Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.12.2003

OVG NRW: öffentlich, verkehr, bebauungsplan, eigentümer, parkplatz, widmung, radweg, stadt, wahrscheinlichkeit, erkenntnis

Oberverwaltungsgericht NRW, 3 B 1421/03
Datum:
23.12.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 B 1421/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 L 917/03
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.085,80 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Der Senat prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die von den Antragstellern
dargelegten Gründe. Diese ergeben nicht, dass die angefochtene Entscheidung des
Verwaltungsgerichts zu ändern ist. Denn es trifft nicht zu, was die Antragsteller aber
meinen, dass das Verwaltungsgericht schon im anhängigen Aussetzungsverfahren
nach § 80 Abs. 5 VwGO eine umfassende Prüfung hätte anstellen und auf deren
Grundlage zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass das
Friedhofserweiterungsgelände des Antragsgegners von der Straßenstrecke Am N. /Am
T. (von St. I. Landstraße bis einschließlich Flurstück 67) im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz
1 BauGB erschlossen wird.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind im abgabenrechtlichen
Aussetzungsverfahren wegen seines summarischen Charakters und seiner begrenzten
Erkenntnismöglichkeiten weder komplizierte Tatsachenfeststellungen zu treffen noch
schwierige Rechtsfragen aufzubereiten oder gar abschließend zu klären.
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Vgl. dazu grundlegend den Beschluss des Senats vom 25. August 1988 - 3 B 2564/85 - ,
NVwZ 1990, 54, sowie aus jüngster Zeit den Beschluss vom 2. Oktober 2003 - 3 B
868/02 - . Ebenso: OVG Brandenburg, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - 2 B 75/03 - ;
Puttler in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, Std.: Januar 2003, § 80 Rn. 143.
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Diese Einschränkungen erklären sich aus der Rechtsschutzfunktion des
Aussetzungsverfahrens. Das Verfahren dient nicht der definitiven Klärung der
materiellen Rechtslage, die grundsätzlich einem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist,
sondern nur der Klärung der vorläufigen Vollziehbarkeit des angegriffenen
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Abgabenbescheides. Insoweit ist nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren
Regelung in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO darauf abzustellen, ob "ernstliche Zweifel" an der
Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, was der Fall ist, wenn
nach dem Erkenntnisstand des Gerichts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Erfolg
des Rechtsmittelführers im Hauptsacheverfahren "überwiegend wahrscheinlich" ist.
Das Beschwerdevorbringen zeigt keine Gesichtspunkte auf, die Veranlassung geben,
von dem dargestellten Prüfungsmaßstab abzugehen. Das gilt auch für den Hinweis der
Antragsteller, dass das vorliegende Verfahren ein "Musterverfahren" sei, hinter dem eine
(am Verfahren nicht beteiligte, § 61 VwGO) Bauträgergesellschaft stehe, welche ihnen
und ggf. weiteren ca. 30 Grundstückskäufern zur Erstattung ihrer Erschließungsbeiträge
verpflichtet sei. Dieser Umstand spielt für die Frage, ob in Aussetzungsverfahren nach §
80 Abs. 5 VwGO eine umfassende Rechtsprüfung unter Einbeziehung schwieriger
Rechtsfragen angezeigt ist, keine Rolle.
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Die Frage nach dem Erschlossensein des Friedhoferweiterungsgeländes ist in
Würdigung des Beschwerdevorbringens auf der Basis der bisherigen Aktenlage als im
vorerwähnten Sinne "schwierig" anzusehen und deswegen einem Hauptsacheverfahren
vorzubehalten. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Rechtsbehelf der
Antragsteller in einem solchen Hauptsacheverfahren gegen die
Vorausleistungsbescheide vom 18. November 2002 Erfolg haben werde, lässt sich
derzeit nicht feststellen. Dazu ist im einzelnen zu bemerken:
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Das Friedhofserweiterungsgelände stellt sich nach vorläufiger Erkenntnis und bisheriger
Aktenlage in Bezug auf die Abrechnungsstrecke als sog. Hinterliegergrundstück dar.
Denn es grenzt nach den vorliegenden Plänen und Lichtbildern nicht an die
Abrechnungsstrecke, sondern wird von ihr durch das zwischenliegende Flurstück 790
getrennt. Dieses Flurstück hat einen trapezförmigen Zuschnitt und ist im Bebauungsplan
Nr. 41 als öffentliche Parkfläche ausgewiesen. Es dürfte einem unbefangenen
Beobachter vor Ort angesichts einer Fläche von über 1.600 qm bei über 100 m
Strassenfrontlänge und im Mittel über 15 m Tiefe nach seinem geplanten, aber noch
nicht vollendeten Ausbau den Eindruck einer (selbständigen) Erschließungsanlage und
nicht denjenigen einer bloßen (unselbständigen) Teileinrichtung der
Abrechnungsstrecke vermitteln. Hiervon ausgehend, hängt das Erschlossensein des
Friedhoferweiterungsgelände durch die Abrechnungsstrecke im Sinne von § 131 Abs. 1
Satz 1 BauGB davon ab, ob zugrunde gelegt werden kann, dass das Gelände von der
Abrechnungsstrecke her unter Überquerung des Flurstücks 790 tatsächlich und
öffentlich-rechtlich gesichert in einer Weise erreicht werden kann, wie es von seiner
Zweckbestimmung als Friedhofsgelände gefordert wird. Letzteres schließt ein, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend annimmt, dass Kraftfahrzeuge der typischerweise auf
Friedhöfen tätigen Unternehmen (Bestattungsunternehmen, Steinmetzbetriebe,
Gärtnereien) auf das Gelände herauffahren können. Demgegenüber dürfte es für das
Erschlossensein nicht schon ausreichen, dass das Friedhofserweiterungsgelände und
das Flurstück 790 jeweils die Stadt L. zum Eigentümer haben; denn die bei Driehaus,
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Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 17 Rnrn. 78 und 79,
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anklingende Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe in Fällen der
Eigentümeridentität die strikte Bindung des Erschlossenseins von
Hinterliegergrundstücken an die baurechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen
aufgegeben, vermag der Senat nach summarischer Prüfung nicht zugrunde zu legen.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 9. September 2003 - 3 B 717/00 - .
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Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Friedhofsgrundstück nach den so
beschriebenen Voraussetzungen bei der umstrittenen Vorausleistungserhebung als
erschlossen im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu berücksichtigen war und der
Widerspruch der Antragsteller deshalb (teilweise) Erfolg haben wird. Eine solche
Prognose kann schon deshalb nicht gestellt werden, weil nach summarischer Prüfung
offen bleiben muss, ob die in dem Bebauungsplan für das Flurstück 790 enthaltene
Festsetzung "öffentliche Parkfläche" die Anlegung einer öffentlich- rechtlich gesicherten
Zufahrt zu dem Friedhofsgrundstück gestattet.
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Zur Möglichkeit einer Grundstückserschließung mittels Durch- querung einer anderen
als der abzurechnenden Erschließungs- anlage vgl. einerseits OVG Lüneburg, Urteil
vom 24. August 1988 - 9 OVG A 179/86 - (Parkplatz) und Beschluss des Senats vom 4.
Juni 1997 - 3 B 2964/94 - , OVG RSE § 131, § 133 BBauG/ BauGB Erschlossensein
(parallel zu einer Anbaustraße verlau- fende, nicht befahrbare Wohnwegstrecke), und
andererseits OVG Koblenz, Urteil vom 30. November 1999 - 6 A 11536/99 -
(selbständiger Fuß- und Radweg).
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Einerseits ist eine solche Parkfläche grundsätzlich für den ruhenden Verkehr bestimmt,
d.h. für Kraftfahrzeuge, die diese Fläche anfahren, um dort für gewisse Zeit abgestellt zu
werden; nur diese Funktion ist auch in der von den Antragstellern in erster Instanz
auszugsweise referierten Begründung des Bebauungsplans vermerkt. Andererseits ist
in der Planurkunde auf der Grenze zwischen der Parkfläche und dem Friedhofgelände
das in der Legende vorgesehene Planzeichen für ein Zufahrtsverbot nicht eingetragen;
womöglich gestattet die bloße Festsetzung "öffentliche Parkfläche" ohne weitere
Vorgaben für die Binnengliederung die Auslegung, dass die Parkfläche neben dem
Hauptzweck der Bereitstellung von Stellplätzen für den ruhenden Verkehr auch dem
Nebenzweck der Durchfahrt von Kraftfahrzeugen auf das Friedhofgelände (ggf. auf einer
hierfür auszusparenden Trasse) dienen darf. Die Entscheidung über eine engere oder
weitere Zweckbestimmung könnte dann noch bis zum Ausbauabschluss und der
Widmung getroffen werden. Eine Klärung der damit angesprochenen Fragen muss dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 20 Abs. 3 GKG und
berücksichtigt, dass die Antragsteller ihr Aussetzungsbegehren ausweislich der
Beschwerdebegründung auf einen Teilbetrag der Vorausleistung beschränkt haben,
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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