Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.01.2010

OVG NRW (sri lanka, aufenthalt im ausland, kläger, deutschland, genehmigung, antrag, verwaltungsgericht, zweifel, ausland, zulassung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1601/07
Datum:
11.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1601/07
Schlagworte:
Entlassung Auslandsaufenthalt Genehmigung
Leitsätze:
Erfolgloser Zulassungsantrag eines Studienrats gegen seine
Entllassung aus dem Beamtenverhältnis wegen dauerhaften
Auslandsaufenthalts
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abge-lehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfah¬ren auf bis 65.000,-- EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne
des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.
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Das Antragsvorbringen weckt zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses
Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten
Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des
Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in
substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht
gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung
ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die
Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils bestehen.
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Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung darauf abgestellt, der
Kläger habe jedenfalls seinen dauernden Aufenthalt ohne Genehmigung seines
Dienstvorgesetzten im Ausland, nämlich in Sri Lanka, genommen. Es hat diese
Annahme unter anderem darauf gestützt, dass der Kläger bereits 1997 auf einer
Visitenkarte und weiter in Schreiben aus den Jahren 2001 und 2002 als Adresse "C.
S. , N. , Sri Lanka" angegeben hat. Ferner hat das Gericht ausgeführt und näher
erläutert, der Kläger sei ausweislich einer Reihe von Internetseiten Ansprechpartner und
Mitarbeiter des "Asian German Sports Exchange Programme (AGSEP)"; als
Kontaktdaten des Klägers werde dabei stets die Anschrift N. , Sri Lanka genannt.
Dass der Kläger weiterhin einen Wohnsitz in E. unterhalte, stelle seinen nach allem
anzunehmenden dauernden Aufenthalt in Sri Lanka nicht in Frage.
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Der Kläger beschränkt sich zur Begründung des Zulassungsgrundes der ernstlichen
Zweifel im Wesentlichen darauf, ohne jede Substantiierung zu behaupten, er lebe
weiterhin in Deutschland, und die für den Umstand, dass er in Sri Lanka lebt,
sprechenden Anhaltspunkte für nicht ausreichend zu erklären. Dass er sich zeitweise in
Sri Lanka aufhält, räumt er ein.
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Dies genügt angesichts der Zahl und des Gewichts der für die Annahme des
Verwaltungsgerichts streitenden Indizien indessen nicht, um das seitens des Gerichts
gefundene Ergebnis durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Zunächst stellt der Kläger nicht
in Abrede, dass auf einer 1997 zu den Verwaltungsvorgängen gelangten Visitenkarte für
ihn die Adresse "C. S. , N. , Sri Lanka" genannt ist und auch er selbst in
Schreiben aus den Jahren 2001 und 2002 dem beklagten Land gegenüber dies als
Anschrift angegeben hat. An einer Erklärung dafür, warum dies geschehen sein soll,
wenn er sich tatsächlich im Wesentlichen in Deutschland aufgehalten hätte, lässt er es
fehlen. Der schon danach anzunehmende Auslandsaufenthalt in Sri Lanka über eine
Dauer von mehreren Jahren kann nicht als vorübergehend angesehen werden.
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Das weitere Argument des Klägers, wenn er mit Schreiben vom 4. Februar 2004
ausgeführt habe, für die Dauer des in Sri Lanka durchzuführenden Scheidungs- bzw.
Unterhaltsverfahrens dort sein zu wollen, belege dies, dass er nicht dauerhaft im
Ausland verweilt habe, verfängt nicht. Das Schreiben vom 4. Februar 2004 gibt nichts
dafür her, dass sich der Kläger während des Laufs der gerichtlichen Verfahren in Sri
Lanka, zu denen er in dem Schreiben nähere Ausführungen macht, tatsächlich in
Deutschland aufgehalten hat; da er darin die Notwendigkeit betont, während der
Verfahren in Sri Lanka anwesend zu sein, liegt vielmehr nahe, dass er das auch getan
hat. Inwieweit das Schreiben gleichwohl belegen soll, dass er sich nicht dauerhaft im
Ausland aufgehalten habe, wird mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht
erläutert und erschließt sich auch sonst nicht.
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Vergeblich stellt der Kläger ferner die Aussagekraft der zahlreichen vom
Verwaltungsgericht genannten Internetseiten in Frage. Er räumt ein, dass er als
Ansprechpartner für die AGSEP auftritt und "dabei zu verschiedenen Anlässen in Sri
Lanka zugegen" ist. Das müsse allerdings noch lange nicht heißen, dass er sich dort
auch dauerhaft aufhalte.
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Damit wird genau genommen nicht einmal ausdrücklich behauptet, sondern nur als
möglich dargestellt, dass der Kläger seinen Aufenthalt nicht dauerhaft im Ausland
genommen hat. Die Zusammenschau der aus den vom Verwaltungsgericht näher
benannten Internetseiten zu entnehmenden Informationen drängt dagegen zu der
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Annahme, dass der Kläger sich seit vielen Jahren dauerhaft und nicht nur
vorübergehend in Sri Lanka aufhält. Dabei sei nur hervorgehoben, dass für ihn stets als
Kontaktdaten nicht nur ausschließlich die Anschrift in N. , Sri Lanka, genannt wird,
sondern auch sri lankische Telefonnummern - dies teils mit der Bitte zu beachten, dass
zwischen Sri Lanka und Deutschland eine Zeitdifferenz von fünf Stunden besteht
("15.00h in Deutschland bedeutet 20.00h in Sri Lanka zur Winterzeit"). Eine Anschrift
oder Telefonnummer in Deutschland hingegen ist auch in den in deutscher Sprache
gehaltenen Internetseiten nicht angegeben. All dies ist nur sinnvoll, wenn der Kläger in
Sri Lanka (und eben nicht in Deutschland) zu erreichen ist. Soweit der Kläger
beanstandet, dem vom Verwaltungsgericht weiter aufgeführten Zeitungsartikel der Free
University Bozen-Bolzano vom 12. Januar 2005 sei "gar nicht zu entnehmen", dass er
sich seit 15 Jahren in Sri Lanka aufhalte, ist diese Kritik unverständlich. Denn in dem
Artikel heißt es auszugsweise wörtlich: "E. E. : Seit 15 Jahren auf Sri Lanka". Das
stimmt im Kern überein mit den Angaben in der Heiratsurkunde des Klägers aus dem
Jahre 1983, in der eine Adresse in Colombo als "Residence" (Wohnsitz) genannt ist.
Nicht nachvollziehbar ist es ferner, wenn mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung
geltend gemacht wird, in den Entscheidungsgründen dürfe nicht auf Webseiten
verwiesen werden, ohne den Inhalt der entsprechenden Dateien mit in die
Entscheidungsgründe aufzunehmen. Denn das Verwaltungsgericht hat sich in seiner
Entscheidung nicht auf Internetseiten bezogen, ohne sich näher zum Inhalt der
entsprechenden Dateien zu verhalten. Dass einzelne oder gar alle der den
Internetseiten zu entnehmenden Informationen nicht mehr aktuell oder sonst falsch
seien, wird mit dem Zulassungsantrag nicht behauptet.
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Angesichts dessen hätte der Kläger - mindestens - im Einzelnen aufführen und näher
erläutern, wenn nicht unter Beweis stellen müssen, in welchen Zeiträumen und unter
welchen Umständen er sich im Zeitraum seit 1997 bis zur angegriffenen Entscheidung
tatsächlich in Deutschland aufgehalten hat. Daran fehlt es vollständig, obwohl eine
solche Darstellung dem Kläger ohne Weiteres hätte möglich sein müssen, nachdem sie
seine unmittelbare Lebensführung betrifft. Insgesamt kann vernünftigerweise nur
angenommen werden, dass er sich seit Jahren ganz überwiegend in Sri Lanka aufhält.
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Der Kläger beanstandet ferner, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die
Wohnsitzverlagerung bzw. der Auslandsaufenthalt gemäß § 31 LBG NRW in der
maßgeblichen Fassung auch nachträglich noch genehmigt werden könne. Dies habe
die Bezirksregierung E. nicht geprüft, weshalb ein Ermessensfehler vorliege. Die
Genehmigung hätte - so der Kläger - ihm auch erteilt werden müssen, weil kein Grund
ersichtlich sei, weshalb dies nicht hätte erfolgen können.
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Auch damit werden Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht begründet.
Gemäß § 31 Ziff. 4 LBG NRW in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung
geltenden Fassung ist ein Beamter zu entlassen, wenn er ohne Genehmigung des
Dienstvorgesetzten seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland nimmt. Es
liegt angesichts des Wortlauts der Norm und des Umstands, dass es sich um eine
gebundene, Ermessen nicht eröffnende Vorschrift handelt, bereits fern, dass bei einer
Entscheidung nach § 31 Ziff. 4 LBG NRW a.F. nicht nur die - hier nicht beantragte -
Genehmigung, sondern auch die Genehmigungsfähigkeit des Auslandsaufenthalts
Berücksichtigung finden kann. Selbst dann wäre aber die angegriffene Verfügung im
Hinblick darauf nicht zu beanstanden, weil der dauernde Auslandsaufenthalt des
Klägers nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Mit dem Antrag auf Zulassung der
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Berufung wird insoweit verkannt, dass sich die Genehmigung im Sinne des § 31 Ziff. 4
LBG NRW a.F. auf den Aufenthalt im Ausland, nicht auf die Beurlaubung vom Dienst
bezieht. Letztere lag seit 2002 nicht mehr vor. Der Genehmigung eines dauerhaften
Aufenthalts in Sri Lanka stand unter diesen Umständen entgegen, dass dem Kläger ein
Dienst als Studienrat in Deutschland damit unmöglich wurde.
Es kann auf sich beruhen, ob es noch berücksichtigt werden kann, wenn für den Kläger
mit Schriftsatz vom 9. August 2007 und damit außerhalb der Begründungsfrist für den
Zulassungsantrag überdies geltend gemacht worden ist, dem - nicht gestellten - Antrag
auf Genehmigung seines Aufenthalts in Sri Lanka hätte entsprochen werden müssen,
weil andernfalls sein Recht aus Art. 6 GG verletzt worden wäre. Das Vorbringen führt
jedenfalls nicht auf die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des
angegriffenen Urteils.
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Für den Kläger wird insoweit vorgetragen, dass er wegen der Teilnahme an
gerichtlichen Terminen in seinem Scheidungs- und/oder Sorgerechtsverfahren in Sri
Lanka habe anwesend sein müssen. Bei Nichterscheinen zu einem Termin wäre
Haftbefehl erlassen worden. Auch daraus ergibt sich nicht, dass einem Antrag des
Klägers auf Genehmigung seines weiteren dauerhaften Aufenthalts in Sri Lanka zu
entsprechen gewesen wäre. Zu beantragen gewesen wäre zunächst eine Beurlaubung
des Klägers und nicht eine Genehmigung des Auslandsaufenthalts, der ohne
Beurlaubung die oben genannten dienstlichen Gründe entgegen gestanden hätten.
Ferner fehlt es auch im Schriftsatz vom 9. August 2007 an der erforderlichen weiteren
Darlegung. So hat der Kläger keinerlei nähere Angaben zur Dauer des bzw. der
gerichtlichen Verfahren sowie zu den gerichtlichen Terminen gemacht und auch nicht
dargelegt, warum er zu diesen Terminen nicht von Deutschland aus hätte anreisen
können. Nur behauptet und ohne Beleg nicht glaubhaft ist es schließlich, dass nach sri
lankischem Recht auch dann bei Nichterscheinen zu Gerichtsterminen Haftbefehl
ergeht, wenn das Nichterscheinen entschuldigt werden kann.
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Der außerdem geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hinsichtlich der Fragen,
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"inwiefern nach Änderung des § 31 LBG NRW im Jahre 1990 vor Erlass und
Zustellung der Entlassungsverfügung eine etwaige Genehmigungsfähigkeit
zu prüfen ist und welche Anforderungen an diese zu stellen sind",
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sowie der Frage "nach einer verfassungsgemäßen Anwendung der
Vorschrift des § 31 Ziff. 4 LBG NRW im Hinblick auf Art. 33 V GG"
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ist nicht gegeben. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im
Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens
erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den
konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder
Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die
Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig
und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über
den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
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Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die erstgenannte Frage ist nicht
klärungsbedürftig, weil - wie oben gezeigt - jedenfalls unter den Umständen des
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vorliegenden Falles ohne Weiteres festzustellen ist, dass ein etwa gestellter Antrag
nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Mit der Frage "nach einer
verfassungsgemäßen Anwendung der Vorschrift des § 31 Ziff. 4 LBG NRW im Hinblick
auf Art. 33 V GG" ist schon nicht mit hinreichender Klarheit eine grundsätzlich
klärungsbedürftige Frage formuliert. Zudem fehlt es dazu an weiterer Darlegung.
Darüber hinaus kommt Fragen, die sich im Zusammenhang mit § 31 Ziff. 4 LBG NRW in
der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 2004 bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung
etwa stellen könnten, keine über den Einzelfall hinausgreifende Bedeutung mehr zu,
nachdem die Norm am 31. März 2009 außer Kraft getreten ist. Eine entsprechende
Nachfolgebestimmung im Beamtenstatusgesetz oder im LBG NRW gibt es nicht; sie
wurde als überflüssig erachtet, weil die selbstverständliche Verpflichtung des Beamten,
seine Wohnung so zu nehmen, dass die dienstlichen Pflichten erfüllt werden können,
keines besonderen Entlassungstatbestandes mehr bedarf.
Vgl. Auerbach, Das neue Bundesbeamtengesetz, 2009, S. 65;
Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz Kommentar, Loseblatt, BeamtStG §
23 Rn. 1.
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Es ist auch nicht anzunehmen, dass noch eine ins Gewicht fallende Anzahl von Fällen
anhängig wäre oder werden könnte, in denen die Norm streitentscheidend ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des
Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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