Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.11.2008

OVG NRW (teilnahme, mehrarbeit, besoldung, egv, lehrer, verwaltungsgericht, erhöhung, arbeitszeit, arbeit, umfang)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 4839/04
Datum:
19.11.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 4839/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 3 K 8697/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf die Streitwertstufe
bis 300,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat,
ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
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Die Klägerin macht geltend, sie sei für die Dauer der Klassenfahrt denselben
Belastungen wie eine Vollzeitkraft ausgesetzt gewesen. Dass sie hierfür eine geringere
Besoldung erhalte als vollzeitbeschäftigte Lehrer, sei mit § 6 Abs. 1 BBesG und Art. 141
EGV nicht vereinbar. Es sei zweifelhaft, ob teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte tatsächlich in
geringerem Umfang als vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte zu Klassenfahrten herangezogen
würden. Jedenfalls könne eine solche Kompensation dem geltend gemachten
Besoldungsanspruch nicht entgegengehalten werden.
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Diese Einwände stellen das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis nicht
durchgreifend in Frage.
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§ 6 Abs. 1 BBesG kommt als Grundlage für das Klagebegehren nicht in Betracht. Die
Besoldung teilzeitbeschäftigter Beamter knüpft nach dieser Vorschrift an die mit der
Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung festgelegte Arbeitszeit an. Bei Lehrern ist auf die
Zahl der festgelegten Pflichtstunden abzustellen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 -, BVerwGE 122, 65; v. Zwehl
in: Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Stand Juni 2008, § 6 Rdnr. 6.
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Die Pflichtstundenzahl ändert sich durch die Teilnahme an einer Klassenfahrt nicht.
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Auf die §§ 78 a Abs. 2 LBG NRW, 48 Abs. 1 BBesG i.V.m. den Vorschriften der
Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) lässt
sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht stützen. Die Teilnahme an einer
Klassenfahrt ist bereits keine Mehrarbeit im Sinne der MVergV. Aus § 5 Abs. 2 MVergV
ergibt sich, dass die MVergV unter Mehrarbeit im Schuldienst nur die Leistung
zusätzlicher Unterrichtsstunden versteht. Darüber hinaus scheitert ein Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung an dem Vorrang des Freizeitausgleichs gemäß § 78 a Abs. 2 Satz
1 LBG NRW und § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV. Danach entsteht ein Vergütungsanspruch
nur, wenn die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch
Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann. Für einen
derartigen Ausnahmefall sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Auch aus Art. 141 Abs. 1 und 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften (EGV) i.V.m. mit der Richtlinie 75/117/EWG des Rates der
Europäischen Gemeinschaften folgt nicht, dass das Verwaltungsgericht der Klage hätte
stattgeben müssen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet der in diesen
Vorschriften enthaltene Entgeltgleichheitsgrundsatz keinen Anspruch
teilzeitbeschäftigter beamteter Lehrkräfte auf eine zusätzliche Vergütung für die
Teilnahme an Klassenfahrten. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung
teilzeitbeschäftigter Lehrer gegenüber Vollzeitkräften sei zu verneinen, wenn
vorübergehende Belastungen durch Entlastungsmaßnahmen des Dienstherrn innerhalb
des maßgeblichen Zeitraums, der bis zu zwölf Kalendermonate betragen könne,
ausgeglichen würden. Dies sei der Fall, wenn - wie hier - durch Richtlinien ein
seltenerer Einsatz teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte bei Klassenfahrten möglich gemacht
werde.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004, a.a.O.
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Zwar ist einzuräumen, dass diese Erwägung mit der neueren Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats zur
Mehrarbeit teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist.
Nach dieser Rechtsprechung sind Unterrichtsstunden, die ein solcher Lehrer zusätzlich
zu seinem Pflichtstundendeputat bis zur regulären Arbeitszeit eines
vollzeitbeschäftigten Lehrers leistet, anteilig zu besolden.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - C-300/06 -; BVerwG, Urteil vom 13. März
2008 - 2 C 128.07 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. August 2008 - 6 A 2445/05 -, vom
10. September 2008 - 6 A 2446/05 - und vom 17. September 2008 - 6 A 3421/05 -.
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Es verstößt gegen den Entgeltgleichheitsgrundsatz, dass Teilzeitbeschäftigte aufgrund
der Vorschriften der MVergV für die gleiche Arbeit und gleiche Anzahl von Stunden eine
geringere Vergütung erhalten als Vollzeitbeschäftigte. Auch während einer Klassenfahrt
werden teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte im selben Umfang in Anspruch genommen wie
vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte, dabei jedoch geringer besoldet.
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Der Senat stellt seine Bedenken jedoch zurück und schließt sich dem BVerwG im
Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung an. Eine Rechtfertigung hierfür sieht er
in einer Besonderheit, welche die Leistung zusätzlicher Unterrichtsstunden von der
Mehrbeanspruchung durch die Teilnahme an einer Klassenfahrt unterscheidet.
Zusätzliche Unterrichtsstunden eines teilzeitbeschäftigten Lehrers führen zu einer
unmittelbaren Erhöhung der Vergleichsgröße, an die der europarechtliche
Entgeltgleichheitsgrundsatz anknüpft. Nach Art. 141 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchstabe b)
EGV muss das Entgelt für eine nach Zeit bezahlte Arbeit bei gleichem Arbeitsplatz
gleich sein. Bei beamteten Lehrkräften bedeutet dies, dass mit der Zahl der
Unterrichtsstunden, die der Maßstab für die Höhe der Besoldung ist, auch eben diese
Besoldung in demselben Verhältnis ansteigen muss. Die Teilnahme an einer
Klassenfahrt führt demgegenüber zu keiner unmittelbaren Erhöhung dieser
Vergleichsgröße.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 und 72 Nr. 1
GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des
Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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