Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.06.2010

OVG NRW (antragsteller, waffe, verwaltungsgericht, verhältnis zwischen, aufschiebende wirkung, pistole, widerruf, beschwerde, grund, nummer)

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 B 45/10
Datum:
23.06.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 B 45/10
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 L 711/09
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse Streitwertpraxis
Normen:
WaffG § 4; WaffG § 5; WaffG § 45; GKG § 52
Leitsätze:
Im Falle des Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse, denen ein im
Wesentlichen einheitliches Bedürfnis zugrunde liegt, ist unabhängig von
der Anzahl der ausgestellten Waffenbesitzkarten bei einem sehr
umfangreichen Waffenbestand im Regelfall der Streitwert auf das
Fünffache des Auffangwertes gemäß § 52 Abs. 2 GKG beschränkt.
Weitere Erhöhungen des Streitwerts können sich ergeben, wenn den
widerrufenen Erlaubnissen unterschiedliche Bedürfnisse zugrunde
liegen.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung
für beide Instanzen auf 20.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller sinngemäß sein erstinstanzliches Begehren
weiterverfolgt,
2
die aufschiebende Wirkung seiner Klage (VG Arnsberg 14 K 3809/10)
gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. November 2009
anzuordnen bzw. wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat
beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine solche Anordnung. Sie
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führen auf keine andere als die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Gewichtung
der im Rahmen der Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO einzustellenden Interessen.
Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Interessenabwägung entscheidend darauf
abgestellt, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers im
Hauptsacheverfahren Bestand haben werde, weil dieser den
Regelvermutungstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG erfülle und damit unzuverlässig
sei. Dabei hat es in Erläuterung der umfassend in Bezug genommen Ausführungen im
angefochtenen Bescheid insbesondere auf zwei rechtswidrige Erwerbsvorgänge,
nämlich betreffend die SL-Büchse Thompson 1928 A1 sowie die Pistole des Herstellers
MAB mit der Waffen-Nr. 1267, abgestellt, die bereits für sich allein genommen eine
(Regel-)Unzuverlässigkeit begründen. Dem setzt der Antragsteller mit seiner
Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
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Soweit er pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt, stellt dies keine
ordnungsgemäße Beschwerdebegründung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO
dar. Die gesetzlich geforderte Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung
wird durch eine bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht geleistet.
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Mit seinen Ausführungen zur angeblichen Umgehung des waffenrechtlichen
Widerrufstatbestands, der eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung voraussetzt -
gemeint ist in erster Linie wohl § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG -, vermag der Antragsteller nicht
durchzudringen. Ein Spezialitäts- oder Vorrangverhältnis des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG
gegenüber § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG existiert nicht. Es handelt sich jeweils um
selbstständige Unzuverlässigkeitstatbestände mit eigenständigen Voraussetzungen, die
nicht in einem Vorrang- oder Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen. Die fünf
Fallgruppen des § 5 Abs. 2 WaffG sind generell nicht auf ein
Ausschließlichkeitsverhältnis der einen zur anderen Fallgruppe angelegt,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 -, juris, Rn. 15,
8
auch wenn der Nummer 5 eher die Funktion eines Auffang- oder Reservetatbestandes
zukommen mag. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass - außerhalb
der Beschwerdebegründung - ernsthaft die Auffassung vertreten würde, bei anhängigen
Strafverfahren sei die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen einer ansonsten
eintretenden Umgehung des Rechtskrafterfordernisses (Voraussetzung gemäß § 5 Abs.
2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 WaffG) gesperrt. Das von der Beschwerde betonte "grundsätzliche
Erfordernis einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung" existiert so nicht, weil im
Rahmen des § 5 Abs. 2 WaffG lediglich dessen Nummer 1 eine solche Verurteilung
voraussetzt. Das zuvor dargestellte Verhältnis zwischen den Nummern 1 und 5 des § 5
Abs. 2 WaffG wird im Übrigen nicht dadurch beeinflusst, dass Waffenbehörden, soweit
eine Unzuverlässigkeit nach Nummer 1 im Raum steht, in der Verwaltungspraxis
während des Laufs des Strafverfahrens häufig davon absehen mögen, eigenständig die
Voraussetzungen der Nummer 5 zu prüfen.
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Selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers unterstellt, dass der Ausgang der
Strafverfahren ebenso wie der der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die den Widerruf
der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers und damit das Vorliegen von
Verstößen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zum Gegenstand haben, in gleicher Weise von
der Frage abhängen oder beeinflusst werden, wie das im Rahmen der Bedürfnisprüfung
gemäß § 17 Abs. 1 WaffG festgelegte Sammelthema des Antragstellers, das den Inhalt
10
der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 2 WaffG bestimmt und begrenzt, auszulegen ist, führt dies
nicht zur Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Unabhängig von weiteren
Gesichtspunkten leuchtet bereits auf den ersten Blick nicht ein, dass die nach den
vorstehenden Ausführungen im besonderen Verwaltungsrecht, nämlich in § 17 Abs. 1, §
2 Abs. 2 WaffG angelegte Frage nach dem Umfang oder der Reichweite des
Sammelthemas zwingend vorrangig in einem Strafverfahren zu beantworten sein sollte.
Auch der Antragsteller räumt ein, dass es sich um eine im Kern rein
verwaltungsrechtliche Streitigkeit handelt.
Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ausgang
von Strafverfahren für den vom Antragsgegner herangezogenen
Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ohne Relevanz ist. Entgegen
dem Beschwerdevorbringen stützt sich der Antragsgegner zur Begründung einer
Unzuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auch nicht tragend
darauf, dass Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren eingeleitet worden und anhängig
seien.
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Außerdem trifft es entgegen dem mit dem Beschwerdevorbringen hervorgerufenen
Eindruck nicht zu, dass sämtliche der dem Antragsteller im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 5
WaffG vorgehaltenen waffenrechtlichen Verstöße von der - zwischen den Beteiligten
umstrittenen - Auslegung des Sammelthemas des Antragstellers abhängen,
insbesondere davon, wie die Formulierung "offiziell eingeführt" zu verstehen ist. Hierauf
kommt es insbesondere für die beiden vom Verwaltungsgericht herausgestellten
Erwerbsvorgänge nicht an, weil aus anderen Gründen auf der Hand liegt, dass diese
nicht durch die dem Antragsteller erteilte (Sammel-)Erlaubnis, die - wie bereits
ausgeführt - durch das festgelegte Sammelthema bestimmt und begrenzt wird, gedeckt
sind. So hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der
SL-Büchse Thompson 1928 A1 auf Grund des erfolgten Umbaus nicht um ein
Originalstück handelt. Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller erworbene Pistole
MAB Nr. 1267, die ersichtlich erst nach 1945 hergestellt wurde. Gerade darauf geht der
Antragsteller mit seiner Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO
nicht weiter ein. Im Übrigen kommt es auch für die vom Antragsgegner angeführten und
vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen waffenrechtlichen Verstöße in Gestalt
der nicht rechtzeitigen Vorlage von Waffenbesitzkarten (§ 10 Abs. 1a WaffG) nicht auf
die streitige Auslegungsfrage hinsichtlich des Sammelthemas an. Daran anschließend
sind die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, die sich zu einem sog.
"Überraschungsmoment" verhalten, ebenfalls ohne Relevanz.
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Ob sämtliche der vom Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid aufgelisteten
Verfehlungen des Antragstellers als (schuldhafte) Verstöße im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr.
5 WaffG anzusehen sind, bedarf jedenfalls im Rahmen dieser Entscheidung keiner
Beantwortung, was eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen auf den Seiten 7
bis 9 der Beschwerdebegründung vom 11. Februar 2010 sowie den weiteren
Ausführungen im Schriftsatz vom 26. Februar 2010 entbehrlich macht. Eine den
verfügten Widerruf rechtfertigende (Regel-)Unzuverlässigkeit ergibt sich bereits aus den
beiden vom Verwaltungsgericht herausgestellten Erwerbsvorgängen, die offensichtlich
außerhalb des Sammelthemas und damit außerhalb der dem Antragsteller erteilten
Erlaubnis liegen. Dabei dürfte sich der Erwerb der Pistole MAB Nr. 1267 im
Zusammenhang mit dem vom Antragsteller nachträglich angebrachten
Reichsbeschussadler ohne Weiteres als gröblicher Verstoß im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr.
5 WaffG darstellen. Zudem dürfte ein wiederholter Verstoß vorliegen, für den zwei
13
Missachtungen ausreichen.
Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 3. März 2006 - 1 Q 2/06 -, juris, Rn. 8, m.
w. N.
14
Vor diesem Hintergrund bestehen bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte für
eine Unverhältnismäßigkeit des verfügten Widerrufs.
15
Durchgreifende Gründe dafür, im Rahmen einer von den Erfolgsaussichten in der
Hauptsache losgelösten Interessenabwägung die ausschließlich privaten
(hobbymäßigen) Interessen des Antragstellers höher zu gewichten als die öffentlichen
Sicherheitsinteressen, legt die Beschwerde nicht dar. Dass Dritte durch die
Verfehlungen des Antragstellers nicht beeinträchtigt wurden, stellt die Annahme einer
Beeinträchtigung des öffentlichen Sicherheitsinteresses nicht in Frage. Dieses ist
bereits dann tangiert, wenn ein Waffenbesitzer nicht mehr die Gewähr dafür bietet,
sämtliche, auch Ordnungszwecken dienende Vorschriften des Waffengesetzes jederzeit
gewissenhaft zu beachten.
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Unabhängig davon, dass die vom Antragsteller verspätet erst mit Schriftsatz vom 8. Juni
2010 vorgebrachten Gründe nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO außer Betracht zu lassen
sind, stellen sie die vorstehenden Ausführungen nicht in Frage.
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Die Rechtsausführungen des Antragstellers zu § 45 Abs. 5 WaffG sind unzutreffend.
Diese Vorschrift ist einschlägig, weil die Erlaubnisse des Antragstellers wegen
Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG widerrufen wurden. Der
Antragsteller erfüllt, wie vom Antragsgegner angenommen, den (Regel-
)Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Der Versuch des
Antragstellers, die im Rahmen dieser Vorschrift relevanten Gesichtspunkte zu Fragen
des Bedürfnisses gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG zu machen, geht fehl. Dass der
Antragsteller grundsätzlich (unter anderem) ein Bedürfnis gemäß § 17 Abs. 1 WaffG hat,
ist anlässlich der Erteilung der entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnis geprüft
worden und wird von dem Antragsgegner auch nicht in Frage gestellt. Dass es im
Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unter anderem auf
die Auslegung des im Rahmen der Bedürfnisprüfung festgelegten Sammelthemas
ankommt, rechtfertigt nicht die Annahme, es gehe hier um einem Widerruf wegen
nachträglichen Entfallens des Bedürfnisses. Auf das Sammelthema kommt es an, weil
es - wie oben bereits ausgeführt - den Inhalt der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 2 WaffG
bestimmt, ohne dass damit zugleich Bedürfnisfragen aufgeworfen werden.
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Das Vorbringen des Antragstellers zum Stand und zum Ausgang der Straf- und
Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie zur Auslegung seines Sammelthemas,
insbesondere was die Wendung "offiziell eingeführt" anbelangt, ist nach dem zuvor
Gesagten für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung nicht von Relevanz.
Offen gelassen werden kann daher auch, ob die inzwischen erfolgte rechtskräftige
Verurteilung des Antragstellers wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einem Bußgeld das
Vorliegen eines weiteren, vom Verwaltungsgericht nicht explizit behandelten
waffenrechtlichen Verstoßes im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, und zwar in der
Variante "wiederholt", indiziert. Das Vorbringen zum Sammelthema des Antragstellers
gibt lediglich Anlass zu den Hinweisen, dass dieses weder den Begriff "Beutewaffen"
noch die Wendung "tatsächlich geführt" enthält und dass die allgemeine Sammler- und
Verwaltungspraxis (außerhalb des Landkreises P. ) nicht unbedingt die Rechtslage
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widerspiegeln muss.
Die Einlassung des Antragstellers zum Erwerbsvorgang betreffend die SL-Büchse
Thompson 1928 A1 stellt die Einschätzung, es handele sich nicht um ein Originalstück,
bei summarischer Prüfung nicht in Frage. Selbst wenn man unterstellt, dass die in Rede
stehende Waffe vor 1945 offiziell eingeführt wurde, ist dies in ihrer Eigenschaft als
vollautomatische Waffe (Maschinenpistole) geschehen. Dass es sich bei einer solchen
Waffe, wenn sie - unabhängig von der Anzahl der zu diesem Zweck eingesetzten
Neuteile - nach 1945 zu einem Halbautomaten umgebaut wurde, noch um ein
Originalstück im Sinne des Sammelthemas handeln soll, erscheint nicht nur bei
summarischer Prüfung fernliegend. Der Antragsteller verkennt in diesem
Zusammenhang, dass sein Sammelthema nicht auf "Original-Waffen", sondern auf
"Originalstücke" lautet. Dementsprechend ist es unerheblich, ob die Original-Waffe ihren
Charakter als solche durch den Umbau verloren hat oder nicht. Ebenfalls fernliegend
erscheint die Annahme, eine ursprünglich vollautomatische Maschinenpistole, die durch
zusätzliche Bolzen bzw. Verschweißung einzelner Teile zu einem Halbautomaten
umgebaut worden ist, stelle "eine in ihrer (!) Substanz unveränderte Original-Waffe" dar.
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Angesichts der das Sammelthema des Antragstellers prägenden Begriffe oder
Ausdrücke "Originalstücke" und "bis 1945 nachweislich offiziell eingeführt" liegt es auf
der Hand, dass darunter keine erst nach 1945 hergestellten Waffen fallen können. Von
daher vermag der Antragsteller auch nicht mit dem Versuch durchzudringen, die nach
1945 hergestellte Pistole MAB Nr. 1267 als im Rahmen des Sammelthemas liegend
darzustellen, zumal sie - soweit bisher ersichtlich - mit den vor 1945 eingeführten Waffen
nicht vollständig baugleich ist. Die von ihm in diesem Zusammenhang angesprochene
Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts hilft ihm bereits deshalb nicht
weiter, weil ihr ein anderes Sammelthema zugrunde lag.
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Vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. Dezember 2003 - 4St RR 149/03 -, juris,
Rn. 30.
22
Der weitere Vortrag des Antragstellers, die Pistole gutgläubig als aus französischer
Vorkriegsproduktion stammend erworben zu haben, überzeugt ebenfalls nicht. Nach
den vom Antragsgegner dem Internet entnommenen Informationen ist die Waffe auf
Grund mehrerer Kennzeichen sogar für den Laien unschwer als Nachkriegswaffe zu
erkennen. Von daher dringt der Antragsteller nicht mit dem Vorbringen durch, auf Grund
der niedrigen Seriennummer von einer Vorkriegswaffe ausgegangen zu sein, zumal er
sich nicht weiter dazu verhält, wie er auf die Waffe aufmerksam geworden ist und
welche (weiteren) Informationen ihm über sie zur Verfügung standen. Die Ausführungen
dazu, wie sich der Erwerbsvorgang im Einzelnen vollzogen hat, welche Informationen
der nicht näher benannte Beauftragte beibringen sollte oder beigebracht hat und wem
gegenüber mit welchem genauen Inhalt sich der Waffenhändler geäußert hat, bleiben
weitgehend vage und sind dementsprechend ebenfalls nicht geeignet, eine taugliche
Grundlage für die vom Antragsteller für sich reklamierte Gutgläubigkeit abzugeben. Auf
die problemlose Eintragung der Waffe auf seiner roten Waffenbesitzkarte durch den
Antragsgegner kann sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht
berufen, weil die Eintragung allein auf Grund der Angaben des Antragstellers, die sich
im Wesentlichen auf Hersteller, Hersteller-Nummer und Modell beschränkten, erfolgte
und diese Angaben gerade nicht offenbaren, dass es sich um eine Waffe aus der
Nachkriegsproduktion handelt, obwohl dies dem Antragsteller zum Zeitpunkt der
Erwerbsanzeige nach den vorstehenden Ausführungen bekannt war oder bekannt sein
23
musste.
Auch wenn es für den Erwerbsvorgang keine Rolle mehr spielt, ist darauf hinzuweisen,
dass der Vortrag des Antragstellers zu seiner Motivation für das nachträgliche
Anbringen des Reichsbeschussadlers auf der zuvor behandelten Waffe ebenfalls nicht
überzeugt. Da er spätestens bei der physischen Entgegennahme der Pistole erkennen
konnte und musste, dass sie aus der Nachkriegsproduktion stammt, kann ihm nicht
abgenommen werden, dass es ihm bei der Anbringung des Adlers darum gegangen sei,
die Waffe lediglich aufzuwerten oder "aufzuhübschen", die eigene Freude am
Sammlerstück zu mehren oder den Charakter einer von der Wehrmacht als Beutewaffe
weiter geführten Vorkriegswaffe zu unterstreichen. Viel näher liegt die Absicht, der als
Nachkriegsfertigung erkannten Pistole den äußeren Anschein einer dem Sammelthema
unterfallenden Waffe, d. h. eines Originalstücks, zu verleihen. Hierfür spricht auch das
Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 5. Mai 2009 an den
Antragsgegner. In diesem wird nach der Unterscheidung zwischen Kriegs- und
Nachkriegsfertigungen als Beleg für eine deutsche Beutewaffe, die der Antragsteller als
Bestandteil seines Sammelthemas ansieht, auf den angebrachten "deutschen
Wehrmachtsstempel (Reichsbeschußadler)" hingewiesen, was bei einer als
Nachkriegsfertigung erkannten Waffe einen Täuschungsversuch indiziert, eben um die
Waffe als dem Sammelthema unterfallend darzustellen.
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Ungeachtet der Frage, ob sich die vom Verwaltungsgericht geäußerte Einschätzung, der
Antragsteller "trickse" und bediene sich "Nebelkerzen", gerade wegen des Vertrautseins
eines Teils der Kammer mit der Strafrechtspflege als zutreffend erweist, zeichnet sich
zusammengefasst das Bild einer Person ab, die vor allem an der Befriedigung der
eigenen Sammelleidenschaft interessiert ist und es dabei zumindest in Kauf nimmt,
diesem Ziel entgegenstehende oder bei der Zielerreichung als unpraktikabel
empfundene waffenrechtliche (Ordnungs-)Vorschriften zu ignorieren oder im Sinne der
Zielerreichung über die Grenzen zulässiger Auslegung hinaus zu reduzieren oder
umzuinterpretieren. Wenn der Antragsteller etwa für sich in Anspruch nimmt, bei
Zweifeln über die Zugehörigkeit einer Waffe zum Sammelgebiet diese zunächst einmal
erwerben zu dürfen, ist dies zumindest bei vorläufiger Bewertung nicht nachvollziehbar.
Abgesehen davon, dass hinsichtlich der beiden zuvor breit erörterten Erwerbsvorgänge
kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass die beiden Waffen nicht dem
Sammelthema unterfallen, wird eine (zuverlässige) Person, die stets darauf bedacht ist,
die waffenrechtlichen Vorschriften einzuhalten, bei Zweifeln an der Zugehörigkeit zum
Sammelgebiet von einem Erwerb zumindest vorläufig absehen, eben weil die Erlaubnis
durch das Sammelthema begrenzt wird und ein Erwerb ohne Erlaubnis sogar
sanktionsbewehrt ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die vom Antragsteller
dargestellte Sichtweise oder Mentalität gerade in Sammlerkreisen weit verbreitet ist und
sie auch die Verwaltungspraxis entsprechend beeinflusst haben mag. Mit dem vom
Gesetzgeber gewollten und das Waffengesetz prägenden Grundsatz, Waffenbesitz nur
bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin
verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß
umgehen,
25
vgl. Bundestags-Drucksache 14/7758, S. 54 (zu § 5 Abs. 2 WaffG); OVG
NRW, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 20 B 446/08 -,
26
lässt sich dies nicht vereinbaren.
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
28
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1
GKG. Die erstinstanzliche Festsetzung ist aus den nachfolgenden Gründen
entsprechend abzuändern.
29
Nach der ständigen Streitwertpraxis des Senats ist in Fällen, in denen um die Erlaubnis
zum Erwerb bzw. Besitz von Waffen gestritten wird, das Besitzinteresse in Anlehnung
an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im
Ausgangspunkt mit dem Auffangwert von 5.000,00 € aus § 52 Abs. 2 GKG zu bewerten,
und zwar unabhängig davon, in wie vielen Waffenbesitzkarten die streitigen Waffen
eingetragen sind oder eingetragen werden sollen. Dieser Wert ist im Ansatz um 750,00
€ für jede weitere Waffe, um die in demselben Verfahren gestritten wird, zu erhöhen. In
Fällen, in denen eine besonders große Anzahl von Waffen in Rede steht, hält der Senat
eine angemessene Begrenzung für angezeigt, die im Regelfall bei dem fünffachen
Betrag des Auffangwertes liegt oder erreicht ist.
30
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2009 - 20 E 923/09 -, vom 6. Juli
2009 - 20 E 852/09 - und vom 22. September 2005 - 20 A 3723/04 -.
31
Eine Orientierung an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs scheidet auch dann aus, wenn eine
Erlaubnis für Waffensammler in Streit steht. In diesen Fällen ist eine freie Bewertung
angezeigt, in deren Rahmen sowohl die Anzahl der bereits erworbenen und auf der oder
den betreffenden Waffenbesitzkarte(n) eingetragenen Waffen als auch die Anzahl der
dem Sammelthema insgesamt zuzurechnenden Waffen eine Rolle spielen können.
32
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2009 - 20 E 852/09 -, m. w. N.
33
In Anwendung und Fortentwicklung dieser Grundsätze ergibt sich hier ein Streitwert für
das Hauptsacheverfahren von 40.000,00 €, der mit Blick auf die Vorläufigkeit dieser
Entscheidung in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren ist.
34
Soweit die Erlaubnis(se) widerrufen wurde(n), die auf dem Bedürfnis des Antragstellers
als Sportschütze beruhen, hält der Senat auf Grund des beträchtlichen, auf den grünen
und gelben Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffenbestandes entsprechend der
zuvor angesprochenen Begrenzung einen Streitwert von 25.000,00 € für
interessengerecht und angemessen. Besonderheiten wie etwa ein qualitativ wesentlich
anders geartetes Interesse am Behalt einzelner Waffen, das eventuell eine über die
Begrenzung hinausgehende wertmäßige Gewichtung nahelegen könnte, sind nicht
ersichtlich. Eine weitergehende Differenzierung nach der Farbe der betreffenden
Waffenbesitzkarten (grün, gelb) ist nicht angezeigt, weil nicht ersichtlich ist, dass
wesentlich andersartige Bedürfnisse zugrunde liegen. Ebenso wenig erforderlich oder
angemessen ist auch in Ansehung von Nr. 50.3 des Streitwertkatalogs eine zusätzliche
(werterhöhende) Berücksichtigung der gegebenenfalls mit widerrufenen
Munitionserlaubnisse. Eine eigenständige, angesichts des bereits angenommenen
Streitwerts zusätzlich ins Gewicht fallende Bedeutung für den Antragsteller ist nicht
ersichtlich, zumal es sich hier lediglich um einen Annex oder eine Folge des Widerrufs
der Waffenerlaubnisse handelt.
35
Der Widerruf der roten Waffenbesitzkarte des Antragstellers fällt dagegen auf Grund des
zugrunde liegenden andersartigen Bedürfnisses (Waffensammler) wertmäßig gesondert
36
ins Gewicht. Da nach einer in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopie dieser
Waffenbesitzkarte die letzte Eintragung - ungeachtet der freien Felder - unter der
laufenden Nummer 25 vorgenommen wurde und sich der Verfahrensakte keine
Informationen dazu entnehmen lassen, wie viele Waffen dem Sammelthema des
Antragstellers insgesamt zuzurechnen sind, hält der Senat in Ausübung des ihm
eingeräumten Ermessens insoweit eine Verdoppelung des Auffangwerts, also
10.000,00 €, für interessengerecht und angemessen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - 20 E 726/08 - und vom 13.
Juni 2008 - 20 E 494/08 -; Streitwertbeschluss im Anschluss an das Urteil
vom 31. August 2006 - 20 A 3994/04 -, gleichlautend nachfolgend BVerwG,
Beschluss vom 18. Januar 2007 - 6 B 100.06 -.
37
Eine weitere Erhöhung ergibt sich schließlich aus dem Widerruf des Kleinen
Waffenscheins des Antragstellers (Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG), dem
ebenfalls ein andersartiges Bedürfnis zugrunde liegt. Insoweit ist das Interesse des
Antragstellers in Abgrenzung zur weitergehenden Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 Sätze 1
bis 3 WaffG, die in Nr. 50.1 des Streitwertkatalogs Erwähnung findet, mit dem
Auffangwert (5.000,00 €) ausreichend und angemessen bewertet.
38
Das wiederholt betonte Bestehen einer umfassenden Rechtsschutzversicherung des
Antragstellers ist kein Gesichtspunkt, der die nach § 52 Abs. 1 GKG für die
Wertfestsetzung maßgebliche, aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebende
Bedeutung der Sache beeinflusst oder bestimmt. Für eine Berücksichtigung ist
dementsprechend auch im Rahmen des dem Gericht durch die zuvor genannte
Vorschrift eingeräumten Ermessens kein Raum.
39