Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.09.2004
OVG NRW: vorsorge, zukunft, belastung, wartezeit, unzumutbarkeit, gewalt, erlass, datum
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 1767/04
Datum:
08.09.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 1767/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 Nc 25/04
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der
vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege
einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn an einem vom Gericht
anzuordnenden Losverfahren über die Vergabe zusätzlicher Studienplätze im
Studiengang Humanmedizin für das 1. Fachsemester zum WS 2004/05 zu beteiligen
und ihn bei Losauswahl vorläufig zum Studium zuzulassen, zu Recht wegen fehlenden
Rechtschutzinteresses abgelehnt.
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Eine - auch hier in Betracht kommende - Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO ist zulässig, wenn die Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus
anderen Gründen nötig erscheint.
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Auch wenn an die Voraussetzungen zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, fehlt es für die an
Zumutbarkeitsgesichtspunkten orientierte Entscheidung nach § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO im Rahmen des glaubhaft zu machenden Anordnungsgrundes an dem
besonderen bzw. qualifizierten Rechtschutzinteresse für das Begehren des
Antragstellers auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1.
Fachsemester zum bevorstehenden WS 2004/05 bzw. für die Beteiligung an einem
entsprechenden Losverfahren. Die geltend gemachten Gründe sind nicht geeignet, eine
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den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigende Unzumutbarkeit für
den Antragsteller zu bejahen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, noch nicht absehbar ist, ob er zur
Aufnahme des Studiums der Humanmedizin zum WS 2004/2005 überhaupt auf die
Zuteilung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität angewiesen ist.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Ergehens der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung ohne Abwarten der Antragserwiderung kann der Antragsteller nicht
ernsthaft geltend machen (wollen); insoweit wäre allenfalls ein Recht des
Antragsgegners beeinträchtigt.
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Die, wie der Antragsteller meint, Zulässigkeit des Antrages deshalb bejahen zu müssen,
weil alle Antragsteller/Antragstellerinnen auf Grund ihrer schlechten Durchschnittsnote
bzw. einer bei weitem nicht ausreichenden Wartezeit keinerlei Chancen hätten, im
regulären Auswahlverfahren über die ZVS einen Studienplatz für das 1. Fachsemester
im Studiengang Humanmedizin zu erhalten, würde eine Vielzahl gerichtlicher
Eilverfahren bedeuten und auf einen Vorsorge-Rechtschutz, gestützt auf Eventualitäten,
hinauslaufen. Auch die Zeitdauer, die Kapazitätsverfahren in Anspruch nehmen, lässt
einen derartigen Vorsorge- Rechtschutz nicht als gerechtfertigt erscheinen. Dies gilt
auch angesichts des Grundsatzes effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.
Dem Gebot effektiven Rechtschutzes entspricht es gerade nicht, für einen in der Zukunft
liegenden Zeitraum Rechtschutz gewähren zu müssen auf der Basis für diesen Zeitraum
noch nicht absehbarer Kapazitätsumstände und insbesondere unabhängig von der
Frage, ob der Rechtschutzsuchende dann überhaupt eines gerichtlichen Rechtschutzes
bedarf oder ob er nicht sein Begehren auf Grund anderer Maßnahmen erreichen kann
bzw. erreicht hat. Dies bezieht sich auf die im Tenor des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts angesprochene Frage, dass der gerichtliche Rechtschutz für den
Antragsteller von der vorgehenden Entscheidung der Zentralstelle für die Vergabe von
Studienplätzen abhängig ist.
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Vorbeugender Rechtschutz betreffend das bevorstehende WS 2004/2005 ist auch nicht
geboten wegen des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit einhergehenden Änderung des
Gerichtkostengesetzes und der anfallenden Gerichtsgebühren. Unabhängig davon, ob
die vom Bevollmächtigten des Antragstellers angegebene Erhöhung der Gerichtskosten
zutreffend ist, ist nicht erkennbar, dass die zum 1. Juli 2004 erfolgte Erhöhung der
Gerichtskosten in einer solchen Weise geschehen ist, dass sie von vornherein
rechtschutzhemmend wirkt und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes
deswegen praktisch unmöglich gemacht wird.
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Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 31. Mai 1960 - 2 BvL 4/59 -, BVerfGE 11, 139, 143, und
vom 27. März 1980 - 2 BvR 316/80 -, BVerfGE 54, 39, 41; Maunz-Dürig-Herzog, GG,
Stand: Februar 2004, Art.l 19 Abs. 4 Rdnr. 242.
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Auf die Auswirkungen der Gerichtskostenerhöhung bei nc-Rechtsstreitigkeiten gegen
alle den Studiengang Humanmedizin anbietenden Hochschulen kommt es dabei nicht
entscheidend an, weil einerseits eine solche vor dem Hintergrund, dass es zu den
Obliegenheiten eines Rechtschutzsuchenden auch gehört, die Erfolgsaussichten
abzuwägen und diese bei allen in Betracht kommenden Hochschulen schlechterdings
nicht gleichermaßen zu bejahen sein werden, nicht zu erwarten ist und andererseits das
durch eine Prozesshäufung bewusst eingegangene Unterliegensrisiko . nicht von einer
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entsprechend höheren Kostenlast befreit.
Die vom Antragsteller erwähnte Wirkung, dass die frühzeitige Stellung eines Antrags
nach § 123 VwGO die Belastung der gerichtlichen Geschäftsstellen zeitlich zu entzerren
vermag, ist kein für den Antragsteller relevanter Gesichtspunkt und betrifft kein "Recht"
des Antragstellers im Sinne des § 123 VwGO.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 2, 72 Nr. 1
GKG i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes - KostRMoG - vom 5.
Mai 2004 (BGBl. I S. 718) und erfolgt unter Berücksichtigung der für die
Streitwertfestsetzung im Zulassungsverfahren generell maßgebenden Erwägungen des
Senats,
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Beschluss vom 3. Juni 1996 - 13 C 40/96 -,
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und in Angleichung an die zum 1. Juli 2004 erfolgte Erhöhung des Auffangstreitwerts (§
52 Abs. 2 GKG n. F.).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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