Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.01.1997

OVG NRW (bach, umgebung, kläger, grundstück, 1995, verhältnis zwischen, verhältnis zu, antrag, fläche, errichtung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 2233/96
Datum:
09.01.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 2233/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 5053/95
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 13. März
1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beigeladenen zu 1.
vom 27. Juni 1995 verpflichtet, dem Kläger entsprechend seinem unter
dem 16. Januar 1995 gestellten Antrag, aber unter Ausklammerung der
Erschließungsfrage, einen Vorbescheid zur Errichtung eines
Einfamilienhauses auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 4, Flurstück
1826 zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens erster Instanz mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Kosten
des Verfahrens zweiter Instanz tragen der Beklagte und die Beigeladene
zu 1. je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines
Einfamilienhauses auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 4, Flurstück 1826, das im
Eigentum seiner Schwiegereltern steht.
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Das etwa 1.000 m² große Flurstück 1826 wird im Norden durch den L. bach, der in Ost-
/Westrichtung in einer Breite von im Mittel 1,20 m offen durch das Gelände fließt, und im
Süden durch eine gegenüber dem übrigen Geländeniveau erhöht verlaufende
einspurige Bundesbahntrasse, an die sich ein aus dem Bachtal aufsteigender
bewaldeter Höhenrücken anschließt, begrenzt. Die Flurstücke nördlich des L. bach
entlang der in diesem Bereich in etwa parallel verlaufenden C. Straße sind straßennah
durchgehend mit zum Teil mehrgeschossigen Wohnhäusern bebaut. Etwa 60 m
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westlich des streitbefangenen Grundstücks unterquert der L. bach den in Nord-
/Südrichtung verlaufenden C. bach Weg, der im Norden in die C. Straße mündet und im
Süden die Bundesbahntrasse höhengleich quert.
Westlich des streitbefangenen Grundstücks zwischen L. bach, Bundesbahntrasse und
C. bach Weg liegen die Flurstücke 1721 und 1723. Das neben der Bundesbahntrasse
gelegene Flurstück 1721 ist als etwa 4 m breite Wegeparzelle ausgebildet und verbindet
auf einer Länge von etwa 70 m das streitbefangene Grundstück mit dem C. bach Weg.
Das etwa 1.400 m² große Flurstück 1723 wird zur Zeit als Wiese genutzt. Sein
westlicher, dem C. bach Weg zugewandter Teil liegt im Geltungsbereich der Satzung
der Beigeladenen zu 2. über die Grenzen für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile
der Gemeinde S. . Für diesen Teil des Flurstücks hat der Beklagte zwischenzeitlich eine
Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei Garagen
erteilt. Dieses Bauvorhaben ist noch nicht verwirklicht. Mehrere westlich des C. bach
Weges zwischen dem L. bach und der Bundesbahntrasse gelegene Grundstücke sind
bereits mit Wohnhäusern bebaut und werden jeweils über in die C. Straße mündende
Stichwege, die über die straßennahen Grundstücke nördlich des L. bach führen,
erschlossen.
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Der Bereich zwischen L. bach, Bundesbahntrasse und C. bach Weg, in dem auch das
streitbefangene Grundstück liegt, ist im Flächennutzungsplan der beigeladenen
Gemeinde als Fläche für die Forstwirtschaft dargestellt und liegt nach der
ordnungsbehördlichen Verordnung über die Landschaftsschutzgebiete im S. -C. Kreis
vom 22. Juli 1985 (Amtsblatt L. 1985, S. 385) im Landschaftsschutzgebiet.
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Unter dem 16. Januar 1995 beantragte der Kläger die Erteilung einer
Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem
streitbefangenen Grundstück. Die Beigeladene zu 2. verweigerte ihr Einvernehmen. Mit
Bescheid vom 13. März 1995 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der
Begründung, das Grundstück liege im Außenbereich. Das Vorhaben beeinträchtige
öffentliche Belange. Es verstoße gegen den Flächennutzungsplan und habe
Vorbildwirkung für weitere Bauvorhaben. Zudem habe die Beigeladene zu 2. ihr
gemeindliches Einvernehmen verweigert.
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Am 18. April 1995 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beigeladene zu 1. mit
Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1995 unter Berufung auf das fehlende
gemeindliche Einvernehmen als unbegründet zurückwies.
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Am 25. Juli 1995 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen
hat, sein Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. Das streitbefangene Grundstück
liege im unbeplanten Innenbereich.
8
Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 13. März 1995 und des
Widerspruchsbescheides der Beigeladenen zu 1. vom 27. Juni 1995 zu verpflichten,
dem Kläger eine Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf
dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 4, Flurstück 1826 gemäß Antrag vom 16. Januar
1995 zu erteilen.
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Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide
11
beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
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Nachdem der Berichterstatter der Kammer die Örtlichkeit am 8. Februar 1996 in
Augenschein genommen hatte, hat das Verwaltungsgericht Köln die Klage mit dem dem
Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 3. April 1996 zugestellten Urteil vom 12. März
1996, auf dessen Inhalt verwiesen wird, abgewiesen.
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Mit seiner am 26. April 1996 erhobenen Berufung macht der Kläger geltend, das
streitbefangene Grundstück liege im unbeplanten Innenbereich. Bei der Bahntrasse
handele es sich um ein topographisches Merkmal, das die unbebaute Fläche als Teil
des Bebauungszusammenhangs erscheinen lasse. Auch das unmittelbar östlich der
Bahntrasse deutlich ansteigende Geländeniveau bilde eine natürliche Begrenzung des
Tal- und Auenbereichs des Knipperbachtales. Diese Geländesituation reiche für sich
allein als topographische Zäsur zwischen dem Innen- und dem Außenbereich aus. Aber
selbst wenn man das streitbefangene Grundstück dem Außenbereich zurechne, sei eine
Bebauung bauplanungsrechtlich zulässig. Öffentliche Belange würden nicht verletzt.
Die planerischen Zielsetzungen der Gemeinde und sein Vorhaben stünden nicht in
Widerspruch zueinander. Eine Zersiedlungsgefahr drohe nicht, da lediglich noch das
streitbefangene Grundstück bebaut werden könne.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag unter Ausklammerung
der Erschließungsfrage zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt ergänzend vor, das streitbefangene Grundstück werde nicht durch die
Umgebungsbebauung als Bauland geprägt. In der unmittelbaren Umgebung finde sich
derzeit kein Haus. Als topographische Zäsur zwischen Innen- und Außenbereich sei
bereits der L. bach anzusehen.
20
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
21
die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie verweist auf den L. bach als topographische Zäsur und merkt zudem an,
jedenfalls füge sich das Vorhaben als sog. Hinterlandbebauung nicht i.S.d. § 34 Abs. 1
BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
23
Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
24
Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 10. Dezember 1996 in
Augenschein genommen; auf die über den Termin gefertigte Niederschrift wird
verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
Beigeladenen zu 1. Bezug genommen.
26
Entscheidungsgründe:
27
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht
abgewiesen.
28
Die Klage ist zulässig. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Senat vorgenommenen Übergang von dem Begehren auf Erteilung einer
uneingeschränkten Bebauungsgenehmigung auf eine solche unter Ausklammerung der
Frage der Erschließung hat der Kläger eine Klageänderung vorgenommen. Er hat den
Inhalt des Genehmigungsbegehrens verändert, indem er die Erschließung aus der
Prüfung ausgenommen hat. Es gilt hier nichts anderes als das, was der Senat bereits in
anderen Entscheidungen
29
vgl. Urteile vom 15. Januar 1992 - 7 A 81/89 -, NWVBl 1993, 25, vom 26. Februar 1992 -
7 A 699/89 - und vom 2. Juli 1992 - 7 A 2539/89 -
30
zum Verhältnis der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung zur
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung oder eines
Vorbescheides ausgeführt hat. Auch hier wird der Inhalt der begehrten Genehmigung
durch die Änderung des Begehrens modifiziert, so daß eine Änderung des
Streitgegenstandes und damit eine Klageänderung vorliegt.
31
Vgl. OVG NW, Urteil vom 28. Mai 1993 - 7 A 1697/90 -.
32
Diese Klageänderung ist zulässig, weil die Änderung des Klagebegehrens i.S.v. § 91
Abs. 1, 2. Halbsatz VwGO sachdienlich ist. Wesentlich für den Begriff der
Sachdienlichkeit ist der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie. Danach ist eine
Klageänderung regelmäßig sachdienlich, wenn sie die Möglichkeit bietet, den Streitstoff
zwischen den Parteien endgültig mit zu bereinigen. Dabei darf indessen kein wesentlich
anderer Streitstoff, für den das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht verwertet
werden kann, zur Beurteilung und Entscheidung gestellt werden. Wann in einem
baurechtlichen Rechtsstreit im Falle einer Änderung des Vorhabens der Streitstoff im
o.g. Sinne geändert wird, läßt sich nicht allgemeingültig festlegen, sondern hängt vom
Einzelfall ab.
33
Vgl. OVG NW, Urteil vom 22. Mai 1991 - 7 A 2538/89 -.
34
Vorliegend hat der Kläger mit der Ausklammerung der Erschließungsfrage den
Streitstoff nicht wesentlich geändert. Das geänderte Begehren stellt gegenüber dem
ursprünglichen Antrag lediglich ein rechtliches und inhaltliches Minus dar. Mit dem
Antrag auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung wird eine Vielzahl einzelner Fragen
zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens - darunter auch die Frage der
Sicherung der Erschließung - zur Prüfung gestellt, so daß die Ausklammerung eines
Teilbereichs nur den Umfang der insgesamt unterbreiteten Fragestellung reduziert, nicht
jedoch eine andersartige Fragestellung im Sinne eines aliud aufwirft.
35
Die geänderte Klage ist auch zulässig. Sie scheitert insbesondere nicht am Fehlen des
Vorverfahrens. Zwar ist für die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung unter
Ausklammerung der Frage der Erschließung kein Vorverfahren durchgeführt worden.
Das Vorverfahren ist hier jedoch entbehrlich, weil die für das geänderte Begehren
maßgeblichen Fragen im Vorverfahren für das ursprünglich rechtshängig gemachte
Begehren geprüft worden sind und sich das Verlangen nach Wiederholung des
Vorverfahrens deshalb als leere Förmelei darstellen würde.
36
Die Klage ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 13. März 1995 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beigeladenen zu 1. vom 27. Juni 1995 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der nunmehr begehrten
Bebauungsgenehmigung, weil sein Vorhaben - soweit es mit der vorliegenden
Bauvoranfrage zur Überprüfung gestellt worden ist - öffentlich-rechtlichen Vorschriften
des Planungsrechts nicht widerspricht (vgl. §§ 71, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW).
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Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Klägers richtet sich nach § 34
BauGB, da es innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils der Gemeinde S.
verwirklicht werden soll, für den ein qualifizierter Bebauungsplan nicht besteht.
38
Ein Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer
Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt
und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Es kann unbedenklich davon
ausgegangen werden und ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten, daß
jedenfalls die Gebäude nördlich des L. bach und die westlich des C. bach Weges
zwischen Bach und Bahn gelegenen Häuser zu einem Ortsteil in diesem Sinne
gehören.
39
Das Grundstück des Klägers liegt innerhalb dieses im Zusammenhang bebauten
Ortsteils. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB reicht soweit,
wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der
Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit
vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang
angehört. Hierüber ist allerdings nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben,
sondern aufgrund einer umfassenden Wertung und Bewertung des im Einzelfall
gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt
einer solcher wertenden und bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen
Gegebenheiten. Dabei kommt es für die Ausdehnung eines
Bebauungszusammenhangs auf die Grundstücksgrenzen nicht entscheidend an.
Erforderlich ist vielmehr, daß die zur Bebauung vorgesehene Fläche einen Bestandteil
des Bebauungszusammenhangs bildet. Andererseits endet ein
Bebauungszusammenhang nicht zwangsläufig mit dem letzten vorhandenen Gebäude.
Der Bebauungszusammenhang kann durch besondere topographische oder
geographische Umstände wie Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte
(Dämme, Böschungen, Flüsse oder dergleichen) beeinflußt werden. Die
Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbarer Umstände kann dazu führen, daß der
Bebauungszusammenhang im Einzelfall abweichend von der Regel nicht am letzten
Baukörper endet, sondern noch ein oder mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer
sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze mit einschließt. Wie weit
der Bebauungszusammenhang über das letzte Gebäude hinaus reicht, hängt von den
jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
40
Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1972 - 4 C 6.71 -, BRS 25 Nr. 36 und vom 12.
Dezember 1990 - 4 C 40.87 -, BRS 50 Nr. 72 sowie Beschluß vom 10. März 1994 - 4 B
50.94 - m.w.N.
41
Gemessen an diesen Kriterien endet der Bebauungszusammenhang hier nicht mit der
südlich der C. Straße gelegenen Häuserzeile, sondern reicht darüber hinaus in
südlicher Richtung bis zum Verlauf der Bundesbahntrasse. Nach dem vom
Berichterstatter bei der Inaugenscheinnahme gewonnenen, den übrigen Mitgliedern des
Senats vermittelten Eindruck von der Örtlichkeit, den vorliegenden Luft- und Lichtbildern
sowie dem Kartenmaterial, aus dem auch das Geländeniveau abzulesen ist, nimmt die
etwa 50 m breite Freifläche zwischen der genannten Häuserzeile und der Bahntrasse,
zu der auch das Antragsgrundstück gehört, noch am Eindruck der Geschlossenheit und
Zusammengehörigkeit der Bebauung teil und ist nicht der sich südlich anschließenden
Außenbereichsfläche zugeordnet. Die Verkehrsanlage der Bundesbahn erscheint in der
Örtlichkeit als Begrenzungslinie, die den nördlich von ihr gelegenen und von Bebauung
geprägten Bereich des Ortsteils von dem jenseits der Trasse gelegenen Außenbereich
trennt. Diese trennende Wirkung tritt in der Örtlichkeit prägnant in Erscheinung. Die
Trasse verläuft auf einem von dem üblichen Geländeniveau der Bach- und
Auenlandschaft des L. bach deutlich abweichenden und auch in seiner baulichen
Ausgestaltung abgesetzten Bahndamm, dessen abgrenzende Wirkung optisch durch
das in Richtung Süden bzw. Südosten unmittelbar anschließende großräumige, in
diesem Bereich stark ansteigende bewaldete Gelände unterstrichen wird. Die Trasse
erhält durch diese topographische Besonderheit eine zusätzliche optische Dominanz
und bildet so eine in der Örtlichkeit nicht zu übersehende Zäsur. Es kommt hinzu, daß
sich der Bebauungszusammenhang westlich des C. bach Weges und nordöstlich des
Antragsgrundstücks bereits einheitlich in Richtung auf die Bahntrasse hin entwickelt, sie
aber nicht übersprungen hat, wodurch in diesem Bereich der Charakter dieser
Verkehrsanlage als klare Trennungslinie zwischen dem unbebauten Außenbereich und
der zusammenhängend bebauten Ortslage mit Wirkung auch für die hier interessierende
Fläche unterstrichen wird. Das gilt umso mehr, als die rückwärtigen unbebauten
Flächen der an die C. Straße grenzenden Hausgrundstücke nach ihrem Zuschnitt und
ihrer Gestaltung als Hausgärten in Erscheinung treten, wie sie für eine aufgelockerte
Besiedlung mit Wohnhäusern typisch ist, und wegen ihrer bebauungsakzessorischen
Funktion, Lage und räumlichen Dimension in unmittelbarem Anschluß an die
Wohnhäuser als Freiflächen geprägt werden, die der Wohnbebauung und nicht dem
Außenbereich zugehörig erscheinen. Somit verbleibt zwischen dem L. bach, der im
Gegensatz zum optisch dominanten Bahnkörper seinerseits schon wegen seiner
geringen Breite in der Örtlichkeit nicht als natürliche Grenze zwischen zwei Bereichen
unterschiedlicher planungsrechtlicher Qualität wirkt, und der Bahntrasse lediglich ein
langgestreckter, im Mittel etwa 20 m breiter Grundstücksstreifen, der nur noch wegen
seines Unbebautseins und des Grasbewuchses Attribute einer Außenbereichsfläche
aufweist, der indessen angesichts seines geringen Umfangs, seines Umgebenseins mit
baulichen Anlagen - seien es die Wohngebäude nördlich und westlich oder die
herausgehobene Verkehrsanlage im Süden - und seiner teilweise tatsächlichen
Nutzung als Freizeitfläche dem Innenbereich zugehörig erscheint und deshalb nicht
mehr dem Außenbereich zuzurechnen ist.
42
Das nach alledem nach § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben des Klägers fügt sich in
die Eigenart der näheren Umgebung ein.
43
Die maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, daß in zwei Richtungen -
nämlich in der Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung sowie in Richtung von der
Umgebung auf das Vorhaben - geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen
reichen. Dabei ist die Umgebung einmal insoweit zu berücksichtigen, als sich die
Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die
Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder
doch beeinflußt,
44
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36;
Urteil vom 3. April 1981 - 4 C 61.78 -, BRS 38 Nr. 69; Beschluß vom 4. Februar 1986 - 4
B 7-9.86 -, BRS 46 Nr. 64.
45
Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen gehört zur näheren Umgebung des
streitbefangenen Grundstücks schwerpunktmäßig das Gelände im Bereich zwischen der
C. Straße und der Bundesbahntrasse westlich und östlich des C. bach Weges, weil nur
insoweit eine gegenseitige Einflußnahme und Prägung der Grundstücke nach der
örtlichen Situation vorgegeben ist.
46
In die so bestimmte nähere Umgebung fügt sich das geplante Vorhaben ein.
47
Insbesondere hinsichtlich des Merkmals der "Grundstücksfläche, die überbaut werden
soll", mit dem die konkrete Größe der Grundfläche der jeweiligen baulichen Anlage und
ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint ist,
48
vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. April 1987 - 4 B 60.87 -, BRS 47 Nr. 68, und Beschluß
vom 28. September 1988 - 4 B 175.88 -, BRS 48 Nr. 50,
49
ist das Sich-Einfügen zu bejahen, obwohl das Vorhaben nicht zu einer öffentlichen
Straße hin ausgerichtet ist, sondern im Hintergelände liegt.
50
Der Begriff des "Einfügens" ist in der Rechtsprechung geklärt. Danach fügt sich ein
Vorhaben, das sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung
hervorgehenden Rahmens hält, in seine Umgebung ein, es sei denn, es würde es an
der gebotenen Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung fehlen lassen. Das
Erfordernis des Einfügens hindert allerdings nicht schlechthin daran, den vorgegebenen
Rahmen zu überschreiten; es hindert jedoch daran, dies in einer Weise zu tun, die - sei
es durch das Vorhaben selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - geeignet ist,
bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige Spannungen zu
begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen. Ein Vorhaben, das im
Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder
erhöht, das - in diesem Sinne - "verschlechtert", "stört", "belastet", bringt die ihm
vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung. Es stiftet eine "Unruhe", die potentiell
ein Planungsbedürfnis nach sich zieht.
51
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36;
Urteil vom 3. April 1981 - 4 C 61.78 -, BRS 38 Nr. 69; siehe auch Urteil vom 17. Juni
1993 - 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72.
52
Dabei führt allerdings der Umstand, daß sich ein Vorhaben als sog.
Hinterlandbebauung darstellt, die in der näheren Umgebung noch nicht rahmenbildend
vorhanden ist, als solcher noch nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Vielmehr ist im
53
Einzelfall darauf abzustellen, ob das Vorhaben aus sich heraus oder wegen seiner
Vorbildwirkung die städtebauliche Situation verschlechtert.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1980 - 4 C 30.78 -, BRS 36 Nr. 56.
54
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Vorhaben des Klägers zulässig.
55
Das Vorhaben des Klägers bewegt sich noch innerhalb des durch die vorgegebene
bauliche Nutzung des o.g. Bereichs geprägten Rahmens. Die vom Kläger erstrebte
Wohnnutzung des im Hintergelände gelegenen Flurstücks 1826 ist in der Umgebung
keineswegs vorbildlos. In dem vom streitbefangenen Grundstück etwa 90 m entfernt
liegenden Geländestreifen westlich des C. bach Weges zwischen L. bach und
Bundesbahntrasse - mithin also in einer deckungsgleichen städtebaulichen Situation -
finden sich im rückwärtigen Bereich zu Wohnzwecken genutzte Gebäude vergleichbarer
Größenordnung. Diese städtebauliche Situation läßt den Schluß zu, daß über die
Prägung hinaus, die sicherlich in erster Linie durch die straßennahe Bebauung entlang
der C. Straße beeinflußt ist, in maßgeblichen Bereichen ein in Richtung
Hinterlandbebauung gehendes, städtebaulich bedeutsames Element hinzutritt und daß
das Vorhaben des Klägers den hieraus abzuleitenden Rahmen nicht überschreitet.
56
Aber selbst wenn man eine den maßgeblichen Rahmen der näheren Umgebung noch
mitprägende Wirkung dieser westlich des C. bach Weges gelegenen
Hinterlandbebauung verneint und damit das Vorhaben, was seine Position angeht, als
außerhalb des maßgeblichen Rahmens liegend betrachtet, fügt es sich gleichwohl -
ausnahmsweise - in seine Umgebung ein. Seine Zulassung würde nämlich wegen der
besonderen örtlichen Gegebenheiten weder aus sich heraus noch wegen seiner
Vorbildwirkung die gegebene städtebauliche Situation verschlechtern, stören, belasten
oder in Bewegung bringen.
57
Das Vorhaben verursacht für sich betrachtet erkennbar keine städtebaulich relevanten
Spannungen. Es schließt lediglich die vorhandene Lücke zwischen L. bach und
Bundesbahntrasse und bewirkt dadurch keine städtebaulich relevante Verdichtung der
Bebauung. Das Verhältnis zwischen bebauter Fläche und unbebautem Grundstücksteil
wird angesichts der Grundstücksgröße dem vorhandenen Maßstab gerecht. Der
Abstand des geplanten Gebäudes zur nördlich gelegenen Bebauung ist allein schon
wegen des L. bach so bemessen, daß die für ein angemessenes Wohnen erforderliche
Wohnruhe nicht ernsthaft in Frage gestellt ist und auch der "Sozialabstand" gewahrt
bleibt. Die Verkehrsvorgänge, die durch die Neubebauung mit einem Einfamilienhaus
hervorgerufen werden, sind von der Anzahl her voraussichtlich so geringfügig, daß sie
städtebaulich nicht ins Gewicht fallen. Im übrigen wird letztlich im
Genehmigungsverfahren über die Anzahl und die Anordnung der Stellplätze unter
Beachtung des § 51 Abs. 8 BauO NW zu befinden sein.
58
Dem Vorhaben des Klägers kommt auch keine städtebaulich unerwünschte, weil
Spannungen begründende Vorbildwirkung zu. Es ist nicht geeignet, in diesem Sinne die
vorgegebene Situation in einer Weise zu verändern, die potentiell ein Bedürfnis für eine
ausgleichende städtebauliche Planung nach sich zieht. Zwar bietet sich nach
Zulassung des Vorhabens des Klägers die unbebaute Freifläche zwischen dem
Antragsgrundstück und dem C. bach Weg im Westen für eine weitere Bebauung an.
Angesichts der in der näheren Umgebung vorherrschenden aufgelockerten Bebauung,
der geringen Breite des langgestreckten Grundstücksstreifens und der bereits durch
59
Vorbescheid vom 28. November 1994 genehmigten straßennahen Bebauung des
Flurstücks 1723 bietet die Freifläche aber höchstens zwei weiteren Wohngebäuden
Platz. Der Senat vermag nicht zu erkennen, daß mit der Errichtung dieser geringen
Anzahl zusätzlicher Wohngebäude, deren Standort und Ausrichtung durch die
besondere örtliche Situation zwischen L. bach und Bahntrasse im wesentlichen
vorgegeben ist, städtebaulich relevante, nur durch eine Planung aufzufangende
Störungen verursacht werden können. Dies gilt umso mehr, als diese Bebauung nicht
etwa in besonders schützenswerte Ruhezonen der Umgebungsbebauung eindringt. Die
Umgebung ist bereits durch die Verkehrsbewegungen auf der Bahntrasse
lärmvorbelastet.
Schließlich fügt sich das Vorhaben des Klägers auch hinsichtlich der übrigen nach § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen Kriterien, soweit diese Merkmale mit der
vorliegenden Bauvoranfrage zur Überprüfung gestellt worden sind, in die nähere
Umgebung ein. Es entspricht der Art der Nutzung nach der hier ausschließlich
vorhandenen Wohnbebauung. Auch das Maß der Nutzung und die Bauweise werden im
Verhältnis zur Umgebungsbebauung offensichtlich gewahrt.
60
Dem Anspruch auf Erteilung der begehrten Bebauungsgenehmigung steht letztlich auch
nicht entgegen, daß zur Verwirklichung des Vorhabens des Klägers unter Umständen
auch landschaftsrechtliche Genehmigungen erforderlich sind. Der Gesichtspunkt des
Landschaftsschutzes kann dem Vorhaben des Klägers auch unter Berücksichtigung der
Landschaftsschutzverordnung nicht entgegengehalten werden, weil es zulässigerweise
im Innenbereich nach § 34 BauGB verwirklicht werden soll. Wenn § 34 BauGB
Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile für zulässig erklärt,
sofern sie der vorhandenen Bebauung nicht widersprechen, liegt darin nicht nur eine
planungsrechtliche Regelung der Bebauung, sondern zugleich eine in den
Rechtsbereich des Landschaftsschutzes hineinwirkende Aussage darüber, was
innerhalb eines derartigen Ortsteiles "Landschaft" ist. Eine
Landschaftsschutzverordnung, die das nicht berücksichtigt, verletzt § 34 BauGB und die
über Art. 14 GG grundrechtlich abgesicherte allgemeine Baufreiheit mit der Folge, daß
ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben nicht über Vorschriften des
Landschaftsschutzes generell verhindert werden kann.
61
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 1970 - 4 C 77.68 -, BRS 23 Nr. 44; OVG NW, Urteil
vom 14. Januar 1991 - 7 A 1387/89.
62
Darüber hinaus muß die Frage der landschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens
des Klägers bei der planungsrechtlichen Beurteilung im vorliegenden Verfahren auch
deshalb außer Betracht bleiben, weil das Erfordernis einer zusätzlichen
landschaftsrechtlichen Genehmigung nicht den auf die Erteilung einer
Bebauungsgenehmigung beschränkten Antragsgegenstand betrifft. Nach Landesrecht
ist ein gesondertes Verfahren für die Erteilung einer landschaftsrechtlichen Ausnahme
bzw. Befreiung durch die untere Landschaftsbehörde für solche Vorhaben
vorgeschrieben, die in einem förmlich unter Schutz gestellten Gebiet verwirklicht werden
sollen (vgl. § 69 LG), so daß die Frage der landschaftsrechtlichen Zulässigkeit den
Regelungsgehalt der begehrten Bebauungsgenehmigung nicht berührt. Die
Bebauungsgenehmigung nach den §§ 71, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW besitzt insoweit
keine Konzentrationswirkung.
63
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1983 - 4 C 19.81 -, BRS 40 Nr. 84, vom 19. April
64
1985 - 4 C 25.84 -, BRS 44 Nr. 80 und vom 10. Mai 1985 - 4 C 9.84 -, BRS 44 Nr. 81;
OVG NW, Urteil vom 16. November 1989 - 7 A 503/88.
Anhaltspunkte dafür, daß die Erteilung eventuell erforderlicher landschaftsrechtlicher
Genehmigungen von vornherein überhaupt nicht in Betracht kommt und deshalb dem
Antrag des Klägers auf Erteilung der Bebauungsgenehmigung das
Sachbescheidungsinteresse mit der Folge der Unzulässigkeit der Klage fehlt, sind nicht
ersichtlich. Bedenken gegen das Vorhaben unter dem Gesichtspunkt des
Landschaftsschutzes sind vom Beklagten bislang auch nicht erhoben worden.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
66
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
67