Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.01.2009

OVG NRW: belastung, haus, verwaltungsverfahren, auflage, immobilie, pauschal, erwerb, empfang, verfahrensmangel, begriff

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 3071/07
Datum:
12.01.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 3071/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 6 K 249/07
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen, mit dem die Klägerin rügt, dass das Verwaltungsgericht zum
einen die Nichtberücksichtigung der Kosten für die "Hausfinanzierung" (in dem
klagebegründenden Schriftsatz vom 19. Juni 2007 als " Hauskredite ohne Tilgung"
bezeichnet) durch den Beklagten rechtlich nicht beanstandet habe und zum anderen die
der Klägerin gegenüber ihrem volljährigen Sohn O. obliegende Unterhaltsverpflichtung
nicht als Schuldverpflichtung im Sinne des § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII anerkannt
habe, führt zunächst einmal nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Im Hinblick auf die Geltendmachung der Finanzierungskosten für die eigengenutzte
Immobilie der Klägerin hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt,
dass für den Beklagten kein Anlass zu einer Ermessensentscheidung nach § 93 Abs. 3
Satz 4 SGB VIII bestanden hat. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen haben
schon deshalb nicht vorgelegen, weil sich nicht feststellen lässt, dass der als besondere
Belastung nach § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII zu berücksichtigende Betrag über dem
durch den pauschalen Abzug nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII durch den Beklagten
ermittelten Betrag in Höhe von 709,01 Euro liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Kosten der Finanzierung von Wohneigentum, die nach der zitierten Rechtsprechung des
Senats,
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2007 - 12 E 812/07 -,
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durchaus grundsätzlich im Rahmen des § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII
berücksichtigungsfähig sein können, nur insoweit als Belastungen nach § 93 Abs. 3
Satz 4 SGB VIII angesehen werden können, als den Finanzierungskosten der durch die
Nutzung des Eigentums erzielte Wohnwert gegenübergestellt und in Abzug gebracht
wird.
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Vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 3. Auflage 2006, § 93 Rn. 24, Münder, Frankfurter
Kommentar zum SGB VIII, 5. Auflage 2006, § 93 Rn. 30; VG Stuttgart, Urteil vom 5. Juni
2007 - 9 K 2738/06 -, JA 2008, 267: VG Oldenburg, Urteil vom 31. März 2008 - 13 A
5469/05 -, Juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 12 E 1458/08 -, VG
Ansbach, Urteil vom 29. November 2007 - AN 14 K 07.00014 -, Juris.
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Da nach der von der Klägerin im Verwaltungsverfahren unterzeichneten undatierten
Erklärung über Einkünfte und Aufwendungen bei Haus- und Wohnungseigentum
(Rentabilitätsrechnung) die von der Klägerin selbst genutzte Immobilie einen Wohnwert
von 7.800 Euro jährlich hat und diesem Wert Belastungen und Ausgaben in Höhe von
zusammen 9.993,95 Euro gegenüberstehen, ergibt sich eine monatliche Belastung
unter Berücksichtigung des Wohnwertes von 182,83 Euro (9.993,95 Euro - 7.800 Euro =
2.193,95 Euro : 12 Monate = 182,83 Euro). Rechnet man diese monatliche Belastung zu
den von dem Beklagten in seinem Widerspruchsbescheid bereits berücksichtigten
Belastungen in Höhe von 424,08 Euro, die von der Klägerin mit ihrer auf die Posten
Hausfinanzierung und Unterhaltsleistungen an den volljährigen Sohn beschränkten
Zulassungsbegründung nicht mehr angegriffen werden, hinzu, ergibt sich eine
monatliche Belastung in Höhe von 606,92 Euro, die unter dem pauschal von der
Beklagten vom Einkommen abgezogenen Betrag in Höhe von 709,01 Euro liegt. Selbst
wenn man zugunsten der Klägerin den - gegenüber dem in der Rentabilitätsberechnung
im Verwaltungsverfahren angegebenen Wert höheren - monatlichen Belastungswert für
die Hausfinanzierung von 870,29 Euro zugrundelegt, den die Klägerin mit Schriftsatz
vom 3. September 2007 geltend gemacht hat, so dass von einer jährlichen Belastung in
Höhe von 10.443,46 Euro und berücksichtigungsfähigen Restkosten in Höhe von
220,29 Euro monatlich (10.443,46 Euro - 7.800 Euro = 2.634,46 Euro : 12 Monate =
220,29 Euro) auszugehen wäre, errechnet sich
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- wiederum unter Berücksichtigung des Wohnwertes der selbstgenutzten Wohnung -
lediglich eine monatliche Belastung in Höhe von 644,38 Euro (424,08 Euro + 220,29
Euro = 644,38 Euro), die ebenfalls unterhalb der pauschal angenommenen Belastung
liegt. Dasselbe Ergebnis ergibt sich danach offensichtlich, wenn man den zunächst mit
der Klagebegründung geltend gemachten Betrag für "Hauskredite ohne Tilgung" in
Höhe von 633, 03 Euro zugrunde legt. Eine Ermessensentscheidung nach § 93 Abs. 3
Satz 4 SGB VIII wäre mithin entbehrlich gewesen, da die zu berücksichtigenden
Belastungen der Klägerin, die das Verwaltungsgericht in seinem Urteil im Einzelnen
benannt hat und die - mit Ausnahme der Hausfinanzierungskosten und den
Unterhaltsleistungen an den Sohn der Klägerin - nicht zum Gegenstand des
Zulassungsverfahrens gemacht worden sind, unter dem Betrag des pauschalen
Abzuges liegen.
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Das Verwaltungsgericht ist dabei auch zu Recht davon ausgegangen, dass die
Unterhaltsleistungen an den volljährigen Sohn nicht als Schuldverpflichtungen gemäß §
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93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII zu berücksichtigen sind, was sich bereits aus dem
Begriff der Schuldverpflichtung ergibt, der eine irgendwie geartete
Rückzahlungsverpflichtung des Beitragspflichtigen voraussetzt, die aus dem
vorhergehenden Empfang einer Leistung resultiert - wie etwa bei
Abzahlungsverpflichtungen aus Kreditverträgen, Ratenkaufverträgen, BAföG-
Rückzahlungsverpflichtungen etc.. Offensichtlich keine "Schulden" stellen
demgegenüber Unterhaltspflichten dar, die im Übrigen - wie das Verwaltungsgericht zu
Recht festgestellt hat - bereits durch die Einstufung in die Einkommensgruppe nach § 94
Abs. 5 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 4 Abs. 1 KostenbeitragsV Berücksichtigung bei der
Ermittlung des Kostenbeitrags finden. An dieser Einschätzung vermag auch der
Einwand der Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis vom 8. Dezember 2008, bei
Unterhaltsverpflichtungen handele es sich um Pflichten aus einem gesetzlichen
Schuldverhältnis, nichts zu ändern.
Die Berufung ist ferner auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, da die
Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Allein der
Umstand, dass es zu der Frage, ob Zinsverpflichtungen in Bezug auf den Erwerb von
Haus- und Wohnungseigentum als Schuldverpflichtungen im Sinne des § 93 Abs. 3 Nr.
3 SGB VIII bisher lediglich die zitierte Entscheidung des Senats als obergerichtliche
Rechtsprechung gibt, lässt nicht auf besondere rechtliche Schwierigkeiten schließen.
Die für den vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage der Berücksichtigung von
Finanzierungskosten für Wohneigentum im Rahmen des § 93 Abs. 3 SGB VIII lässt sich
nach dem oben Gesagten auf der Grundlage der bisher ergangenen Rechtsprechung
sowie einfacher Subsumtion unter die gesetzlichen Vorschriften beantworten. Der
Umstand, dass zu der weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Frage der
Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder als
Schuldverpflichtungen gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII bisher keine
gerichtlichen Entscheidungen vorliegen sollen, vermag ebenfalls keine besonderen
rechtlichen Schwierigkeiten der Sache zu begründen, da sich diese Frage nach den
obigen Ausführungen aus dem Gesetzeswortlaut beantworten lässt. Aus demselben
Grund hat diese Frage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO.
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Da die angefochtene Entscheidung aus den oben genannten Gründen auch nicht von
dem Beschluss des Senates vom 21. September 2007 - 12 E 812/07 - abweicht, lässt
sich die Zulassung der Berufung letztendlich ebenso wenig auf § 124 Abs. 2 Nr. 4
VwGO stützen.
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Schließlich stellt der von der Klägerin gerügte Umstand, dass das Verwaltungsgericht
auf den Vortrag der Klägerin, ihre Unterhaltsleistungen an den volljährigen Sohn stellten
Schuldverpflichtungen im Sinne des § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3SGB VIII, nicht
eingegangen sei, auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO dar. Zum einen trifft der Vorwurf der Klägerin sachlich nicht zu, da das
Verwaltungsgericht sich in seiner Entscheidung insofern mit der bezeichneten Frage
auseinandergesetzt hat, indem es darauf hingewiesen hat, dass die
Unterhaltsleistungen der Klägerin bereits im Rahmen der Einstufung in die
Einkommensstufe berücksichtigt werden. Damit aber hat es andererseits zugleich, auch
ohne dies ausdrücklich zu formulieren, eine Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen
im Rahmen des § 93 Abs. 3 SGB VIII abgelehnt. Der lediglich als Gehörsrüge
eingekleidete Vortrag richtet sich somit ersichtlich gegen die inhaltliche Richtigkeit der
Entscheidung, die hierdurch nach dem oben Gesagten gerade nicht in Frage gestellt
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werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das angefochtene Urteil ist
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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