Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.08.2003

OVG NRW: schutz der familie, ausweisung, abschiebung, befangenheit, emrk, ausländer, familienleben, hauptsache, trennung, unparteilichkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1446/03
Datum:
07.08.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1446/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 1902/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen
Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf je 1.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Aus den von den Antragstellern dargelegten,
gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vom Senat nur zu
prüfenden Gründen ergibt sich nicht, dass die Ablehnung des Antrags der Antragsteller
auf Gewährung von Abschiebungsschutz für ihren Vater im Wege der Feststellung der
Nichtdurchführbarkeit seiner Abschiebung durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht
erfolgt ist.
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Soweit die Antragsteller die Befangenheit des Einzelrichters rügen, der in erster Instanz
über ihren Antrag entschieden hat, weil dieser bereits als Einzelrichter über die Klage
des Vaters gegen seine Ausweisung und damit über denselben Sachverhalt
entschieden habe, führt dies nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
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Dabei kann es offen bleiben, ob weiterhin der bisherigen nahezu einhelligen
Rechtsprechung zu folgen ist, dass nach Beendigung einer Instanz - wie hier - ein
Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden kann, sofern -
wie hier - nicht mehr nachträglich über besondere Anträge zu entscheiden ist,
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so BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 1969 - VIII CB 129 und 130/67 -, MDR 1970, 442 =
Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 5 und vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, Buchholz 402.25 §
32 AsylVfG Nr. 4 sowie Beschluss vom 6. Oktober 1989 - 4 CB 23/89 -, NVwZ 1990,
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oder ob diese Rechtsprechung nach dem - zu einem Sonderfall der Verletzung des
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rechtlichen Gehörs wegen Nichtbekanntgabe der Selbstablehnung eines Richters
ergangenen - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1993
- 1 BvR 878/90 -, BVerfGE 89, 28 ff -
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generell zu überdenken ist.
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Dies offenlassend und zum Meinungsstand: BVerwG, Urteil vom 16. April 1997 - 6 C
9.95 -, DVBl. 1997, 1235.
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Der Entscheidung des erstinstanzlichen Einzelrichters über die Klage des Vaters der
Antragsteller gegen seine Ausweisung ist eine Besorgnis der Befangenheit jedenfalls
nicht zu entnehmen. Das deutsche Verfahrensrecht wird nämlich von der Auffassung
getragen, dass ein Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer
Sache herangeht, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil
gebildet hat. Verständiger Anlass zu einem aus einer solchen "Vorbefassung"
hergeleiteten Misstrauen einer Partei gegen die Unparteilichkeit des Richters besteht
erst dann, wenn sich aufgrund besonderer, zusätzlicher Umstände der Eindruck einer
unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung des Richters
gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache aufdrängt.
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BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1997 - 11 B 30.97 -, Buchholz 303 § 42 Nr. 2.
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Dafür ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen.
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Soweit mit der Beschwerdebegründung der verwaltungsgerichtliche Beschluss selbst
angegriffen wird, fehlt es an der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen
Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, dass der - von der
die Antragsteller vertretenden Rechtsanwältin formulierte - Antrag auf Feststellung der
Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung des Vaters wegen der mit einer solchen
Feststellung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig sei.
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Die Beschwerdebegründung richtet sich im Wesentlichen gegen die Ablehnung des -
vom Verwaltungsgericht so verstandenen - Abschiebungsschutzantrages im Wege der
Verweisung auf das im Klageverfahren des Vaters der Antragsteller gegen seine
Ausweisung (24 K 4125/01) ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. August
2002, soweit darin etwaige Hindernisse für eine Abschiebung des Vaters im Hinblick auf
seine Ehefrau und die Antragsteller aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geprüft und verneint
worden sind. Diese Verweisung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der
Antragsteller musste das Verwaltungsgericht sich mit der "weiteren rechtlichen Position
der Kinder" nicht in besonderer Weise auseinandersetzen. Zwar können diese durch die
Ausweisung ihres Vaters in ihren Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK verletzt
sein.
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. August 1996 - 1 C 8.94-, InfAuslR 1997, 16.
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Dies führt aber nicht dazu, dass die Ausweisungsverfügung aus der Sicht der Kinder als
Antragsteller eine andere rechtliche Bewertung erfahren kann. Wenn sich die nach
ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Ausweisung eines Ausländers
als rechtmäßig erweist, dann ist es bereits vom Ansatz her ausgeschlossen, dass aus
der Sicht eines seiner Familienangehörigen eine andere Beurteilung möglich ist.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juni 2003 - 18 B 2336/02 -.
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Zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Vaters der Antragsteller hat
der erkennende Senat in seinem den Antrag des Vaters auf Zulassung der Berufung
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. August 2002 ablehnenden
unanfechtbaren Beschluss vom 26. März 2003 - 18 A 3589/02 - bereits ausgeführt, dass
der Fall des Vaters der Antragsteller auch mit Blick auf seine Beziehungen zu ihnen als
seinen Kindern bei der gebotenen Gesamtschau keine Besonderheiten aufweist, die ein
Absehen vom Regelfall des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnten. Vor dem
Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei schwerwiegender
Straffälligkeit, die hier gegeben ist, der Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und
Art. 8 EMRK der Ausweisung grundsätzlich nicht entgegen steht, hat der Senat unter
eingehender Würdigung der besonderen Umstände des Falles entschieden, dass es
den Familienangehörigen zuzumuten ist, entweder eine Trennung hinzunehmen oder
dem ausgewiesenen Ausländer in die Türkei zu folgen und das Familienleben dort
fortzusetzen.
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Das nicht von der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, sondern von deren Vater
verfasste und zudem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim Gericht
eingegangene Schreiben kann für die Entscheidung über die Beschwerde keine
Berücksichtigung finden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 14 Abs. 1 GKG und berücksichtigt den
Umstand, dass Schutz vor Abschiebung nur für eine Person - den Vater der
Antragsteller - begehrt wird und wegen der wirtschaftlichen Identität des
Streitgegenstandes nicht auf die Anzahl der Antragsteller abzustellen ist.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2003 - 18 E 791/03 - m.w.N.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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