beschränkt, also nicht auf den stattgebenden
Ausspruch zu der Leistungsklage erstreckt hat, rechtfertigt sich auf der Grundlage der
hier gegebenen Besonderheit, dass die allgemeine Leistungsklage in entsprechender
Anwendung des § 113 Abs. 4 VwGO mit einer Verpflichtungsklage verbunden ist. In
einem solchen Falle darf im Ergebnis nicht die gesetzliche Wertung des § 167 Abs. 2
VwGO umgangen werden, dass Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nur
wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar erklärt werden (können). Würde hier der
Ausspruch auf die allgemeine Leistungsklage in der Hauptsache für vorläufig
vollstreckbar erklärt, würde dies der Sache nach auch auf eine vorläufige
Vollstreckbarkeit des zugrunde liegenden Ausspruchs zur Verpflichtungsklage
hinauslaufen. Hierzu soll es nach der Gesetzeslage aber gerade nicht kommen.
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Deshalb ist in derartigen Fällen § 167 Abs. 2 VwGO über seinen Wortlaut hinaus (aber
seinem Rechtsgedanken entsprechend) auch auf ein Urteil anzuwenden, welches auf
die mit einer Verpflichtungs- (oder Anfechtungs-)Klage verbundene allgemeine
Leistungsklage ergeht.
Ebenso Senatsurteil vom 13. Februar 2008 - 1 A 4301/06 -, juris (Rn. 88); Hessischer
VGH, Teilurteil vom 5. November 1986 - 1 UE 700/85 -, NVwZ 1987, 517; vgl. ferner
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 167 Rn. 134 m.w.N.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen. An einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache fehlt es dabei
schon mit Blick auf den Umstand, dass an sich ausgelaufenes und nur übergangsweise
noch weiter anwendbares (altes) Recht Gegenstand der Entscheidung ist, wobei es an
Erkenntnissen fehlt, dass die diesbezüglichen Rechts- und Auslegungsfragen noch von
allgemeiner Bedeutung für eine ins Gewicht fallende Anzahl von Verfahren sind.
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