Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 03.04.2009

OVG NRW: anschluss, hauptsache, gemeinde, unterliegen, entscheidungskompetenz, billigkeit, quote, abwasser, zivilprozessordnung, ermessen

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 4652/06
Datum:
03.04.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 4652/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 3322/04
Tenor:
Das Verfahren über den angeordneten Benutzungszwang wird
eingestellt. Die Klageabweisung im angegriffenen Urteil ist wirkungslos.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger zu 3/4 und
der Beklagte zu 1/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der
Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Nachdem die Beteiligten die berufungsbefangene Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, ist insoweit gemäß §§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 1 und 3 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Berichterstatter entsprechend § 92 Abs.
3 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung das Verfahren
einzustellen und das angegriffene Urteil in diesem Umfange für wirkungslos zu erklären
sowie gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden.
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Soweit es um die Kosten des Verfahrens über den allein berufungsbefangen
gewesenen Benutzungszwang geht, trägt der Beklagte die Kosten. Die angefochtene
Verfügung rechtfertigt sich nämlich erst aus § 13 Abs. 1 Satz 3 der
Entwässerungssatzung der Gemeinde L. vom 26. September 1996 in der Fassung der 2.
Änderungssatzung vom 14. Dezember 2006, mit der erstmals die Pflicht des
Anschlussnehmers begründet wurde, das Abwasser in einer als Druckleitung
angelegten Grundstücksanschlussleitung in den Freispiegelkanal zu pumpen. Diese im
Laufe des Berufungsverfahrens in Kraft getretene Satzung hat dazu geführt, dass die
Klage unbegründet wurde. Die Rechtsänderung war auch im gerichtlichen Verfahren zu
berücksichtigen, da es bei der Benutzungsverfügung nicht um eine Regelung für einen
punktuellen Zeitpunkt, sondern um eine Dauerregelung geht, für die materiell-rechtlich
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die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Mit
Rücksicht auf die von der Gemeinde herbeigeführte Rechtsänderung haben die
Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt, so dass es der Billigkeit entspricht, die
Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Dies gilt für den Benutzungszwang auch für die
erstinstanzliche Entscheidung.
Soweit das Verwaltungsgericht über die Kosten der insoweit zurückgenommenen Klage
gegen den angeordneten Anschluss entschieden hat, verbleibt es bei seiner
Entscheidung nach § 155 Abs. 2 VwGO, diese Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Das
Verwaltungsgericht hat die zwei Klagegegenstände, nämlich den angeordneten
Anschluss einerseits, hinsichtlich dessen der Kläger die Klage erstinstanzlich
zurückgenommen hat, und den weiter streitbefangen gebliebenen Benutzungszwangs
andererseits streitwertmäßig mit 12.000,-- Euro für den Anschlusszwang und mit 4.000,--
Euro für den Benutzungszwang veranschlagt und die Kosten der zurückgenommenen
Klage gegen den Anschlusszwang dem Kläger auferlegt. Irrtümlich hat es dabei den
Streitwertanteil bezüglich des zurückgenommenen Teils der Klage mit 4.000,-- Euro statt
richtig mit 12.000,-- Euro angesetzt und kam somit wegen des Erfolgs der Klage im
Übrigen zu der Kostenquote von 1/4 für den Kläger und 3/4 für den Beklagten.
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Bei dieser Konstellation stellt sich nicht die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene
Frage, inwieweit eine nach § 158 VwGO grundsätzlich unanfechtbare
Kostenentscheidung bei nur teilweiser erstinstanzlicher Erledigung berufungsbefangen
werden kann.
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 8. September 2005 - 3 C 50.04 -, NJW 2006, 536 (538);
Beschluss vom 7. August 1998 - 4 B 75.98 -, NVwZ-RR 1999, 407 (408); Urteil vom 29.
Januar 1993 - 8 C 32.92 -, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 182, S. 27 f.; Neumann in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 158 Rn. 33 ff.; Bader in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl., §
158 Rn. 3.
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Es geht nämlich nicht um den Bestand der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung
bezüglich des zurückgenommenen Klageteils zu Lasten des Klägers, sondern darum,
wie das Berufungsgericht eine ihrem Inhalt nach hinzunehmende
Kostengrundentscheidung bezüglich des zurückgenommenen Teils der Klage zu
behandeln hat, wenn die erstinstanzliche Kostenentscheidung insgesamt irrtümlich den
Streitwertanteil des rechtshängig gebliebenen Klageteils am Gesamtstreitwert zu hoch
bemisst. Insoweit handelt es sich um Kosten des berufungsbefangenen Teils der Klage,
die dem Zugriff des Berufungsgerichts unterliegen. Die erstinstanzlich dem Beklagten
zugewiesene Quote kann damit keinen Bestand haben. Die Gesamtkostenentscheidung
hat alle Kosten zu verteilen. Deshalb ist die insoweit unvollständig gewordene
erstinstanzliche Kostenentscheidung bezüglich des zurückgenommenen Klageteils für
den Kläger quotenmäßig zu korrigieren. Da die Unvollständigkeit auf der Korrektur der
Kostenquote des Beklagten durch das Berufungsgericht beruht, erstreckt sich dessen
Entscheidungskompetenz auch auf die Kostenquote des Klägers.
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Vgl. zur vergleichbaren Problematik der Kompetenz des Rechtsmittelgerichts, nach
einer Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung die dadurch unrichtig
gewordene erstinstanzliche Kostenquotelung ändern zu können, OVG NRW, Beschluss
vom 12. September 2006 - 13 A 3656/04 -, NVwZ-RR 2007, 212.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 52 Abs. 2 des
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Gerichtskostengesetzes.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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