Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.04.2010

OVG NRW (medizin, numerus clausus, antragsteller, universität, hochschule, stelle, ausbildung, berechnung, aufgaben, lehre)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 176/10
Datum:
27.04.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 176/10
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entschei¬dung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Be-schlüsse des
Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Januar 2010 werden auf Kosten der
jewei¬ligen An¬tragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfah¬ren auf jeweils 5.000,--
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässigen Beschwerden, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur
im Rahmen der fristgerechten Darlegungen der Antragsteller befindet, sind unbegründet.
Die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts sind bei Zugrundelegung
dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
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1. Eine Erhöhung der Lehrkapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin ist entgegen
der Auffassung der Antragsteller nicht deshalb geboten, weil ein Teil des Lehrbedarfs
durch Lehrpersonen aus der Klinik geleistet werden könnte. Dies gilt auch angesichts
der rechtlichen Verselbständigung des Universitätsklinikums als Anstalt des öffentlichen
Rechts. Die Ausbildungskapazität einer Hochschule in einem Studiengang ist nach der
Kapazitätsverordnung zu errechnen, deren Berechnungsmodell grundsätzlich von der
dem betreffenden Studiengang zugeordneten Lehreinheit, für den Studiengang Medizin
jedoch von 3 Lehreinheiten (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 KapVO), ausgeht. Dieses Modell,
gegen das verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, obgleich auch andere
verfassungsrechtlich unbedenkliche Modelle denkbar sein mögen, ist für die
Wissenschaftsverwaltung und die Gerichte verbindlich. Bereits diese Verbindlichkeit
steht der Forderung entgegen, in den klinischen Lehreinheiten angesiedelte Stellen zu
einem Teil in der Lehreinheit Vorklinische Medizin auf der Angebotsseite anzusetzen.
Soll etwa ein habilitierter Dozent auf einer Stelle eines Fachs der Lehreinheit Klinisch-
theoretische Medizin Lehre für die Vorklinische Ausbildung erbringen, kann das wenn
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kein gesonderter Lehrauftrag nach § 10 KapVO erteilt ist nur im Wege des
Dienstleistungsexports erfolgen. Geschieht das so nicht, kann das in dieser klinisch-
theoretischen Stelle verkörperte Lehrpotenzial nach dem Willen des Verordnungsgebers
für die Lehreinheit Vorklinische Medizin nicht kapazitätserhöhend wirksam werden.
Auch das Kapazitätserschöpfungsgebot verpflichtet nicht zur Schaffung zusätzlicher
Ausbildungsplätze durch Verlagerung von Stellen aus anderen Lehreinheiten, sondern
nur zur vollen Ausschöpfung der nach der verbindlichen Kapazitätsverordnung und
deren Modell zu errechnenden Studienplätze. Eine Verpflichtung der RFWU, sich für die
Ausbildung in der Vorklinik der Lehrleistung von Lehrpersonal der Klinik zu bedienen,
besteht dementsprechend nicht. Die Bestimmung, welche Lehrperson diese Lehrinhalte
in einer konkreten Lehrveranstaltung vermittelt, bleibt vielmehr der
Organisationsbefugnis der Hochschule vorbehalten. Etwas anderes kann - wofür hier
keine Anhaltspunkte bestehen - allenfalls dann gelten, wenn die Lehrpersonen in der
Vorklinik nicht in der Lage sein sollten, die erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln und
das Ausbildungsziel zu erreichen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2007 - 13 C 1/07 -, juris, vom
8. Mai 2008 - 13 C 156/08 -, vom 15. September 2008 - 13 C 232/08 u. a. -
und vom 2. März 2010 13 C 11/10 u. a. -, juris,; Hess. VGH, Beschluss vom
12. Mai 2009 - 10 B 1911/08.GM.S8 -, juris.
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Die rechtliche Verselbständigung der Universitätsklink(en) bedingt kapazitätsrechtlich
keine andere Beurteilung. Die Kapazitätsverordnung mit der Untergliederung des
Studiengangs Medizin in verschiedene Berechnungseinheiten (vgl. § 7 Abs. 3 KapVO)
hat als Folge der Änderung der rechtlichen Stellung der Universitätskliniken keine
Änderung erfahren. Die Ausbildung im Studiengang Medizin ist auch nicht einem
Universitätsklinikum zugewiesen, sondern erfolgt nach wie vor durch die Universität und
deren wissenschaftliches Personal mit den entsprechenden maßgebenden
Lehrverpflichtungen. Dies wird beispielsweise auch erkennbar aus der auf § 31 Abs. 2
HG NRW beruhenden Universitätsklinikum-Verordnung - UKVO - vom 20. Dezember
2007 (GV. NRW. 2007, 744), wonach das Universitätsklinikum dem Fachbereich
Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre dient und
Aufgaben in der Krankenversorgung wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 UKVO) und das
wissenschaftliche Personal der Universität nach näherer Ausgestaltung des
Dienstverhältnisses und der Widmung oder Funktionsbeschreibung der Stelle
verpflichtet ist, im Universitätsklinikum u. a. Aufgaben in der Krankenversorgung und in
der Fort- und Weiterbildung der Ärzte zu erfüllen (§ 14 UKVO). Ein Verbot, universitäres
Personal (auch) im Universitätsklinikum einzusetzen, kann daraus gerade nicht
abgeleitet werden. Soweit nach dem Vorbringen der Antragsteller die Universität Halle
klinisches Personal in den vorklinischen Studienabschnitt einbezieht, ist mit Rücksicht
auf die gegebenen spezifischen Unterschiede der Hochschulen in Größe, Organisation
und Ausrichtung eine vergleichende Betrachtung für die Frage der Einbeziehung von
klinischem Personal in den vorklinischen Studienabschnitt unergiebig.
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2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist der Dienstleistungsabzug für den
Master-Studiengang Neurosciences, der im Februar 2009 akkreditiert worden ist und
zum Wintersemester 2009/2010 den Studienbetrieb aufgenommen hat, rechtlich nicht zu
beanstanden.
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Maßgeblich für die Berechnung von Dienstleistungen für nicht zugeordnete
Studiengänge sind nach § 11 Abs. 1 KapVO die Lehrveranstaltungsstunden, die der
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Dienstleistungsstudiengang zu erbringen hat. In Rede steht eine Dienstleistungspflicht,
also in der Regel eine rechtlich verbindliche Regelung, um feststellen zu können,
welche Lehrveranstaltungsstunden als Dienstleistungen für einen nicht zugeordneten
Studiengang zu erbringen sind. Danach sind grundsätzlich nur solche
Lehrveranstaltungen als Dienstleistungsexport vom Lehrangebot abzuziehen, die nach
der jeweiligen Studien- oder Prüfungsordnung des nicht-zugeordneten Studiengangs für
den erfolgreichen Abschluss des Studiums erforderlich sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -, m. w. N.;
Bay VGH, Beschluss vom 19. September 2007 7 CE 07.10334 , juris;
Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 182 f., m. w. N.
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Eine solche einschlägige Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Neurosciences
datiert vom 8. September 2008. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zutreffend die
Erforderlichkeit eines Dienstleistungsexports an den Masterstudiengang im Umfang von
3,78 DS angenommen.
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3. Die von den Antragstellern angeführte Notwendigkeit, Dienstleistungsexport an nicht
zugeordnete Studiengänge nur anzuerkennen, wenn für die aufnehmenden
Studiengänge ein Curricularnormwert durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes
festgesetzt worden sei, besteht nicht. Die insoweit maßgebenden Bestimmungen der
§§ 11 ff. KapVO sehen eine derartige Normierung für die aufnehmenden Studiengänge
nicht vor, auch nicht bei der Einrichtung eines neuen (Master-)Studiengangs. Der den
Begriff "Curricularnormwert" enthaltende § 13 KapVO bezieht sich auch nicht auf die
nachfragenden Studiengänge, sondern betrifft den Ausbildungsaufwand des
Studiengangs, für den Studienplätze festzusetzen sind.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 - 13 C 93/09 u. a. - und vom
25. Februar 2010 13 C 1/10 u. a. -, jeweils juris; vgl. auch BayVGH,
Beschluss vom 22. März 2010 7 CE 10.10076 u. a , juris; HessVGH,
Beschluss vom 24. September 2009 10 B 1142/09.MM.W8 -, juris; zu § 13
Abs. 3 KapVO vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2010 2 B 428/09
-, juris.
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Danach muss der Curricularwert für die nachfragenden Studiengänge Neuroscience,
Life and Medical Sciences weder vom Verordnungsgeber im Einzelnen festgelegt noch
von der Hochschule ausdrücklich durch eine gesonderte Satzung normiert werden.
Vielmehr genügt es, dass die Hochschule - wie hier - den für zutreffend erachteten und
nachvollziehbaren Curricularwert ihrer Kapazitätsberechnung erkennbar zugrunde legt
und die jeweilige Zulassungszahlsatzung darauf stützt. 4. Soweit die Antragsteller die
Berechnung der Dienstleistung für nicht zugeordnete Studiengänge durch die RFWU
beanstanden, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Zu Recht hebt die Universität auf
§ 11 Abs. 2 KapVO ab, wonach zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen
Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen sind,
wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die
bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind. Diesen
Vorgaben ist die RFWU nach ihren glaubhaften Angaben entsprechend dem Erlass des
Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie NRW vom 9.
Januar 2009 nachgekommen und berechnet den Bedarf für (Master-)Studiengänge,
deren Studienbetrieb (wie hier) aufgenommen worden ist, bei Numerus-clausus-
Studiengängen entsprechend der Aufnahmekapazitäten und bei den übrigen
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Studiengängen entsprechend der Studienanfängerzahlen des Wintersemesters
2008/2009 sowie des Sommersemesters 2009. Rechtlichen Bedenken begegnet diese
Praxis nicht.
5. Entgegen der Auffassung der Antragsteller sind die Gruppengrößen für Vorlesungen,
Praktika und Seminare für die neu eingeführten Studiengänge aus den Gründen, die
das Verwaltungsgericht angeführt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Ergänzend merkt
der Senat an, dass es sich bei den Studiengängen Neuroscience, Life and Medical
Sciences um forschungsorientierte Studienangebote handelt. Die Festlegung der
Gruppengrößen (Vorlesung: 40; Praktikum: 5; Seminar: 10) ist bei summarischer
Prüfung deshalb nicht unangemessen. Dass die Gruppengrößen sich von denen im
Studiengang Medizin (vorklinischer Studienabschnitt) unterscheiden, lässt deren
Festlegung nicht als sachwidrig erscheinen. Im Zuge ihrer Akkreditierung (§ 7 HG NRW)
ist zudem eine Prüfung der Studiengangskonzepte, die eine Betreuung in Kleingruppen
vorsehen, sowie der Studienziele erfolgt, so dass eine Überprüfung der im Rahmen des
Organisationsermessens der Hochschule festgelegten Größen gewährleistet gewesen
ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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