Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.04.2006

OVG NRW: nachteilige veränderung, eigenschaft, verminderung, wasser, rüge, form, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 B 186/06
Datum:
13.04.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 B 186/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 14 L 1241/05
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.759,55 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur hinsichtlich der gegen die
Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses dargelegten Gründe zu prüfen ist, hat keinen
Erfolg. Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, dass die Annahme des
Verwaltungsgerichts fehlerhaft ist, bei summarischer Prüfung bestünden keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorauszahlungsbescheide über
Wasserentnahmeentgelt für die Veranlagungsjahre 2004 und 2005.
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Das Verwaltungsgericht hat die Frage, ob für die von der Antragstellerin vorgenommene
Entnahme von Wasser und anschließende Wiedereinleitung des zur Kieswäsche
benutzten Wassers des Straberger Sees gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WasEG i.V.m. § 24
WHG kein Entgelt erhoben werden darf, als offen angesehen. Diese Bewertung wird
durch die Einwände der Antragstellerin nicht erschüttert. Insgesamt lassen sich die mit
der Beschwerdebegründung angesprochenen Gesichtspunkte durch die im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung jedenfalls nicht
überwiegend in dem von der Antragstellerin vertretenen Sinne klären.
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Entgegen dem Beschwerdevorbringen dürfte sich zunächst aus der Erteilung einer
wasserrechtlichen Erlaubnis für die Kieswäsche nicht bereits die Entgeltfreiheit herleiten
lassen. Es sprechen gewichtige Argumente gegen den rechtlichen Ansatz der
Antragstellerin, wonach eine Beeinträchtigung der in § 24 Abs. 1 Satz 1 WHG
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genannten Belange tatsächlich immer und „ohne weiteres" eine Beeinträchtigung der
vom Wohl der Allgemeinheit umfassten Belange bedeute und damit zwingend zu einer
Versagung der wasserrechtlichen Erlaubnis führen müsse. Vielmehr liegt es nahe, eine
„nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers" im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz
1 WHG auch dann annehmen zu können, wenn mangels Beeinträchtigung des „Wohls
der Allgemeinheit" nach § 6 Abs. 1 WHG eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt worden
ist. Namentlich erfordert die Würdigung des Allgemeinwohls unter allen
Einzelfallgesichtspunkten, dass auf die Gesamtinteressen der Allgemeinheit abzustellen
ist, mithin eine Abwägung der konkret betroffenen Belange untereinander zu erfolgen
hat. Nur die im Einzelfall überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit
vermögen überhaupt zur Versagung der Erlaubnis zu führen.
Vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp (S/Z/D/K), WHG und AbwAG, Loseblattkommentar,
Band 1, Stand 1. Juli 2005, § 6 Rdnr. 9 b, m.w.N..
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Gemessen daran muss eine durch die Wasserentnahme und -nutzung entstehende
nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft der Erteilung einer Erlaubnis im
Einzelfall nicht entgegenstehen, etwa wenn die Veränderung wegen anderer
Gemeinwohlbelange hinzunehmen ist. Hinzu kommt, dass unter Beeinträchtigung im
Sinne des § 6 Abs. 1 WHG nur eine nachhaltige Störung der Gemeinwohlbelange von
nicht nur geringer Tragweite verstanden wird. Dagegen fallen unter nachteilige
Veränderungen der Eigenschaft des Wassers auch solche nur geringsten Ausmaßes.
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Vgl. S/Z/D/K, a.a.O., § 6 Rdnr. 11 bzw. § 24 Rdnr. 10.
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Vor diesem Hintergrund dürfte es ohne ausschlaggebende Bedeutung sein, dass - wie
die Antragstellerin hervorhebt - die ihr erteilte wasserrechtliche Erlaubnis für die
Kieswäsche im Planfeststellungsbeschluss des Landrats des Kreises O. vom 15. August
2001 ohne beachtliche Auflagen erteilt worden ist. Die vorstehend dargestellten
Unterschiede bezüglich der Voraussetzungen für den erlaubnisfreien
Eigentümergebrauch und der Gründe für die Versagung der Erlaubnis sprechen
ebenfalls gegen die Ansicht der Antragstellerin, die Antragsgegnerin sei durch die
wasserrechtliche Erlaubnis bei der Prüfung der Entgeltpflichtigkeit gemäß § 1 WasEG
rechtlich gebunden.
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Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung stellt auch die weiteren Bewertungen im
angefochtenen Beschluss nicht durchgreifend in Frage. Der Senat teilt zunächst die
Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach bei summarischer Prüfung nicht
Überwiegendes für die Auffassung der Antragstellerin spricht, dass Entnahme und
Wiedereinleitung des Oberflächenwassers (nach der Kieswäsche) tatsächlich und
rechtlich als getrennte Vorgänge zu beurteilen seien. Der Umstand, dass Entnahme und
Wiedereinleitung unterschiedliche Benutzungsarten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4
WHG darstellen, gibt hierfür nichts Entscheidendes her. Bei der Frage, ob eine
Gewässerbenutzung etwa in Form einer Wasserentnahme gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1
WHG erlaubnisfrei ist, dürfte regelmäßig eine Gesamtbetrachtung anzustellen sein. So
ist beispielsweise das Vorliegen einer „wesentlichen Verminderung der Wasserführung"
im Sinne der Vorschrift nicht isoliert zu beurteilen, sondern es kommt etwa darauf an, ob
das entnommene Wasser verbraucht oder nach Gebrauch wieder eingeleitet wird.
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Vgl. S/Z/D/K, a.a.O., § 24 Rdnr. 11.
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Mit Blick darauf folgt der Senat auch den überzeugenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts, dass selbst bei der von der Antragstellerin geforderten getrennten
Beurteilung nicht von vornherein ein erlaubnisfreier Eigentümergebrauch vorliegt. Es
spricht einiges dafür, dass - isoliert betrachtet - die fortlaufende Entnahme von
erheblichen Wassermengen auf Dauer eine „wesentliche Verminderung der
Wasserführung" erwarten lassen kann. Jedenfalls genügt das darauf bezogene
Beschwerdevorbringen, wonach „mangels gegenteiliger Anhaltspunkte" von einem
Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 WHG auszugehen sei, nicht den
Anforderungen an die Darlegung durchgreifender Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4
Satz 3 VwGO).
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Nach dem Vorstehenden kommt es - eine getrennte Betrachtung der
Benutzungsvorgänge unterstellt - auf die weiteren Ausführungen in der
Beschwerdebegründung zur Entgeltfreiheit nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 WasEG nicht mehr
entscheidungserheblich an.
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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ebenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen
des Befreiungstatbestandes gemäß § 1 Abs 2 Nr. 1 WasEG verneint. Die der
Antragstellerin aufgegebene Herstellung eines Schwemmsandfächers ist keine
behördlich angeordnete Benutzung im Sinne dieser Vorschrift. Sie stellt vielmehr eine
Nebenbestimmung für die durch den Planfeststellungsbeschluss erlaubte
Gewässerbenutzung dar, welche nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin die
Herstellung und Rekultivierung des Ufergeländes betrifft.
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Soweit die Antragstellerin Bedenken gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts
äußert, es fehle bislang an den erforderlichen konkreten Einzelfeststellungen für die
Prüfung der Voraussetzungen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 WHG, kann dies der Beschwerde
ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Nach den vorstehend erläuterten Unterschieden in
den Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 1 und 24 Abs. 1 Satz 1 WHG lässt sich aus dem
Vorliegen der wasserrechtlichen Erlaubnis jedenfalls nicht hinreichend ableiten, dass
keine nachteiligen Veränderungen der Eigenschaft des Wassers oder keine anderen
Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts belegt sind. Gleiches gilt für die von der
Antragstellerin vorgelegten Untersuchungsergebnisse. Insofern reicht es nicht aus,
lediglich auf die von der Antragstellerin hervorgehobene zusammenfassende
Feststellung der Untersuchung abzustellen. Vielmehr dürfte ggf. eine konkret an den
Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 WHG orientierte Prüfung erforderlich sein, die -
wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar unter Bezugnahme auf die Einzelbefunde
im Gutachten des Dipl.-Geol. I. N. erläutert hat - jedenfalls nicht hinreichend sicher im
Sinne der Antragstellerin ausgehen wird.
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Schließlich führt auch die Rüge der Antragstellerin gegen den ihr gegenüber
unterlassenen Hinweis auf die Notwendigkeit weiteren Sachvortrags bzw. weiterer
Sachverhaltsfeststellungen nicht weiter. Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes ist eine vollständige Ausermittlung schwieriger Sachverhaltsfragen in
der Regel - und so auch hier - nicht geboten. Eine darauf gerichtete Prüfung kann das
einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht leisten; es ist dafür auch nicht vorgesehen. Vor
diesem Hintergrund muss der Ausgang des Hauptsacheverfahrens in Übereinstimmung
mit dem Verwaltungsgericht zumindest als offen angesehen werden, was gemessen an
§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht
ausreicht. Eines von der Antragstellerin erbetenen Hinweises durch den Senat bedurfte
es - zumal wegen der Begrenzung des Prüfungsumfanges im Beschwerdeverfahren
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nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2 , 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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