Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2006

OVG NRW: arzneimittel, in den verkehr bringen, anpassung, restriktive auslegung, anwendungsbereich, bestandteil, zusammensetzung, bekanntmachung, droge, konzentration

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 3030/04
Datum:
22.08.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 3030/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 597/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 28. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Das L. I. zeigte am 30. Juni 1978 das Fertigarzneimittel "C. - und B. -L1. -E. " beim
Bundesgesundheitsamt (BGA) gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur
Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (AMNG) an und gab als
Anwendungsgebiete "Schleimlösend, Hustenreiz stillend, Verschleimung, Hustenreiz,
Atemnot" an. Das angezeigte Arzneimittel enthielt zehn wirksame Bestandteile, unter
anderen "Herba Thymi" als alkoholisches Destillat.
2
Am 20. April 1990 beantragte die I1. GmbH, die zwischenzeitlich Inhaberin der
Zulassung des genannten Arzneimittels geworden war, die Verlängerung der Zulassung
nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag). Als Anwendungsgebiet gab sie
an: "Schleimlösend, Hustenreiz stillend, Atemnot". Die dort aufgeführten wirksamen
Bestandteile entsprachen nach Art, Menge und Zusammensetzung denen der Anzeige
vom 30. Juni 1978.
3
Die L2. W. GmbH, die in der Folgezeit Zulassungsinhaberin geworden war, zeigte am
27. Oktober 1993 Änderungen des Arzneimittels an. Hiernach enthielt dieses nunmehr
ausschließlich den arzneilich wirksamen Bestandteil "Extr. Herba Thymi spiss.
(Verhältnis Droge - nativer Extrakt 5,0 - 6,9 : 1) 20,0 g" (bezogen auf 100 ml). Unter der
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Rubrik Anwendungsgebiete hieß es: "Traditionell angewendet zur Unterstützung der
Schleimlösung im Bereich der Atemwege". Die geänderte Bezeichnung des
Arzneimittels lautete "C. - und B. -L1. -Destillat N".
Sie beantragte am 29. November 1993 die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7
Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag) und ergänzte die Angaben zu den
Anwendungsgebieten wie folgt: "Dieses Arzneimittel ist nicht zur Beseitigung oder
Linderung von Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden bestimmt. Es wird
traditionell zur Unterstützung der Schleimlösung im Bereich der Atemwege
angewendet". Ferner gab sie an, der Wortlaut entspreche nicht der
Aufbereitungsmonographie zu Thymi herba.
5
Gleichzeitig bat sie das BGA, die Frist für das Einreichen der vollständigen
Dokumentation im Rahmen der Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 AMNG bis
zum 01. Juli 1995 zu verlängern. Am 30. Juni 1995 legte sie dem Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen weiter vervollständigten Antrag vor. Als
Anwendungsgebiet gab sie nunmehr wiederum an: "Traditionell angewendet zur
Unterstützung der Schleimlösung im Bereich der Atemwege".
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Kurz zuvor hatte sie dort eine Änderung des arzneilich wirksamen Bestandteils
angezeigt und diesen mit - bezogen auf 100 ml - "Extr. Herba Thymi aquos. spiss.
(Verhältnis Droge - nativer Extrakt 5,0 - 6,9 : 1) 16,985 g" angegeben.
7
Bereits im Jahr 1994 hatte sie die Aufnahme des arzneilich wirksamen Bestandteils des
Arzneimittels in die sog. Traditionsliste nach § 109a des Arzneimittelgesetzes (AMG)
beantragt. Dies lehnte das BfArM mit Schreiben vom 17. Februar 1998 mit der
Begründung ab, das Arzneimittel sei aufgrund der unzulässigen Änderungsanzeige vom
27. Oktober 1993 nicht verkehrsfähig. Daher werde der Bewertung nach § 109a AMG
die Zusammensetzung des Arzneimittels vor der Änderungsanzeige zu Grunde gelegt.
8
Die Klägerin, die schließlich Inhaberin der Zulassung des Arzneimittels geworden war,
beantragte am 10. August 2000 erneut die Aufnahme des arzneilich wirksamen
Bestandteils des Arzneimittels in die Traditionsliste nach § 109a AMG. Sie machte
geltend, die am 27. Oktober 1993 angezeigte Änderung des Arzneimittels sei zum
damaligen Zeitpunkt zulässig gewesen. Das Arzneimittel sei vollständig an die
Monographie zu Thymi herba angepasst worden.
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Mit Schreiben vom 14. November 2000 informierte das BfArM die Klägerin darüber, dass
der arzneilich wirksame Bestandteil des streitbefangenen Arzneimittels nicht mit der von
ihr vorgeschlagenen Indikationsformulierung in die Traditionsliste nach § 109a AMG
aufgenommen worden sei. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens
erhob die Klägerin hiergegen beim Verwaltungsgericht Köln die Klage 24 K 5002/01.
Dieses Verfahren ruht.
10
Das BfArM teilte der Klägerin mit weiterem Schreiben vom 16. November 2000 mit, sie
beabsichtige, ihren Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 AMG
zurückzuweisen. Es führte zur Begründung aus: Der Langantrag habe auf der
Änderungsanzeige vom 27. Oktober 1993 beruht. Hiernach sei eine Umstellung des
Kombinationspräparats (Destillat aus Thymiankraut und anderen Drogen) auf ein
Monopräparat erfolgt. Dieses enthalte nunmehr den arzneilich wirksamen Bestandteil
Dickextrakt aus Thymiankraut in einer Menge von 20 g je 100 ml. Dieser sei zuvor nicht
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Bestandteil des Arzneimittels gewesen. Die Änderung nach Art und Menge sei nicht
zulässig gewesen, weil das Arzneimittel nicht vollständig an ein nach § 25 Abs. 7 Satz 1
AMG bekannt gemachtes Ergebnis, hier die Monographie zu Thymi herba, angepasst
worden sei. Insbesondere sei das Anwendungsgebiet mit der von der Klägerin
gewählten Formulierung "Traditionell angewendet zur Unterstützung der Schleimlösung
im Bereich der Atemwege" nicht an die Monographie angepasst worden. Wegen der
vorgenommenen Änderung der Zusammensetzung des Arzneimittels bedürfe dieses
daher der Neuzulassung gemäß § 29 Abs. 3 AMG.
Die Klägerin machte daraufhin geltend, mit der geänderten Formulierung des
Anwendungsgebietes werde dieses auf nicht krankheitsbezogene Teile des
ursprünglichen Anwendungsgebietes ("Schleimlösend", "Verschleimung") eingegrenzt,
die zugleich auch vom Anwendungsbereich der Monographie abgedeckt würden
("Symptome der Bronchitis"). Die Sechste Bekanntmachung über die Verlängerung der
Zulassung nach Art. 3 § 7 AMNG vom 23. Oktober 1990 (BAnz Nr. 206 vom 06.
November 1990) schließe ein solches Vorgehen keineswegs aus. Es sei nicht
erforderlich, sämtliche Indikationsangaben der Monographie zu übernehmen. Es werde
lediglich gefordert, dass der beanspruchte Teilbereich vollinhaltlich von der
Monographie abgedeckt werde.
12
Das BfArM wies den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 AMG mit
Bescheid vom 28. Dezember 2000 zurück. Es wiederholte seine im Schreiben vom 16.
November 2000 dargelegte Rechtsauffassung. Ergänzend führte es aus: Nach der
Anzeige vom 27. Oktober 1993 sei das Anwendungsgebiet von "Verschleimung,
Hustenreiz, Atemnot" in das Anwendungsgebiet "Traditionell angewendet zur
Unterstützung der Schleimlösung im Bereicht der Atemwege" geändert worden. Nach
der Monographie zu Thymi herba laute das Anwendungsgebiet dagegen "Symptome
der Bronchitis und des Keuchhustens, Katarrhe der oberen Luftwege". Es sei somit
keine Anpassung des Anwendungsgebietes des Arzneimittels an die Monographie
erfolgt.
13
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Januar 2001 Klage erhoben. Sie hat ergänzend im
Wesentlichen vorgetragen: Eine inhaltsgleiche Übernahme der Monographie reiche
aus. Die Anpassung des Arzneimittels an eine Teilindikation der Monographie
entspreche dem Zweck des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG. Der Gesetzgeber
habe die Anpassung von im Verkehr befindlichen Arzneimitteln an das gegenwärtige
Erkenntnismaterial ermöglichen wollen. Dies habe vorrangig der Arzneimittelsicherheit
dienen sollen. Dem habe sie, die Klägerin, dadurch Rechnung getragen, dass sie sich
auf die für ihr Arzneimittel einschlägigen Indikationen der Aufbereitungsmonographie
beschränkt habe. Die Änderungen seien auf der Grundlage der 21. Bekanntmachung
über die Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 AMNG vom 06. Mai 1993 (BAnz
Nr. 119 vom 01. Juli 1993) erfolgt. Diese habe für den Wirkstoff "Thymi herba" die
Indikation "Unterstützung der Schleimlösung im Bereich der Atemwege" vorgesehen.
Das streitbefangene Arzneimittel sei damit an ein bekannt gemachtes Ergebnis im
Sinne von § 25 Abs. 7 AMG angepasst worden.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte vom 28. Dezember 2000 zu verpflichten, über ihren Antrag auf
Verlängerung der Zulassung für das Arzneimittel "C. - und B. - L3. " unter Beachtung der
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Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18
Sie hat ergänzend im Wesentlichen vorgetragen: Die Monographie müsse nach dem
Wortlaut des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG "insgesamt" übernommen werden. Eine
nur teilweise Übernahme von Anwendungsgebieten einer Monographie widerspreche
dem gesetzlichen Zweck der Arbeitsentlastung, weil derartige Änderungen im Einzelfall
einen erhöhten Prüfungsaufwand der Zulassungsbehörde bedeuteten. Die 21.
Bekanntmachung über die Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 AMNG vom
06. Mai 1993 stelle nicht das Ergebnis einer Monographie der Aufbereitungskommission
im Sinne von § 25 Abs. 7 AMG dar.
19
Ferner hat sie mitgeteilt, im streitbefangenen Arzneimittel sei ursprünglich ein Destillat
aus mehreren Pflanzen bzw. Pflanzenteilen enthalten gewesen. Mit der Änderung vom
27. Oktober 1993 sei ein vollständiger Wirkstoffaustausch hin zu einem Dickextrakt aus
Thymiankraut erfolgt. Die zu Grunde liegenden Herstellungsverfahren seien völlig
verschieden.
20
Durch Urteil vom 28. April 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe mangels
Fortbestehens der fiktiven Zulassung des Arzneimittels keinen Anspruch auf eine
Verlängerung der Zulassung. Der Langantrag habe sich nicht auf das ursprünglich
angezeigte, sondern auf ein unzulässig geändertes Arzneimittel bezogen, das von der
fiktiven Zulassung nicht mehr umfasst sei und einer Neuzulassung bedürfe. Die am 27.
Oktober 1993 angezeigte Änderung sei nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
gedeckt gewesen. Sie sei bereits nicht innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs
erfolgt. Die Änderung sei auch deshalb unzulässig gewesen, weil das Arzneimittel nicht
insgesamt an die Monographie zu Thymi herba angepasst worden sei. Zudem sei ein
unzulässiger Austausch des arzneilich wirksamen Bestandteils vorgenommen worden,
weil das Auszugsmittel - ursprünglich Äthanol, später Wasser - und das
Auszugsverfahren - ursprünglich Destillat, später Dicksaftpressung - geändert worden
sei.
21
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Sie trägt zur
Begründung im Wesentlichen vor: Die fiktive Zulassung des streitbefangenen
Arzneimittels sei nicht aufgrund der Änderungsanzeige vom 27. Oktober 1993
erloschen. Die Änderungen hätten sich im Rahmen des Arzneimittelgesetzes bewegt.
22
Der in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG verwendete Begriff des
"Anwendungsbereichs" gehe inhaltlich über die Begriffe "Indikation" und
"Anwendungsgebiet" hinaus, indem er auch nahe verwandte Anwendungsgebiete
umfasse. Letzteres sei hier der Fall, weil das Präparat sowohl vor als auch nach der
Änderung der Schleimlösung habe dienen sollen. Das Arzneimittel habe nach der
Änderung weiterhin dem ATC-Code R05C entsprochen. Dieser stelle eine auf
wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Klassifizierung von Wirkstoffen dar und
ermögliche deren präzise Zuordnung zu Indikationsbereichen. Der Verzicht auf
bestimmte Teilindikationen sei im Übrigen lediglich ein nach § 29 Abs. 1 AMG
anzeigepflichtiger Vorgang, der weder dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 2a AMG
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noch dem des § 29 Abs. 3 AMG unterfalle.
Ihre Rechtsvorgängerin, die L2. W. GmbH, habe eine zulässige Änderung des
Arzneimittels vorgenommen, da sie die in der 21. Bekanntmachung über die
Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 AMNG vom 06. Mai 1993 für Thymi herba
angegebene Indikation übernommen und zudem die entsprechenden Vorgaben der
Monographie berücksichtigt habe.
24
Die Anpassungsregelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ermögliche einen
sog. Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile. Eine den Totalaustausch
ausschließende restriktive Auslegung dieser Vorschrift sei weder mit deren Wortlaut
noch mit deren Sinn und Zweck vereinbar. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des Art. 3
§ 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG bewusst erleichterte Änderungsmöglichkeiten
vorgesehen und dabei explizit Änderungen der Art der arzneilich wirksamen
Bestandteile eines Altarzneimittels zugelassen. Eine Umgehung des
Neuzulassungsverfahrens werde bereits dadurch verhindert, dass das Präparat durch
die Änderung keinem anderen Anwendungsbereich und auch keiner anderen
Therapierichtung zuzurechnen sein dürfe. Weitergehende Anforderungen habe auch die
Zulassungsbehörde in ihrer ständigen Nachzulassungspraxis nicht gestellt. Der
Gesetzgeber sei erkennbar davon ausgegangen, dass der durch die Regelung u.a. auch
geförderte Bestandsschutz durch die erforderliche Beibehaltung des
Anwendungsbereichs sowie die Therapierichtung erreicht werde. Ein Verstoß gegen
Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sei nicht zu erkennen. Eine unzulässige
Ungleichbehandlung setze voraus, dass vergleichbare Sachverhalte gegeben seien.
Das sei bei einer Neu- und einer Nachzulassung nicht der Fall. Würde die Möglichkeit
eines Totalaustausches abgelehnt, wäre überdies eine Änderung von Monopräparaten
generell unzulässig, was ersichtlich nicht mit dem beabsichtigten Zweck des Art. 3 § 7
Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG vereinbar wäre.
25
Bezüglich des streitbefangenen Arzneimittels liege aber auch kein Totalaustausch vor.
Sowohl vor als auch nach der Änderung habe das Arzneimittel den Wirkstoff Thymi
herba enthalten. Bereits dadurch sei die geforderte Teilidentität ohne weiteres gegeben.
Dem Austausch des Auszugsmittels komme keine Bedeutung zu. Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz
2 Nr. 5 AMNG fordere eine Teilidentität hinsichtlich der arzneilich wirksamen
Bestandteile im rechtlichen, nicht jedoch im streng pharmakologischen Sinne. Nach
dem Willen des Gesetzgebers (vgl. § 25 Abs. 7 AMG) stelle eine Änderung "innerhalb"
einer Aufbereitungsmonographie, die regelmäßig auch entsprechende Zubereitungen
der Droge zuließe, keine Änderung des arzneilich wirksamen Bestandteils im
Rechtssinne dar.
26
Die Klägerin beantragt,
27
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
28
Die Beklagte beantragt,
29
die Berufung zurückzuweisen.
30
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Bei
der Frage des Verlassens des Anwendungsbereichs sei entscheidend darauf
31
abzustellen, ob das Arzneimittel vor und nach der Änderung der Behandlung der
gleichen Grunderkrankung gedient habe, also auch der angegebene Patientenkreis vor
und nach der Indikationsänderung im Wesentlichen der gleiche geblieben sei. Das sei
hier nicht der Fall. Es liege eine Änderung von einem Heilmittel zu einem Nichtheilmittel
vor. Für das geänderte Arzneimittel existiere kein ATC-Code.
Eine vollständige Anpassung an die allein maßgebende Monographie zu Thymi herba
sei nicht vorgenommen worden.
32
Das Arzneimittel habe auch nicht vor und nach der Änderung identische arzneilich
wirksame Bestandteile enthalten. Es sei nicht maßgeblich, ob verschiedene
Zubereitungen von einer Monographie erfasst würden. Bezugspunkt einer Monographie
sei die Wirksamkeit einer Zubereitung; pharmazeutische Gesichtspunkte seien in
diesem Zusammenhang ohne Belang. Bezüglich des streitbefangenen Arzneimittels sei
entscheidend, dass das Auszugsmittel und das Herstellungsverfahren grundlegend
geändert worden seien. Aus fachlicher Sicht sei daher ein Totalaustausch der arzneilich
wirksamen Bestandteile gegeben. Ein Totalaustausch werde von ihr entgegen der
(ober-)verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung jedoch akzeptiert.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
34
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die Klage ist unbegründet.
36
Der Bescheid vom 28. Dezember 2000, mit dem die Beklagte die am 29. November
1993 beantragte Verlängerung der (fiktiven) Zulassung für das Arzneimittel "C. - und B. -
L1. -E1. " abgelehnt ab, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Verlängerung
der fiktiven Zulassung des Arzneimittels.
37
Nach dem für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgeblichen § 105 Abs. 4f Satz 1
Halbsatz 1 AMG ist die Zulassung nach Abs. 1 auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1
AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG
vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher - wie das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat - zunächst voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine
"Zulassung nach Abs. 1", also eine sog. fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw.
bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom
09. August 1994 (BGBl. I S. 2071 (2082, 2086)) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG entstanden
ist und diese im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung noch fortbesteht. Dies ist hier
indes nicht der Fall.
38
Das (ursprüngliche) Arzneimittel "C. - und B. -L1. -E. " ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2
Satz 1 AMNG in der Fassung vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445 (2477))
ordnungsgemäß angezeigt worden. Auch die Verlängerung der fiktiven Zulassung nach
Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag) in der Fassung vom 22. Dezember
1989 (BGBl. I S. 2462) wurde fristgemäß beantragt, wobei die Art und Menge der
arzneilich wirksamen Bestandteile und deren Zusammensetzung unverändert
angegeben wurden.
39
Gegenstand des am 29. November 1993 gestellten Antrags nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2
AMNG (sog. Langantrag) in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990 (BGBl. I S. 717 (724 f.)) war jedoch nicht mehr
das ursprünglich angezeigte Arzneimittel, sondern ein unzulässig geändertes
Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten Arzneimittels erstreckt
sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die vorgenommene Änderung den durch
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der auch insoweit maßgeblichen,
40
vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002
41
- OVG 5 B 24.00 und OVG 5 B 25.00 -, juris,
42
im Zeitpunkt der Änderung des Arzneimittels geltenden Fassung des Vierten Gesetzes
zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990 (BGBl. I S. 717 (724 f.))
gesteckten Rahmen überschritten hat, mit der Folge, dass das geänderte Arzneimittel
mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.
43
Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der genannten Fassung darf ein
Fertigarzneimittel nach Abs. 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung
abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Art oder Menge der arzneilich
wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen
Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht
werden, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt
gemachten Ergebnis oder einem vom BGA vorgelegten Muster für ein Arzneimittel
angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird.
44
Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob das ursprüngliche und das geänderte
Arzneimittel den gleichen Anwendungsbereich beansprucht haben bzw. beanspruchen
und ob das geänderte Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG
bekannt gemachten Ergebnis angepasst worden ist. Jedenfalls war die angezeigte
Änderung deswegen nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG gedeckt, weil die
Vorschrift eine Teilidentität zwischen den arzneilich wirksamen Bestandteilen des
ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels erfordert, mithin den Austausch aller
arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels (sog. Totalaustausch) nicht
zulässt (a),
45
vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992
- OVG 5 S 44.91 -; OLG Frankfurt, Urteile vom 12. September 1996 - 6 U 110/96 -,
Pharma Recht 1997, 228, und vom 11. Dezember 1995 - 6 U 136/95 -, juris; OLG
Karlsruhe, Urteil vom 25. November 1992 - 6 U 10/92 -, Pharma Recht 1993, 209; a.A.
OLG Köln, Urteil vom 11. August 1995 - 6 U 238/94 -, Pharma Recht 1996, 20; OLG
Hamburg, Urteil vom 03. März 1994 - 3 U 233/93 -, Pharma Recht 1995, 18,
46
und damit auch den hier vorgenommenen Austausch aller arzneilich wirksamen
Bestandteile durch einen zuvor nicht enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteil nicht
deckt (b).
47
a) Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist dahingehend auszulegen, dass dieser den
Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels nicht zulässt.
48
Dem Wortlaut dieser Regelung ist zwar weder für noch gegen die Zulässigkeit des
Totalaustausches ein hinreichend verlässlicher Hinweis zu entnehmen.
49
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Dezember 1995, a.a.O.
50
Allerdings deuten bereits die auch in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG verwendeten
Begriffe "geändert" und "Änderung" auf das Erfordernis einer Teilidentität zwischen den
arzneilich wirksamen Bestandteilen des Altarzneimittels und den/des arzneilich
wirksamen Bestandteilen/Bestandteils des geänderten Arzneimittels hin.
51
Für ein solches Verständnis der Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
lassen sich auch systematische Erwägungen anführen. Insoweit ist in den Blick zu
nehmen, dass unter Nrn. 1 bis 4 des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG
Änderungsmöglichkeiten für fiktiv zugelassene Altarzneimittel im Einzelnen beschrieben
und ausnahmslos auf Teilbereiche begrenzt sind. Die Ausgestaltung dieser
Änderungsmöglichkeiten indiziert damit, dass im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2
Nr. 5 AMNG eine Änderung ebenfalls nur in einem begrenzten Umfang zugelassen und
damit der Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile nicht ermöglicht
werden sollte. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass eine weite Auslegung der Nr. 5 des Art.
3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG im Ergebnis dazu führen würde, dass die dort unter Nrn. 1
bis 4 vorgesehenen beschränkten Änderungsmöglichkeiten im Einzelfall unterlaufen
werden könnten, wobei das jeweilige Arzneimittel lediglich dem gleichen
Anwendungsbereich und der gleichen Therapierichtung zuzuordnen sein müsste. Ein
solche Konsequenz würde die Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG jedoch
insgesamt in Frage stellen.
52
OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 213.
53
Vor diesem Hintergrund sowie mit Blick darauf, dass die Versuchung, einen
Totalaustausch vorzunehmen und dennoch die erleichterte Nachzulassung zu erhalten,
nahe liegt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des
Austausches aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels im Rahmen
des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ausdrücklich geregelt und damit die dort
beschriebenen Änderungsmöglichkeiten anders - etwa in der Form einer
generalklauselartigen Regelung - ausgestaltet hätte, wenn er diesen hätte zulassen
wollen. Dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Totalaustausches im Rahmen des
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG nicht eröffnen wollte, erschließt sich im Übrigen
letztlich auch aus der die Bezeichnung des geänderten Arzneimittels betreffenden
Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 3 AMNG. Die dort vorgesehene Pflicht zur
Benutzung der bisherigen Bezeichnung mit einem Zusatz wäre im Falle der Möglichkeit
eines Totalaustausches sinnwidrig; sinnvoll wäre für diesen Fall vielmehr eine Pflicht
zur Verwendung einer neuen Bezeichnung oder die Einräumung eines Rechts zur
Benutzung der mit einem Zusatz versehenen bisherigen Bezeichnung.
54
Der (weitere) Kontext, in dem die im Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG vorgesehenen
Änderungsmöglichkeiten zu bewerten sind, bestätigt die vorstehenden Erwägungen.
Insoweit ist von Bedeutung, dass Art. 3 AMNG in seiner Gesamtheit, mithin auch im
Rahmen des Art. 3 § 7 AMNG und der dort in Abs. 3a Satz 2 geregelten - wenngleich
erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990
(BGBl. 717 (724 f.)) eingefügten - Änderungsmöglichkeiten, Übergangsvorschriften für
55
die Zulassung von Arzneimitteln enthält, die sich bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S.
2445 (2482)), also am 01. Januar 1978 im Verkehr befunden haben. Der diesen
Vorschriften und insbesondere den nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG gegebenen
Änderungsmöglichkeiten zu Grunde liegende Gedanke des Bestandsschutzes darf nicht
aus dem Blick geraten. Die Zubilligung von Bestandsschutz im Rahmen des Art. 3 § 7
Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die
arzneilich wirksamen Bestandteile des ursprünglichen und des geänderten
Arzneimittels nicht wenigstens teilweise identisch sind. Denn beim Austausch aller
arzneilich wirksamen Bestandteile existiert das ursprüngliche Arzneimittel faktisch nicht
mehr. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass das ursprüngliche und das neue
Arzneimittel demselben Anwendungsbereich und derselben Therapierichtung
zuzuordnen sind. Es handelt sich insoweit um übergeordnete Kategorien, die nicht
geeignet sind, das jeweilige Arzneimittel hinreichend zu individualisieren. Schon vor
diesem Hintergrund ist - ungeachtet der Frage, wie insbesondere der Begriff des
"Anwendungsbereichs" zu verstehen ist - die Annahme ungerechtfertigt, wegen der
Beibehaltung des Anwendungsbereichs und der Therapierichtung sei im Rahmen des
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG Bestandsschutz zuzubilligen.
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteile vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229, und vom 11.
Dezember 1995, a.a.O.
56
Der Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit, mit dem im Gesetzgebungsverfahren die
erleichterte Anpassung fiktiv zugelassener Arzneimittel an bestehende
Aufbereitungsmonographien - beiläufig - begründet wurde,
57
vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes, Bundestags-Drucksache 11/5373, S. 19,
58
gebietet keine andere Bewertung. Das angeführte Motiv der Arzneimittelsicherheit war
berechtigt. Dass eine erleichterte, weil schneller und unkomplizierter zu bewilligende
Anpassung eines Altarzneimittels an eine Aufbereitungsmonographie etwa mit Blick auf
eine angepasste Dosierung oder angepasste Wirkstoffanteile die Gefahr einer
unnötigen Belastung des menschlichen Organismus verringert und das Heilwirkung-
Risiko-Verhältnis verbessert, liegt auf der Hand. Es besagt aber nicht, dass der
Gesetzgeber eine Anpassung und damit Veränderung eines Altarzneimittels auch dann
noch annehmen wollte, wenn durch einen vollständigen Austausch der arzneilich
wirksamen Bestandteile ein neues Arzneimittel entsteht. Dem kann nicht entgegnet
werden, bei Beibehaltung eines einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteils aus einem
Kombinationsarzneimittel entstehe letztlich ebenfalls ein neues Arzneimittel und die mit
Blick auf die Volksgesundheit relevante Arzneimittelsicherheit sei im Rahmen des Art. 3
§ 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG sowohl bei einem Totalaustausch als auch bei einem
Teilaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile dadurch gewährleistet, dass das
neue Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspreche. Folgte man dieser
Argumentation, hätte jeder pharmazeutische Unternehmer ohne weitere
Voraussetzungen hinsichtlich der Altarzneimittel, die einer solchen Monographie
entsprechen, vom Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG befreit werden müssen.
Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber aber gerade nicht getroffen, sondern
grundsätzlich auch solche Arzneimittel dem Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG
unterworfen.
59
Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Dezember 1995, a.a.O.
60
Im Übrigen setzt die Anpassung an eine Aufbereitungsmonographie gerade nicht
voraus, dass sich der pharmazeutische Unternehmer von bedenklichen Bestandteilen
eines Arzneimittels trennt. Ihm ist vielmehr auch die Möglichkeit der Anpassung von
Arzneimitteln, die völlig unbedenkliche arzneilich wirksamen Bestandteile enthalten,
aus rein wirtschaftlichen Motiven eröffnet.
61
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.
62
Insoweit fügt sich, dass die Anpassung von Arzneimitteln an
Aufbereitungsmonographien nach dem AMG-Erfahrungsbericht 1993,
63
vgl. AMG-Erfahrungsbericht 1993, Nr. 2.2.23.1, Bundestags-Drucksache 12/5226, S. 46,
64
häufig aus wirtschaftlichen Erwägungen und eben nicht aus Gründen der
Arzneimittelsicherheit erfolgt ist.
65
Eine enge Auslegung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist schließlich nicht
zuletzt auch deshalb vorzugswürdig, weil nur eine solche mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar
ist. Der Verzicht auf das Erfordernis eines aufwendigen Zulassungsverfahrens nach §§
21 ff. AMG im Falle der Anpassung eines Altpräparats an eine
Aufbereitungsmonographie stellt eine Bevorzugung des Inhabers der fiktiven Zulassung
gegenüber den sonstigen pharmazeutischen Unternehmern dar, die, auch wenn das
jeweils zuzulassende Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspricht, in jedem
Fall das Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG durchlaufen müssen. Eine solche
Bevorzugung geht weit über das hinaus, was nach den vorstehenden Ausführungen
durch den Bestandsschutz gewährleistet werden sollte.
66
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229.
67
Die Zulassung des Totalaustausches im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
AMNG bzw. mit Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 09. August 1994 (BGBl. I S. 2071 (2082, 2086)) im Rahmen
des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG würde im Übrigen eine erhebliche Belebung des
Handels mit Zulassungen von Arzneimitteln bewirken, die nicht mehr oder kaum noch
vertrieben werden, wobei der Erwerber sich allein an dem jeweiligen
Anwendungsbereich und der jeweiligen Therapierichtung des Arzneimittels orientieren
und sodann nach dem Erwerb dessen arzneilich wirksame Bestandteile vollständig
austauschen und im Wege der Änderungsanzeige folglich ein völlig anderes
Arzneimittel in den Verkehr bringen könnte. Die damit einhergehende Umgehung des
Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG kann schon aus den genannten
verfassungsrechtlichen Gründen nicht Zweck der gesetzlichen Regelung sein.
68
Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229.
69
Schließlich ist auch dem Einwand der Klägerin, für Monopräparate bestünden, wenn die
Zulässigkeit des Totalaustausches verneint würde, keine Änderungsmöglichkeiten nach
70
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG, kein Gewicht beizumessen. Dieser Aspekt ist
vielmehr als Folge der Regelung hinzunehmen.
Dass das BGA bzw. später das BfArM in der Vergangenheit seine behördliche Praxis
auf die Annahme gestützt hat, ein Totalaustausch sei zulässig, vermag an der
dargelegten Rechtslage nichts zu ändern.
71
b) Hier liegt ein Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile durch einen zuvor
nicht enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteil vor, der durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz
2 Nr. 5 AMNG nicht gedeckt ist.
72
Bei Phytopharmaka, zu denen auch das streitbefangene Arzneimittel zählt, besteht im
Vergleich zu chemisch definierten Arzneimitteln die Besonderheit, dass die jeweilige
pflanzliche Zubereitung ein komplex zusammengesetztes Vielstoffgemisch darstellt.
Nach den allgemeinen Grundlagen der Phytotherapie ist (dennoch) die jeweilige
pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit als ein selbständiger arzneilich wirksamer
Bestandteil im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen.
73
Vgl. Gaedcke/Steinhoff, Phytopharmaka - Wissenschaftliche und rechtliche Grundlagen
für die Entwicklung, Standardisierung und Zulassung in Deutschland und Europa,
Stuttgart 2000, S. 2, 37, 69.
74
Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der
jeweiligen pflanzlichen Zubereitung wird durch diverse Faktoren, zu denen die
Drogenart und der Drogenteil, das Auszugsmittel sowie das Auszugsverfahrens zählen,
beeinflusst. Diese Faktoren sind im Sinne des Arzneimittelgesetzes damit für die Art des
jeweiligen arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich.
75
Vgl. Gaedcke/Steinhoff, a.a.O., S. 12 f.
76
Dieses Verständnis des Arzneimittelgesetzes ist auch mit Blick auf Art. 1 Nr. 30 der
Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und Rates zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 06. November 2001 (ABl. L 311 vom
28. November 2001, S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004, S. 85)
bzw. den wortgleichen - durch das u.a. der Umsetzung der genannten Richtlinien
dienende 14. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005
(BGBl. I S. 2570) eingefügten - § 4 Abs. 29 AMG angezeigt. Demnach werden
pflanzliche Arzneimittel als Arzneimittel definiert, die als Wirkstoff ausschließlich einen
oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder
eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren
solchen pflanzlichen Zubereitungen enthalten. Pflanzliche Zubereitungen sind nach Art.
1 Nr. 32 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG
Zubereitungen, die dadurch hergestellt werden, dass pflanzliche Stoffe Behandlungen
wie Extraktion, Destillation, Pressung, Fraktionierung, Reinigung, Konzentrierung oder
Fermentierung unterzogen werden.
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Neben dem Ausgangsmaterial kommt auch hiernach dem Herstellungsprozess, in
welchem das Auszugsmittel sowie die Art des Auszugsverfahrens bestimmt werden,
erhebliche Bedeutung zu. Die Art und Konzentration des Auszugsmittels ist maßgebend
für die Art und Menge der Inhaltsstoffe, die in die pflanzliche Zubereitung übergehen.
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Aber nicht nur die Art und Konzentration des Auszugsmittels, sondern auch die Art des
angewandten Auszugsverfahrens hat maßgeblichen Einfluss auf die qualitative und
quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der pflanzlichen Zubereitung.
Vgl. Gaedcke/Steinhoff, a.a.O., S. 48, 51.
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Hieran gemessen ist bezüglich des streitbefangenen Arzneimittels von einem
unzulässigen Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile auszugehen. Das
Arzneimittel enthielt bis zur Änderung zehn arzneilich wirksame Bestandteile, u.a. Thymi
herba als alkoholisches Destillat. Nach der am 27. Oktober 1993 angezeigten Änderung
wies es ausschließlich einen wässrig gelösten Thymiandickextrakt auf. Mit Blick auf das
veränderte Auszugsmittel - ursprünglich Äthanol, schließlich Wasser - und das
veränderte Auszugsverfahren - ursprünglich Destillation, schließlich Extraktion - ist ein
Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile im Sinne des Arzneimittelrechts
erfolgt, der - wie dargelegt - nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG gedeckt ist
und damit unzulässig war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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