Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2009

OVG NRW: geheimhaltung, genehmigung, datenschutz, informationsfreiheit, amt, verkehr, offenkundig, steuergeheimnis, billigkeit, auskunftserteilung

Oberverwaltungsgericht NRW, 5 B 1184/08
Datum:
25.03.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 B 1184/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 L 990/08
Tenor:
Hinsichtlich der Frage des Antragstellers, ob der Bundesbeauftragte für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit beabsichtigt, ein Bußgeld
zu verhängen, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist der Beschluss
des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Juli 2008 unwirksam. Im Übrigen
wird die Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluss
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Senat hat das Rubrum von Amts wegen geändert. Richtige Antragsgegnerin ist die
Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit (im Folgenden: Bundesbeauftragter). Nur diese
ist im Sinne von § 61 VwGO beteiligtenfähig. Diese Vorschrift sieht die
Beteiligungsfähigkeit von Bundesbehörden nicht vor (vgl. § 61 Nr. 3 VwGO).
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Oktober 1985 - BVerwG 2 C 25.82 -, BVerwGE 72,
165, 167.
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Wegen seiner Unabhängigkeit gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 BDSG vertritt der
Bundesbeauftragte die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar.
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Vgl. Dammann, in: Simitis u. a., BDSG, 4. Aufl. 1992, 32. Lieferung 2001, § 22 Rn. 33.
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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit der Sache nach übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt haben, soweit es um die Beantwortung der Frage geht, ob
der Bundesbeauftragte beabsichtigt, ein Bußgeld zu verhängen, ist das Verfahren auf
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Grund der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO insoweit einzustellen. Des
Weiteren ist der angefochtene Beschluss in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären
(§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Soweit über die Beschwerde noch zu entscheiden ist, hat sie keinen Erfolg.
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Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist, soweit der
Bundesbeauftragte die Fragen des Antragstellers in allgemeiner Form beantwortet hat
(vgl. den Schriftsatz des Antragstellers vom 24. Oktober 2008). Jedenfalls ist die
Beschwerde unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO im Ergebnis zu Recht mit der
Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe jedenfalls die tatsächlichen
Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ihm stehe
der begehrte und ausschließlich auf § 4 Abs. 1 PresseG NRW gestützte
Auskunftsanspruch bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur
möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht zu. Diese Annahme des
Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
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Hinsichtlich der Frage 2. (Kooperation der Deutschen Telekom AG) hat das
Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, sie müsse schon deshalb nicht beantwortet
werden, weil damit lediglich die subjektive Einschätzung des Bundesbeauftragten
erfragt werden solle. Zwar trifft der Einwand des Antragstellers zu, der Begriff
"Kooperation" erstrecke sich neben einer subjektiven Einschätzung auch auf einen
objektiven Sinngehalt. Dies ändert nichts daran, dass die Beantwortung der
aufgeworfenen Frage nicht ohne eine Wertung möglich ist, die deutlich über die Angabe
der zu Grunde liegenden Tatsachen hinausgeht und einen Rückschluss auf diese
Tatsachen nicht erlaubt.
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Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -,
NJW 1995, 2741, 2742.
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Hinsichtlich der Fragen zu 1. und 3. bis 6. (eingeleitete Untersuchungsmaßnahmen und
Erkenntnisse des Bundesbeauftragten im Zusammenhang mit der so genannten
Bespitzelungsaffäre) kann auf sich beruhen, ob einem Anordnungsanspruch auf
genauere Beantwortung aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen bereits
§ 4 Abs. 2 Nr. 1 PresseG NRW entgegensteht. Zumindest nachdem der
Bundesbeauftragte seine Antworten im Laufe des Verfahrens weiter konkretisiert hat,
könnte die Erteilung noch genauerer Auskünfte die sachgemäße Durchführung sowohl
des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens als auch der Überprüfung der
Datenschutzkonzepte der Deutschen Telekom AG durch den Bundesbeauftragten
gefährden.
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Jedenfalls besitzt der Antragsteller den im Beschwerdeverfahren weiter verfolgten
Auskunftsanspruch deshalb nicht, weil bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
nur möglichen summarischen Prüfung Vorschriften über die Geheimhaltung
entgegenstehen (§§ 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NRW, 23 Abs. 5 Satz 1 BDSG).
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Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NRW besteht ein Anspruch auf Auskunft nach § 4 Abs.
1 PresseG NRW nicht, soweit Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen.
Geheimhaltungsvorschriften im Sinne dieser Regelung sind solche, die öffentliche
Geheimnisse schützen sollen und zumindest auch auskunftsverpflichtete Behörden zum
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Adressaten haben. Hierzu zählen u.a. Gesetzesbestimmungen über Staats- und
Dienstgeheimnisse. Demgegenüber sind keine Geheimhaltungsvorschriften im Sinne
des § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NRW Normen, die den einzelnen Beamten zur
Dienstverschwiegenheit verpflichten, wie etwa die §§ 61 ff. BBG. Der
Auskunftsanspruch richtet sich nämlich nicht gegen den einzelnen Beamten, sondern
gegen die Behörde insgesamt, deren Leitung nach den Beamtengesetzen des Bundes
und der Länder der Presse Auskünfte zu erteilen hat.
Vgl. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, § 4 LPG Rdnr. 100, 105 m.w.N.;
BayVGH, Urteil vom 7. August 2006 - 7 BV 05.2582 -, VGHE 59, 196 m.w.N.; ferner
Groß, DÖV 1997, 133, 137.
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Bei summarischer Prüfung spricht alles dafür, dass § 23 Abs. 5 Satz 1 BDSG eine
Geheimhaltungsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NRW ist. Nach § 23
Abs. 5 Satz 1 BDSG ist der Bundesbeauftragte, auch nach Beendigung seines
Amtsverhältnisses, verpflichtet, über die ihm amtlich bekannt gewordenen
Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies
nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind
oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. § 23 Abs. 5 Satz 3 BDSG
bestimmt schließlich, dass der Bundesbeauftragte, auch wenn er nicht mehr im Amt ist,
über solche Angelegenheiten ohne Genehmigung des Bundesministeriums des Innern
weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben darf.
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Im Gegensatz zu beamtenrechtlichen Bestimmungen wie den §§ 61 ff. BBG richtet sich
die Verschwiegenheitspflicht in § 23 Abs. 5 Satz 1 BDSG an den Bundesbeauftragten
selbst, nicht an seine verbeamteten Mitarbeiter.
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Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 8. Aufl. 2005, § 23 Rn. 11; Dammann, a.a.O., § 23 Rn. 28.
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Sie ist angesichts seiner weit reichenden Zugangsmöglichkeiten zu Informationen
zudem eine unabdingbare Voraussetzung zur Herstellung eines
Vertrauensverhältnisses zu allen Beteiligten im Interesse eines wirkungsvollen
Schutzes des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Sie besteht sowohl im öffentlichen Interesse als auch zum
Schutz der Personen, deren Verhältnisse ihm bekannt werden. Sie soll verhindern, dass
dienstliche Erkenntnisse unkontrolliert ausgestreut werden.
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Vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 23 Rn. 9 ff.; Dammann, a.a.O., § 23 Rn. 25 f.; siehe zur
Stellung eines Datenschutzbeauftragten auch BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2005 -
BVerwG 2 B 96.04 -, Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 61.
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Die Verschwiegenheitspflicht des Bundesbeauftragten ähnelt damit dem
Steuergeheimnis, das in vergleichbarer Weise das Vertrauen des jeweils Betroffenen
stärken und ihm den Grund nehmen soll, die von ihm verlangten Informationen zu
verweigern.
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Hierzu vgl. Rossi, IFG, 2006, § 3 Rn. 52; Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 3 Rn. 85.
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Auf Grund dieser besonderen Zielrichtung der dem Bundesbeauftragten im Interesse
des Datenschutzes auferlegten Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich seine
Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur
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allgemein auf "wesentliche Entwicklungen des Datenschutzes". Aus dem
Zusammenspiel zwischen der besonderen Verschwiegenheitspflicht über amtlich
bekannt gewordene Angelegenheiten und dem auf wesentliche Entwicklungen des
Datenschutzes beschränkten Informationsauftrag der Öffentlichkeit ergibt sich, dass der
Bundesbeauftragte auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geschützten
Auftrags der Presse nicht zu der vom Antragsteller begehrten konkreteren
Auskunftserteilung über noch andauernde konkrete Ermittlungen und vorläufige
Erkenntnisse verpflichtet ist, zumal für eine Genehmigung des Bundesministeriums des
Innern weder etwas vorgetragen noch sonstwie ersichtlich ist.
Im Hinblick auf die besondere politische Dimension der Spitzelaffäre handelt es sich bei
den vom Antragsteller verlangten genauen Auskünften ersichtlich auch nicht um solche,
die wegen ihrer Bedeutungslosigkeit keiner Geheimhaltung bedürften. Letzteres kann
nicht angenommen werden, wenn eine Angelegenheit unter irgendeinem Gesichtspunkt
Bedeutung gewinnen kann.
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Vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2002 - 5 StR 276/02 -, BGHSt 48, 126, 130.
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Dass die vom Antragsteller begehrten genauen Auskünfte aus irgendeinem Grund jetzt
oder auch später Belang besitzen können, ist nach Aktenlage zumindest nicht
auszuschließen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es
entspricht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens in erster Instanz sowie hinsichtlich
des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller auch bezüglich des erledigten Teils
aufzuerlegen. Betreffend die ursprünglich begehrte Auskunft darüber, ob der
Bundesbeauftragte die Verhängung eines Bußgelds beabsichtige, wäre der
Antragsteller ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen.
Nach der Rechtsprechung des Senats besteht kein Auskunftsanspruch bezogen auf
bloße Absichten, die sich nicht in irgendeiner Form im amtlichen Raum manifestiert
haben.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -, NJW 1995, 2741.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3
Satz 3 GKG unanfechtbar.
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