Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.08.2006

OVG NRW: gegen die guten sitten, pflicht zur dienstleistung, feuerwehr, tausch, schichtdienst, berufliche tätigkeit, grundrecht, fürsorgepflicht, religionsfreiheit, belastung

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 2650/05
Datum:
11.08.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 2650/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 19 K 123/03
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der am 00.00.0000 geborene Kläger steht seit dem 1. Oktober 1990 als auf Lebenszeit
verbeamteter Brandmeister (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Dienst der Beklagten
und wird seit seiner planmäßigen Anstellung im sogenannten feuerwehrtechnischen
Einsatzdienst der städtischen Berufsfeuerwehr in den Tätigkeitsbereichen „Brandschutz,
technische Hilfeleistungen, Umweltschutz und Rettungsdienst" verwendet. Die bei der
Beklagten im Einsatzdienst tätigen Feuerwehrbeamten leisten ihren Dienst derzeit nach
einem Schichtplan, der bei ununterbrochenem Fortgang der Arbeit während der ganzen
Woche grundsätzlich Dienstschichten von jeweils 24 Stunden Dauer („24-Stunden-
Alarmdienst") vorsieht, an die sich jeweils eine 48-stündige Freischicht anschließt.
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Mit Schreiben vom 6. April 2002 stellte der Kläger gegenüber dem Personalamt der
Beklagten den sinngemäßen Antrag, seine Diensteinteilung in der Weise zu ändern,
dass er künftig regelmäßig in der Zeit „von Sonnenuntergang am Freitag bis zum
Sonnenuntergang am Samstag" keinen Dienst mehr zu verrichten habe. Zur
Begründung machte der Kläger geltend, er sei seit April 2000 getauftes Mitglied der
„Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten", einer Körperschaft des öffentlichen
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Rechts. Die Dienstpflicht an Wochenenden hindere ihn daran, die biblischen Gebote
Gottes einzuhalten, insbesondere den Sabbat zu heiligen. Diesen Antrag lehnte die
Oberbürgermeisterin der Beklagten durch formloses Schreiben vom 5. Juni 2002 mit der
Begründung ab, aufgrund der Tätigkeit des Klägers im „24-Stunden-Alarmdienst" sei
eine regelmäßige Freistellung vom Dienst von Freitagabend bis Samstagabend nicht
möglich.
Daraufhin wiederholte der Kläger durch Schreiben vom 17. Juni 2002 seinen zuvor
abgelehnten Antrag und beantragte ferner hilfsweise seine Umsetzung auf einen
Dienstposten in einem anderen Tätigkeitsbereich der Berufsfeuerwehr, für den kein „24-
Stunden-Alarmdienst" bestehe. Ergänzend zu seinem bisherigen Antrag begründete er
sein Anliegen damit, zu den wesentlichen Glaubensüberzeugungen der „Gemeinschaft
der Siebenten-Tags-Adventisten" gehöre die Einhaltung der biblischen Gebote Gottes,
insbesondere des vierten Gebots, den Sabbat zu heiligen. Dies gebiete den siebenten
Tag der Woche von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am
Samstag als Tag der Ruhe, der Anbetung und des Dienens durch aktive Teilnahme am
Gemeindeleben zu begehen. Seit seiner Taufe habe er eine Übergangslösung dadurch
erreichen können, dass er mit verständnisvollen Arbeitskollegen den Dienst an
Wochenenden getauscht habe. Dies stelle aber keinen auf Dauer einhaltbaren Zustand
dar und gewährleiste nicht, dass er sich entsprechend den Geboten seines Glaubens
verhalten könne. Um ihm die ungestörte Ausübung seiner Religion zu ermöglichen, sei
die Beklagte bei Beachtung der grundrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit und der
beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verpflichtet, seine Arbeitszeiteinteilung
antragsgemäß zu ändern, hilfsweise im Wege seiner Umsetzung auf einen anderen
Dienstposten in der städtischen Berufsfeuerwehr außerhalb des Einsatzdienstes.
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Diesen Antrag lehnte die Oberbürgermeisterin der Beklagten mit Bescheid vom 23. Juli
2002 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) abermals ab. In dessen Gründen führte sie im
Wesentlichen aus, die Erfüllung der der Berufsfeuerwehr obliegenden öffentlichen
Aufgaben erfordere von den dort tätigen Beamten des mittleren feuerwehrtechnischen
Dienstes regelmäßig eine Dienstverrichtung im 24-stündigen Schichtdienst. In der
Berufsfeuerwehr der Beklagten stünden für Beamte dieser Laufbahn nur wenige
Dienstposten im Tagesdienst zur Verfügung, die derzeit alle besetzt seien. Ein Dienst in
der Leitstelle oder im Bereich der Brandsicherungswache des Stadthauses entspreche
nicht dem Anliegen des Klägers, da auch dort Schichtdienst zu leisten sei.
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Den dagegen am 20. Januar 2003 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die
Oberbürgermeisterin der Beklagten gemäß Beschlussfassung des
Personalausschusses ihres Rates mit Bescheid vom 26. Mai 2003 als unbegründet
zurück. Der Kläger könne weder aufgrund des Grundrechtes der Religionsfreiheit noch
aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht die beantragte, ihn von der
Dienstpflicht befreiende Diensteinteilung verlangen, da bei einer Abwägung der
widerstreitenden Interessen dem öffentlichen Interesse an der jederzeitigen
Einsatzbereitschaft der Berufsfeuerwehr und ihrer permanenten Besetzung in allen
taktischen Positionen, die nur durch den „24-Stunden-Alarmdienst" gewährleistet
werden könne, der Vorrang vor den persönlichen Belangen des Klägers gebühre. Ein
regelmäßiger Tausch des Dienstes an Wochenenden sei innerhalb des
feuerwehrtechnischen Einsatzdienstes nicht realisierbar, da die besonderen
Gegebenheiten dieses Dienstes eine unbedingte und verlässliche Zusammenarbeit der
in diesem Bereich eingesetzten Beamten in einem 24-stündigen Schichtdienst
verlangten. Derzeit bestehe auch keine Möglichkeit, den Kläger auf einen anderen
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Dienstposten außerhalb des „24-Stunden-Alarmdienst" umzusetzen. Die Beklagte
verfüge für Beamte des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes nur über wenige
Dienstposten im Tagesdienst, die gegenwärtig sämtlich mit
feuerwehrdienstuntauglichen Beamten besetzt seien, die nicht mehr im „Alarmdienst"
eingesetzt werden könnten. Der Kläger erfülle als Brandmeister zudem nicht die
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung auf einen Dienstposten im
Tagesdienst. Die diesbezüglichen Planstellen in der Kleiderkammer, der
Atemschutzwerkstatt, der Kfz-Werkstatt sowie für die Feuerwehr-Schließkästen seien
nach Besoldungsgruppe A 8 BBesO und die Planstellen in der Brand- und Nachschau
sowie für „Einsatzleitrechner" und für „Lehrsanitäter" nach Besoldungsgruppe A 9 bzw.
A 9 mit Zulage BBesO bewertet und demgemäß Ober- bzw. Hauptbrandmeistern
vorbehalten; die letztgenannten Dienstposten der Besoldungsgruppe A 9 BBesO
erforderten außerdem die durch Bestehen einer Prüfung nachzuweisende
Zusatzqualifikation als Gruppenführer. Eine Umsetzung des Klägers auf einen
Dienstposten im Katastrophenschutz, in der zivilen Verteidigung oder als Hausarbeiter
komme schon deshalb nicht in Frage, weil diese Tätigkeiten nicht zur Laufbahn des
feuerwehrtechnischen Dienstes gehörten, sondern mit Beamten bzw.
Verwaltungsangestellten des mittleren nichttechnischen Dienstes oder mit Arbeitern
besetzt seien.
Nachdem der Kläger am Samstag, dem 10. Juli 2004, nicht zum Dienst erschienen war,
wurde mit ihm am 4. August 2004 im städtischen Personalamt ein Personalgespräch
geführt, in dem er u.a. angab, an dem fraglichen Samstag nicht dienstfähig gewesen zu
sein, weil ihn nach einem gescheiterten Versuch, den Dienst an diesem Tage zu
tauschen, die Verpflichtung, am biblischen Sabbat entgegen seiner
Glaubensüberzeugung arbeiten zu müssen, psychisch und physisch stark belastet
habe. Er befürchte auch in der Zukunft im Falle der Unmöglichkeit eines Diensttauschs
an Wochenenden wegen einer solchen seelischen Belastung aus gesundheitlichen
Gründen am Sabbat nicht arbeiten zu können. In dem Personalgespräch legte der
Kläger eine privatärztliche Bescheinigung des Nervenarztes Dr. med. E. X. in Siegburg
vom 2. August 2004 mit folgendem Wortlaut vor:
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„Herr D. wurde heute von mir untersucht. Aus medizinischer Sicht ist es erforderlich,
dass er aus dem Schichtdienst herausgenommen und lediglich im Tagesdienst
eingesetzt wird."
8
Daraufhin veranlasste die Beklagte eine „betriebsärztliche Untersuchung" des Klägers
zur Feststellung seiner Verwendungsfähigkeit im „24-Stunden-Alarmdienst" des
feuerwehrtechnischen Einsatzdienstes, insbesondere am biblischen Sabbat, durch die
Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. C. L. von der Gesundheitsvorsorge und
Sicherheitstechnik GmbH in C. . Die Fachärztin führte in ihrer Stellungnahme vom 1.
Dezember 2004 nach einer eigenen Untersuchung des Klägers aus:
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„Grundsätzlich ist Herr D. im Schichtdienst einsetzbar. Aufgrund seiner religiösen
Überzeugungen, die nach seinen Angaben eine berufliche Tätigkeit am biblischen
Sabbat ver BBesO bieten, stellt ein Schichtdienst an diesem Tage für ihn eine starke
psychische Belastung dar. Dadurch können gesundheitliche Beeinträchtigungen
entstehen. Aus arbeitsmedizinischer Sicht wird deshalb empfohlen, Herrn D. am
biblischen Sabbat nicht einzusetzen."
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Das Personalamt teilte der Leitung der Berufsfeuerwehr das Ergebnis dieser
11
arbeitsmedizinischen Untersuchung unter dem 12. Januar 2005 mit und bat zugleich
darum, eventuellen Wünschen des Klägers nach Urlaub, Freizeitausgleich oder
Diensttausch am Sabbat möglichst zu entsprechen, soweit die dienstlichen
Erfordernisse dies zuließen.
Bereits zuvor hatte der Kläger am 9. Januar 2003 gegen die Bescheide der
Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 5. Juni 2002 und 23. Juli 2002 Klage erhoben,
zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und
vertieft hat.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide ihrer Oberbürgermeisterin vom 5. Juni und
23. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 aufzuheben
und seine Diensteinteilung als Brandmeister in der städtischen Berufsfeuerwehr in der
Weise zu ändern, dass er regelmäßig in der Zeit von Freitagabend (Sonnenuntergang)
bis Samstagabend (Sonnenuntergang) keinen Dienst zu leisten hat,
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hilfsweise, ihn auf einen Dienstposten im sog. Tagesdienst der Berufsfeuerwehr
umzusetzen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen
Widerspruchsbescheid bezogen.
18
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe weder einen Anspruch
auf Dienstbefreiung von Freitag auf Samstag noch auf Umsetzung auf einen
Dienstposten im Tagesdienst. Die gegenwärtige Dienstplaneinteilung stehe im Einklang
mit den einschlägigen Bestimmungen und ein Verstoß gegen höherrangiges Recht sei
nicht ersichtlich. Der Kläger könne sich insoweit nicht auf das Grundrecht der
Religionsfreiheit berufen, dessen Wesensgehalt durch die auf der
verfassungsimmanenten Einschränkung der hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums, hier der vollen Hingabe zu seinem Beruf, beruhenden
Arbeitszeitregelung nicht angetastet werde. Dem Kläger sei es unbenommen, seine
Religion außerhalb seiner Dienstzeit, also auch dann, wenn er an einem Sabbat
dienstfrei habe, ungehindert auszuüben. Er sei im Übrigen nicht verpflichtet, im
feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten zu verbleiben. Eine Diensteinteilung,
welche gleichermaßen dem öffentlichen Interesse an einer funktionsfähigen
Berufsfeuerwehr und den religiösen Belangen des Klägers Rechnung trage, sei
angesichts der Unbedingtheit seines auf die Gewährung einer Freischicht an jedem
Sabbat gerichteten Begehrens nicht denkbar. Auch der hilfsweise geltend gemachte
Anspruch auf Umsetzung bestehe nicht, da die Beklagte dargelegt habe, dass im
mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der städtischen Berufsfeuerwehr außerhalb der
Bereichs, der einen 24-Stunden-Alarmdienst erfordere, kein unbesetzter Dienstposten
für einen Brandmeister zur Verfügung stehe. Die Verwaltungspraxis der Beklagten,
freiwerdende Dienstposten in diesem Bereich vorrangig mit Beamten zu besetzen, die
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aus gesundheitlichen Gründen keinen Einsatzdienst mehr leisten könnten und sonst
wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt werden müssten, sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers. Zu deren
Begründung rügt er, dass das Verwaltungsgericht das Spannungsfeld zwischen der in
Art. 4 GG gewährleisteten Religions- und Gewissensfreiheit, dem
Benachteiligungsverbot des Art. 33 Abs. 3 GG und den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums unzureichend gewürdigt habe. Das Gericht habe
einseitig die dienstlichen Interessen der Beklagten berücksichtigt und die Möglichkeiten
einer die Belange des Klägers berücksichtigenden Umorganisation des Dienstbetriebs
nicht hinreichend aufgeklärt. Hier sei vielmehr auf die in der sozial- und
arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze abzustellen. Der
Beklagten stehe - verteilt auf drei Feuerwachen - ein „Pool" von 120 dem Kläger
vergleichbaren Brandmeistern zur Verfügung. Es sei Ausfluss ihrer Fürsorgepflicht, eine
Diensteinteilung einzurichten, die seine Gewissensfreiheit hinreichend respektiere. Dies
sei angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten auch möglich. Statt dessen werde er
wegen seiner Religionszugehörigkeit benachteiligt. Ihm sei von seinen Vorgesetzten
mehrfach in Gesprächen mitgeteilt worden, dass er eine schlechtere Beurteilung
erhalten und von Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen werde. Auch der früher
mögliche Tausch von Dienstschichten mit verständnisvollen Kollegen werde durch
seine Vorgesetzten zunehmend erschwert.
20
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern, die Bescheide der Oberbürgermeisterin der Stadt C.
vom 5. Juni und 23. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai
2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Diensteinteilung als
Brandmeister in der städtischen Berufsfeuerwehr in der Weise zu ändern, dass er
regelmäßig in der Zeit von Freitagabend (Sonnenuntergang) bis Samstagabend
(Sonnenuntergang) keinen Dienst zu leisten hat,
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Der Kläger werde weder bei der
dienstlichen Beurteilung noch bei dem Tausch von Dienstschichten in irgendeiner
Weise benachteiligt. Im Gegenteil sei sie nach wie vor darum bemüht, dem Kläger so
viele Schichtwechsel wie möglich zu gestatten. Aus zahlreichen Gründen gestalte sich
ein solcher Tausch oftmals als schwierig. Eine dauerhafte Freistellung des Klägers vom
Schichtdienst von Freitag- bis Samstagabend sei aufgrund der dienstlichen
Gegebenheiten und der aus der Aufgabe der Berufsfeuerwehr folgenden dienstlichen
Notwendigkeiten nicht möglich. Insoweit stünden auch die hergebrachten Grundsätze
des Berufsbeamtentums der Gewissens- und Religionsausübungsfreiheit des Klägers
entgegen, da die vorhandene Dienstplangestaltung der Laufbahn eines
Feuerwehrbeamten wesensgemäß und zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs
erforderlich sei. Selbst bei Anwendung der in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze, die ein völlig anderes Grundverhältnis beträfen, ergebe sich
der geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht. Käme man den Wünschen des
Klägers nach, komme es zu im Einzelnen dargelegten erheblichen Störungen des
Betriebsablaufs. Diese resultierten unter anderem daraus, dass der Kläger aufgrund
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seiner Ausbildung nicht mit allen weiteren Brandmeistern vergleichbar sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte folgende Erklärung
abgegeben:
26
„Die Beklagte erklärt ihre Bereitschaft, den Kläger auf einen
statusgerechten/statusangemessenen und seiner Qualifikation entsprechenden
Dienstposten umzusetzen, der ihm die Einhaltung der Sabbat-Ruhe (Freitagabend
(Sonnenuntergang) bis Samstagabend (Sonnenuntergang)) ermöglicht, sobald ein
derartiger Posten im Feuerwehrtagesdienst oder in einer anderweitigen
Verwaltungsstelle frei wird und sofern insoweit nicht rechtlich vorrangig die Interessen
anderer Bediensteter zu berücksichtigen sind."
27
Einen Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung der
Diensteinteilung hat das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 24. Juni 2004 - 19
L 1022/04 - abgelehnt. Die Beschwerde dagegen blieb erfolglos, Beschluss vom 4.
August 2004 - 1 B 1451/04 -.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Verfahrensakten auch des Verfahrens VG Köln - 19 L 1022/04 -
einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten 1 - 5).
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Entscheidungsgründe
30
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
31
Die Klage hat im Einklang mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Erfolg.
Sie ist als (allgemeine) Leistungsklage zulässig. Bei der streitgegenständlichen
Änderung des Dienstplans handelt es sich um einen Realakt und nicht um einen
Verwaltungsakt, sodass die Leistungsklage und nicht die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs.
1 Alt. 2 VwGO) statthaft ist.
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Vgl. Senatsurteil vom 18. August 2005 - 1 A 2722/04 -, Schütz BeamtR ES/E III 2 Nr 15.
33
Der Klageantrag ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine
individuelle Änderung seiner Diensteinteilung als Brandmeister in der Berufsfeuerwehr
der Beklagten derart, dass er regelmäßig in der Zeit von Freitagabend
(Sonnenuntergang) bis Samstagabend (Sonnenuntergang) - dieser Zeitraum erfasst
zwei Schichten - keinen Dienst zu leisten hat. Die Bescheide der Oberbürgermeisterin
der Beklagten vom 5. Juni 2002 und 23. Juli 2003 sowie der Widerspruchsbescheid vom
26. Mai 2003 sind rechtmäßig; sie verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
34
Die Diensteinteilung bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten entspricht - was zwischen
den Beteiligten unstreitig ist - der Arbeitszeitregelung des § 1 Abs. 1 der Verordnung für
die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren
der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein - Westfalen - AZVOFeu
- (SGV NRW 20302). Die Ausgestaltung der Arbeitszeit im Einzelnen obliegt gemäß § 2
Abs. 3 AZVOFeu dem Dienstvorgesetzten. Die von der Beklagten auf dieser Grundlage
getroffene Arbeitszeiteinteilung, 24 Stunden Dienst, anschließend 48 Stunden dienstfrei,
ist nicht zu beanstanden. Sie verstößt, mit der aus Art. 2 Nr. 1 und Art. 6 b) der Richtlinie
2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
35
(ABl. L 299, S. 9) folgenden Maßgabe, dass die wöchentliche Dienst- und
Bereitschaftszeit (mit Anwesenheitspflicht) 48 Stunden nicht übersteigen darf,
vgl. Senatsurteil vom 18. August 2005 a.a.O.,
36
insbesondere nicht zu Lasten des Klägers gegen höherrangiges Recht.
37
Mit seinem Begehren verfolgt der Kläger nicht das Unterlassen eines staatlichen
Eingriffs in seinen durch Artikel 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Bereich der
Religions-, Glaubens- oder Bekenntnisfreiheit, sondern einen Leistungsanspruch.
38
Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG umfasst auch den Anspruch, nach eigenen
religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen leben und handeln zu dürfen. Dabei
sind nicht nur Ansichten, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, durch Art. 4 GG
geschützt. Vielmehr umspannt diese Freiheit auch religiöse Überzeugungen, die für
eine konkrete Lebenssituation eine religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern,
diese aber für das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der
Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit
sich nicht voll entfalten können.
39
Vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Entscheidung vom 19. Oktober 1971 - 1 BvR
387/65 -, BVerfGE 32, 98,
40
Dass der Kläger sich an die Pflicht zur Einhaltung der Sabbat-Ruhe gebunden fühlt und
von ihr nicht abweichen könnte, ohne unzumutbare Beeinträchtigungen - wie
beispielsweise die von ihm geltend gemachte und möglicherweise seine Dienstfähigkeit
beeinträchtigende psychische Belastung - in Kauf zu nehmen, hat er im Verlaufe des
Verfahrens überzeugend dargelegt. Das Einhalten des biblischen Sabbats von
Freitagabend (Sonnenuntergang) bis Samstagabend (Sonnenuntergang) stellt eine der
zentralen Glaubensüberzeugungen der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
dar.
41
Vgl. Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, www.adventisten.de, Baer (Hrsg.),
Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, S. 1210, Reller,
Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, 5. Auflage, S. 195.
42
Ob die von dem Kläger vertretene und in der mündlichen Verhandlung bekräftigte,
möglichst ausnahmslose Einhaltung des Sabbatgebots tatsächlich in dieser Strenge mit
der Glaubensüberzeugung und -ausübung der anderen Mitglieder der
Religionsgemeinschaft übereinstimmt oder aber auf der alleinigen Überzeugung des
Klägers beruht, kann in diesem Zusammenhang ebenso offen gelassen werden, wie die
Frage, ob eine solche „Einzelüberzeugung" dem Schutzbereich des Art. 4 GG unterfällt.
Denn selbst wenn dies unterstellt wird, stellt die Dienstplaneinteilung bereits keinen
„klassischen" staatlichen Eingriff in die Religions(ausübungs)freiheit dar, weil sie in
ihrem Regelungsgehalt nicht auf die Beschränkung der religiösen Überzeugungen oder
Betätigungen des Klägers zielt, sondern auf die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr. Sie
greift nicht geplant in die durch Artikel 4 GG geschützte Religions- Glaubens- und
Bekenntnisfreiheit des Klägers ein und führt auch nicht unmittelbar dazu, dass der
Kläger durch sie in jedem Fall und vollständig gehindert ist, den Sabbat zu begehen.
Die von dem Kläger angeführten Auswirkungen der Dienstplangestaltung auf seine
Religionsausübung am Sabbat sind lediglich mittelbarer Natur und resultieren einzig
43
daraus, dass der von ihm als religiöser Feiertag angesehene Zeitraum für ihn nicht
(ständig) arbeitsfrei ist. Dies stellt jedoch keinen staatlichen Eingriff in die
Religionsfreiheit dar, sondern ist Folge der - bei Wahrung der Institutsgarantie -
verfassungsrechtlich unbedenklichen Befugnis des Gesetzgebers, zu regeln, ob und in
welchem Umfang religiöse Feiertage staatlich geschützt werden sollen.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. September 1995 - 1 BvR 1456/95 -, NJW 1995,
3378, Berliner Vefassungsgerichtshof, Beschluss vom 16. August 1995 - 1/95 -, NJW
1995, 3379.
44
Hieraus mögen sich Erschwernisse für die Orientierung der Lebensweise des Klägers
an seinen Glaubensgrundsätzen ergeben. Diese stellen jedoch keinen staatlichen
Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung dar, sondern haben ihren Grund allenfalls
darin, dass der hier in Rede stehende religiöse Feiertag nicht zu den gesetzlichen
Feiertagen zählt und damit ein Werktag ist. Vor solchen Beeinträchtigungen, die Folge
des sozialen Zusammenlebens der Menschen sind, schützt Art. 4 GG nicht. Die vom
Grundgesetz anerkannte Gemeinschaftsbindung des Individuums macht nämlich auch
vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte gewissen äußersten Grenzziehungen
zugänglich.
45
Vgl. BVerfGE, Entscheidung vom 5. März 1968 - 1 BvR 579/67 -, BVerfGE 23, 127,
Beschluss vom 18. April 1984 - 1 BvL 43/81 -, BVerfGE 67, 26, Entscheidung vom 19.
Oktober 1971, a.a.O., Kammerbeschluss vom 18. September 1995, a.a.O.
46
Mit dem Klagebegehren verfolgt der Kläger daher bei objektiver Betrachtung einen auf
die Änderung des bestehenden Dienstplans gerichteten Leistungsanspruch. Dieses
Klageziel erschließt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Klageantrags, der auch
auf die Abwehr eines Eingriffs gerichtet sein könnte. Aus der weiteren Klagebegründung
lässt sich jedoch eindeutig schließen, dass der Kläger seine gegenwärtige, durch die in
der Verordnung für die Arbeitszeit konkretisierte beamtenrechtliche Pflicht zur
Dienstleistung geprägte Rechtsposition ändern möchte. Dieses Begehren ist somit
zumindest auf eine Veränderung, wenn nicht sogar Erweiterung seines Rechtskreises
durch die Beklagte, mithin auf eine (hier organisatorische) staatliche Leistung gerichtet.
47
Ein derartiger Leistungsanspruch des Klägers folgt namentlich nicht aus dem durch Art.
4 GG geschützten Bereich der Religions-, Glaubens- oder Bekenntnisfreiheit, und zwar
weder unmittelbar noch als (denkbare) Kehrseite eines etwaigen Anspruchs auf
Unterlassung eines verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriffs in dieses
Grundrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit in ständiger Rechtsprechung
eindeutig entschieden, dass aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG kein Anspruch des
Einzelnen gegen den Staat folgt, die Rechtsordnung nach seinen Glaubens- und
Gewissensvorstellungen zu gestalten und zu verlangen, dass seine Überzeugung zum
Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird.
Insbesondere kann niemand aus diesem Grundrecht den Anspruch herleiten, den
Gesetzgeber zu verpflichten, bestimmte religiöse Feiertage ganztägig als Tag der
Arbeitsruhe auszuweisen und Beamte oder Arbeitnehmer von ihrer aus dem
Beamtenverhältnis oder ihrem Arbeitsvertrag folgenden Verpflichtung zur Dienstleistung
freizustellen.
48
Vgl. BVerfG Entscheidung vom 19. Oktober 1971, a.a.O., Kammerbeschluss vom 18.
September 1995, a.a.O., Berliner Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 16. August
49
1995, a.a.O., sowie Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz Rn. 42 zu
Art. 4 GG und Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 140 GG Rn. 4.
Dem entspricht die über Art. 140 GG zum Bestandteil des Grundgesetzes gewordene
Regel des Art. 139 WRV, nach welcher der Sonntag und die staatlich anerkannten
Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung gesetzlich geschützt
bleiben. Einen gleichwertig hervorgehobenen Schutz für die nicht staatlich anerkannten
Feier- und Ruhetage der Religionsgemeinschaften im Übrigen gibt es nicht.
50
Die Beklagte ist zu der individuellen Änderung der begehrten Diensteinteilung des
Klägers auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung von Art. 4 Abs. 1
und Abs. 2 GG auf das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art.
33 Abs. 5 GG, § 85 Landesbeamtengesetz - LBG - vom Dienstherrn zu beachtende
Fürsorgegebot verpflichtet. Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierten Freiheitsrechte
sind zugleich eine wertentscheidende Grundsatznorm, und zwar höchsten
verfassungsrechtlichen Ranges, die bei Staatstätigkeit jeder Art ihre Wertmaßstäbe
setzende Kraft entfaltet und Beachtung verlangt.
51
Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt Kammerbeschluss vom 31. Mai 2006
- 2 BvR 1693/04 - m.w.N., Juris.
52
Die sich daraus ergebende Schutzpflicht des Staates, die ihren Ausdruck in einem
allgemeinen staatlichen "Wohlwollensgebot" gegenüber demjenigen findet, der sich auf
Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beruft , ist aber ebensowenig wie die Religions- bzw.
Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG selbst grenzen- bzw. schrankenlos
gewährleistet. Zwar sind Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht durch einen Gesetzesvorbehalt
eingeschränkt, aber dennoch Einschränkungen zugänglich, die sich aus der Verfassung
selbst ergeben.
53
Vgl. BVerfGE, Entscheidungen vom 5. März 1968 und vom 19. Oktober 1971, a.a.O.,
Beschluss vom 18. April 1984, a.a.O., Kammerbeschlüsse vom 15. August 1989 - 1 BvR
881/89 -, NJW 89, 3269 und vom 18. September 1995, a.a.O.
54
Dass ein Anspruch auf Schutz durch die begehrte Änderung der Diensteinteilung für
den Kläger nicht besteht, folgt darüber hinaus im Besonderen aus dem Umstand, dass
er Beamter der Beklagten ist. Es unterliegt zwar keinen Zweifeln, dass die Grundrechte
prinzipiell auch innerhalb des Beamtenverhältnisses Geltung beanspruchen.
Andererseits sind die rechtlichen Möglichkeiten des Beamten, von den ihm zustehenden
Grundrechten Gebrauch zu machen, durch seinen Pflichtenkreis begrenzt. Dieser
erlaubt es dem Dienstherrn, der Grundrechtsausübung des Beamten im Dienst durch
gesetzlich ausgestaltete Dienstpflichten Grenzen zu setzen, die sich aus den
allgemeinen Anforderungen an den öffentlichen Dienst oder aus den besonderen
Erfordernissen des jeweiligen öffentlichen Amtes ergeben.
55
Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Auflage, Rdnr. 210, Lemhöfer in:
Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 2 BBG Rdnr.
12, jeweils m.w.N.
56
Dies gilt auch für die wie hier vorbehaltlos, nicht aber „schrankenlos" gewährten
Grundrechte wie die Religionsfreiheit im weiteren Sinne, sofern sie mit einem der in Art.
33 Abs. 5 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsätze des Berufsbeamtentums
57
kollidieren.
Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, a.a.O., Lemhöfer in:
Plog/Wiedow/Lemhöfer/
58
Bayer, a.a.O., jeweils m.w.N.
59
In einem solchen „Kollisionsfall" sind die dienstliche Stellung und der Aufgaben- und
Pflichtenkreis des Beamten einerseits und das Grundrecht andererseits unter Beachtung
des Wesensgehalts des Grundrechts nach Maßgabe der grundgesetzlichen
Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundrechtlichen
Wertsystems situationsgebunden nach dem Grundsatz des schonendsten Ausgleichs in
eine sinnvolle Balance zu bringen. Nur wenn ein solcher Ausgleich nicht möglich ist,
muss geprüft werden, welches Grundrecht nach den Umständen des Einzelfalls das
größere Gewicht hat.
60
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. Mai 2006, a.a.O., m.w.N., Entscheidung vom
19. Oktober 1971, a.a.O., Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202 ff,
BVerwG, Urteil vom 15. März 1973 - II C 7.71 -, BVerwGE 42, 79, Schnellenbach a.a.O.,
Rdnr. 211.
61
In diesem Zusammenhang kann weder eine „Ausgangsvermutung" für die volle Geltung
aller Grundrechte auch für den Beamten angenommen werden noch ein regelmäßiger
Vorrang der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Jede dieser
Sichtweisen würde dem Prinzip der Einheit der Verfassung widersprechen, als dessen
Konsequenz sich die Notwendigkeit praktischer Konkordanz darstellt.
62
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1973 a.a.O., Schnellenbach a.a.O., Rdnr. 211.
63
Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich aus dem den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums entsprechenden Dienst- und Treueverhältnis
Pflichten ergeben, denen gegenüber dem betreffenden Grundrecht das höhere Gewicht
zukommt.
64
Vgl. Lemhöfer in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., § 2 BBG Rdnr. 14.
65
Hier kollidiert das durch die - wie dargelegt nicht schrankenlos - gewährte Religions-
bzw. Religionsausübungsfreiheit geschützte Recht des Klägers, sein Leben an seiner
religiösen Überzeugung auszurichten, indem er seiner glaubensgeprägten
Gewissensentscheidung folgt und am Sabbat nicht arbeitet, mit der durch den
Dienstherrn vorgegebenen Arbeitszeitregelung. Diese ist als hergebrachter Grundsatz
des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankert. Zu den
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört der Grundsatz, dass der
Beamte sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat, der u. a. in § 36 Satz 1 des
Beamtenrechtsrahmengesetzes - BRRG - und § 57 des Beamtengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen - LBG - Ausdruck gefunden hat. Dieser Grundsatz schließt bei den
Beamten, die ihren Dienst innerhalb bestimmter Dienststunden abzuleisten haben, die
Pflicht ein, während der Dienststunden an dem vorgesehenen Dienstplatz anwesend zu
sein. Die öffentliche Verwaltung kann nämlich im Interesse der Allgemeinheit nur dann
zuverlässig arbeiten, wenn sichergestellt ist, dass die Beamten zur jeweils bestimmten
regelmäßigen Dienstzeit die ihnen obliegenden dienstlichen Verrichtungen auch
66
tatsächlich wahrnehmen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1999 - 1 D 104/97 -, BVerwGE 113, 361 und vom 15.
März 1973, a.a.O.
67
Dies gilt in besonderem Maße für den feuerwehrtechnischen Dienst. Das überragende
öffentliche Interesse an dessen Funktionsfähigkeit ist offensichtlich und bedarf keiner
näheren Erläuterung.
68
Da sich diese Beschränkung der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Grundrechte
ebenfalls auf eine Verfassungsbestimmung, nämlich Art. 33 Abs. 5 GG zurückführen
lässt, kann vorliegend offen gelassen werden, ob Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 1
WRV die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unter den Vorbehalt der allgemeinen
Gesetze stellt.
69
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. November 2000 - 3 C 40/99 -, BVerwGE 112, 227
m.w.N.
70
Diesem hiernach jedenfalls verfassungsrechtlich bedeutsamen Belang des Dienstherrn
steht das auf seine religiöse Überzeugung gestützte Verlangen des Klägers gegenüber,
ohne Einschränkungen regelmäßig von der Dienstleistung in der Zeit von Freitagabend
bis Samstagabend freigestellt zu werden. Wie seinen Ausführungen in der mündlichen
Verhandlung zu entnehmen ist, versteht er den auch im Klageantrag verwendeten
Begriff „regelmäßig" nicht dahingehend, dass er in Ausnahmefällen, beispielsweise bei
Personalengpässen zu Ferienzeiten oder als sogenannter „Verfüger", der als
„Ersatzmann" für plötzlich erkrankte Kollegen auf Abruf bereitsteht, dazu bereit wäre
auch am Sabbat Dienst zu leisten. Er hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr
mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er den Sabbat unbedingt einhalten und dann
keinen Dienst leisten wolle. Lediglich wenn sich ein Einsatz bis in den Sabbat
hineinerstrecken würde, sei er dazu bereit, bis zum Einsatzende weiter Dienst zu
leisten.
71
Ein Ausgleich dieser kollidierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz wird
vorliegend dadurch ausgeschlossen, dass einerseits der Kläger - ausgehend von
seinem, den Streitgegenstand bestimmenden Klageantrag - das Sabbatgebot
uneingeschränkt als Brandmeister in der städtischen Berufsfeuerwehr umsetzen will,
andererseits die Beklagte substantiiert vorgetragen hat, eine Änderung der individuellen
Dienstzeiten des Klägers oder eine Umsetzung innerhalb der Feuerwehr der Stadt C.
sei nicht möglich. Das von der Beklagten schon schriftsätzlich ins Einzelne gehend
dargestellte und in der mündlichen Verhandlung weiter erläuterte Schichtmodell sichert
die erforderliche jederzeitige Einsatzbereitschaft der Bonner Berufsfeuerwehr in den drei
vorhandenen Feuerwachen, indem es die Beamten in Gruppen zusammenfasst, welche
die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Mischung der unterschiedlich
qualifizierten Beamten einerseits und durch die für einen Einsatz notwendige
Mindestpersonalstärke andererseits gewährleistet. Darüber hinaus sichert das - im
Bereich der Feuerwehren Nordrhein-Westfalens zum jetzigen,
entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch überwiegend übliche - Modell durch die
zeitliche Abfolge von 24 Stunden Dienst und daran anschließenden 48 Stunden Freizeit
neben der zeitlich ununterbrochenen Einsatzfähigkeit der Feuerwehr auch die zur
Erhaltung der physischen Einsatzfähigkeit der Beamten erforderlichen
Erholungsphasen. In dieses System müssen außerdem die im Wesentlichen durch
72
Urlaub und Krankheit bedingten Abwesenheitszeiten sowie die durch den Ausgleich
von Mehrarbeitsstunden von Beamten entstehenden „Fehlzeiten" so integriert werden,
dass der reibungslose Dienstablauf im Übrigen gewährleistet ist. Es ist offensichtlich,
dass eine abweichende Dienstzeitregelung für einen einzelnen Beamten in diesem
komplexen System ohne eine grundsätzliche Änderung des Gesamtsystems praktisch
nicht durchführbar ist. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der
Kläger nicht - wie er vorträgt - mit jedem der 120 Brandmeister im Dienst der Beklagten
vergleichbar ist, da sich aufgrund der teilweise bestehenden Qualifikationsunterschiede
der Beamten innerhalb der Vergleichsgruppe der Brandmeister (A 7 BBesO) durchaus
Unterschiede in der - bezogen auf den Kläger deutlich beschränkten - Eignung für
bestimmte Einsatzfunktionen ergeben. Hinzu kommt, wie die mündlichen Erläuterungen
der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bekräftigt haben, dass die Einsatzabläufe
bei der Feuerwehr die Zusammenarbeit der eingesetzten Beamten innerhalb eines
aufeinander eingespielten Teams zumindest wünschenswert erscheinen lassen.
Diesem dienstlichen Belang würde ein regelmäßiger Einsatz des Klägers in ständig
wechselnden Gruppen und in allen drei Feuerwachen der Beklagten widersprechen.
Entgegen den Vorstellungen des Klägers, wie er sie in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat geäußert hat, kommt eine Lösung des Konflikts auch nicht durch die
regelmäßige Unterschreitung des Solls der Mannschaftsstärke der jeweiligen
Brandwache während der Sabbatruhe des Klägers in Betracht. Denn insoweit hat die
Vertreterin der Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass die Sollstärke vom
Brandschutzplan gefordert und ohnehin auf das sachlich vertretbare Minimum reduziert
worden sei.
Unabhängig von diesen tatsächlichen Gegebenheiten, die bereits für eine tatsächliche
Unmöglichkeit der von dem Kläger begehrten Umstellung des Dienstplans - jedenfalls
für die (Kern)Urlaubszeit, in der es auch ihm regelmäßig nicht möglich ist, durch Tausch
der Schichtzeiten eine ihn zufriedenstellende Diensteinteilung zu verwirklichen -
sprechen, ist die Beklagte aus Rechtsgründen daran gehindert dem Begehren des
Klägers nachzukommen. Es ist keine alternative allgemeine Dienstzeitregelung
ersichtlich, welche auf gleiche Weise die ständige Einsatzfähigkeit der Feuerwehr
sicherstellen würde, ohne dabei auf Schichtdienstmodelle zurückgreifen zu müssen. Ein
solcher Schichtdienst könnte aber nicht so gestaltet werden, dass der Kläger
regelmäßig von der Dienstleistung während des Sabbats befreit wäre. Jedes denkbare
Arbeitszeitmodell hat nämlich - auch unter dem Aspekt der allgemeinen
Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. Abs. 1 GG - auf eine gleichmäßige
Belastung der Beamten zu achten. Dazu gehört insbesondere auch eine gleichmäßige
Verteilung des Dienstes zu „ungünstigen" Zeiten, wie an Wochenenden oder
Feiertagen. Eine einseitige Berücksichtigung der religiösen Belange des Klägers durch
die Beklagte im Rahmen der Dienstzeiteinteilung stünde auch in Widerspruch zu Art. 33
Abs. 3 Satz 2 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Sie würde nämlich eine Bevorzugung des
Klägers aufgrund seiner Religion gegenüber den anderen Beamten darstellen, die an
Sonn- und kirchlichen Feiertagen ihren Dienst versehen und dadurch auch in ihrer
Religionsfreiheit berührt werden, sofern sie z.B. das auch in anderen christlichen
Religionen bestehende Gebot der Ehrung des - üblicherweise - Sonntags als religiösem
Ruhetag befolgen wollen. Eine Gleichbehandlung der bei der Feuerwehr eingesetzten
Beamten dahingehend, dass die jeweiligen konfessionellen Ruhe- und Feiertage bei
der Diensteinteilung generell berücksichtigt würden, führt offensichtlich dazu, dass die
Einsatzfähigkeit der Feuerwehr an diesen Tagen nicht mehr gewährleistet wäre. Das
deswegen in dem Begehren des Klägers liegende einseitige Bestreben, sich auf Kosten
der Kollegen kompromisslos durchzusetzen, ist von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht
73
gedeckt,
vgl. dazu allgemein: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz Rn. 42 zu
Art. 4 GG,
74
und kann deshalb auch im Rahmen der im Licht des Art. 4 GG auszugestaltenden
Fürsorgepflicht des Dienstherrn kein zu berücksichtigender Belang sein.
75
Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass es dem Kläger über einen erheblichen
Zeitraum hinweg gelungen ist, durch das „Tauschen" von Schichten und unter
Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubs regelmäßig am Sabbat dienstfrei zu haben.
Unabhängig davon, dass es dem auf die Erhaltung der Dienstfähigkeit gerichteten
Zweck des Erholungsurlaubs nicht entspricht, wenn dieser über das gesamte Jahr
verteilt nur tageweise genommen wird (vgl § 8 Abs. 1 Erholungsurlaubsverordnung
NRW - EUV -), kann der freiwillige Tausch von Schichten oder auch Teilschichten nicht
mit einer durch den Dienstherrn angeordneten Dienstaufteilung verglichen werden. Der
freiwillige Tausch unterliegt nach der von den Parteien dargestellten Verwaltungspraxis
der Beklagten der Eigenorganisation der Beamten. Die von hoher Hand angeordnete
Schichteinteilung ist dagegen - wie bereits dargelegt - rechtlichen Einschränkungen
unterworfen, welche für eine auf freiwilliger Übereinkunft der beteiligten Beamten
beruhenden Einzelfallregelung nicht gelten. Soweit der Kläger vorträgt, dieser Tausch
werde ihm durch der Beklagten zuzurechnendes Verhalten seiner Vorgesetzten
zunehmend erschwert, ergeben sich dafür bislang keine objektivierbaren Anhaltspunkte.
Die Beklagte hat vielmehr durch interne Verfügung vom 12. Januar 2005 an das
zuständige Fachamt darum gebeten, den diesbezüglichen Wünschen des Klägers zu
entsprechen, soweit es die dienstlichen Erfordernisse zulassen. Sowohl die Beklagte
als auch der Kläger haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt,
dass der Kläger im vergangenen Jahr, bis auf Ausnahmen während der Ferienzeit,
durch entsprechenden Tausch von Diensten am Sabbat dienstfrei gehabt habe.
76
Eine praktische Konkordanz der widerstreitenden Verfassungsrechte kann nach
alledem vorliegend nur durch eine Umsetzung des Klägers auf einen Dienstposten
außerhalb des schichtabhängigen Einsatzdienstes erreicht werden. Die Beklagte hat
sich durch die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung grundsätzlich zu
einer solchen Lösung bereit erklärt. Einen über den Inhalt dieser Erklärung
hinausgehenden Anspruch hat der Kläger weder unmittelbar aus Artikel 4 GG noch aus
der den Dienstherrn treffenden und durch Art 4 GG beeinflussten Fürsorgepflicht. Dies
gilt namentlich etwa für eine sofortige Umsetzung oder die Einrichtung einer
entsprechenden Planstelle. Die - grundsätzlich im Organisationsermessen des
Dienstherrn stehende - Umsetzung wird neben der durch seine Qualifikation
eingeschränkten Verwendungsbandbreite des Klägers dadurch erschwert, dass
geeignete Dienstposten nach der Verwaltungspraxis der Beklagten in erster Linie
Beamten vorbehalten sind, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im
allgemeinen Einsatzdienst verwendet werden können. Diese Praxis ist vor dem
Hintergrund, dass jene Gruppe der Beamten anderenfalls vorzeitig wegen
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden müsste, im Grundsatz nicht zu
beanstanden. Dass derzeit darüber hinaus keine weiteren freien Stellen bei der
Feuerwehr der Beklagten vorhanden sind, steht nach den Erörterungen in der
mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest. Dafür, dass die
personalwirtschaftlichen Spielräume der Beklagten stark eingeschränkt sind, spricht
auch die Tatsache, dass die Stadt C. für das Jahr 2006 einen defizitären Haushalt und
77
die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts erwartet.
Vgl. Rede des Stadtkämmerers Prof. Dr. M. T. vom 17. März 2005 zur Einbringung des
Entwurfes des Haushaltsplanes 2005 in den Rat, Zusammenfassung S. 32, www.C1.
.de/haushalt2005.
78
Das Organisationsermessen der Beklagten wird auch weder durch die in Art. 4 Abs. 1
und 2 GG geschützten Grundrechte des Klägers noch durch das allgemeine
beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip dahingehend eingeschränkt, dass sie dazu
verpflichtet wäre, eine entsprechende Stelle zu schaffen, sei es durch Ausweisung einer
zusätzlichen Planstelle oder im Wege der Unterbesetzung eines höherwertigen
Dienstpostens. Es ist allgemein anerkannt, dass einem Beamten grundsätzlich kein
Anspruch auf Beförderung zusteht und die Zuweisung eines Dienstpostens, sei es durch
Beförderung oder im Wege der Umsetzung, unter dem haushaltsrechtlichen Vorbehalt
(hier aus § 74 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung i.V.m. § 8
Gemeindehaushaltsverordnung NRW) steht, dass eine besetzungsfähige Planstelle
überhaupt zur Verfügung steht.
79
vgl. für den Fall der Beförderung BVerwG, Gerichtsbescheid vom 21. September 2005 -
2 A 5.04 - m.w.N., Juris.
80
Anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, denn der Schutzbereich
dieses Grundrechts gewährt - wie dargelegt - keinen Anspruch auf eine bestimmte
Gestaltung der Rechtsordnung oder ihrer Anwendung. Vorliegend steht dieser
Erwägung nicht entgegen, dass der Kläger bereits eine Planstelle bei der Beklagten
innehat und diese im Falle seiner Umsetzung lediglich organisatorisch aus dem Bereich
der Einsatzkräfte in einen anderen, nicht im Schichtbetrieb arbeitenden Bereich der
Feuerwehr verlagert werden müsste. Diese Sichtweise berücksichtigt nämlich nicht die
Notwendigkeit im Einsatzbereich einen Ersatz für den Kläger zu schaffen. Nach den
Darlegungen der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Stelle des
Klägers im Einsatzbereich entbehrlich wäre und dessen Aufgaben auf andere Beamte
umgeschichtet werden könnten. Sie hat in der mündlichen Verhandlung näher erläutert,
dass die Sollstärke der diensthabenden Einsatzkräfte in den letzten Jahren so weit
„optimiert" wurde, dass die Unterschreitung dieser Sollstärke schon um nur eine Kraft zu
Einschränkungen der Einsatzfähigkeit führe. Diese Situation werde durch die
europarechtlich bedingte Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeits- und
Bereitschaftszeit auf 48 Wochenstunden, welche bei der Beklagten Anfang 2007
umgesetzt werde, noch verschärft. Eine Planstellenverlagerung aus dem Einsatz- in den
schichtfreien Tagesdienst, wie sie in der Vergangenheit gelegentlich bei einem
Stellenüberhang im Einsatzdienst praktiziert wurde, sei angesichts dieser
Gegebenheiten nicht mehr möglich. Soweit der Kläger dem entgegen gehalten hat, dass
er in der Vergangenheit an einem Freitag den Dienst zu Beginn des Sabbats habe
verlassen dürfen, obwohl dadurch eine Unterschreitung der Sollstärke eingetreten sei,
entkräftet dies den von der Beklagten dargestellten Sachverhalt nicht. Hierbei ist
nämlich zu berücksichtigen, dass nach der Schilderung des Klägers an diesem Tag zum
Schichtende des Klägers am Freitagmorgen ungeplant die Situation eintrat, dass die
Sollstärke der folgenden Schicht nicht hergestellt werden konnte. Der Kläger wurde
daraufhin gebeten, nach dem Ende seiner Schicht am Freitagmorgen länger zu bleiben,
um die Einsatzstärke so weit wie möglich herzustellen. Dass der Kläger in dieser
Situation nicht zwei volle 24 -Stunden - Alarmdienste hintereinander ableisten kann
(und darf) liegt auf der Hand und ist mit einer „geplanten" dauerhaften Unterschreitung
81
der Sollstärke, wie sie entstehen würde, wenn der Kläger unter Mitnahme seiner
Planstelle umgesetzt würde, nicht zu vergleichen. Eine solche Umsetzungsmaßnahme
könnte ohne die haushaltsrechtliche Bereitstellung einer zusätzlichen Stelle daher zur
Zeit nur im Wege eines „Tauschs" durchgeführt werden. Anhaltspunkte dafür, dass ein
dem Kläger vergleichbarer Beamter außerhalb des Schichtdienstes eingesetzt wird und
seinen Dienstposten mit ihm tauschen könnte, ergeben sich jedoch nicht.
Stellt sich somit ein Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgrundsätze im Wege
der praktischen Konkordanz zum jetzigen Zeitpunkt als unmöglich und in der Zukunft
aufgrund der Erklärung der Beklagten, den Kläger im Rahmen der Möglichkeiten
umzusetzen, zwar als möglich, aber jedenfalls hinsichtlich des Zeitpunkts der
Umsetzung als ungewiss dar, sind die betroffenen Belange gegeneinander abzuwägen.
Die Abwägung, welchem der betroffenen Verfassungsrechte der Vorrang einzuräumen
ist, geht zu Lasten der Religions(ausübungs)freiheit des Klägers aus.
82
Dass sowohl die Erfüllung des aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Verfassungsauftrags an
die Gemeinden, im Rahmen der Daseinsvorsorge die Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, als auch die
Funktionsfähigkeit jeglicher staatlicher Verwaltung ernstlich bedroht wären, könnte ein
Beamter sich unter bloßer Berufung auf seine Glaubensgrundsätze oder sein Gewissen
einer dienstlichen Weisung (wie z.B. der Festlegung des Dienstplans) entziehen, bedarf
keiner weiteren Erläuterung. Daher muss es der Beamte grundsätzlich hinnehmen, dass
ihm Verhaltensweisen oder Verrichtungen angesonnen werden - vorausgesetzt, dass
diese weder gegen gesetzliche Verbote noch gegen die guten Sitten verstoßen -, die
dem durch seine, von ihm nach seinem freien Willensentschluss gewählte Laufbahn
geprägten Berufsbild wesensgemäß sind.
83
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. September 1978 - 2 B 31.78 -, BVerwGE 56, 227.
84
Der Schichtdienst auch an Sonn- und (religiösen) Feiertagen gehört zum Berufsbild des
Brandmeisters und ist daher eine typische und von dem Beamten hinzunehmende
Folge dieses Berufsbildes. Die Arbeit an Sonn- und Feiertagen stellt sich grundsätzlich
auch nicht als sittenwidrig dar. Hierbei ist nicht auf die subjektive Sicht des Klägers
abzustellen, sondern auf die Sozialgeltung sittlicher Regeln, die sich aus dem
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ergibt. Diese Sichtweise schließt es
aus, dass das Sittlichkeitsempfinden des Einzelnen zum Maßstab gemacht wird.
85
Vgl. z.B. Staudinger - Dilcher, BGB § 138 Rdnr. 7 f.
86
Diesem öffentlichen Belang steht die religiöse Überzeugung des Klägers gegenüber.
Wie bereits dargelegt, werden die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährten Grundrechte
durch die Dienstpflicht des Klägers in dem hier fraglichen Zeitraum des biblischen
Sabbats nicht in ihrem Grundwertgehalt berührt. Die Dienstzeitregelung macht dem
Kläger weder seinen Glauben noch dessen Ausübung unmöglich, sondern führt
lediglich zu Erschwernissen bei der Religionsausübung. Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass der Kläger nicht nur im Sinne einer „Abwehr" von staatlichen
Eingriffen unbehelligt bleiben möchte, sondern ein bestehendes Rechtsverhältnis unter
Berufung auf seine Religionsausübungsfreiheit verändern möchte. Angesichts der durch
den Sozialbezug der Grundrechte bestehenden und bereits ausführlich dargestellten
grundrechtsimmanenten Schranken des Art 4 Abs. 1 und insbesondere Abs. 2 GG,
betreffen die durch die Dienstzeitregelung verursachten Erschwernisse lediglich den
87
Randbereich der durch Art 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Rechte des Klägers. Misst
der Kläger diesem Bereich seiner Grundrechtssphäre persönlich dennoch eine zentrale
Bedeutung zu, steht es ihm frei, sich dem Konflikt dadurch zu entziehen, dass er seine
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragt, um sich damit von den seinen
Glaubensüberzeugungen widersprechenden Pflichten zu lösen, die er mit seinem - auch
in Bezug auf die Laufbahn, der er angehört - freiwilligen Eintritt in das
Beamtenverhältnis übernommen hat. Diese Alternative stellt sich für den Betroffenen -
insbesondere dann, wenn er wie der Kläger bereits seit langer Zeit dem öffentlichen
Dienst angehört - sicherlich als gravierend dar. Sie steht jedoch nicht im Widerspruch zu
der verfassungsrechtlichen Wertordnung. Art. 33 Abs. 2 und 3 und Art. 140 GG i.V.m. Art.
136 Abs. 2 WRV eröffnen jedem Deutschen ungeachtet seiner Religion den Zugang
zum öffentlichen Dienst. Diese Verfassungsgarantie umfasst jedoch nur den öffentlichen
Dienst in seiner bestehenden Form, mit den ihm eigenen und oben dargestellten
laufbahntypischen Einschränkungen auch einzelner Grundrechte des Beamten. Ein
über die Eröffnung dieses Zugangs hinausgehender Anspruch des Einzelnen auch auf
die inhaltliche Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, folgt daraus nicht.
Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu der von dem Kläger in Bezug
genommenen Rechtsprechung,
88
z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 7 Rar 93/79 -, OVG NRW,
Beschluss vom 7. August 1984 - 5 B 1257/84 -, Landesarbeitsgericht Schleswig -
Holstein, Urteil vom 22. Juni 2005 - 4 Sa 120/05 - und Sozialgericht Berlin, Urteil vom
25. Januar 1989 - S 60 Ar 76/88 -.
89
Gegenstand dieser Entscheidungen ist - wie hier - die einzelfallbezogene Abwägung
miteinander kollidierender Grundrechte unter Anwendung der oben dargestellten, in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze. Diesen
Entscheidungen lässt sich - abgesehen von der Notwendigkeit die bestehenden
Grundrechtskollisionen im Wege der praktischen Konkordanz bzw. der Gewichtung der
betroffenen Grundrechte zu lösen - keine, über das oben Dargestellte hinausgehende
verallgemeinerungsfähige und auf den hier zu entscheidenden Fall zu übertragende
Aussage entnehmen.
90
Aus alledem folgt zugleich, dass sich ein Anspruch des Klägers auf eine Änderung des
Dienstplans auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Verbindung mit Art. 2
Abs. 2 Satz 1 GG ergibt. Ein solcher Anspruch ist mit Blick auf die dem Kläger
ärztlicherseits bescheinigte Möglichkeit einer durch die Dienstpflicht am Sabbat
ausgelösten Erkrankung in Betracht zu ziehen. Er besteht jedoch nicht. Die
vorliegenden ärztlichen Einschätzungen drücken lediglich eine auf medizinischem
Sachverstand basierende Befürchtung aus, ohne konkrete Aussagen über das akute
Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Eintritts einer Erkrankung zu
machen. Ob die vage Möglichkeit, die attestierte psychische Belastung könne sich zu
einer Erkrankung entwickeln, bereits dazu ausreicht Maßnahmen des Dienstherrn im
Rahmen der Fürsorge für den Beamten auszulösen, erscheint zweifelhaft, kann aber
vorliegend dahinstehen. Denn diese denkbare Rechtsgrundlage gewährt keinen
gegenüber Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und dem Fürsorgeprinzip weitergehenden
Schutz. Dies folgt schon daraus, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG einen namentlich die
Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umfassenden Vorbehalt der
Einschränkung durch einfaches Gesetz, hier z.B. die Arbeitszeitverordnung und die er
wähnten aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Rechtsgrundsätze, enthält. Abgesehen davon
91
ist die mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers im Kern auf seinen religiös
bedingten Wertekonflikt zurückzuführen, so dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn
hier nicht weiter gehen kann, als bei der Lösung des eigentlichen Grundrechtskonflikts.
Es kann dem Kläger daher auch zur Vermeidung einer durch seinen religiös bedingten
Gewissenskonflikt ausgelösten Gesundheitsbeeinträchtigung zugemutet werden,
gegebenenfalls seine Entlassung aus dem Dienst zu beantragen.
Die Behauptungen des Klägers, er werde aufgrund seiner Religionszugehörigkeit
schlecht beurteilt und nicht befördert, vermögen, unabhängig davon ob sie zutreffen,
dem Kläger den geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht zu vermitteln. Es ist ihm
unbenommen sowohl seine Beurteilungen als auch etwaige
Beförderungsauswahlentscheidungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren und
gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Mit dem Streitgegenstand in diesem
Verfahren besteht insoweit jedoch kein Zusammenhang, da diese Vorwürfe nicht die
Frage der Dienstausübung am Sabbat betreffen.
92
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
93
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
94
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Senat der
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zumisst.
95
96