Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.11.2001

OVG NRW: rechtliches gehör, beteiligter, verspätung, aufruf, verkündung, wiedereröffnung, fürsorgepflicht, ermessen, garantie, erlass

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 3665/01.A
Datum:
22.11.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 A 3665/01.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 4 K 2006/99.A
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Minden vom 13. August 2001 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3
VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat nicht deshalb dem Kläger rechtliches
Gehör versagt, weil es das verspätete Erscheinen des Prozessbevollmächtigten des
Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht abgewartet hat.
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Die Garantie des rechtlichen Gehörs gebietet, dem an einem gerichtlichen Verfahren
Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden
Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (§ 108 Abs. 2 VwGO).
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BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 -, BVerfGE 42, 364, 369;
BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 -, BVerfGE 60, 305, 310; BVerfG,
Beschluss vom 11. Februar 1987 - 1 BvR 475/85 -, BVerfGE 74, 228, 233.
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Diesem Gebot wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in der Regel dadurch genügt,
dass mündliche Verhandlung anberaumt, der Beteiligte bzw. sein
Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu
dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet sowie in ihr Gelegenheit zur Äußerung gegeben
wird. Sache jedes Beteiligten bzw. Prozessbevollmächtigten ist es, sich so einzurichten,
dass er pünktlich zum Termin erscheinen kann (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). Ihm obliegt es
grundsätzlich, gegen Verzögerungen Vorsorge zu treffen. Dies gilt insbesondere auch
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dann, wenn er einen besonders weiten Anfahrtsweg hat. Ist zur Terminszeit ein
geladener Beteiligter bzw. Prozessbevollmächtigter nicht anwesend, so liegt es
grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden, ob er zur festgesetzten Zeit die mündliche
Verhandlung eröffnet oder je nach den Umständen des Einzelfalls noch eine gewisse
Zeit zuwartet. Dabei sind einerseits das voraussichtliche Interesse des Beteiligten an
der Teilnahme und andererseits das Interesse des Gerichts sowie der
Verfahrensbeteiligten der später angesetzten Sachen an möglichst pünktlicher
Einhaltung der Tagesordnung zu berücksichtigen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1979 - 1 C 20.77 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr.
107; BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1985 - 2 B 43.85 -, NJW 1986, 206, 207; BVerwG,
Beschluss vom 6. De-zember 1988 - 8 B 54. 88 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 210;
BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 1995 - 11 B 18.95 -, NJW 1995, 3402.
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Hat ein Beteiligter bzw. sein Prozessbevollmächtigter sein Erscheinen oder die
Möglichkeit einer geringen Verspätung ausdrücklich angekündigt, so wird er im
Allgemeinen damit rechnen können, dass eine gewisse Zeit gewartet wird.
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BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1985, - 2 B 43.85 -, NJW 1986, 206, 207; BVerwG,
Urteil vom 11. April 1989 - 9 C 55.88 -, NJW 1989, 857, 858; BVerwG, Urteil vom 3. Juni
1992 - 8 C 58.90 -, NJW 1992, 3185
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Im vorliegenden Fall war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, mit der Eröffnung, der
Fortführung und der Schließung der mündlichen Verhandlung (weiter) zuzuwarten, bis
der Bevollmächtigte des Klägers erschienen war. Weder lag dem Gericht vorab ein
Hinweis vor, dass der Prozessbevollmächtigte den Termin wahrnehmen werde, noch
hatte dieser eine mögliche Verspätung angezeigt. Auch der bei Aufruf der Sache
anwesende Kläger hat nicht der Erwartung Ausdruck gegeben, sein Bevollmächtigter
werde noch kommen; vielmehr hat er ohne weiteres mit Hilfe des Dolmetschers zur
Sache verhandelt. Inwieweit die prozessuale Fürsorgepflicht darüber hinaus gebieten
mag, wenigstens eine kurze Zeitspanne - deren Grenze in der gerichtlichen Praxis
vielfach bei 15 Minuten liegt -,
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vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 103 Rn. 27; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11.
Aufl. 2000, § 103 Rn. 9; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 11. April 1989 - 9 C
55.88 -, NJW 1989, 857, 858
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auf das Erscheinen des Prozessbevollmächtigten zu warten, bedarf hier keiner näheren
Erörterung. Jedenfalls bestand mangels besonderer Umstände keine Pflicht des
Verwaltungsgerichts, mit der Durchführung bzw. Schließung der mündlichen
Verhandlung länger als 15 Minuten zuzuwarten. Auch bei Verkündung des Urteils 20
Minuten nach Beginn des Termins war der Prozessbevollmächtigte des Klägers
ausweislich des Protokolls noch nicht im Sitzungssaal anwesend. Deshalb schied auch
eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO) aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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