Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.05.2006

OVG NRW: technische spezifikation, ausschreibung, vergabeverfahren, rechtsverletzung, rüge, anbieter, zuschlagserteilung, unterliegen, hauptsache, verfahrensart

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 692/06
Datum:
04.05.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 692/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 L 537/06
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,
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der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, den
Zuschlag im Vergabeverfahren für das Gewerk "Brandmeldeanlage,
Sicherheitsbeleuchtungsanlage durch zugelassene Errichterfirma nach VDE" im
Rahmen der Baumaßnahme "Brandschutzsanierung des Berufskolleg H. , L. "
auszusetzen,
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zu Recht abgelehnt.
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Der vom Verwaltungsgericht mit guten Gründen bejahte Verwaltungsrechtsweg,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2005 - 15 E 1188/05 -, NVwZ-RR 2006,
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ist entsprechend § 17 Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes im
Beschwerderechtszug nicht zu prüfen.
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Der Antrag ist unbegründet, da ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender
Anordnungsanspruch auf Unterlassung der Vergabe aufgrund der getätigten
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Ausschreibung nicht glaubhaft gemacht ist (vgl. § 123 Abs. 3 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Ein
Unterlassungsanspruch würde voraussetzen, dass eine Vergabe an einen anderen als
die Antragstellerin aufgrund der getätigten Ausschreibung einen rechtswidrigen Eingriff
in Rechte der Antragstellerin darstellen würde. Eine Verletzung derartiger Rechte ist
nicht erkennbar.
Dies kann allerdings nicht schon deshalb verneint werden, weil die Antragstellerin kein
Angebot im hier betroffenen Vergabeverfahren abgegeben hat. Sollte sie nämlich, wie
sie geltend macht, aufgrund vergaberechtswidriger Gestaltung der Ausschreibung im
Gegensatz zu anderen kein konkurrenzfähiges Angebot machen können, ist eine
Rechtsverletzung denkbar. Dies kann aber nicht festgestellt werden.
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Eine Rechtsverletzung liegt nicht deshalb vor, weil in der Leistungsbeschreibung
bestimmte Erzeugnisse benannt sind, ohne dass der Zusatz "oder gleichwertiger Art"
hinzugefügt wurde. Es bestehen allerdings Zweifel, ob die Vorschrift des § 9 Abs. 5 der
Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, (VOB/A) mit dem Leistungsverzeichnis,
das bestimmte Erzeugnisse fordert, eingehalten wurde. Sicher vergaberechtswidrig ist
die Erwägung im Schreiben vom 18. Januar 2006 des von der Antragsgegnerin
eingeschalteten Ingenieurbüros, dass wegen der Unterschiedlichkeit der Anlagen und
Betriebsgeräte der verschiedenen Hersteller "die Produkte bestimmter Lieferanten, die
im hiesigen Bereich präsent sind, ausgeschrieben" worden seien. Jedoch kann sich die
Antragstellerin im Verfahren des gerichtlichen Primärrechtsschutzes vor den
Verwaltungsgerichten nicht auf jedweden Verstoß gegen die VOB/A berufen. Das gilt
sogar für die dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) unterliegenden Vergabeverfahren. Hier ordnet § 97 Abs. 7 GWB zwar an, dass
die Unternehmen einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die
Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Jedoch ist die Vorschrift trotz ihrer
scheinbar einschränkungslosen Verstärkung der ansonsten als Verwaltungsvorschriften
geltenden Verdingungsordnungen zu Rechtsansprüchen dahin zu verstehen, dass nur
Vergabebestimmungen gemeint sind, die dem Schutz des einzelnen zu dienen
bestimmt sind.
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Vgl. zur für das Verständnis entscheidenden Entstehungsgeschichte der Norm Niebuhr,
in: Niebuhr/ Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rn. 257 ff.; zur
Schutznormeigenschaft des § 9 VOB/A in diesem Rahmen vgl. ebenda, Rn. 278 ff.;
Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 206.
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Erst recht besteht im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, bei dem
sich allein wegen der Selbstbindung der Verwaltung an die als Verwaltungsvorschrift
geltenden Verdingungsordnungen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch
auf deren Einhaltung ergeben kann, kein allgemeiner Anspruch auf Einhaltung der
Bestimmungen des Vergabeverfahrens.
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Hinsichtlich des § 9 Abs. 5 VOB/A für ausgeschriebene herstellerbezogene Leistungen
kann nur dann der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Anspruch bestehen , wenn die
Antragstellerin gehindert gewesen wäre, ein davon abweichendes Angebot abzugeben
und sie dadurch gegenüber Konkurrenten gleichheitswidrig benachteiligt würde. Hier
konnte die Antragstellerin jedenfalls ein Nebenangebot mit den von ihr angebotenen
Produkten abgeben (vgl. die Ausschreibung Seite 13). Zwar wird in der Ausschreibung
für diesen Fall eine ausführliche Beschreibung und technische Spezifikation gefordert.
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Angesichts der Vergaberechtswidrigkeit hätte dies aber nur beschränkt zu Lasten eines
Nebenangebotes bei der Zuschlagserteilung berücksichtigt werden dürfen. Damit kann -
unbeschadet der Frage, ob § 9 Abs. 5 VOB/A in jeder Hinsicht durch die Ausschreibung
eingehalten wurde - eine Rechtsverletzung der Antragstellerin im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden.
Dies gilt ebenso für die Rüge der Antragstellerin, dass hinsichtlich verschiedener
Positionen überhöhte Mengenansätze ausgeschrieben seien. Dies kann von vornherein
zu keiner Verletzung der Rechte der Antragstellerin führen, da alle Anbieter diesen
Ausschreibungsbedingungen gleichermaßen unterliegen. Gleiches gilt für die Rüge,
dass entgegen § 9 Nr. 9 VOB/A zu Unrecht ungleichartige Leistungen zusammengefasst
worden seien oder dass unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 unvollständige Angaben über
den Leistungsumfang gemacht worden seien, die ein seriöses Angebot verhindert
hätten. All dies betrifft alle Anbieter gleichermaßen. Ein Anspruch auf vollständige
Einhaltung der Vorschriften des § 9 VOB/A - auch im Hinblick auf die
Transparenzgebote -, ohne dass eine gleichheitswidrige Wettbewerbsverzerrung durch
die Ausschreibung vorläge, besteht jedoch nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 des
Gerichtskostengesetzes. Dabei hat der Senat den für das Hauptsacheverfahren gemäß
§ 52 Abs. 2 zugrunde zu legenden Auffangstreitwert von 5.000,-- DM nicht mit Rücksicht
auf die Verfahrensart des einstweiligen Rechtsschutzes gemindert, da die
Antragstellerin hier eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt hat.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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