Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.07.1998

OVG NRW (ausbildung, verwendung, prüfung, hund, kläger, allgemeinverfügung, tier, wasser, einsatz, jagd)

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 592/96
Datum:
30.07.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 A 592/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 23 K 10640/92
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 15. Juli 1992 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten vom 16.
November 1992 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger
vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in . Er ist Mitglied im
Jagdgebrauchshundverband und verfolgt den Zweck, durch Lehrgänge, Prüfungen und
Zuchtberatungen brauchbare Jagdhunde heranzubilden. Prüfungen hält er nach den
Prüfungsordnungen des Jagdgebrauchshundverbandes und des Landesjagdverbandes
Nordrhein-Westfalen ab.
2
Die Prüfungen umfassen das Fach Wasserarbeit. Diese hat den Sinn, den Jagdhund auf
seine spätere Aufgabe in der Praxis, d.h. vor allem auf die Nachsuche von krank oder
verendet in Wasser gefallenem Wasserwild vorzubereiten, das Ergebnis durch die
Prüfung zu beweisen und für die Zucht zu dokumentieren. Zur Erreichung dieses Zieles
werden lebende, flugunfähig gemachte Enten eingesetzt. In der Vergangenheit wurden
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den Enten einige Federn einer Handschwinge ausgezupft. In der seit September 1994
geltenden Prüfungsordnung ist festgelegt, daß die Flugfähigkeit der Ente nur durch eine
Papiermanschette über einzelnen Schwungfedern einer Schwinge eingeschränkt
werden darf. Bei der Aufgabe "Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer" - früher
"Verlorenbringen aus der Deckung" - wird eine flugunfähige Ente in der Deckung
ausgesetzt, ohne daß ein Anschuß markiert wird. Der Hund wird zur Nachsuche
aufgefordert. Er soll die Ente selbständig suchen und finden. Sobald er die Ente aus der
Deckung drückt und sichtig verfolgt, ist sie zu erlegen, wenn das ohne Gefährdung der
Sicherheit möglich ist. Die erlegte Ente muß vom Hund selbständig gebracht werden.
Mit Runderlaß vom 4. Mai 1992 (II C 3-4201-3672, III B 6- 71-40-00.10-) erklärte das
Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-
Westfalen die Ausbildung und Prüfung von Jagdhunden in der Wasserarbeit unter
Verwendung lebender, flugunfähig gemachter Enten ab sofort wegen Unvereinbarkeit
mit § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) für verboten. Eine Arbeitsgruppe aus
namhaften Jagdhundexperten sowie Vertretern der obersten Tierschutz- und
Jagdbehörde habe eine brauchbare Alternativmethode entwickelt. Es gebe deshalb
keinen Grund mehr, an der bislang üblichen Methode festzuhalten. Die
Alternativmethode umfaßt nach dem Vorschlag der Arbeitsgruppe vom 9. Dezember
1991 neben der "Ausbildung ohne ausgesetzte Ente" - mit den Aufgaben "Gewöhnung
an tiefes Wasser und an den Schuß", "Stöbern im deckungsreichen Gewässer",
"Freiverlorensuche und Bringen toter Enten aus deckungsreichem Gewässer",
"Feststellung der Schußfestigkeit" - die "Einarbeitung im praktischen Jagdbetrieb", wozu
das "Verfolgen gesunder, nicht ausgesetzter Wildenten außerhalb der Brut- und
Aufzuchtzeit", das "Bringen erlegter Enten aus tiefem Wasser" und die "Nachsuche
einer kranken Ente" gehören.
4
Daraufhin ordnete der Beklagte mit Allgemeinverfügung vom 15. Juli 1992, gerichtet an
alle Besitzer von Jagdgebrauchshunden, die ihre Hunde einer Ausbildung und Prüfung
in der Wasserarbeit unter Verwendung lebender Enten unterziehen wollen, unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung an, daß im Gebiet des Kreises die Ausbildung
und Prüfung von Jagdhunden in der Wasserarbeit unter Verwendung lebender,
flugunfähig gemachter Enten nicht mehr durchgeführt werden dürften. Die Enten würden
einer Streßsituation und einem starken Leidensdruck ausgesetzt. Dies sei mit § 1
TierSchG nicht vereinbar, weil ein vernünftiger Grund nicht mehr gegeben sei. Es
stünden alternative, tierschutzgerechte Ausbildungs- und Prüfungsmethoden zur
Verfügung, die eine sichere Auswahl jagdtauglicher Hunde ermöglichten. Die
Allgemeinverfügung wurde am 17. Juli 1992 öffentlich bekanntgemacht.
5
Der Kläger machte mit seinem am 11. August 1992 eingelegten Widerspruch geltend,
der Einsatz der lebenden Enten sei nicht tierschutzwidrig. Der Hund werde nicht dazu
ausgebildet, Schärfe an Enten unter Beweis zu stellen. Er werde auch nicht auf die Ente
gehetzt. Bei der Wasserjagd sei der für die Wasserarbeit ausgebildete und geprüfte,
brauchbare Jagdhund erforderlich. Die Ente werde mit vernünftigem Grund und
fachgerecht getötet. Sie sei dem Hund im Wasser in der Regel weitaus überlegen.
Erhebliche oder sich wiederholende Schmerzen würden ihr nicht zugefügt. Auch aus
züchterischen Gründen sei die Wasserarbeit mit der lebenden Ente vorzunehmen.
6
Der Regierungspräsident wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16. November 1992
zurück. Bei der bisherigen Form der Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde gerate die
Ente wegen ihres eingeschränkten Fluchtverhaltens in eine mit Angst- und
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Schreckzuständen vergleichbare Streßsituation. Das verstoße gegen § 1 TierSchG.
Anhand der Alternativmethode könnten die natürlichen Anlagen eines Jagdhundes
problemlos und sicher ermittelt werden. Die Verwendung lebender Enten erübrige sich
daher. Wegen des ministeriellen Runderlasses bestehe kein Ermessensspielraum.
Der Kläger hat am 18. Dezember 1992 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die
Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde unter Verwendung lebender Enten seien für die
Zuchtauslese sowie für die Eignungsfeststellung zu Jagdzwecken unerläßlich. Sie
verstießen nicht gegen § 1 TierSchG und unterlägen auch keinem Verbot nach § 3
TierSchG. Der Einsatz brauchbarer Jagdhunde sei gesetzlich vorgeschrieben und zum
Aufspüren und Erlegen krankgeschossenen Wasserwildes auch tierschutzrechtlich
geboten. Die Alternativmethode sei nicht praxisgerecht und nicht geeignet, brauchbare
von nicht geeigneten Jagdhunden zu unterscheiden. Außerdem werde die Tötung der
Ente lediglich vorverlegt. Das ausgesprochene Verbot verstoße gegen den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Das Verbot diene nicht dem Schutz der Ente, sondern sei
politisch motiviert. Seit Anwendung der Alternativmethode seien die Leistungen der
Hunde bei der Wasserarbeit merklich zurückgegangen. Die Zuchtvereine verlangten für
die Eintragung in das Zuchtregister den Nachweis der Arbeit an der lebenden Ente.
8
Der Kläger hat beantragt,
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die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 15. Juli 1992 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten vom 16. November 1992
aufzuheben.
10
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Er hat vorgetragen, u.a. der Landesjagdverband Nordrhein- Westfalen habe sich für die
Alternativmethode ausgesprochen. Diese Methode werde seit 1992 erfolgreich
angewendet. Das ausgesprochene Verbot sei deshalb das mildeste Mittel, um den
Anforderungen des § 1 TierSchG gerecht zu werden. Bei den früheren Prüfungen seien
in großem Umfang Enten lebend von den Hunden apportiert worden.
13
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug
genommen wird, abgewiesen.
14
Gegen diese Entscheidung, die ihm am 29. Dezember 1995 zugestellt worden ist, hat
der Kläger am 25. Januar 1996 Berufung eingelegt. Er verweist auf
Begleituntersuchungen zur Jagdgebrauchshundeausbildung in Baden-Württemberg und
vertieft seine bisherigen Ausführungen. Insbesondere ein Verstoß gegen § 3 Nr. 8
TierSchG liege nicht vor. Bei Einhaltung der Prüfungsordnung werde die Ente nicht
gehetzt. Sie sei dem Hund in der Prüfungssituation nicht unterlegen und erleide keine
Angst. Die Ente werde vom Hund so selten lebend ergriffen, daß die Tauglichkeit der
Prüfungssituation hierdurch nicht in Frage gestellt sei. Außerdem seien Jagdhunde vor
ihrem Einsatz im Jagdbetrieb aufgabengerecht auszubilden und zu prüfen. Die
Verschlechterung der Prüfungsleistungen der Hunde bei der Wasserarbeit sei durch
mehrjährige Aufzeichnungen belegt. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt
insoweit unzulänglich aufgeklärt.
15
Der Kläger beantragt,
16
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Berufung zurückzuweisen.
19
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Ente sei dem Hund schutzlos ausgeliefert,
wenn ihr die Papiermanschette angelegt sei. Die Alternativmethode führe zu
uneingeschränkt jagd- und zuchttauglichen Hunden. Der Hund, der beim Stöbern ohne
lebende Ente gute Leistungen zeige, habe erfahrungsgemäß keine Probleme hinter der
lebenden Ente. Der Abstand zwischen dem Hund und der flugunfähigen Ente sei bei
den Prüfungen häufig so gering, daß mit Rücksicht auf den Hund davon abgesehen
werde, die Ente zu schießen. Die Aufzeichnungen des Klägers wiesen auf eine relativ
geringe Zahl von Versagern hin; das Versagen könne außerdem als Verbesserung der
Selektion verstanden werden.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
21
Entscheidungsgründe
22
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
23
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist klagebefugt; er kann geltend machen, durch die
angefochtene Allgemeinverfügung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die verfügte Anordnung wirkt sich, obwohl sie
an die Besitzer von Jagdgebrauchshunden gerichtet ist, unmittelbar auf die
selbstbestimmte satzungsmäßige Betätigung des Klägers aus und greift inhaltlich in die
subjektive Rechtsstellung des Klägers ein. Der Vereinszweck des Klägers richtet sich
darauf, u.a. durch Lehrgänge und Prüfungen brauchbare Jagdhunde für die
weidgerechte Jagdausübung heranzubilden. Die den Prüfungen der
Jagdgebrauchshunde zugrunde liegende Prüfungsordnung sieht den Einsatz lebender,
flugunfähig gemachter Enten vor. Die angefochtene Allgemeinverfügung untersagt dies
und hindert den Kläger so in der Reichweite ihrer Regelung, seine selbst gewählten
Aufgaben zu erfüllen.
24
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Allgemeinverfügung ist in der Gestalt
des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
Als Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung kommt § 16 a Satz 1 TierSchG in
Betracht. Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung
festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen
Anordnungen. Die Regelungsbefugnis besteht entgegen der Auffassung des Klägers
nicht allein im Hinblick auf vom Menschen gehaltene Tiere. Eine solche Einschränkung
findet im Wortlaut des § 16 a Satz 1 TierSchG keine Stütze, verkennt den
systematischen Zusammenhang mit § 16 a Satz 2 TierSchG ("insbesondere") und wird
26
dem Sinn und Zweck des § 16 a TierSchG nicht gerecht, die Behörde zu Anordnungen
mit dem Ziel der Herbeiführung tierschutzrechtlich ordnungsgemäßer Zustände zu
ermächtigen. Es versteht sich, daß hierzu die Verhinderung zukünftiger Verstöße gegen
tierschutzrechtliche Bestimmungen und drohender Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten
(§§ 17, 18 TierSchG) gehört.
Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung ist, ob die
Verwendung lebender, flugunfähig gemachter Enten bei der Ausbildung und Prüfung
von Jagdhunden generell und ungeachtet etwaiger Modifizierungen der hierbei
praktizierten Rahmenbedingungen oder sonstiger Veränderungen des Ausbildungs-
und Prüfungsgeschehens gegen Bestimmungen des Tierschutzrechts verstößt.
Lediglich unter dieser Voraussetzung kann das ausgesprochene umfassende Verbot
notwendig sein, um zukünftige Zuwiderhandlungen gegen die tierschutzrechtlichen
Anforderungen zu unterbinden. Mit der Formulierung der "notwendigen" Anordnung
bringt § 16 a Satz 1 TierSchG den im Verwaltungsrecht allgemein geltenden Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck, wonach eine behördliche Regelung geeignet,
erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muß. Das schließt ein, daß die
Behörde von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen hat,
die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Im
Hinblick auf die der Allgemeinverfügung zugrunde liegende Zielrichtung des Beklagten
folgt hieraus, daß unerheblich ist, ob die vom Kläger angewandte Prüfungsordnung
schon gegenwärtig alle Möglichkeiten ausschöpft, die Ausbildung und Prüfung der
Jagdgebrauchshunde im Fach Wasserarbeit tierschutzgerecht zu gestalten, oder ob - im
Falle der grundsätzlichen tierschutzrechtlichen Verträglichkeit der Verwendung
lebender, flugunfähig gemachter Enten - Veranlassung besteht, die einzelnen Faktoren
der Übungen bzw. der Prüfung zugunsten der Enten weiter, über die ab September
1994 in Kraft getretenen Änderungen der Prüfungsordnung hinaus, zu verbessern. Die
Allgemeinverfügung beschränkt sich nicht auf die im Zeitpunkt ihres Erlasses bzw. im
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden konkreten Ausbildungs-
und Prüfungsbedingungen oder einzelne in der Vergangenheit aufgetretene Mißstände,
auf die der Beklagte im Verfahren näher eingegangen ist. Sie erstreckt sich vielmehr
schlechthin und undifferenziert auf den Einsatz lebender, flugunfähig gemachter Enten
zur Ausbildung und Prüfung der Jagdgebrauchshunde; sie beruht auf der Annahme, von
der Verwendung solcher Enten könne und müsse vollständig abgesehen werden.
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Ein Gesetzesverstoß, der mit diesem weitgespannten Regelungsgehalt der
angefochtenen Allgemeinverfügung korrespondiert und sie deshalb auch unter dem
Gesichtspunkt des "milderen Mittels" rechtfertigen könnte, ist nicht festzustellen. Aus § 3
Nr. 8 TierSchG läßt sich die generelle Tierschutzwidrigkeit der Verwendung lebender,
flugunfähig gemachter Enten nicht herleiten. § 3 Nr. 8 TierSchG verbietet es, ein Tier auf
ein anderes Tier zu hetzen, soweit dies nicht die Grundsätze weidgerechter
Jagdausübung erfordern. Diese Vorschrift ist einschlägig; der auszubildende oder zu
prüfende Jagdhund wird im Fach "Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer" auf
die Ente gehetzt. Unter "Hetzen" ist das Anstacheln zu aggressivem Verhalten zu
verstehen, wobei die an das Tier gerichtete Aufforderung zur Verfolgung eines anderen
Tieres genügt.
28
Vgl. Hessischer VGH, Beschluß vom 6. November 1996 - 11 TG 4486/96 -, NuR 1997,
296; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 17. März 1998 - 4 L 219/94 -; Lorz, Das
Tierschutzrecht und die Ausbildung des Jagdhundes an der lebenden Ente, NuR 1991,
207.
29
Aufgabe des Hundes ist es, nach Aufforderung seines Führers die ausgesetzte Ente zu
suchen, zu finden und aus der Deckung zu drücken (II § 3 Abs. 2 bis 4 der
Verbandsprüfung Wasser). Jedenfalls letzteres ist als Verfolgung der Ente zu werten, so
daß es der Beurteilung der in der Prüfungsordnung weiter angesprochenen sichtigen
Verfolgung, sobald die Ente aus der Deckung gedrückt ist, nicht bedarf. Die vom Kläger
hiergegen eingewandten Zweifel an der Überlegenheit des Hundes gegenüber der Ente
lassen außer acht, daß es auf diesen Umstand für das "Hetzen" nicht ankommt.
Ausreichend hierfür ist nach dem klaren Wortlaut von § 3 Nr. 8 TierSchG, daß das Tier
auf ein anderes Tier gehetzt wird. Damit erfaßt das Gesetz das andere Tier als Objekt
eines - aufforderungsgemäßen - Angriffs. Ob das angegriffene Tier gemessen an den
Kräfteverhältnissen oder Fluchtmöglichkeiten unterlegen ist, ob es sich mit anderen
Worten der Aggression erfolgreich widersetzen oder ihr ausweichen kann, ist nicht von
Bedeutung. Bestätigt wird dies dadurch, daß die Hetzjagd auf Wild, bei der auf den
Einsatz überlegener Mittel im Verständnis des Klägers abgehoben wird,
30
vgl. Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, Fischereirecht, 3. Aufl., § 19 BJagdG Rdnr. 20,
31
jagdrechtlich ausdrücklich verboten (§ 19 Abs. 1 Nr. 13 des Bundesjagdgesetzes -
BJagdG -) ist. Sie kann deshalb von vornherein nicht als weidgerecht angesehen
werden. § 3 Nr. 8 TierSchG setzt indessen voraus, daß ein "Hetzen" weidgerecht sein
kann, und verdeutlicht so, daß der Begriff im gegebenen tierschutzrechtlichen
Zusammenhang nicht das Merkmal der Überlegenheit des Verfolgers einschließt.
32
Die Grundsätze weidgerechter Jagdausübung erfordern das "Hetzen" des
auszubildenden bzw. zu prüfenden Jagdhundes auf die Ente jedenfalls dem Grunde
nach; eine an den Begriff "soweit" anknüpfende Eingrenzung ist in Anbetracht des
angefochtenen generellen Verbotes nicht veranlaßt. Die Anwendbarkeit der
"Jagdklausel" auf die Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde scheitert nicht daran, daß
es sich hierbei nicht um das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild -
die Jagdausübung im Sinne des § 1 Abs. 4 BJagdG - handelt und es bei diesen
jagdlichen Tätigkeiten nicht weidgerecht ist, das zu jagende Wild zuvor künstlich in
seinen natürlichen Bewegungs- und Fluchtmöglichkeiten einzuschränken, Wasserwild
also flugunfähig zu machen, um sodann Hunde auf es zu hetzen oder es zu erlegen.
33
A.A. Hessischer VGH, Beschluß vom 6. November 1996 - 11 TG 4486/96 -, a.a.O.;
Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 17. März 1998 - 4 L 219/94 -.
34
Seinem Wortlaut nach kann § 3 Nr. 8 TierSchG dahingehend ausgelegt werden, daß die
Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde zur Vorbereitung der eigentlichen
Jagdhandlungen im Sinne des § 1 Abs. 4 BJagdG durch die "Jagdklausel" gedeckt sind.
Ein weites, die Jagdhundausbildung umfassendes Verständnis der "Jagdklausel" wird
schon dadurch nahegelegt, daß die Erforderlichkeit nicht im Hinblick auf die
Jagdausübung gegeben sein muß, sondern im Hinblick auf die Grundsätze der
Jagdausübung. Hiermit lehnt sich § 3 Nr. 8 TierSchG an die Formulierung des § 1 Abs.
3 BJagdG an. Diese Vorschrift umschreibt mit dem Verweis auf die allgemein
anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit die Summe der rechtlich
bedeutsamen weidmännischen Pflichten.
35
Vgl. Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 45.
36
Die sich aus § 1 Abs. 3 BJagdG ergebenden Anforderungen sind auch bei Handlungen
zu beachten, die nicht unmittelbar zu den Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 4 BJagdG
gehören.
37
Vgl. Schandau/Drees, Das Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., § 1 BJagdG Anm.
2 d.
38
§ 3 Nr. 8 TierSchG betont damit den Gesichtspunkt der Weidgerechtigkeit der Tätigkeit
des Jägers, nicht denjenigen der Jagdausübung im engeren Sinne des § 1 Abs. 4
BJagdG.
39
Darüber hinaus wird der Begriff der "Jagdausübung" jagdrechtlich nicht einheitlich
verwandt. Er kann alle Maßnahmen und Handlungen umfassen, durch die das
Jagdrecht verwirklicht wird.
40
Vgl. Schandau/Drees, a.a.O., § 1 BJagdG Anm. 2 c.
41
Hierzu gehört herkömmlicherweise die Ausbildung der Jagdgebrauchshunde. Bei der
Such-, Drück- und Treibjagd, bei jeder Jagdart auf Schnepfen und Wasserwild sowie bei
jeder Nachsuche auf Schalenwild sind brauchbare Jagdhunde zu verwenden (§ 30 des
Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen - LJG -). Dies entspricht gefestigtem
jagdrechtlichen Verständnis der Weidgerechtigkeit der Jagd. Die Brauchbarkeit der
Jagdhunde setzt deren Ausbildung voraus.
42
Vgl. Schandau/Drees, a.a.O., § 30 LJG Anm. II.
43
Das ist zwischen den Parteien nicht streitig und bedarf daher keiner vertieften
Erörterung; lediglich die Ausbildungsmethoden werden von den Parteien
unterschiedlich bewertet. Die Frage der Brauchbarkeit der Jagdgebrauchshunde
einschließlich deren Ausbildung ist von daher traditionell Gegenstand jagdrechtlicher
Regelungen über die Ausübung der Jagd.
44
Vgl. Mitzschke/Schäfer, Reichsjagdgesetz, 3. Aufl., § 34 Anm. 2 und 3 (Seite 137), Seite
393 ff.; Mitzschke/Schäfer, BJagdG, a.a.O., Anhang zu § 18 Anm. IV, Rdnrn. 2 ff.
45
Damit steht im Einklang, daß für die Verbandsprüfung Wasser im Grundsatz nur Hunde
zugelassen sind, deren Führer im Besitz eines gültigen Jagdscheins sind (I Nr. 8 Abs. 1
der Verbandsprüfung Wasser). Weder dem Bundesjagdgesetz noch dem
Landesjagdgesetz noch dem Tierschutzgesetz ist ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen,
daß § 3 Nr. 8 TierSchG von einem die Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde dennoch
ausklammernden Begriffsverständnis der "Jagdausübung" getragen wird. Bei Erlaß
dieser Vorschrift, die seit dem Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes im Jahre 1972
inhaltlich unverändert geblieben ist, war die Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde
unter Verwendung lebender Enten gängige Praxis. Die später begonnene Diskussion
um die Tierschutzgerechtigkeit dieser Methode betrifft in erster Linie deren
Erforderlichkeit bzw. konkrete Ausgestaltung.
46
Vgl. BT-Drucks. 13/7016 (S. 49); OLG Celle, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 2 Ss 147/93 -
, NuR 1994, 515.
47
Gerade hierüber verhalten sich die angefochtene Allgemeinverfügung und der
48
Widerspruchsbescheid. Veränderungen bei der Einschätzung der Erforderlichkeit der
beanstandeten Praxis des Klägers sagen über die Deutung der (sonstigen)
Tatbestandsmerkmale des § 3 Nr. 8 TierSchG nichts Entscheidendes aus.
Die Einbeziehung der Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde in den
Anwendungsbereich der "Jagdklausel" des § 3 Nr. 8 TierSchG entspricht dem
systematischen Zusammenhang dieser Bestimmung mit § 1 TierSchG sowie dem Sinn
und Zweck des Verbotes. Die in § 3 TierSchG normierten Verbote konkretisieren in den
jeweiligen Regelungsbereichen den Grundsatz des § 1 TierSchG, wonach Zweck des
Gesetzes ist, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen
Leben und Wohlbefinden zu schützen (Satz 1), und niemand einem Tier ohne
vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf (Satz 2). Das
Tierschutzgesetz zielt darauf ab, ethische Grundsätze für den Schutz von Tieren und
entgegenstehende Erfordernisse unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips
miteinander in Einklang zu bringen.
49
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. Juni 1978 - 1 BvL 14/77 -, BVerfGE 48, 376 (389);
BVerwG, Urteil vom 27. August 1981 - 3 C 37.80 -, Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 2.
50
Die Prüfung des "vernünftigen Grundes" im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG verlangt im
Einzelfall eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und Interessen, d.h. zwischen
dem Anliegen eines möglichst weitreichenden Tierschutzes und gegenläufigen
menschlichen Belangen, sich gegenüber dem Tier in bestimmter Weise zu verhalten, es
etwa zu menschlich definierten Zwecken zu ge- bzw. verbrauchen.
51
Vgl. OLG Celle, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 2 Ss 147/93 -, a.a.O.; Lorz, TierSchG, 4.
Aufl., Anhang zu §§ 17, 18 Rdnrn. 25 ff.
52
Diese Gegenüberstellung, Gewichtung und Abwägung entgegengesetzter Belange hat
der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 3 TierSchG selbst vorgenommen. Die
speziellen Verbotsregelungen sind Ausprägung der gesetzlichen Wertung der in Frage
stehenden Einwirkungen auf die Tiere als unverhältnismäßig. Der Geltungsanspruch
eines solchen Verbotes steht nicht unter dem zusätzlichen Vorbehalt, daß für das
verbotene Verhalten kein "vernünftiger Grund" geltend gemacht werden kann. Eine
andere Betrachtungsweise würde zur Relativierung der Verbote führen und den
eindeutig zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen mißachten. Der
Gesetzgeber wollte mit den Verboten des § 3 TierSchG Interessengegensätze von
besonderem Gewicht und besonderer Häufigkeit erfassen und den unabweisbaren
praktischen Erfordernissen in wohlabgewogenem Umfang Rechnung tragen.
53
Vgl. BT-Drucks. VI/2559 S. 10.
54
Die Befugnis, die Jagd auf wildlebende Tiere auszuüben, ist gesetzlich verankert und
als subjektive Rechtsstellung geschützt (§§ 1 Abs. 1, 3 BJagdG). Die durch das
Jagdrecht unberührt bleibenden Vorschriften des Tierschutzrechts (§ 44 a BJagdG)
können nicht losgelöst von dieser Befugnis gesehen werden. Das subjektive Recht des
Jagdausübungsberechtigten, u.a. Wild zu erlegen, unterliegt bei seiner Wahrnehmung
im Rahmen der Weidgerechtigkeit und der gesetzlichen Einschränkungen keiner
Notwendigkeitsüberprüfung. Der bei der Auslegung von Rechtsnormen aus
unterschiedlichen Rechtsbereichen zu bedenkende Aspekt der Einheit der
Rechtsordnung läßt keine Interpretation des Tierschutzgesetzes zu, die zwingenden
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Erfordernissen rechtmäßiger Jagdausübung zuwiderlaufen würde.
Vor diesem Hintergrund kann § 3 Nr. 8 TierSchG sachgerecht nicht so verstanden
werden, daß für eine Erforderlichkeitsprüfung hinsichtlich der Ausbildung und Prüfung
der bei der Jagd notwendigerweise einzusetzenden Jagdgebrauchshunde kein Ansatz
bliebe. Durch § 3 Nr. 8 TierSchG wird nicht die Erfüllung der Erfordernisse
weidgerechter Jagdausübung in Frage gestellt. Vielmehr soll ersichtlich die
weidgerechte Jagdausübung auch dann, wenn sie mit dem "Hetzen" verbunden ist,
tierschutzrechtlich nicht verboten sein. Nach den vorstehenden Ausführungen gilt diese
Erwägung nicht allein für die Jagdausübung in dem in § 1 Abs. 4 BJagdG
umschriebenen (engeren) Sinne, sondern auch für sonstige mit der weidgerechten
Ausübung der Jagd einhergehende Tätigkeiten. Der Beklagte geht in Übereinstimmung
mit der Auffassung des zuständigen Ministeriums, die im Runderlaß vom 4. Mai 1992
deutlich wird, selbst davon aus, daß es zur Beurteilung der Tierschutzkonformität der
Verwendung lebender Enten auf die Frage der Erforderlichkeit ankommt; das setzt - wie
gesagt - notwendig voraus, daß kein striktes, von Erforderlichkeitskriterien
unabhängiges Verbot eingreift.
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Die gesetzlich angeordnete Verwendung brauchbarer Jagdhunde u.a. bei der Jagd auf
Wasserwild erfordert es, daß der für diese Jagdzwecke bestimmte Jagdhund unter
Verwendung lebender, flugunfähig gemachter Enten ausgebildet wird. Der vom Kläger
mit der Ausbildung u.a. bezweckte Erfolg, den Jagdhund auf seine spätere Aufgabe in
der Praxis, die Nachsuche von krank oder verendet in Wasser gefallenem Wasserwild
vorzubereiten, kann zur Überzeugung des Senats nicht in gleicher Weise erreicht
werden, wenn vom Einsatz lebender, flugunfähig gemachter Enten vollständig
abgesehen wird. Demzufolge mangelt es an einem die Verwendung der Enten
entbehrlich machenden Mittel und ist die Erforderlichkeit der beanstandeten
Ausbildungsmethode - dem Grunde nach - zu bejahen, nicht aber schlechthin zu
verneinen. Der Jagdhund muß bereits bei Beginn der Jagdausübung (im engeren
Sinne) auf Wasserwild brauchbar sein; die von den Parteien übereinstimmend für
unerläßlich erachtete Ausbildung, die darauf gerichtet ist, den Jagdhund brauchbar zu
machen, muß beim Einsatz des Hundes erfolgreich abgeschlossen sein. Die
Überzeugung vom Fehlen eines für das Erreichen des vorgesehenen Zieles
gleichwertigen Mittels stützt sich auf den Bericht der Wildforschungsstelle des Landes
Baden-Württemberg über die "Begleituntersuchungen zur
Jagdgebrauchshundeausbildung im Fach Wasserarbeit mit lebender Ente im Rahmen
der Stuttgarter Vereinbarung". Die umfangreichen, fachkundig begleiteten
Untersuchungen waren speziell darauf gerichtet, den Ausbildungserfolg der Hunde im
Hinblick auf die Entwicklung möglicher Alternativen zum Einsatz lebender Enten zu
analysieren; sie beruhten auf Prüfungsbedingungen, denen die vom Kläger angewandte
Prüfungsordnung in ihrer aktuellen Fassung in den ausschlaggebenden Punkten
genügt. Anhand der statistisch nachgewiesenen Zunahme der erfolgreichen
Bewältigung der dem auszubildenden Hund gestellten Aufgaben in Abhängigkeit von
der Anzahl der absolvierten Übungen gelangt der Bericht zusammenfassend zu dem
Ergebnis, Übungen mit der lebenden Ente seien in der durchgeführten Form ein
wichtiger Ausbildungsbestandteil; ohne Übungen hätte die überwiegende Mehrheit der
Hunde nicht genügend Erfahrungen, um eine bei der Jagd verletzte Ente schnell und
zuverlässig zu finden (Bericht S. 30). Dieses Ergebnis wird unter ausführlicher
Darlegung der für den Erfolg der Ausbildung wesentlichen Teilaspekte sorgfältig und
ersichtlich fachkundig hergeleitet, ist nachvollziehbar und plausibel. Ebenso in sich
stimmig und schlüssig sind die kritischen Anmerkungen zu erwogenen Alternativen, vor
57
allem zu der im Widerspruchsbescheid als vorzugswürdig geschilderten "Zweistufigen
Alternativmethode" (Bericht S. 43 ff.). Die Wasserarbeit ohne Ente oder mit toter Ente (A
der Zweistufigen Alternativmethode) ist ohnehin Gegenstand der Ausbildung seitens
des Klägers (II §§ 1, 2, 5 der Verbandsprüfung Wasser). Die anstelle der Verwendung
lebender Enten beim "Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer" vorgeschlagene
"Einarbeitung im praktischen Jagdbetrieb" (B der Zweistufigen Alternativmethode) ist,
abgesehen von der Frage des Vorhandenseins tauglicher Übungssituationen (S. 44 des
Berichts), ihrerseits problematisch (S. 45 f. des Berichts). Es leuchtet daher ohne
weiteres ein, daß eine für die tatsächliche Umsetzung taugliche Alternative zum
bisherigen Ausbildungsbetrieb nicht darin gesehen werden kann, daß dem
auszubildenden Hund u.a. die Aufgabe gestellt wird, gesunde, nicht ausgesetzte
Wildenten zu verfolgen (B 1 der Zweistufigen Alternativmethode). Ist die Ente flugfähig,
kann sie sich dem Hund durch Wegfliegen entziehen, so daß das Auffinden kranken,
also verletzten und deshalb flugunfähigen, Wasserwildes nicht simuliert werden kann.
Das verfehlt den Sinn der Wasserarbeit. Sind Enten betroffen, die sich in der Mauser
befinden und deshalb flugunfähig sind (Bericht S. 45), legt die Allgemeinverfügung dem
Umstand maßgebliche Bedeutung bei, ob die Ente künstlich flugunfähig gemacht und
auf dem Gewässer ausgesetzt wird oder ob die Ente aus natürlichen Gründen
flugunfähig ist und das Gewässer deshalb nicht fliegend verlassen kann.
Tierschutzrechtliche Überlegungen, die an das Wohlbefinden der zu verfolgenden Ente
in diesen Konstellationen anknüpfen und den Anlaß für eine solche Unterscheidung
bilden könnten, hat der Beklagte nicht aufgezeigt. Die in dem Bericht niedergelegten
praktischen Erfahrungen und die hieraus gezogenen Schlüsse decken sich mit den
eigenen Beobachtungen des Klägers über das Nachlassen der Ausbildungserfolge bei
der Wasserarbeit.
Demgegenüber sind Erkenntnisse, die die Praxistauglichkeit der Zweistufigen
Alternativmethode bestätigen könnten, nicht in das Verfahren eingeführt worden. Eine
substantielle Gegenäußerung zu dem Bericht der Wildforschungsstelle des Landes
Baden-Württemberg, die dessen Aussage- und Überzeugungskraft zumindest
schmälern könnte, haben weder der Beklagte noch das um Auskunft gebetene
zuständige Ministerium abgegeben. Das Ministerium hat auf Anfrage des Senats
mitgeteilt, nicht über Erkenntnisse zu verfügen, in welchem Umfang in Nordrhein-
Westfalen nach der Zweistufigen Alternativmethode ausgebildet werde; ein Vergleich
hinsichtlich der Brauchbarkeit von konventionell und alternativ ausgebildeten und
geprüften Jagdhunden sei mangels abschließender Bewertung der Leistungen beider
Gruppen nicht möglich. Daraus ergibt sich, daß eine behördliche Erfolgskontrolle, die
die in Baden-Württemberg gewonnenen Erkenntnisse in Frage stellen könnte, nicht
stattfindet bzw. stattgefunden hat. Von einer Bewährung der Zweistufigen
Alternativmethode unter Praxisbedingungen kann deswegen nicht ausgegangen
werden. Der Ausgangspunkt des Widerspruchsbescheides, die natürlichen Anlagen
eines Jagdhundes könnten anderweitig sicher ermittelt werden, hebt ab auf die auch
vom Beklagten betonte Selektion unter den zur Prüfung gestellten Jagdhunden, wird
jedoch dem Umstand nicht gerecht, daß mit der Ausbildung die Erzielung eines
Lernerfolges, also die Befähigung des Hundes, verfolgt wird; entscheidungserheblich ist
gerade der Einfluß der Verwendung der lebenden Ente in der Ausbildung auf das
Ergebnis des Lernprozesses. Nicht außer acht gelassen werden kann ferner, daß in der
Mehrzahl der Bundesländer nicht schlechthin gegen die Verwendung lebender Enten
behördlich eingeschritten wird; Ansatz für die Einforderung tierschutzgerechten
Verhaltens sind überwiegend die konkreten Rahmenbedingungen der Ausbildung.
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Vgl. BT-Drucks. 13/7016 (S. 49).
59
Die uneinheitliche Praxis der Rechtsanwendung spricht dafür, daß selbst nach
überwiegender Meinung der zuständigen Fachbehörden bislang keine gleichwertigen
und damit zielgerechten Alternativen zur "lebenden Ente" bestehen. Ob dies
uneingeschränkt für sämtliche vom Kläger für notwendig erachteten Einzelheiten der
Ausbildung und Praxis, d.h. Art und Umfang der Verwendung der Enten, der Fall ist, ist -
wie ausgeführt - nicht zu entscheiden. Anlaß, den Sachverhalt hinsichtlich der
Erforderlichkeit zusätzlich, etwa durch Einholung von Sachverständigengutachten,
aufzuklären, besteht für den Senat nach allem nicht.
60
Ein Verstoß gegen § 3 Nr. 7 TierSchG liegt ebenfalls nicht vor. Der Jagdhund wird nicht
an der Ente auf Schärfe abgerichtet oder geprüft. Eine Ausbildung auf Schärfe im Sinne
des § 3 Nr. 7 TierSchG findet statt, wenn ein Tier lernen soll, gegenüber einem anderen
Tier seinen Fang als Waffe einzusetzen.
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Vgl. Hessischer VGH, Beschluß vom 6. November 1996 - 11 TG 4486/96 - a.a.O.; VG
Köln, Urteil vom 5. September 1996 - 20 K 34/94 -, NuR 1997, 303; VG Koblenz, Urteil
vom 14. Dezember 1995 - 2 K 4243/94 -, NVwZ-RR 1996, 573.
62
Die darüber hinausgehende Einbeziehung von Vorgängen, die nicht auf die
Herbeiführung direkten körperlichen Kontaktes zwischen den beiden Tieren angelegt
sind,
63
vgl. Lorz, TierSchG, a.a.O., § 3 Rdnr. 51; VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 22. April
1994 - 2 A 1786/92 -,
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vernachlässigt, daß die Schärfe an dem anderen Tier erprobt bzw. gefördert werden
muß; das andere Tier muß Gegenstand von "Schärfe" sein. Das ist durch den klaren
Wortlaut von § 3 Nr. 7 TierSchG vorgegeben, stimmt mit dem in dieser Vorschrift
aufgegriffenen Schutzzweck des § 2 Nr. 6 des Reichstierschutzgesetzes überein und
entspricht ihrem Sinn und Zweck: Nicht die auf der Abrichtung bzw. Prüfung beruhende
Schärfe, also das Verhalten des Tieres nach Beendigung der Ausbildung, wird
untersagt; geregelt wird die konkrete Ausbildungsmethode, wobei das Objekt der
Abrichtung oder Prüfung geschützt wird. Deswegen ist nicht entscheidend, daß der
Hund nach Absolvierung der Ausbildung befähigt sein soll, auch kranke, lebende Enten
aufzunehmen und zu apportieren. Vielmehr kommt es auf die Ausbildungssituation
selbst an. Innerhalb der Ausbildung ist es aber Aufgabe des Hundes, sofern die noch
lebende Ente betroffen wird, die Ente zu verfolgen. Gegenstand des unmittelbaren
Zugriffs des Hundes soll nicht mehr die lebende, sondern die tote Ente sein. Sobald der
Hund die Ente aus der Deckung drückt und sichtig verfolgt, ist sie nach Möglichkeit zu
erlegen.
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Der Rückgriff auf § 1 Satz 2 TierSchG führt zu keinem anderen Ergebnis. Die
Verwendung lebender, flugunfähig gemachter Enten ist für die weidgerechte
Jagdausübung - wie angeführt - erforderlich. Das bedeutet gleichzeitig, daß die Ente
dem Hund und den durch ihn hervorgerufenen Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens
insoweit nicht ohne vernünftigen Grund ausgesetzt wird, sondern zur Wahrnehmung
berechtigter Belange der Jagdausübung.
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Auch gegen die Vorschriften des Tierschutzgesetzes im übrigen verstößt die
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Verwendung lebender, flugunfähig gemachter Enten im gegebenen Zusammenhang
nicht. Das macht auch der Beklagte nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozeßordnung.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 137
Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
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