Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2005

OVG NRW: vereinfachtes verfahren, bebauungsplan, satzung, bekanntmachung, firma, eigentum, öffentlich, gemeinde, begriff, mangel

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 D 139/04.NE
Datum:
30.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 D 139/04.NE
Tenor:
Der Bebauungsplan Nr. 2 HO - "Große B. " (3. Nachtrag),
Satzungsbeschluss vom 21. Juli 2004 - der Stadt Q. P. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Antragsteller sind Eigentümer der Parzellen 502, 512 und 522, die beidseitig an die
in Nordsüdrichtung verlaufende Straße Am Alten N. angrenzen. Auf ihrem Grundstück
stehen das von den Antragstellern bewohnte Wohnhaus und die gewerblichen Anlagen
eines Fliesenbetriebs. Südlich an die Grundstücke der Antragsteller grenzen die
ebenfalls beidseitig der Straße Am Alten N. gelegenen Parzellen 501, 83 und andere
an, die im Eigentum der Möbelfabrik Firma C. (bzw. Firma C1. Holz-Design-Möbel)
stehen. Alle vorgenannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des
Bebauungsplans Nr. 2 HO "Große B. " (3. Nachtrag), der hier ein Gewerbegebiet
festsetzt. Die Antragsteller wenden sich mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag
gegen diesen Plan.
2
Das Bebauungsplangebiet liegt in etwa nördlich der bebauten Ortslage von Q. P. -I. , die
sich zum Teil auch noch östlich des Bebauungsplangebiets entlang erstreckt. Aus der
Ortslage heraus führt die B 65 in nordöstlicher Richtung. Der Bebauungsplan grenzt mit
einem Teilstück seiner Südostseite an die B 65 an. Durch das Bebauungsplangebiet
führen in grob südnördlicher Richtung und zueinander etwa parallel drei Straßen bzw.
Wirtschaftswege (neben der Straße Am Alten N. im Westen der F.-------- ---weg in der
Mitte und der nur als Wirtschaftsweg bestehende 3. N1.----weg im Osten), die alle an die
B 65 anknüpfen und diese mit der C2. Straße im Norden verknüpfen. Die C2. Straße
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begrenzt das Bebauungsplangebiet im Norden. Die Straße Am Alten N. erschließt auf
den letzten etwa 150 m vor der Einmündung in die B 65 außerhalb des
Bebauungsplanbereichs einige Wohnhäuser.
Der Bebauungsplan setzt großräumig zum einen Flächen für die Landwirtschaft, zum
anderen Gewerbegebietsbereiche fest. Im Osten schließt ein schmaler Streifen eines
allgemeinen Wohngebiets an die Wohnbebauung auf der östlichen Seite der Straße Zur
G. an, die selbst nicht mehr im Bebauungsplanbereich liegt. Zur Erschließung der
Gewerbegebiete sollen die vorbenannten Wege bzw. Straßen dienen. Der 3. N1.----weg
ist dabei als Hauptanbindung des Gewerbegebiets an die B 65 vorgesehen. Im
Einmündungsbereich zur B 65 ist die festgesetzte Verkehrsfläche derart aufgeweitet,
dass dort eine Linksabbiegerspur eingerichtet werden kann. Der 3. N1.----weg , der F.----
-------weg und die Straße Am Alten N. sollen durch eine in einem Wendehammer
endende Parallelstraße zur C2. Straße, die etwa mittig durch das Bebauungsplangebiet
führt, verbunden werden (im Folgenden: Planstraße). Die bislang von der B 65 bis zur
C2. Straße faktisch durchlaufende und als öffentliche Verkehrsfläche entsprechend,
wenngleich in der Breite über den Ausbauzustand hinausgehend, in dem
Bebauungsplan Nr. 2 HO in der Fassung des 2. "Nachtrags" festgesetzte Straße Am
Alten N. ist durch den Bebauungsplan in der von den Antragstellern angegriffenen
Fassung des 3. "Nachtrags" nördlich der Planstraße und südlich der Grundstücke der
Antragsteller nicht mehr als öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen, sondern als Teil des
Gewerbegebiets überplant. Der als öffentliche Verkehrsfläche verbleibende nördliche
Ast der Straße Am Alten N. soll an seinem südlichen Ende auf seiner östlichen Seite auf
etwa 30 m in Nordsüdrichtung um etwa 2 m in östlicher Richtung gegenüber dem
bestehenden Ausbauzustand zu Lasten der im Eigentum der Antragsteller stehenden
Parzelle 522 aufgeweitet werden; auf der westlichen Seite der Straße ist hier ein etwa
12 m tiefer Wendehammer vorgesehen, der insgesamt rund 7 m zuzüglich
Eckausrundungen breit sein soll. Von diesen 7 m entfallen 5 m auf die (im Eigentum der
Firma C. stehende) Parzelle 501, 2 m auf die Parzelle 512 der Antragsteller.
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Durch textliche Festsetzungen bestimmt der Bebauungsplan Einzelheiten zu den
Gebäudehöhen, setzt immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel für
die Gewerbegebiete fest, bestimmt Maßnahmen passiven Schallschutzes, trifft
umfangreiche Begrünungsregelungen auch zum Ausgleich des Eingriffs in Natur und
Landschaft entsprechend den Vorgaben eines landschaftsökologischen Fachbeitrags
und bestimmt Näheres zur Gestaltung der baulichen Anlagen. Ferner ist geregelt, dass
in den allgemeinen Wohngebieten Gartenbaubetriebe, Tankstellen sowie
Vergnügungsstätten und Spielotheken (textliche Festsetzung Nr. 6 a), in den
Gewerbegebieten Vergnügungsstätten und Spielotheken (textliche Festsetzung Nr. 6 b)
nicht zulässig sind. Die textliche Festsetzung Nr. 6 c lautet:
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"Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten ist nur in direktem funktionalen und
baulichen Zusammenhang mit Handwerksbetrieben sowie als
Produktionsverbindungshandel zulässig. Die Geschossfläche der
Einzelhandelsnutzung muss der Geschossfläche des Bauvorhabens deutlich
untergeordnet sein = kleiner als 40 %. Alle anderen Einzelhandelsbetriebe mit
innenstadtrelevanten Sortimenten sind im Plangebiet unzulässig. ..."
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In dieser textlichen Festsetzung sind ferner die als innenstadtrelevant angenommenen
Sortimente aufgelistet.
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Das Bebauungsplanverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Mit
rechtskräftigem Urteil vom 4. März 2004 - 7 a D 146/02.NE - hat der 7a Senat des
Oberverwaltungsgerichts den ebenfalls als Bebauungsplan Nr. 2 HO - "Große B. " (3.
Nachtrag) - bezeichneten Bebauungsplan, Satzungsbeschluss vom 23. Oktober 2002,
deshalb für unwirksam erklärt, weil die damalige, ebenfalls auf Einzelhandelsnutzungen
bezogene textliche Festsetzung in Nr. 6 c des Bebauungsplans städtebaulich nicht
gerechtfertigt war. Der Bau- und Planungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss
daraufhin am 19. April 2004, den Bebauungsplan im vereinfachten Verfahren zu ändern.
Der Aufstellungsbeschluss wurde am 29. April 2004 öffentlich bekannt gemacht.
Betroffenen Eigentümern, unter ihnen die Antragsteller, wurde mit Schreiben vom 9. Juni
2004 Gelegenheit gegeben, Anregungen zu der beabsichtigten Änderung vorzutragen.
Geändert werden sollte die textliche Festsetzung Nr. 6 c. Bürger wandten sich gegen die
Bebauungsplanung, so die Antragsteller mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten
vom 30. Juni 2004. Träger öffentlicher Belange wurden am Änderungsverfahren
beteiligt. Am 21. Juli 2004 prüfte der Rat die vorgebrachten Anregungen und beschloss
die erneut als 3. Änderung bezeichnete Fassung des Bebauungsplans, der eine
Begründung beigegeben ist, als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 26. August
2004 öffentlich bekannt gemacht. Am selben Tage bestätigte der Bürgermeister der
Antragsgegnerin, dass der Bebauungsplan als Satzung beschlossen worden und
bekannt gemacht worden sei. Der Satzungsbeschluss wurde am 10. Februar 2005
erneut bekannt gemacht. In der Bekanntmachung ist ausgeführt, der vom Rat der
Antragsgegnerin am 23. Oktober 2002 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 2
HO - "Gewerbegebiet Große B. (3. Nachtrag)" - sei in einem Normenkontrollverfahren für
unwirksam erklärt worden. Der Rat habe die darauf erfolgte Änderung des
Bebauungsplans am 21. Juli 2004 als Satzung beschlossen.
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Die Antragsteller haben am 12. November 2004 den Normenkontrollantrag gestellt, zu
dessen Begründung sie vortragen: Die Änderung des Bebauungsplans sei nicht
ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Ein "3. Nachtrag" sei bereits
Gegenstand der Normenkontrollentscheidung des 7a Senats des
Oberverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2004 gewesen. Eine weitere Änderung
könne daher nicht erneut als 3. Änderung bezeichnet werden. Im übrigen habe die
Antragsgegnerin sich nicht auf ein vereinfachtes Verfahren im Sinne des § 13 BauGB
a.F. beschränkt, sondern eine vollständig neue Satzung beschlossen; dennoch sei in
der Bekanntmachung nur auf einen "3. Nachtrag" hingewiesen worden (Schriftsatz vom
23. Februar 2005). Auch habe die Antragsgegnerin nicht darauf hingewiesen, dass
bestimmte Mängel nunmehr statt innerhalb eines Jahres erst innerhalb von zwei Jahren
geltend gemacht werden müssten. Die Bebauungsplanung sei abwägungsfehlerhaft.
Wäre beachtet worden, dass ein vollständig neues Satzungsverfahren durchgeführt
worden sei, hätte ein Umweltbericht erstellt und in die Abwägung eingestellt werden
müssen. Die Antragsgegnerin habe es jedoch unterlassen, auch nur zu prüfen, ob die
Voraussetzungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben seien. Die Abwägung
sei aus weiteren Gründen fehlerhaft. Eine über Jahrzehnte bestehende und historisch
gewachsene Erschließungsstraße, die Straße Am Alten N. , werde unter einseitiger
Berücksichtigung der privaten Interessen der Firma C. mit der Folge abgebunden, dass
der Kunden- und Lieferantenverkehr zu ihrem, der Antragsteller, Geschäftshaus
unterbrochen werde. Die neue Zufahrtsstraße würde "winkelig" durch das
Gewerbegebiet führen; es werde für Kunden und Lieferanten zu einem Suchspiel, ihren
Betrieb zu erreichen. Der Rat der Antragsgegnerin sei auch gar nicht in eine Abwägung
eingetreten, sondern habe sich allein an der der Firma C. in der Sitzung vom 18. Juni
1997 zugesagten Straßenabbindung orientiert. Die neue textliche Festsetzung Nr. 6 c
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des Bebauungsplans genüge den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht. Die
Klausel liefe wiederum darauf hinaus, im Plangebiet Einzelhandel mit
innenstadtrelevanten Sortimenten auszuschließen; ein solches Ziel sei mit dem Urteil
des 7a Senats vom 4. März 2004 nicht vereinbar, wonach der generelle Ausschluss von
Einzelhandel im gesamten Gewerbegebiet unzulässig sei. Zugleich würden auch noch
auf ihren, der Antragsteller, Grundstücksflächen Teile eines Wendehammers angelegt.
Sie seien zur Abgabe ihres Privateigentums jedoch nicht bereit. Ob die Antragsgegnerin
ein Enteignungsverfahren einleiten würde, sei fraglich.
Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan Nr. 2 HO - "Große B. " (3. Nachtrag), Satzungsbeschluss vom 21.
Juli 2004 - der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
11
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
13
Sie erwidert: Da durch das durchgeführte ergänzende Verfahren der Mangel der 3.
Änderung des Bebauungsplans geheilt worden sei, entspreche die Benennung der
Bebauungsplanänderung als 3. Nachtrag diesem Umstand; an dieser Benennung habe
die Bekanntmachung anknüpfen müssen. Es sei ein vereinfachtes Verfahren
durchgeführt worden. Da das Bebauungsplanänderungsverfahren vor dem 20 . Juli
2004 förmlich eingeleitet worden sei, habe weder ein Umweltberecht erstellt werden
müssen noch sei auf die neue Zweijahresfrist für die Rüge von Mängel des
Bebauungsplans hinzuweisen gewesen.
14
Der Bebauungsplan sei abwägungsgerecht. Die Grundstücke der Antragsteller würden
über die geplante neue Erschließungsstraße für die Kunden besser erreichbar sein als
bislang. Die neue Straßenführung diene einem Unternehmen, um Arbeitsplätze zu
sichern und ihre Zahl zu erhöhen und damit auch der Entwicklung und Finanzkraft der
Stadt. Planabsichten seien nicht allein deshalb rechtswidrig, weil sie auch dem Vorteil
eines Einzelnen dienen würden. Die neugefasste textliche Festsetzung Nr. 6 c sei
städtebaulich gerechtfertigt und abgewogen. Durch das Gutachten Dr. G1. aus dem
Jahre 2000 sei nachgewiesen, dass sie, die Antragsgegnerin, unter einem
existenzgefährdenden Kaufkraftabfluss leide. Kontraproduktiv wäre es ausweislich
dieses Gutachtens - ein weiteres Gutachten werde derzeit erarbeitet - die Zentralität des
Stadtzentrums zu schmälern und Einzelhandelsgeschäfte in der Peripherie zuzulassen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Antrag ist zulässig.
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Die Antragsteller sind antragsbefugt.
19
Die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist regelmäßig zu bejahen,
wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen
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bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 -, BRS 60 Nr. 44.
21
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsteller machen hinreichend
substantiiert geltend, der Bebauungsplan lege durch Überplanung in ihrem Eigentum
stehender Grundstücksflächen als öffentliche Verkehrsfläche Inhalt und Schranken ihres
Grundeigentums in fehlerhafter Weise fest.
22
Der Antrag ist auch begründet.
23
Der Bebauungsplan leidet allerdings nicht an dem von den Antragstellern behaupteten
Mangel fehlerhafter Bekanntmachung. Die Schlussbekanntmachung einer
Bebauungsplanänderung muss ihrer Hinweisfunktion genügen.
24
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 22.80 -, BRS 42 Nr. 23.
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Für die Hinweisfunktion reicht es aus, dass die Schlussbekanntmachung einen Hinweis
auf den räumlichen Geltungsbereich des Plans gibt und dass dieser Hinweis den
ausliegenden Plan identifiziert. Diesen Anforderungen wird, wie auch die Antragsteller
nicht in Frage stellen, durch die Schlussbekanntmachung genügt. Die Bezeichnung des
Bebauungsplans als 3. Änderung ist nicht geeignet, Zweifel darüber zu begründen,
welcher Plan mit der Schlussbekanntmachung in Bezug genommen wird. Schon der
vollständige Wortlaut der Schlussbekanntmachung verdeutlicht, dass auch die vom 7a
Senat des Oberverwaltungsgerichts für unwirksam erklärte Fassung des
Bebauungsplans sich auf eine 3. Änderung bezog. Diese 3. Änderung ist mit der
Unwirksamkeitserklärung jedoch zunächst vorbehaltlich einer späteren Heilung des
behaupteten Fehlers gewissermaßen aus der Welt. Die Heilung hat der Rat der
Antragsgegnerin durch das vereinfachte Änderungsverfahren betrieben. Er hat den
Bebauungsplan daher nunmehr zutreffend erneut als 3. Änderung des
Ursprungsbebauungsplans bezeichnet, denn eine andere - wirksame - 3. Änderung des
Bebauungsplans gibt es nicht.
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Entgegen der Vermutung der Antragsteller hat die Antragsgegnerin kein vollständig
neues Bebauungsplanverfahren durchgeführt, sondern sich auf ein vereinfachtes
Verfahren im Sinne des § 13 BauGB a. F. beschränkt. Die Antragsgegnerin hat zwar
den Aufstellungsbeschluss öffentlich bekannt gemacht, dann jedoch bei einer Offenlage
des Bebauungsplans gemäß § 13 Abs. 2 BauGB a. F. abgesehen und den betroffenen
Bürgern sowie den von der Bebauungsplanung berührten Trägern öffentlicher Belange
gemäß § 13 Nrn. 2 und 3 BauGB a. F. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
27
Ob die Antragsgegnerin auf die für die Geltendmachung von Mängeln des
Bebauungsplans im Sinne des § 215 Abs. 1 BauGB alter und neuer Fassung geltende
Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. oder auf die Zwei-Jahres-Frist gemäß § 215
Abs. 1 BauGB n. F. hätte hinweisen müssen, ist unerheblich. Ein dahingehender
etwaiger Mangel der Bekanntmachung gehört nicht zu den für die Wirksamkeit des
Bebauungsplans beachtlichen Form- oder Verfahrensvorschriften (vgl. § 214 BauGB
alter und neuer Fassung).
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Der Bebauungsplan leidet jedoch an zu seiner Unwirksamkeit führenden materiellen
Mängeln.
29
Die textliche Festsetzung Nr. 6 c des Bebauungsplans ist auch in ihrer nunmehr zur
Überprüfung des Senats gestellten Fassung städtebaulich nicht gerechtfertigt.
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Nr. 6 c Satz 1 der textlichen Festsetzungen ist auslegungsbedürftig. Danach ist
Einzelhandel als Produktionsverbindungshandel zulässig. Der Bebauungsplan definiert
nicht, was der Rat der Antragsgegnerin unter einem Produktionsverbindungshandel
verstanden hat. Auch aus den Akten des Bebauungsplanverfahrens ergibt sich kein dort
artikulierter Anhalt, welche Betriebsform der Rat der Antragsgegnerin diesem Begriff
zuordnen wollte. Der Begriff ist jedoch ein im Bereich der Wirtschaft, namentlich der
Betriebswirtschaftslehre verwandter Begriff. Der wesentliche Begriffsgehalt ist dort
geklärt. Dass der Rat von dem sogleich noch darzulegenden betriebswirtschaftlichen
Verständnis des Begriffs Produktionsverbindungshandel abweichen wollte, kann nicht
festgestellt werden. Zum Produktionsverbindungshandel rechnen danach alle
Unternehmen, die schwerpunktmäßig Güter beschaffen, welche sie unverändert bzw.
nach "handelsüblichen Manipulationen" an Organisationen weiter veräußern, die damit
ihrerseits Güter für die Fremdbedarfsdeckung erstellen oder die sie selbst wiederum
unverändert bzw. nach "handelsüblichen Manipulationen" an solche Organisationen
verkaufen.
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Vgl. Corsten, Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., 2004, Stichwort
Produktionsverbindungshandel.
32
Vereinfacht gesagt handelt es sich bei einem Unternehmen des
Produktionsverbindungshandels um ein Großhandelsunternehmen.
33
Vgl. die Definition des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern in:
Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung im Großhandel in Mecklenburg-
Vorpommern, März 2004; vgl. ferner die "Informationen zur Studieneinrichtung Groß-
und Einzelhandel - Spezialisierung Produktionsverbindungshandel (PVH) -",
Berufsakademie Thüringen.
34
Wenn die textliche Festsetzung Einzelhandel (mit innenstadtrelevanten Sortimenten) als
Produktionsverbindungshandel für zulässig ansieht, entspricht auch diese Formulierung
einem in der wirtschaftlichen Realität festzustellenden Betriebstyp. Die Kundschaft
eines Produktionsverbindungshandels kann sich - wie beispielsweise bei sog. Cash
und Carry- Märkten - aus "investiven Verbrauchern", aber auch aus Konsumenten,
sprich dem Endverbraucher zusammensetzen und damit Einzelhandelselemente
aufweisen.
35
Vgl. Corsten, aaO., S. 797.
36
Nr. 6 c Satz 1 der textlichen Festsetzung ist ferner insoweit auslegungsbedürftig, als
danach Einzelhandel im "Zusammenhang" mit Handwerksbetrieben zulässig sein soll.
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Der "Zusammenhang" soll "direkter funktionaler und baulicher" Art sein. Während mit
der Forderung nach einem unmittelbaren baulichen Zusammenhang hinreichend
bestimmt jedenfalls eine unmittelbare räumliche Nähe der den Betrieben zugeordneten
Baukörper vorausgesetzt wird, ist offen, wann der von den baulichen Gegebenheiten zu
unterscheidende unmittelbare funktionale Zusammenhang anzunehmen ist und wann
nicht. Soll es beispielsweise genügen, dass eines von vielen der in einem Einzelhandel
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angebotenen Produkte im baulich zuzuordnenden Handwerksbetrieb produziert wird?
Aus dem in der Bebauungsplanbegründung benannten Ziel, den Standort vorrangig für
Betriebe des produzierenden Gewerbes zu entwickeln (Seite 10 der
Bebauungsplanbegründung), ergibt sich nichts hinreichend Zwingendes für eine nähere
Bestimmung des geforderten funktionalen Zusammenhangs. Eine deutliche
Einschränkung der zulässigen Nutzung ergibt sich zwar aus Satz 2 der textlichen
Festsetzungen; danach muss die Geschossfläche der Einzelhandelsnutzung kleiner als
40 % der Geschossfläche des Bauvorhabens sein. Jedoch wird durch die Anbindung
der Geschossfläche eines Einzelhandelsbetriebs an die Geschossfläche des mit ihm im
"Zusammenhang" stehenden Handwerksbetriebs keine wesentliche Steuerung erreicht,
denn festgesetzt sind keine absoluten, auf das Bebauungsplangebiet bezogenen
Größenordnungen, sondern nur relative in Bezug auf das jeweilige "Bauvorhaben".
Nahezu 40 % der baulich nutzbaren Fläche des Bebauungsplans könnten demnach für
den Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten genutzt werden, wenn diese
denn nur in einem entsprechenden Zusammenhang mit Handwerksbetrieben stehen.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Festsetzung Nr. 6 c hinreichend genau den
Bereich zulässiger Einzelhandelsnutzung bestimmt. Für die Festsetzung sind jedenfalls
keine hinreichenden besonderen städtebaulichen Gründe für den Ausschluss in einem
Gewerbegebiet ansonsten zulässiger Nutzungsarten gegeben. Gemäß §§ 1 Abs. 5, Abs.
9 BauNVO müssen als Voraussetzung dafür, dass im Bebauungsplan festgesetzt
werden kann, dass bestimmte Arten der in einem Baugebiet allgemein oder
ausnahmsweise zulässigen Anlagen nicht zulässig sind, besondere städtebauliche
Gründe vorliegen. § 1 Abs. 9 BauNVO lässt auch Sortimentsbeschränkungen des
Einzelhandels zu, wenn die gewählte Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten
entspricht.
39
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2001 - 4 BN 45.01 -, BRS 64 Nr. 28.
40
Jedoch fordert eine Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen Nutzung auf
der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung, die sich aus
der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist, die
Abweichung vom normativen Regelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen. Das
"Besondere" an den städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO besteht dabei
nicht darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO
zusätzlichem Gewicht sein müssen. Mit "besonderen" städtebaulichen Gründen nach §
1 Abs. 9 BauNVO ist nur gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für eine noch
feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzung als nach den Absätzen 5 bis 8 des §
1 BauNVO geben muss.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58.
42
Demgemäß bedarf es dann, wenn zum Schutz eines Innenstadtbereichs bestimmte
Warensortimente an solchen Standorten ausgeschlossen werden sollen, an denen eine
entsprechende Nutzung den Zielsetzungen des planerischen Konzepts der Gemeinde
zuwiderlaufen würde, einer individuellen Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation.
43
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2002 - 7a D 92/99.NE -, BRS 65 Nr. 38; Urteil vom
22. April 2004 - 7a D 142/02.NE -.
44
Es kann städtebaulich demnach durchaus gerechtfertigt sein, den Einzelhandel an
45
bestimmten Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem
funktionsgerecht eingebunden sind. Jedoch ist es nicht Selbstzweck, die
Wirtschaftsstruktur in den zentralen Versorgungsbereichen zu stärken. Der Schutz der
mittelständischen Wirtschaft dient nicht als Mittel dafür, bestimmte
Wettbewerbsverhältnisse zu stabilisieren. Es müssen vielmehr bestimmte, konkret
belegte städtebauliche Gesichtspunkte hinzukommen, die es rechtfertigen, den Handel
mit bestimmten Sortimenten in bestimmten Gemeindebereichen auszuschließen.
Solche konkreten Erwägungen, die es rechtfertigen könnten, die definierten
innenstadtrelevanten Sortimente im Bebauungsplangebiet auszuschließen, hat die
Antragsgegnerin nicht in ihre Erwägungen eingestellt, insbesondere schon nicht zum
Gegenstand einer entsprechenden Untersuchung gemacht. Die Antragsgegnerin nimmt
auf Seite 10 der Bebauungsplanbegründung Bezug auf die "Gutachterliche
Stellungnahme - Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung und Maßnahmen zur
Struktursicherung im Einzelhandel in der Stadt Q. P. " des Prof. Dr. G1. aus dem Jahre
2000. Diesem Gutachten entnimmt die Antragsgegnerin ausweislich der
Bebauungsplanbegründung jedoch nicht, es sei im Bebauungsplangebiet erforderlich,
zur Sicherung der verbrauchernahen Versorgung, insbesondere zur Stärkung der
Attraktivität der Innenstadt im Gewerbegebiet innenstadtrelevante Sortimente vollen
Umfangs auszuschließen. Die Antragsgegnerin entnimmt dem Gutachten, es bestehe
kein Erfordernis mehr, noch weitere Verbrauchermärkte in I. anzusiedeln. Auch wenn
dies nicht "erforderlich" sein mag, ist damit nicht zugleich gesagt, entsprechende
Betriebe müssten andernorts ausgeschlossen werden. Zudem hat die Antragsgegnerin
nicht lediglich Verbrauchermärkte, sondern Einzelhandel (mit innenstadtrelevanten
Sortimenten) nach Maßgabe der soeben erörterten Einschränkung generell
ausgeschlossen. Allerdings ist Seite 11 unten der Bebauungsplanbegründung ferner
dargelegt, zwingende Voraussetzung für die Entwicklung attraktiver und lebendiger
Ortskerne sei es, Einzelhandelsbetriebe nur in unmittelbarer Zuordnung zu den
zentralen Bereichen bzw. den Einkaufsbereichen der Ortsteile Q. P. und I. anzusiedeln.
Es geht der Antragsgegnerin demnach nicht, jedenfalls nicht im Schwerpunkt darum, die
Attraktivität der Innenstadt zu sichern oder zu stärken.
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Vgl. zu einer dahingehenden Zielsetzung : BVwerG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4
BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19.
47
Denn Q. P. verfügt über kein eigentliches Zentrum des Einkaufs, keine ausgeprägte
Ansammlung von Einzelhandelsunternehmen (Gutachten S. 20). Aus diesem Grunde
zielen die Empfehlungen des Gutachters wesentlich (auch) auf die Planung eines
"Neuen Zentrums". Die Entwicklung eines "schlüssigen, zukunftsweisenden und
verbindlichen Zentrumskonzepts" sei erforderlich (Gutachten S. 23 ff). Auch Betriebe,
die nicht von § 11 Abs. 3 BauNVO erfasst werden, "gleichwohl aber geeignet sind, viel
Publikum anzuziehen, sollen in eher peripheren Lagen verhindert worden " (Gutachten
S. 21). Diese gutachterlichen Hinweise hat die Antragsgegnerin nicht in einer Weise
aufgearbeitet, die die städtebauliche Rechtfertigung der textlichen Festsetzung Nr. 6 c
belegen würde. Es fehlt schon jede Darlegung eines städtebaulichen Konzepts, aus
dem hervorgehen würde, welche Warensortimente in welchen Bereichen des "Neuen
Zentrums" voraussichtlich angeboten werden, oder nach dem Willen der
Antragsgegnerin angeboten werden sollen, in welchem Umfang Flächen für
entsprechende Angebote gesichert sind, ob alle "innerstadtrelevanten Sortimente" nur
im "Neuen Zentrum" angeboten werden dürfen oder gegebenenfalls (untergeordnete)
Angebote einzelner Sortimente auch anderenorts verträglich angeboten werden
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könnten, ohne das - hier einmal unterstellte - Zentrenkonzept zu gefährden. Letztlich
konterkariert die Antragsgegnerin ihre eher pauschale Erwägung, das künftige "Neue
Zentrum" zu sichern, dadurch, dass sie - wenn auch im Zusammenhang mit
Handwerksbetrieben bzw. als Produktionsverbindungshandel - innenstadtrelevanten
Einzelhandel zulässt. So lässt sie etwa Großhandelsunternehmen des
Produktionsverbindungshandels unbeschränkt zu und ermöglicht diesen Betrieben auf
einer Fläche bis zu 40 % der Geschossfläche Einzelhandel zu betreiben. Weshalb ein
solcher Einzelhandel die beabsichtigte Entwicklung des "Neuen Zentrums" nach den
Vorstellungen der Antragsgegnerin nicht zu beeinträchtigten in der Lage sein sollte, ist
nicht ersichtlich. Aus der Seite auf 11 der Bebauungsplansbegründung weiter
angesprochenen "Vorgabe" des "Regionalen Einzelhandelskonzeptes für P1. -M. " (C3.
N2. /F1. -D. L. ) ergibt sich nichts anderes.
Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 6 c führt zur Unwirksamkeit des
Bebauungsplans insgesamt. Die Unwirksamkeit von einzelnen Festsetzungen führt nur
dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Festsetzungen für sich
betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle
städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn zusätzlich die Gemeinde nach
ihrem im Aufstellungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch
eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar kann der Bebauungsplan seine
städtebauliche Steuerungsfunktion auch ohne die in Rede stehende Festsetzung
erfüllen. Der Senat kann aber nicht davon ausgehen, dass die Gemeinde im Zweifel
auch eine Satzung beschlossen hätte, die jeglichen Einzelhandel in den
Gewerbegebieten zugelassen hätte. Die Steuerung des Einzelhandels war für die
Antragsgegnerin durchaus wichtig, wie die Begründung des Bebauungsplans aufzeigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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