Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.05.2004

OVG NRW: dienstalter, stellenausschreibung, polizei, dringlichkeit, zugehörigkeit, leistungsbezug, amt, qualifikation, erlass, ausnahme

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 457/04
Datum:
27.05.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 457/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 4 L 1328/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen; diese hat
die Beigeladene selbst zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Die auf die dargelegten Gründe beschränkte
Überprüfung der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) führt nicht zu einem Erfolg des Rechtsmittels.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die dem
Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 1.
Dezember 0000 zugewiesene weitere Beförderungsstelle der Besoldungsgruppe A 10
BBesO (II. Säule-"ZS") mit der Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die
Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut entschieden ist,
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mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht habe, weil die Auswahlentscheidung des Antragsgegners nach
summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Antragsgegner habe den
Antragsteller und die Beigeladene nach den Ergebnissen der aktuellen dienstlichen
Beurteilungen sowie der Vorbeurteilungen zu Recht als gleich qualifiziert angesehen,
der Beigeladenen aber aufgrund des § 25 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 LBG fehlerfrei den
Vorzug gegeben und dabei das Vorliegen der sog. Öffnungsklausel verneint. Dass der
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Antragsgegner das lediglich um zwei Jahre höhere Beförderungsdienstalter des
Antragstellers als nicht so gewichtig angesehen habe, um den Gesichtspunkt der
Frauenförderung zu Lasten der Beigeladenen zurück treten zu lassen, stehe im
Einklang mit der Rechtsprechung der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen. Auch das um 12 ½ Jahre höhere allgemeine Dienstalter und
das um fünf Jahre höhere Lebensalter des Antragstellers seien letztlich nicht so
gewichtig, als dass dem Antragsteller der Vorzug hätte gegeben werden müssen. Es sei
nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner diese - weniger am Leistungsgrundsatz
orientierten - Hilfskriterien grundsätzlich gegenüber dem Hilfskriterium der
Frauenförderung als nachrangig einstufe, zumal der geringe Frauenanteil in der
Besoldungsgruppe A 10 BBesO dem Gesichtspunkt der Frauenförderung besondere
Dringlichkeit verleihe. Im Hinblick darauf sei der Antragsgegner berechtigt und
verpflichtet gewesen, die Beigeladene im Verhältnis zum Antragsteller bei der
Auswahlentscheidung vorzuziehen.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Der
Antragsgegner habe das bei der Stellenausschreibung geforderte Anforderungsprofil bei
der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt. Da nach dem Anforderungsprofil
insbesondere eine mindestens dreijährige Tätigkeit im gehobenen Dienst gefordert
werde, sei die Diensterfahrung zwingendes Merkmal des Auswahlverfahrens gewesen.
Die Diensterfahrung ergebe sich insbesondere auch aus dem allgemeinen Dienstalter.
Allein der Vorsprung hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Laufbahnabschnitt betrage zwei
Jahre. Dem Gesichtspunkt der Frauenförderung könne keine derartig überragende
Bedeutung zukommen, dass sämtliche Hilfskriterien, die im Einzelnen aufgeführt seien,
nicht berücksichtigt würden. Soweit nach den Ergebnissen der zurückliegenden
Beurteilungen ein Gleichstand bestehe, seien weitere Hilfskriterien bei der
Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Gerade unter Beachtung der
Binnendifferenzierung sei ein Vergleich von Sub- und Hauptmerkmalen vorzunehmen
gewesen.
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Damit ist nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung hätte stattgeben müssen. Der Senat sieht auch unter
Würdigung des Beschwerdevorbringens einen Anordnungsanspruch nicht als gegeben
an. Es ist - bei summarischer Betrachtung - nicht glaubhaft gemacht, dass die
Auswahlentscheidung des Antragsgegners, die streitbefangene Beförderungsstelle mit
der Beigeladenen zu besetzen, das Recht des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über sein Beförderungsbegehren verletzt.
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Der Antragsgegner hat in Anwendung der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei
des Landes Nordrhein-Westfalen vom 00.00.00 (BRL), MBl. NRW. 1996, 278, in der
Fassung der einschlägigen Änderungen, beide Konkurrenten als im Wesentlichen
gleich gut qualifiziert eingestuft und die Beförderungsentscheidung auf den
Gesichtspunkt der Frauenförderung (§ 25 Abs. 6 Satz 2 LBG) gestützt. Dies lässt einen
Rechtsfehler zu Lasten des Antragstellers nicht erkennen. Das Gesamturteil in den
aktuellen dienstlichen Regelbeurteilungen vom 00.00.00 (betreffend den Antragsteller)
und vom 00.00.00 (betreffend die Beigeladene) lautet für beide Beamten gleich. Auch
die jeweiligen Vorbeurteilungen schließen mit dem gleichen Gesamturteil ab. Dass der
Dienstherr aus diesen Beurteilungen keine unterschiedliche Qualifikation anhand einer
Auswertung der dem Gesamturteil zugrundeliegenden Einzelfeststellungen abgeleitet
hat, lässt ein Abwägungsdefizit nicht erkennen. Eine derartige inhaltliche Ausschöpfung,
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 27. Februar 2004 - 6 B 2451/03 -, drängt sich nicht auf.
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Die hier bewerteten Hauptmerkmale Leistungsverhalten, Leistungsergebnis und
Sozialverhalten (Nr. 6.1 BRL) sind bei beiden Beamten übereinstimmend beurteilt
worden. Aus der Bewertung der den Hauptmerkmalen zugrunde gelegten Submerkmale
(Nr. 6.2 BRL), denen ohnehin nur eine eingeschränkte Aussagekraft zukommt, ergeben
sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede.
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Konnte somit der Antragsgegner den Antragsteller und die Beigeladene als gleich
qualifiziert ansehen, durfte er der Beigeladenen aufgrund der Bestimmung des § 25 Abs.
6 Satz 2 Halbsatz 1 LGB den Vorzug geben.
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Zur rechtlichen Einordnung und Handhabung des Gesichtspunktes der Frauenförderung
nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11.
November 1997 - C-409/95 -, Slg. 1997, Seite I-6383, wird zunächst auf die mit der
Rechtsprechung des Senats übereinstimmenden Darlegungen in dem angefochtenen
Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Den Darlegungen des
Antragsgegners ist zu entnehmen, dass er bei der hiernach vorzunehmenden
Einzelfallbetrachtung dem Hilfskriterium der Zugehörigkeit zum Laufbahnabschnitt ein
höheres Gewicht als dem allgemeinen Dienstalter sowie dem Lebensalter beigemessen
hat. Dies ist mit Blick auf den wesentlich engeren Leistungsbezug dieses Kriteriums
bedenkenfrei. Soweit der Antragsteller meint, wegen des in der vorgelegten
Stellenausschreibung geforderten Anforderungsprofils sei die sich aus dem allgemeinen
Dienstalter ergebende Diensterfahrung im Auswahlverfahren zwingend zu
berücksichtigen gewesen, gehen seine Darlegungen ins Leere, weil es vorliegend um
die Besetzung einer Beförderungsplanstelle geht, auf die sich die vorgelegte
Stellenausschreibung gar nicht bezieht und für die auch keine Stellenausschreibung
erforderlich war. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen.
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Der Senat hat wiederholt entschieden, dass ein um fünf Jahre höheres Dienstalter des
männlichen Bewerbers im bisherigen statusrechtlichen Amt einen Anhaltspunkt für die
Anwendung der Öffnungsklausel des § 25 Abs. 6 Satz 2 LBG darstellt.
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Vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 29. März 2001 - 6 B 1954/00 - (m. w. Nachw.).
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Daran gemessen ist die Entscheidung des Antragsgegners, angesichts des nur
zweijährigen Vorsprungs des Antragstellers im Beförderungsdienstalter der
Beigeladenen den Vorzug zu geben, auch unter Berücksichtigung des deutlich höheren
allgemeinen Dienstalters des Antragstellers sowie seines um etwa fünf Jahre höheren
Lebensalters nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zutreffend
davon ausgegangen, dass der geringe Frauenanteil in dem Beförderungsamt (hier 4,4
%) dem Gesichtspunkt der Frauenförderung besondere Dringlichkeit verleiht.
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Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 10. November 1999 - 6 B 595/99 - und vom
7. Januar 2002 - 6 B 1536/01 -.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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