Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.07.1997

OVG NRW (schutzwürdiges interesse, antragsteller, der rat, anordnung, antrag, vorläufig, hauptsache, unterlassen, interesse, 1995)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 1138/97
Datum:
15.07.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 1138/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 L 681/97
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
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Der Antrag ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2
VwGO liegt nicht vor.
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I. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des
angegriffenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor,
weil eine Beschwerde in einem durchzuführenden Beschwerdeverfahren nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich wäre.
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1. Die Anträge,
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dem Antragsgegner zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig
jede Maßnahme zur Umsetzung der Beschlüsse des Antragsgegners zu 2. vom 26.
Februar 1997 und vom 30. April 1997 zu unterlassen, bis über die Zulässigkeit des
eingereichten Bürgerbegehrens "Gegen ein freiwilliges Gesamtschulangebot"
rechtskräftig entschieden ist,
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dem Antragsgegner zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig
jede Maßnahme zur Schaffung der Voraussetzungen für die Handlungsfähigkeit des
"Gesamtschulverbandes M. /C. P. " zu unterlassen und entgegenstehende Beschlüsse,
insbesondere den Beschluß vom 26. Februar 1997, aufzuheben, bis über die
Zulässigkeit des eingereichten Bürgerbegehrens "Gegen ein freiwilliges
Gesamtschulangebot" rechtskräftig entschieden worden ist,
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mit denen die Antragsteller das Ziel verfolgen, die Bildung des Gesamtschulverbandes,
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den Beitritt der Stadt C. P. zu diesem Verband und die Errichtung einer Gesamtschule in
C. P. vorläufig zu verhindern bzw. rückgängig zu machen, dürften jedenfalls deshalb
erfolglos bleiben, weil die Antragsteller einen entsprechenden Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht haben (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 und §
294 ZPO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht weder für den Rat noch für
andere Organe und/oder Behörden eine "Entscheidungssperre", wenn parallel ein
denselben Sachverhalt betreffendes Verfahren zur Herbeiführung eines
Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids betrieben wird.
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Vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - 15 B 2799/95 -; vom 12. Februar 1996 - 15 B
134/96 -; vom 11. März 1996 - 15 B 574/96 -; vom 25. Juli 1996 - 15 B 1730/96 - und vom
12. Mai 1997 - 15 B 837/97 -.
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Dementsprechend ist weder der Antragsgegner zu 1. noch der Antragsgegner zu 2.
gehalten, Maßnahmen, die (letztlich) der Errichtung einer Gesamtschule in C. P. dienen,
bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
zurückzustellen oder rückgängig zu machen.
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2. Der weitere Antrag,
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dem Antragsgegner zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig
seinen Beschluß vom 30. April 1997 aufzuheben, bis über die Zulässigkeit des
eingereichten Bürgerbegehrens "Gegen ein freiwilliges Gesamtschulangebot"
rechtskräftig entschieden worden ist,
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dürfte bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein. Ein rechtlich
schutzwürdiges Interesse der Antragsteller an der vorläufigen Aufhebung des
Beschlusses vom 30. April 1997, mit dem der Antragsgegner zu 2. das Bürgerbegehren
für unzulässig erklärt hat, ist nicht dargetan. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, welches
Interesse die Antragsteller an der vorläufigen isolierten Aufhebung einer negativen
Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens haben könnten.
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Daß das wahre Rechtsschutzziel der Antragsteller darauf gerichtet ist, den
Antragsgegner zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung zur Feststellung der
Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu verpflichten,
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vgl. zum Rechtsschutz bei Feststellung der Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens:
Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, § 26 Anm. VII 1.
und § 25 Anm. VII 1.
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ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Aus der Begründung der Antragsschrift vom
13. Mai 1997 ergibt sich vielmehr, daß die Antragsteller mit ihrem Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung lediglich verhindern wollen, daß vollendete Tatsachen
geschaffen werden, bevor über ihren derzeit im Widerspruchsverfahren geltend
gemachten Anspruch, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den Antragsgegner
zu 2. feststellen zu lassen, entschieden worden ist.
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Selbst wenn das Antragsbegehren dahingehend auszulegen wäre, den Antragsgegner
zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Feststellung der Zulässigkeit
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des Bürgerbegehrens zu verpflichten, wäre ein solcher Antrag voraussichtlich ebenfalls
unzulässig, weil er auf eine, wenn auch zeitlich beschränkte, gleichwohl aber
unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und damit unstatthaft wäre. Auch
eine zeitlich beschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist nur zulässig, wenn durch
sie die begehrte hoheitliche Maßnahme noch nicht abschließend vollzogen wird,
sondern die durch die einstweilige Anordnung getroffene Regelung bei negativem
Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache ohne Schwierigkeiten beendet werden kann.
Vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 1994, § 123 Rdnr. 13.
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Diese Voraussetzungen wären hier nicht gegeben. Mit der Feststellung der Zulässigkeit
des Bürgerbegehrens durch den Antragsgegner zu 2. würde die Dreimonatsfrist des §
26 Abs. 6 Satz 2 GO NW in Lauf gesetzt, innerhalb derer der Rat dem Bürgerbegehren
entsprechen muß oder ein Bürgerentscheid durchzuführen ist.
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Vgl. insoweit Beschluß des Senats vom 20. März 1995 - 15 B 546/95 -.
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Damit wäre das Bürgerbegehren erfüllt. Erweist sich das Bürgerbegehren im
Hauptsacheverfahren als unzulässig, würden jedenfalls die faktischen Wirkungen eines
im Sinne des Bürgerbegehrens ergangenen Bürgerentscheides nicht ohne weiteres
hinfällig.
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II. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Rechtssache entgegen der
Auffassung der Antragsteller weder besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§
146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch grundsätzliche Bedeutung hat (§ 146
Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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