Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.05.2010

OVG NRW (einstellung des verfahrens, vorläufiger rechtsschutz, hauptsache, kostenverteilung, beförderung, antragsteller, verfahrenskosten, prüfung, rechtsmittel, frist)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 412/10
Datum:
11.05.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 412/10
Schlagworte:
Polizeioberkommissar vorläufiger Rechtsschutz Beförderung
Konkurrentenstreitverfahren Erledigung der Hauptsache
Kostenverteilung dringende Gründe
Leitsätze:
Der Umstand, dass der Dienstherr vor dem Abschluss des auf die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten gerichtlichen
Verfahrens einem Mitbewerber das streitgegenständliche
Beförderungsamt übertragen und damit die Erledigung der Hauptsache
bewirkt hat, bietet grundsätzlich einen tragfähigen
Ermessensgesichtspunkt dafür, ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Eine anderweitige Kostenverteilung ist jedenfalls nicht bereits dann
gerechtfertigt, wenn der Dienstherr angekündigt hat, die Beförderung zu
einem bestimmten Termin vor Ablauf der Rechtsmittelfrist vorzunehmen
zu wollen, ohne dafür dringende Gründe anzugeben.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 15. März 2010 ist
mit Ausnahme der Streitwert-festsetzung wirkungslos.
Die Kosten des Verfahrens bei¬der Rechts¬züge trägt der
Antragsgegner mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten des
Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah-ren auf 2.500, €
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Nachdem die Hauptbeteiligten durch Schriftsätze vom 15. und vom 29. April 2010 den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Gericht - gemäß § 87a
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Abs. 1 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin - unter gleichzeitiger Einstellung des
Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu
entscheiden, und zwar nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes. Dabei entspricht es regelmäßig billigem Ermessen,
demjenigen die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne Eintritt des erledigenden
Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre. Im Rahmen der Prüfung der
Erfolgsaussichten ist es allerdings nicht Aufgabe des Gerichts, schwierige Rechtsfragen
abschließend zu beantworten.
Im Streitfall ist es ermessensgerecht, den Antragsgegner mit den Verfahrenskosten
beider Rechtszüge zu belasten, da er dem Beigeladenen vor dem rechtskräftigen
Abschluss des auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Beförderungsamt übertragen und dem
Antragsteller damit die Möglichkeit genommen hat, die vorläufige Freihaltung der
Beförderungsplanstelle im Beschwerdeverfahren zu erstreiten. Dieser Umstand bietet
grundsätzlich einen tragfähigen Ermessensgesichtspunkt für die nach der Erledigung
der Hauptsache vorzunehmende Kostenverteilung.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Januar 2007 - 6 B 1/07 -, juris, mit
weiteren Nachweisen, und vom 20. November 2007 - 6 B 1799/07 -.
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Er gewinnt an Gewicht, wenn die Beförderung des Beigeladenen - wie hier - noch am
Tag des Ablaufs der Frist für die Einlegung der Beschwerde und damit auch vor Ablauf
der Beschwerdebegründungsfrist erfolgt und der Senat schon im Hinblick auf den durch
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vorgegebenen Prüfungsumfang die Erfolgsaussichten der
Beschwerde, die ebenfalls einen tragfähigen Ermessensgesichtspunkt für die
Kostenverteilung darstellen können, in keiner Weise abzuschätzen vermag. Eine von
der Beschwerdebegründung unabhängige Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nach
eingetretener Erledigung der Hauptsache weder aus Rechtsschutzgründen geboten
noch wäre sie unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie sachgerecht.
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Nach diesen Grundsätzen wirkt es sich bei der hier zu treffenden
Billigkeitsentscheidung ausschlaggebend zu Lasten des Antragsgegners aus, dass er
dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers durch Schaffung vollendeter Tatsachen
mit der Übergabe der Ernennungsurkunde an den Beigeladenen noch am 30. März
2010 die Grundlage entzogen hat.
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Ob im Einzelfall eine andere Kostenverteilung in Betracht kommen kann, wenn bei
ansonsten vergleichbaren Umständen der Antragsgegner dem Antragsteller nach
erfolglosem erstinstanzlichen Verfahren unter Berufung auf dringende Gründe mitteilt, er
wolle das Ende der Beschwerdefrist nicht abwarten und der Antragsteller daraufhin
untätig bleibt, braucht hier nicht entschieden zu werden. So liegt der Fall nicht. Der
Dienstherr ist verpflichtet, vor Aushändigung der Urkunde einen ausreichenden
Zeitraum abzuwarten, um dem Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel
einzulegen.
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BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 , NVwZ 2007, 1178.
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Er kann dem jedenfalls nicht dadurch entgehen, dass er ankündigt, die entsprechende
Frist nicht einhalten zu wollen, ohne dafür dringende Gründe zu haben. Vorliegend hat
der Antragsgegner zwar geltend gemacht, er habe im Intranet darüber informiert, dass
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die streitbefangene Stelle ebenso wie 17 weitere Planstellen am 30. März 2010 besetzt
werden sollten, und der Antragsteller habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass er
erwäge, Rechtsmittel einzulegen. Gründe dafür, warum es vorliegend geboten gewesen
sein soll, die Beförderung vor Ablauf der Rechtsmittelfrist vorzunehmen, hat der
Antragsgegner jedoch nicht vorgetragen.
Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko
ausgesetzt hat, können ihm keine Kosten auferlegt werden und sind seine
außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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