Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.01.2007

OVG NRW: aufschiebende wirkung, vorauszahlung, rechtsgrundlage, ermächtigung, belastung, spieleinsatz, gemeinde, berechtigung, unterliegen, ausnahme

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 B 1518/06
Datum:
08.01.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 B 1518/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 2 L 565/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den
Vorauszahlungsbescheid des Antragsgegners über
Vergnügungssteuern für das Jahr 2006 vom 29. Dezember 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 20. März
2006 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 8.640,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde hat Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat die Grundsätze, nach denen bei der Anforderung von
öffentlichen Abgaben die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs
oder einer Klage in Betracht kommt, zutreffend dargestellt. Der Senat sieht anders als
das Verwaltungsgericht nach derzeitiger Erkenntnislage auf der Grundlage des im
Beschwerdeverfahren zu prüfenden Vorbringens (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6
VwGO) einen Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren als wahrscheinlicher
an als ein Unterliegen.
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Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geforderten Vorauszahlung,
weil für die entsprechende Regelung in der Vergnügungssteuersatzung eine
Rechtsgrundlage fehlen dürfte. Eine Vorausleistung auf eine künftige Abgabenschuld
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sieht das Kommunalabgabengesetz NRW für Beiträge (§ 8 Abs. 8 und § 9 Satz 3 KAG
NRW) und für Gebühren (§ 6 Abs. 4 KAG NRW) vor, nicht hingegen für Steuern
entsprechend § 3 KAG NRW. Das Recht, Vorausleistungen auf Gebühren zu erheben,
wurde durch das Rechtsbereinigungsgesetz 1987 vom 6. Oktober 1987, GV NRW Seite
342, eingeräumt, nachdem der 2. Senat dieses Gerichts durch Urteil vom 6. Februar
1986 - 2 A 3373/83 - KStZ 1986, 192, entschieden hatte, dass Vorauszahlungen auf
künftige Benutzungsgebühren nach dem geltenden Kommunalabgabenrecht nicht
erhoben werden können. Der Begründung für die Einfügung des § 6 Abs. 4 KAG lässt
sich kein Anhalt dafür entnehmen, aus welchen Gründen für Steuern die Einräumung
einer entsprechenden Befugnis zur Erhebung von Vorauszahlungen unterblieb.
Vgl. Landtags-Drucks. 10/2364 S. 34.
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Auch wird § 164 Abs. 1 Satz 2 AO, nach der die Festsetzung einer Vorauszahlung stets
eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt ist, nicht durch § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG für
entsprechend anwendbar erklärt.
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Die generelle Berechtigung der Gemeinde zur Steuererhebung dürfte nicht auch die
Ermächtigung umfassen, Vorauszahlungen auf Steuern zu erheben. Die Erhebung
solcher Vorauszahlungen hat eine Belastung des Pflichtigen zur Folge, die mit der
Steuererhebung selbst nicht identisch ist. Dementsprechend werden Vorauszahlungen
in vielen Gesetzen gesondert geregelt, was entbehrlich wäre, wenn das Recht zur
Steuererhebung zugleich das Recht umfasst, hierauf Vorauszahlungen zu verlangen.
Auch aus § 38 AO, auf den § 12 Abs. 1 Nr. 2b KAG Bezug nimmt, folgt nicht die
Rechtmäßigkeit der Vorauszahlungsforderung. § 38 AO regelt allgemein, dass
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand
verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht anknüpft. Die
Vergnügungssteuersatzung bestimmt zwar, dass der Vergnügungssteueranspruch mit
Aufstellung der Spielapparate entsteht. Die Höhe der Steuer für Geldspielgeräte kann
aber erst festgestellt werden, wenn nach Ablauf des Veranlagungszeitraums der
Spieleraufwand (oder bei anderen Satzungen das Einspielergebnis oder der
Spieleinsatz) feststeht. Der Antragsgegner hat dementsprechend auch keinen aus dem
Steuerschuldverhältnis entstandenen Anspruch gefordert, sondern wörtlich eine
Vorauszahlung verlangt. Für diese auch rechtlich als Vorauszahlung zu bewertende
Forderung dürfte eine Rechtsgrundlage nicht gegeben sein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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