Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.09.2004

OVG NRW: verschlechterung des gesundheitszustandes, abschiebung, ausweisung, ausländer, kauf, volljährigkeit, behandlungsbedürftigkeit, aussetzung, emrk, gefährdung

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 2560/03
Datum:
01.09.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 2560/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 8 L 1585/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung von der Antragstellerin
dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen sind,
rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Soweit die Antragstellerin mit Blick auf ihre Erkrankung ein inlandsbezogenes
Vollstreckungshindernis geltend machen will, das der Senat aus den vom
Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 24. Februar 2004 zutreffend dargelegten
Gründen wegen der in § 42 Satz 1 AsylVfG angeordneten Bindungswirkung nur in den
Blick zu nehmen braucht,
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vgl. insoweit Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2003 - 18 B 323/03 - und vom 8. Juli
2003 - 18 B 1004/03 -, jeweils m.w.N.,
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ergibt sich aus ihrem Vorbringen kein Anspruch auf Gewährung von
Abschiebungsschutz. Insbesondere ist es unerheblich, ob die Antragstellerin, wie sie
unter Bezugnahme auf das ihrer Beschwerdebegründung beigefügte nervenärztliche
Attest vom 9. Dezember 2003 geltend macht, an einer posttraumatischen
Belastungsstörung leidet, die nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland zu negativen
Auswirkungen führen würde und einer nervenärztlichen Behandlung bedürfe. Sollte es
an einer ausreichenden Behandelbarkeit ihrer Erkrankung in ihrem Heimatland fehlen,
so handelt es sich um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des §
53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, für dessen Feststellung im vorliegenden Fall allein das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zuständig ist.
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Vgl. hierzu etwa Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2003 - 18 B 323/03 -, vom 27.
November 2003 - 18 B 662/03 - und vom 3. Mai 2004 - 18 B 359/04 -.
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Hierzu sei lediglich ergänzend angemerkt, dass nach ständiger Senatsrechtsprechung
ein Ausländer grundsätzlich auf den in medizinischer und therapeutischer Hinsicht
allgemein üblichen Standard in seinem Heimatland zu verweisen ist,
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vgl. hierzu nur Senatsbeschlüsse vom 25. April 2002 - 18 B 1028/01 - und vom 3. Mai
2004 - 18 B 359/04 -,
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sodass die Antragstellerin entgegen der Aussage in dem Attest vom 9. Dezember 2003
"für den Behandlungszeitraum" durchaus reisefähig ist.
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Hinsichtlich der damit im vorliegenden Verfahren allein einer Überprüfung zugänglichen
inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse ist die Beschwerdebegründung ebenfalls
nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Soweit
die Antragstellerin geltend macht, die Folgen ihres posttraumatischen Syndroms würden
sich besonders vehement auswirken, wenn ihre Abschiebung bevorstünde, ist ihr
entgegenzuhalten, dass nicht jede mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines
Bleiberechts für die Bundesrepublik Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr
ins Heimatland einhergehende, mithin also letztlich abschiebungsbedingte Gefährdung
bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Ausländers auf einen
Duldungsgrund führt. Indem das Ausländergesetz die Abschiebung vollziehbar
ausreisepflichtiger Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, nimmt es die
in diesem Zusammenhang vielfach zu erwartenden Auswirkungen auf den
gesundheitlichen, insbesondere psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt
diese nur unter besonderen Umständen als Duldungsgründe gelten, wenn eine akute
Reiseunfähigkeit gegeben ist.
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Vgl. die Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 2002 - 18 B 1516/01 -, vom 9. Januar 2003 - 18 B
2409/02 -, vom 28. März 2003 - 18 B 35/03 -, vom 8. Mai 2003 - 18 B 542/02 -, vom 29.
August 2003 - 18 B 1459/03 - , vom 27. November 2003 - 18 B 662/03 - und vom 26.
Februar 2004 - 18 B 314/04 -.
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Hinreichende Anhaltspunkte für eine akute Reiseunfähigkeit der Antragstellerin, die das
Verwaltungsgericht unter zutreffender Würdigung des Berichts des
Landschaftsverbandes X. -M. verneint hat, sind auch dem der Beschwerdebegründung
beigefügten nervenärztlichen Attest vom 9. Dezember 2003 nicht zu entnehmen. Mit der
Beschreibung des psychopathologischen Zustandsbildes (Angstzustände, Affektlabilität,
Schlafstörungen mit Alpträumen und Neigung zu Abkapselung und depressiver
Symptomatik) wird die Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin begründet. Daraus
ergibt sich aber keine akute Reiseunfähigkeit in dem Sinne, dass unmittelbar durch den
Vorgang der Abschiebung der Gesundheitszustand der Antragstellerin wesentlich
verschlechtert würde.
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Soweit die Antragstellerin schließlich noch geltend macht, eine "Ausweisung" würde
gegen Art. 8 EMRK verstoßen, ist ihr zum einen entgegenzuhalten, dass ihre
Ausweisung nicht verfügt wurde, und zum anderen, dass es an der erforderlichen
Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu fehlt, dass
eine Aussetzung der Abschiebung der Antragstellerin im Hinblick auf ihre familiären
Verhältnisse und angesichts ihrer Volljährigkeit nicht geboten ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG in der bei
Einlegung des Rechtsmittels gültigen Fassung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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