Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.11.2005

OVG NRW: kommission, arzneimittel, beitrag, dosierung, angemessene frist, homöopathie, zusammensetzung, bestandteil, mangel, dokumentation

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 4137/03
Datum:
10.11.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 4137/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 5366/00
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 27. August 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrte die Verlängerung der Zulassung (sog. Nachzulassung) für das
homöopathische Arzneimittel "J. -I. " (Tropfen), das die beiden Bestandteile T1. J1. und
N2. N3. jeweils in mehreren unterschiedlichen Verdünnungsgraden (Potenzen) enthält
(sog. Potenzenakkorde: für T2. J1. D 4, D 10, D 30, D 200, für N2. N3. D 6, D 30, D 200).
Die Anwendungsgebiete entsprechend den homöopathischen Arzneimittelbildern hatte
die Klägerin im Zulassungsantrag zunächst angegeben mit "Depressionszustände,
besonders exogener Genese; paradoxe Symptome; hysterische Aphonie". Zur
"Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Kombination nach § 22 Abs. 3a AMG" hatte sie eine
Stellungnahme der Frau Dr. B. G. -C. vom 02. April 1992 beigefügt, in der im
Wesentlichen ausgeführt wurde: Die spezifische homöopathische Wirksamkeit der
einzelnen Bestandteile bei den beanspruchten Indikationen werde durch die
einschlägige homöopathische Literatur und die Monographien der
Aufbereitungskommission D belegt. Die Zusammensetzung des Präparats beruhe auf
empirisch-therapeutischer Erfahrung. Die beiden Bestandteile im Potenzenakkord
hätten eine gleichgerichtete Wirkung mit unterschiedlichen Wirkungsschwerpunkten.
Das Präparat unterstütze die Therapie bei depressiven Verstimmungen, Neigung zu
hysterischem Verhalten und Ängstlichkeit. Damit könnten die verursachenden Probleme
besser bewältigt werden. Medikamentenabhängigkeit zur scheinbaren Bewältigung von
Problemen werde dadurch verhindert. Deshalb biete das Kombinationspräparat dem
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Verordner sowie auch dem Patienten Vorteile, sowohl gegenüber einem
homöopathischen Einzelmittel als auch gegenüber der gleichzeitigen Verordnung
mehrerer Einzelmittel. Die Konzeption des Präparats könne daher als zweckmäßig
bezeichnet werden, die Nutzen-Risiko-Relation als günstig.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1995 teilte die Beklagte der Klägerin verschiedene Mängel
mit, zu deren Abhilfe sie zugleich eine Frist von drei Jahren setzte. In einer dem
Schreiben beigefügten medizinisch-fachlichen Stellungnahme heißt es unter anderem:
Der Zulassungsantrag weise den Mangel auf, dass die vorgelegte Begründung nach §
22 Abs. 3a AMG nicht ausreichend sei. Zur ausreichenden Begründung der
vorliegenden Kombination sei die Vorlage von präparatespezifischem
Erkenntnismaterial erforderlich. Nach der von der Kommission D erarbeiteten "Richtlinie
zur Bewertung fixer Kombinationen homöopathischer Einzelmittel" müssten
Kombinationen so zusammengesetzt sein, dass sich die Arzneimittelbilder der
Einzelbestandteile hinsichtlich des Indikationsanspruchs ergänzten. Hierbei müsse der
Indikationsanspruch ein Krankheitszustand, eine Funktionsstörung, ein Syndrom oder
eine pathologische Einheit bekannter Art sein. Der Indikationsanspruch der Kombination
sei nicht identisch mit der Summe der Indikationsansprüche der Einzelmittel. Die
Beurteilung der fixen Kombination erfolge unter Verwertung der Monographien der
Einzelstoffe. Sofern Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination auf Grund
der Monographien der Einzelstoffe nicht bestimmbar seien, sei eine gesonderte
Dokumentation erforderlich. In der Kombination seien Tief- und Hochpotenzen aus zwei
Arzneistoffen enthalten. Der Beitrag dieser unterschiedlichen Potenzenstufen sei weder
ersichtlich noch begründet worden. Für die abschließende Bewertung der Nutzen-
Risiko-Relation sei geeignetes wissenschaftliches Erkenntnismaterial zu dieser
Kombination vorzulegen. Die von dem Kombinationspräparat beanspruchten
Indikationen seien durch die in den Monographien genannten charakteristischen
Anwendungsgebiete nicht abgedeckt. Auf Basis der Monographien könne allenfalls die
Indikationsangabe "Nervöse Störungen mit Verstimmungszuständen" abgeleitet
werden. Die beantragte Dosierung bei akuten Zuständen weiche von den in den
Monographien der Kommission D üblichen Dosierungen ab. Es werde gebeten, die
beantragte Dosierung im Hinblick auf die Potenzenakkorde ausreichend und
präparatespezifisch zu begründen.
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Mit Schreiben vom 18. März 1998 übernahm die Klägerin für die Anwendungsgebiete im
Wesentlichen die zuvor genannte Formulierung, passte die Akutdosierung den
allgemeinen Vorgaben der Kommission D an und fügte unter anderem eine
gutachterliche Stellungnahme des Arztes L. M. zur "Begründung von Sinnhaftigkeit der
Kombination, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit" bei, in der unter anderem auf eine
Anwendungsbeobachtung des Präparats in Österreich eingegangen wird, sowie ein
Gutachten zu den "Grundlagen der Anwendung von Potenzenakkorden" der beiden für
die Klägerin tätigen Veterinärmedizinerinnen D. I1. und Dr. H. L1. , auf deren näheren
Inhalt jeweils Bezug genommen wird.
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Die von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag der Klägerin
beteiligte Kommission D beschloss in ihrer Sitzung am 17. März 1999, angesichts der
ungeklärten Problematik der Potenzenakkorde sowie der Mischung mehrerer
Hochpotenzen eine Arbeitsgruppe zu bilden, um vorhandenes Material zu der Thematik
zu sammeln und vorzustrukturieren. Im Übrigen bestätigte die Kommission die
Auffassung der Beklagten, dass der Zulassungsantrag der Klägerin wegen Nichtvorlage
präparatespezifischen Erkenntnismaterials innerhalb der gesetzten Frist abzulehnen
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sei.
Die von der Beklagten als externe Sachverständige zur Beurteilung des
Zulassungsantrags der Klägerin beauftragte Frau D1. B1. -T. äußerte sich unter dem 30.
Juni 1999 zusammengefasst wie folgt: Das von der Klägerin eingereichte
Erkenntnismaterial unter anderem zur Anwendungsbeobachtung erlaube keine sichere
Beurteilung, ob das Arzneimittel bei den angegebenen Anwendungsgebieten
angemessen wirksam sei. Eine abschließende Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation
für die Kombination aus mehreren Tief- und Hochpotenzen verschiedener Arzneistoffe
in einem Arzneimittel sei an Hand des vorgelegten Erkenntnismaterials nicht möglich.
Wegen der nach dem Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung
unbedingt erforderlichen Individualisierung bei der Anwendung von Hochpotenzen
könne ein positiver Beitrag von mehreren Hochpotenzen in einem Arzneimittel nicht
akzeptiert werden.
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Mit Bescheid vom 06. Juni 2000 versagte die Beklagte die beantragte Nachzulassung
und führte zur Begründung weitgehend unter wörtlicher Wiedergabe der Stellungnahme
der Sachverständigen B1. -T. im Ergebnis aus: Die Versagung beruhe auf § 105 Abs. 5
AMG, weil die mit Schreiben vom 31. Juli 1995 mitgeteilten Mängel nicht innerhalb der
gesetzten Frist behoben worden seien. Die geforderte Kombinationsbegründung gemäß
§ 22 Abs. 3a AMG werde durch die nachgereichten Unterlagen nicht geliefert.
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Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin weiteres wissenschaftliches
Erkenntnismaterial unter anderem in Gestalt eines Abschlussberichts vom 16. Juni 2000
bezüglich einer "Anwendungsbeobachtung zur Dokumentation der Verträglichkeit
(Arzneimittelreaktionen, unerwünschte Arzneimittelwirkungen) und Wirksamkeit von
Potenzenaccorden" überreicht und darüber hinaus im Wesentlichen geltend gemacht:
Soweit die Versagung auf angeblichen Risiken der verwendeten Hochpotenzen beruhe,
sei dies nicht stichhaltig, weil sich die alleinige Anwendung von Hochpotenzen von der
Anwendung von Potenzenakkorden unterscheide und dementsprechend die beiden
Präparategruppen nicht gleichgesetzt werden könnten. Das Prinzip der Anwendung von
Potenzenakkorden habe sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt, irgendwelche
Nebenwirkungen seien dabei nicht aufgetreten, was zudem durch die von ihr
durchgeführte Anwendungsbeobachtung belegt werde. Auch sei die Anwendung von
Potenzenakkorden mit den grundsätzlichen homöopathischen Therapieprinzipien
vereinbar. Bei ihrer Entscheidung habe die Beklagte die Besonderheiten der
besonderen Therapierichtungen, hier der Homöopathie, nicht ausreichend
berücksichtigt, weil sie sich einseitig auf die von Hahnemann entwickelten Prinzipien
beschränkt habe. Damit negiere sie die antihomotoxischen Therapieprinzipien nach
Reckeweg, die durch Weiterentwicklung der hahnemannschen Prinzipien zum Einsatz
von Potenzenakkorden geführt hätten, um die geschilderten Probleme beim alleinigen
Einsatz von Hochpotenzen zu vermeiden. Dieses Vorgehen werde dem vom
Gesetzgeber geforderten Wissenschaftsverständnis nicht gerecht und verletze das
Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre. Zudem reflektiere die Zusammensetzung
der beteiligten Kommission D nicht den Stand der Wissenschaft innerhalb der
Homöopathie. Schließlich verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, weil sie in
anderen Fällen Arzneimittel sowohl mit einem Potenzenakkord als auch mit zwei
Wirksubstanzen in Hochpotenz zugelassen habe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte vom 06. Juni 2000 zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung
der Zulassung für das Arzneimittel J. -I. unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte die Begründung aus dem angegriffenen
Bescheid ergänzt und vertieft und darüber hinaus geltend gemacht: Das von der
Klägerin vorgelegte Erkenntnismaterial enthalte lediglich grundsätzliche Überlegungen
zur Anwendung von Potenzenakkorden und sei deshalb zum Beleg der Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels nicht geeignet.
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Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
14
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihre
Argumentation zur fehlerhaften Zusammensetzung der Kommission D, bemängelt eine
unterbliebene Beweiserhebung und trägt darüber hinaus vor: Sie habe eine
Sinnhaftigkeitsbegründung für den Potenzenakkord vorgelegt, die
präparategruppenspezifisch erstellt worden sei, was auf Grund der Besonderheiten der
Potenzenakkorde sachlich gerechtfertigt und sinnvoll sei. In den
Aufbereitungsmonographien der Kommission D sowie in der Materia Medica
Homoeopathica würden für einzelne Potenzenstufen desselben Stoffes keine
unterschiedlichen Indikationsgebiete genannt, da dies dem Selbstverständnis der
homöopathischen Therapierichtung und Stoffgruppe widerspreche. Die in den
Aufbereitungsmonographien festgelegten Anwendungsgebiete würden für alle
Potenzenstufen der betreffenden Substanz gleichermaßen gelten. Eine Begründung
einzelner Potenzenstufen in Bezug auf die Indikationsbereiche bei der
Sinnhaftigkeitsbegründung eines konkreten Präparates sei demnach sachlich gar nicht
möglich und werde von der Beklagten auch sonst nicht gefordert.
15
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. August 2003 zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung ihres Antrags tritt sie den Ausführungen der Klägerin unter
Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen und führt
ferner aus: Wenn es sich bei den Potenzenakkorden um besondere Präparatgruppen
handele, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass das sonstige
Erkenntnismaterial der Therapierichtung für das Arzneimittel herangezogen werden
könne. Die unterschiedliche Wirkung unterschiedlicher Potenzen eines
homöopathischen Arzneimittels werde auch von der Klägerin anerkannt. Eine
Untersuchung der bei Kombination unterschiedlicher Potenzen der gleichen Substanz
20
eintretenden Wechselwirkungen werde aber nicht vorgelegt.
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 06.
Juni 2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat
keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Zulassungsantrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2
der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
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Der begehrten Nachzulassung steht das Vorliegen eines Versagungsgrundes entgegen.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Nachzulassung nach § 105
Abs. 5 Satz 2 AMG zu versagen war, weil die Klägerin dem mit Schreiben vom 31. Juli
1995 mitgeteilten Mangel einer nicht ausreichenden Kombinationsbegründung (§ 22
Abs. 3a AMG) nicht innerhalb der gesetzten Frist abgeholfen hat. Angesichts dessen
bedarf es keiner Entscheidung, ob es, nachdem sich die Beklagte mit dem zuvor
genannten Schreiben für das sog. Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 Satz 1
AMG entschieden hatte, möglich war, daneben, wie es in der Anlage zum Bescheid vom
06. Juni 2000 und auch in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil anklingt, die Versagung
auch auf die §§ 105 Abs. 4f Satz 1 1. Halbsatz, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a und/oder Nr. 4 2.
Alternative AMG (entspricht § 105 Abs. 4c AMG a.F.) zu stützen. Die Voraussetzungen
dieser Versagungsgründe dürften allerdings ebenfalls gegeben sein, weil die
Versagung wegen nicht fristgerechter Behebung eines Mangels (§ 105 Abs. 5 Satz 2
AMG) sich zunächst mit dem Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG
deckt, wenn der gerügte Mangel - wie hier - in einer unzureichenden
Kombinationsbegründung liegt. Denn die in § 22 Abs. 3a AMG positiv beschriebene
Zulassungsvoraussetzung findet sich korrespondierend in § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a
AMG als Versagungsgrund wieder. Darüber hinaus dürfte § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a
AMG lediglich als spezielle Ausprägung des bereits in § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 2.
Alternative AMG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes anzusehen sein.
25
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 -,
NVwZ-RR 2004, 180 (181).
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Eine rechtmäßige Versagung nach § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG erfordert zunächst, dass zu
Recht eine Beanstandung nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG ausgesprochen und dabei
eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde. Beides ist hier der Fall.
Die gesetzte Frist von drei Jahren entspricht dem zum Zeitpunkt des Mängelschreibens
vom 31. Juli 1995 geltenden Art. 3 § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des
Arzneimittelrechts; der durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelrechts
vom 09. August 1994 an die Stelle der zuvor genannten Vorschrift getretene § 105 Abs.
5 Satz 1 AMG, der eine Frist von 18 Monaten vorsah, trat nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 4 des
Gesetzes erst am 01. Januar 1996 in Kraft. Ferner lag der mit dem Schreiben vom 31.
Juli 1995 beanstandete Mangel einer unzureichenden Kombinationsbegründung nach §
22 Abs. 3a AMG tatsächlich vor.
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Bei der Einführung des § 22 Abs. 3a AMG war es das Anliegen des Gesetzgebers, mit
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der Begründungspflicht die Stoffkombination in Bezug auf Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit zu rechtfertigen. Der geforderte positive Beitrag jedes Bestandteils
sollte dementsprechend darin bestehen, dass er entweder zur Wirksamkeit des
Präparats in der vorgegebenen Indikation beiträgt oder unerwünschten Effekten
entgegenwirkt.
Vgl. Bundestags-Drucksache 10/5112, S. 17.
29
Soweit es um einen positiven Beitrag zur (therapeutischen) Wirksamkeit geht, hat dieses
Erfordernis bei einem Kombinationsarzneimittel für jeden arzneilich wirksamen
Bestandteil dasselbe Gewicht wie bei einem Monopräparat. Auch bei einem
Kombinationsarzneimittel müssen die Bürger davor geschützt werden, arzneilich
wirksame Bestandteile ohne therapeutischen Sinn verabreicht zu bekommen. Soll der
betreffende Bestandteil ein bestimmtes Krankheitselement bekämpfen, so führt seine
Unwirksamkeit gegebenenfalls dazu, dass der Erkrankte an der Einnahme eines
wirksamen Präparats gehindert wird. Aber auch wenn der zusätzliche Bestandteil nur
die Wirksamkeit des anderen Bestandteils beschleunigen oder erhöhen soll, führt seine
Unwirksamkeit dazu, dass der Erkrankte ohne Not arzneilich wirksame Bestandteile
aufnimmt, die sich auf seine körperliche Verfassung auswirken.
30
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 -, a. a. O., S. 182.
31
Nach der zuvor zitierten Entscheidung fehlt eine ausreichende Begründung für den
geforderten positiven Beitrag jedes Bestandteils eines Kombinationspräparats, wenn die
vom Antragsteller eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis den geforderten Schluss nicht zulassen, wenn sie
sachlich unvollständig oder wenn sie inhaltlich unrichtig sind. Die Darlegung der
unzureichenden Begründung geschieht dadurch, dass die Behörde die fehlende oder
fehlerhafte Schlussfolgerung in der Begründung des Antragstellers aufzeigt, das
Forschungsergebnis benennt, zu dem sich der Antragsteller nicht geäußert hat, oder die
inhaltliche Unrichtigkeit einer - wesentlichen - Unterlage nachweist.
32
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 -, a. a. O., S. 180.
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Soweit vorstehend von Unterlagen die Rede ist, bezieht sich dies hier auf Unterlagen
gemäß § 22 Abs. 3 AMG, da die Klägerin die im Regelfall zur Beurteilung der
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geforderten Unterlagen gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 und 3 AMG nicht vorgelegt hat. Einschlägig ist vom Grundsatz her § 22 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 AMG, da das Präparat der Klägerin seit vielen Jahren im Verkehr ist. Dieser
Vorschrift liegt nämlich die Vorstellung des Gesetzgebers zu Grunde, dass man im
Hinblick auf lange im Verkehr befindliche Arzneimittel über deren Wirkungen und
Nebenwirkungen hinreichende Erkenntnisse habe sammeln können und sich daraus
Rückschlüsse auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ziehen ließen. Die auf dieser
Grundlage erstellten Unterlagen müssten zwar die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
hinreichend belegen; andererseits seien an sie keine übertriebenen formellen
Anforderungen zu stellen.
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Vgl. Bundestags-Drucksache 7/3060, S. 49.
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Bei der Beantwortung der Frage, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen einen
Rückschluss auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bzw. eines diesbezüglichen
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positiven Beitrags jedes einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteils zulassen, geht der
Senat zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass im Hinblick auf § 105 Abs. 4f Satz 2
AMG maßgeblich die von der Kommission D entwickelten Kriterien zur Bewertung von
fixen Kombinationen homöopathischer Einzelmittel heranzuziehen sind, obwohl es
angesichts des indikationsbezogenen "antihomotoxischen" Therapieansatzes der
Klägerin nicht unzweifelhaft erscheint, ob ihr Präparat überhaupt noch der besonderen
Therapierichtung der Homöopathie zuzuordnen ist. Diese Bedenken stellt der Senat
jedoch im Hinblick darauf, dass die in der Kommission D versammelten
Sachverständigen anscheinend keine Einwände dagegen hatten, das Präparat der
Klägerin der besonderen Therapierichtung der Homöopathie zuzuordnen, zurück. Nach
den zuvor genannten Kriterien der Kommission D hängt die Beantwortung der Frage, ob
jeder Bestandteil einer fixen Kombination einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet, davon ab, dass sich die Arzneimittelbilder der Einzelbestandteile
hinsichtlich des Indikationsanspruchs gleichen oder ergänzen. Diese Beurteilung erfolgt
bei fixen Kombinationen unter Verwertung der Monographien der Einzelstoffe. Sofern
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination nach Zusammensetzung,
Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund der Monographien
der Einzelstoffe nicht bestimmbar sind, ist zusätzliches wissenschaftliches
Erkenntnismaterial erforderlich. Dieses muss gegebenenfalls - etwas anderes ergäbe
nach den zuvor dargestellten Prämissen keinen Sinn - die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit der zur Beurteilung anstehenden fixen Kombination betreffen.
Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus den ursprünglich von der Klägerin
eingereichten Unterlagen keine ausreichende Kombinationsbegründung. Unabhängig
davon, ob die diesbezüglich vorgelegte "Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Kombination
nach § 22 Abs. 3a AMG" der Frau Dr. G. -C. vom 02. April 1992 überhaupt als anderes
wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG
angesehen werden kann, lässt sie selbst unter Berücksichtigung der in Bezug
genommenen Aufbereitungsmonographien und sonstigen Quellenangaben nach dem
gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse den geforderten Schluss auf
den positiven Beitrag jedes Bestandteils des Kombinationspräparats nicht zu. Zwar
kann der genannten Beurteilung insoweit gefolgt werden, dass sich die
homöopathischen Arzneimittelbilder der beiden Wirkstoffe hinsichtlich des
Indikationsanspruchs jedenfalls teilweise gleichen bzw. übereinstimmenden, nämlich
hinsichtlich der Indikation "Nervöse Störungen". Gleichwohl kann im Hinblick auf die
weiteren von der Kommission D genannten Kriterien Zusammensetzung und Dosierung
nicht davon ausgegangen werden, dass die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des
Kombinationspräparats mit den Monographien der Einzelstoffe belegt und auf diese
Weise eine ausreichende Kombinationsbegründung im Sinne eines positiven Beitrages
jedes der beiden Bestandteile geliefert wurde.
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Was die Zusammensetzung anbelangt, zeigen unter anderem die Argumentation in
diesem Verfahren sowie die vorgelegten Auszüge aus Protokollen über Sitzungen der
Kommission D, dass das Präparat der Klägerin abgesehen von dem
indikationsbezogenen "antihomotoxischen" Therapieansatz mehrere grundsätzliche, in
der homöopathischen Therapierichtung kontrovers diskutierte Fragen anspricht und die
daraus resultierenden Problematiken in sich vereint, und zwar: (Un- )Bedenklichkeit und
Häufigkeit der Gabe von Hochpotenzen, Sinn des Einsatzes von Potenzenakkorden, als
Verknüpfung der letzten beiden Fragen Einsatz von Potenzenakkorden mit darin
enthaltenen Hochpotenzen sowie schließlich, quasi als Zusammenfassung aller
Streitpunkte, Sinn der Kombination zweier Einzelmittel jeweils in Gestalt eines
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Hochpotenzen enthaltenden Potenzenakkordes. Angesichts der Breite und Tragweite
dieser Kontroversen liegt es auf der Hand, dass die dahinter stehenden und damit
verbundenen Fragen der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit solcher
Kombinationspräparate und damit eines positiven Beitrags jedes der enthaltenen
Bestandteile nicht allein durch Rückgriff auf die in den Aufbereitungsmonographien
beschriebenen Indikationen der Einzelstoffe und der diesen zu Grunde liegenden
homöopathischen Arzneimittelbilder beantwortet werden können. Diese Einschätzung
steht insbesondere in Einklang mit der in § 105 Abs. 4f Satz 2 AMG geforderten
Berücksichtigung der Besonderheiten einer bestimmten Therapierichtung. Denn wenn
innerhalb einer besonderen Therapierichtung bestimmte Therapieansätze und -formen -
sofern man den Ansatz der Klägerin überhaupt noch der Homöopathie zurechnet - zwar
praktiziert werden, aber jedenfalls nicht im Wesentlichen als in der wissenschaftlichen
Diskussion unumstritten angesehen werden können, versteht es sich nahezu von selbst,
dass eine ausreichende (Kombinations-)Begründung für die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit eines Präparats, das auf einem solchen nicht unumstrittenen
Therapieansatz beruht, nicht durch Bezugnahme auf (wissenschaftliches)
Erkenntnismaterial erbracht werden kann, das wie die Aufbereitungsmonographien
lediglich den Grundkonsens innerhalb der Therapierichtung widerspiegelt.
In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass
die in den Monographien genannten Indikationen vom Grundsatz her für alle
Verdünnungsstufen (Potenzen) des jeweiligen Arzneimittels gelten. Insoweit hat der
Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung für den Senat nachvollziehbar und
von der Klägerin insoweit unwidersprochen darauf hingewiesen, dass das Fehlen von
Aussagen zur Wirksamkeit einzelner Potenzenstufen in den Monographien darauf
beruht, dass bewusst von entsprechenden Festlegungen abgesehen wurde, weil nach
dem streng individualisierten Therapieansatz der "klassischen" Homöopathie jeweils im
Einzelfall zu entscheiden ist, welche Potenz eingesetzt wird. Das schließt es bereits
vom Grundsatz her aus, die Monographien im Hinblick auf ein indikationsbezogenes
Präparat mit mehreren Potenzenstufen als wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit
anzusehen. Dies gilt erst recht für den Einsatz von Potenzenakkorden mit
Hochpotenzen, allemal für entsprechende Kombinationspräparate. Bestätigt wird diese
Annahme dadurch, dass das gesamte Material, das die Klägerin im
Nachzulassungsverfahren sowie in dem folgenden Gerichtsverfahren zum Beleg der
generellen Sinnhaftigkeit von Potenzenakkorden mit Hochpotenzen vorgelegt hat,
unabhängig davon, ob es die Anforderungen des § 24 Abs. 2 und 3 AMG erfüllt, aus der
Zeit nach der Veröffentlichung der beiden hier einschlägigen
Aufbereitungsmonographien stammt und dementsprechend bei deren Erstellung keine
Berücksichtigung gefunden haben kann. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass
entsprechendes wissenschaftliches Material aus der Zeit vor Erstellung der
Aufbereitungsmonographien existiert. Eine weitere Bestätigung erfährt die zuvor
dargestellte Einschätzung noch durch einen Umkehrschluss aus der in der Kommission
D geführten grundsätzlichen Diskussion über Hochpotenzen und Potenzenakkorde.
Diese wäre überflüssig gewesen, wenn die streitigen Problematiken bereits durch die
Aufbereitungsmonographien und die Beschreibungen der homöopathischen
Arzneimittelbilder beantwortet würden dahingehend, dass die dortigen Aussagen
jeweils auch für die Wirksamkeit und Undenklichkeit sämtlicher denkbarer
Potenzenakkorde mit Hochpotenzen zuträfen.
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Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, dass die von ihr repräsentierte Richtung
innerhalb der Homöopathie, die auf indikationsbezogene Kombinationspräparate mit
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Hochpotenzen enthaltenen Potenzenakkorden setzt, innerhalb der Kommission D nicht
ausreichend vertreten sei, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Einschätzung.
Abgesehen davon, dass dieser Vortrag keine substantiierten Anhaltspunkte dafür
enthält, dass die Kommission D nicht entsprechend § 25 Abs. 7 Satz 2, Abs. 6 Satz 4 bis
4 AMG besetzt gewesen wäre, würden die vorstehenden Ausführungen zur Reichweite
der Aufbereitungsmonographien nicht dadurch obsolet, dass die Kommission
mehrheitlich den Therapieansatz der Klägerin befürworten würde. Klarstellend ist darauf
hinzuweisen, dass die Versagung wegen Nichtvorlage präparatespezifischen
Erkenntnismaterials erfolgt ist und nicht, weil Kombinationspräparate mit Hochpotenzen
enthaltenen Potenzenakkorden generell nicht zulassungsfähig wären.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das Kriterium der Dosierung,
die ebenfalls maßgeblichen Einfluss auf die Beurteilung der Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit eines Arzneimittels hat. Zudem lag die von der Klägerin zunächst
vorgesehene Dosierung - unabhängig von der Problematik der Potenzenakkorde mit
Hochpotenzen - hinsichtlich der Akutdosierung nicht einmal im Rahmen der
seinerzeitigen allgemeinen Vorgaben der Kommission D zur Dosierung und Art der
Anwendung (vgl. Bundesanzeiger Nr. 177 vom 21. September 1993).
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Angesichts der vorstehenden Ausführungen hatte die Beklagte zu Recht und in nicht
missverständlicher Weise mit dem Schreiben vom 31. Juli 1995 bzw. der diesem
beiliegenden medizinisch-fachlichen Stellungnahme die Vorlage von
"präparatespezifischem Erkenntnismaterial" gefordert. Zur Frage des für die beiden
Bestandteile jeweils gewählten Potenzenakkordes und ihrer Kombination verhielt sich
die Beurteilung vom 02. April 1992 nämlich ebenso wenig wie die in Bezug
genommenen Literaturquellen. Wenn angesichts dessen in dem Schreiben darauf
hingewiesen wurde, dass eine gesonderte Dokumentation erforderlich sei, wenn die
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination auf Grund der Monographien
der Einzelstoffe nicht bestimmbar sei, dass in der Kombination Tief- und Hochpotenzen
aus zwei Arzneistoffen enthalten seien und der Beitrag dieser unterschiedlichen
Potenzstufen nicht ersichtlich und auch nicht begründet worden sei, und dies mit der
Bitte verbunden wurde, "für die abschließende Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation
geeignetes wissenschaftliches Erkenntnismaterial zu dieser Kombination" vorzulegen,
dann erläutert dies die zuvor genannte Forderung nach präparatespezifischem
Erkenntnismaterial in nachvollziehbarer Weise und lässt keinen Zweifel daran
aufkommen, was zur Mängelbeseitigung vorgelegt werden sollte. Entsprechendes gilt
für die weitere Forderung, speziell im Hinblick auf die Potenzenakkorde eine
ausreichende und präparatespezifische Begründung der beantragten Dosierung
vorzunehmen.
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Abgesehen davon, dass die Dosierungsanleitung an die Vorgaben der Kommission D
angepasst wurde, stellen die daraufhin von der Klägerin mit Schreiben vom 18. März
1998 vorgelegten Unterlagen kein solches präparatespezifisches Material dar. Insoweit
wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts auf S. 11 seines Urteils Bezug genommen.
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Darauf, ob die Versagung wegen fehlender Vorlage präparatespezifischen
Erkenntnismaterials in der entsprechenden Deutlichkeit auch in der Begründung des
Bescheids vom 06. Juni 2000 zum Ausdruck gebracht wird, kommt es für die allein
entscheidende Frage des Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht an, weil dieser
ausgehend von einer rechtmäßigen Mängelanzeige allein davon abhängt, ob die
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mitgeteilten Mängel innerhalb der gesetzten Frist behoben wurden, was wie zuvor
ausgeführt nicht der Fall war. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass bei sachgerechter
Auslegung des Bescheids dessen Begründung mit dem Mängelschreiben
übereinstimmt. Soweit ausführlich auch auf homöopathische Grundprinzipien sowie die
generelle Problematik der Hochpotenzen, Potenzenakkorde etc. eingegangen wird, ist
dies als Teil der Begründung dafür zu sehen, dass im Fall des klägerischen Präparats
die von § 22 Abs. 3a AMG geforderte Kombinationsbegründung nicht aus den
Monographien der Einzelstoffe und dem sonstigen wissenschaftlichen
Erkenntnismaterial abgeleitet werden konnte, d.h. präparatespezifisches
Erkenntnismaterial erforderlich gewesen wäre. Ergänzend ist anzumerken, dass es in
dem sich anschließenden Gerichtsverfahren vor allem die Klägerin selbst gewesen ist,
die die Argumentation auf der Ebene der abstrakten oder generellen Sinnhaftigkeit von
Potenzenakkorden etc. gelenkt und geführt hat.
Das geforderte und erforderliche präparatespezifische Erkenntnismaterial hat die
Klägerin unabhängig davon, ob solches bei Vorlage nach Ablauf einer nach § 105 Abs.
5 Satz 1 AMG gesetzten Frist und/oder nach Ausspruch der Versagung überhaupt noch
Berücksichtigung finden kann, auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt. Insoweit
wird wiederum auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 12 des
verwaltungsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Darauf, ob das im Hinblick auf die
von der Klägerin so bezeichnete Präparategruppe der Potenzenakkorde überreichte
präparategruppenspezifische Erkenntnismaterial generell und abstrakt zum Beleg der
Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Potenzenakkorden unter Einschluss von
Hochpotenzen ausreichend wäre, kommt es nicht an, weil dieses nicht gefordert war
und es die nach § 22 Abs. 3a AMG für das konkrete Arzneimittel zu erbringende
Kombinationsbegründung nach den vorstehenden Ausführungen nicht ersetzen kann.
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Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, dass eine präparatespezifische
Kombinationsbegründung sachlich nicht möglich sei, vermag der Senat dem nicht zu
folgen. Das, was die Klägerin tatsächlich beklagt, ist der Umstand, dass es schwierig bis
unmöglich ist, insbesondere bei Kombinationspräparaten mit Hochpotenzen
enthaltenden Potenzenakkorden die geforderte Kombinationsbegründung in
erleichterter Form an Hand anderen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials gemäß §
22 Abs. 3 AMG zu erbringen. Indes besteht hierauf kein Anspruch. Wenn sich die von §
22 Abs. 3a AMG geforderte Begründung nicht aus dem anderen wissenschaftlichen
Erkenntnismaterial herleiten lässt, ist die Klägerin letztlich gezwungen, ihr Arzneimittel
einer klinischen Prüfung (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AMG) zu unterwerfen.
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Vgl. in diesem Sinne allgemein BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 21.91 -; in
diesem Sinne auch Sander, Arzneimittelrecht, Band 1, Stand: 41. Lieferung Dezember
2003, Erl. § 22 AMG, S. 12e.
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Mit ihrem Einwand in der mündlichen Verhandlung, dass dies dem Selbstverständnis
der homöopathischen Therapierichtung widerspreche, kann die Klägerin bereits auf
Grund ihres abweichenden indikationsbezogenen "antihomotoxischen"
Therapieansatzes nicht durchdringen, zumal sie in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt hat, für ein anderes, neu zugelassenes Präparat gerade eine solche Prüfung
durchgeführt zu haben. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Forderung nach
einer präparatespezifischen Kombinationsbegründung auch angesichts einer
jahrzehntelangen Anwendungspraxis, während der - den Vortrag der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung insoweit als wahr unterstellt - lediglich ein unerwünschtes
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Ereignis bekannt geworden ist, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann.
Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der homöopathischen
Therapierichtung der Anwendungserfahrung ein besonders großer Stellenwert
zukommt, erbringt das Fehlen von Umständen, die gegen die Unbedenklichkeit des
Arzneimittels sprechen, nicht den nach Sinn und Zweck der Kombinationsbegründung
erforderlichen Nachweis für die Wirksamkeit eines jeden Bestandteils. Diesbezüglich
liegen jedoch für das hier streitige Präparat anscheinend keine dokumentierten
Anwendungserfahrungen vor, obwohl spätestens seit Einführung des § 22 Abs. 3a AMG
durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1986
Veranlassung bestanden hat, gegebenenfalls entsprechende Belege zu sammeln. Der
geforderte Nachweis hat im Übrigen auch deshalb eine Berechtigung, weil es jedenfalls
nach Auffassung des Senats nicht offensichtlich ist, dass der Bestandteil N. N1.
tatsächlich einen Beitrag zur Wirksamkeit des Präparats leistet. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass der Indikationsbereich von T1. J1. nach den
Aufbereitungsmonographien weiter ist als der von N. N1. und diesen mit umfasst, dass
der zuerst genannte Wirkstoff in Gestalt eines Potenzenakkordes mit zwei
Hochpotenzen enthalten ist und dass Potenzenakkorde allgemein nach dem Vortrag der
Klägerin eine Verbreiterung des Wirkungsspektrums herbeiführen sollen. Dass die
zuvor aufgeworfene Frage berechtigt ist, wird in gewisser Weise durch die
gutachterliche Stellungnahme des Herrn M. bestätigt, der auf S. 7 ausführt, dass ein
genereller Nachteil von fixen Kombinationen darin liege, dass unter Umständen auch
solche homöopathischen Einzelmittel appliziert würden, die zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr oder noch nicht angezeigt seien - mit anderen Worten, die nicht zur Wirksamkeit
beitragen. Soweit es im Anschluss daran heißt, dass jedoch bisher keine Erfahrungen
bekannt geworden seien, die auf eine nachteilige Wirkung hinsichtlich der Wirksamkeit
des hier streitigen Präparats schließen ließen, verkennt dies wiederum den Sinn und
Zweck des § 22 Abs. 3a AMG.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es zwar aus rechtsstaatlicher Sicht
bedauerlich wäre, wenn die Beklagte - wofür allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen -
in anderen vergleichbaren Nachzulassungsverfahren ohne sachlichen Grund
hinsichtlich der Kombinationsbegründung andere, dem § 22 Abs. 3a AMG nicht
entsprechende Maßstäbe angelegt hätte. Dies ließe jedoch den hier gegebenen
Versagungsgrund nicht entfallen und begründete dementsprechend keinen
Nachzulassungs- bzw. Neubescheidungsanspruch der Klägerin.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708
Nr. 10, 711, 713 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegt.
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