Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2009

OVG NRW (antragsteller, stelle, hochschule, zulassung, bewerber, universität, verteilung, medizin, verordnung, streitwert)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 398/09
Datum:
22.09.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 398/09
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Be-schlüsse des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 24. Juni 2009 werden auf
Kosten der jeweiligen Antragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfah¬ren auf jeweils 5.000, Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässigen Beschwerden, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur
im Rahmen der fristgerechten Darlegungen der Antragsteller befindet, sind unbegründet.
Die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts sind im Rahmen des
vorgegebenen Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
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1. Entgegen der nicht weiter begründeten Auffassung der Antragsteller ist die
Verringerung der Stellenzahl und des Lehrangebots seit dem Wintersemester
2007/2008 weder verfassungsrechtlich noch kapazitätsrechtlich zu beanstanden.
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Mit dem vor Jahren erfolgten Ausscheiden von Prof. Dr. E. ist nach dem Vorbingen
des Antragsgegners ihre W2-Stelle in den klinisch-theoretischen Bereich verlagert
worden. Im Dezember 2007 hat zudem Frau Prof. Dr. N. eine W2-Stelle im klinisch-
theoretischen Bereich übernommen. Die bis dahin bestehende Mitwirkung an der Lehre
im vorklinischen Bereich im Fach Biochemie entfiel. Im Ergebnis ist daher das
Lehrangebot im vorklinischen Bereich um insgesamt 14 SWS reduziert worden. Mit
Schriftsatz vom 7. September 2009 hat der Antragsgegner hierzu mitgeteilt, dass die
W2-Stelle von Prof. Dr. E. in den klinisch-theoretischen Bereich verlagert worden sei,
um Reserven für die Ausstattung von Forschungsschwerpunkten zu haben. Diese
Maßnahmen sowie die hierzu angeführten Gründe sind im vorgegebenen
Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden. Die Hochschule überschreitet damit nicht den
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ihr zustehenden Abwägungsspielraum. Die Verlagerung einer W2-Stelle in den klinisch-
theoretischen Bereich ist von der Universität in Ausübung ihres verfassungsrechtlich
geschützten Organisationsermessens sowie in der erkennbaren Sorge um ein
ersatzloses Streichen einer vakanten und entbehrlichen Lehrpersonalstelle durch den
Landeshaushaltsgesetzgeber getroffen worden. Der Senat hat bislang auch von
Verfassungs wegen keinen unbedingten Kapazitätsverschaffungs- oder
Kapazitätserhaltungsanspruch angenommen. Das hier einschlägige
Kapazitätserschöpfungsgebot begründet solche Ansprüche nicht, sondern nur ein Recht
auf Teilhabe an und Ausschöpfung der tatsächlich vorhandenen, nach den Regelungen
der Kapazitätsverordnung unter Beachtung auch der Rechte der Hochschule ermittelten
Ausbildungskapazität.
Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Februar 2006 13 C 78/06 -, vom
3. März 2009 - 13 C 264/08 -, vom 12. Mai 2009 - 13 C 62/09 , und vom 18.
Mai 2009 - 13 C 58/09 -, jeweils juris.
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Eine Reduzierung des Studienplatzangebots in einzelnen Fächern aus qualitativen
Erwägungen oder im Interesse der ebenfalls verfassungskräftig geschützten
Wissenschaftsfreiheit ist daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Senat erkennt,
dass die Hochschule bemüht ist, Forschung und Lehre in der Medizin insgesamt in den
Blick zu nehmen.
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2. Soweit die Antragsteller das Fehlen eines "normativen" Stellenplans monieren, führt
ihr Vorbringen die Beschwerden nicht zum Erfolg. Die normative Grundlage der
Stellenausstattung des Fachbereichs Medizin stellt der Haushaltsplan des Landes (etwa
Haushaltsplan 2008: Kapitel 06 152, Titel 685 10 ) dar. Dieser weist die vom
Haushaltsgesetzgeber bestimmte Personalausstattung den Medizinischen
Einrichtungen der Universität C. differenziert nach Planstellen und anderen Stellen
der jeweiligen Wertigkeit aus. Die weitere Zuweisung dieser Stellen auf die einzelnen
Lehreinheiten obliegt auf dieser haushaltsrechtlichen Grundlage der Entschließung der
hierzu nach dem Recht der Hochschulverfassung berufenen Organe. Rechtlich
durchgreifende Bedenken bestehen hiergegen nicht.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2009 13 C 21/09 -, juris.
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Soweit die Antragsteller sich auf die Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom
24. März 2009 6 B 10123/09.OVG - berufen, weist der Senat darauf hin, dass die dort
ergangene Entscheidung vor dem Hintergrund einer dezentralen
Haushaltsverantwortung (vgl. 7a LHO Rheinland-Pfalz) ergangen ist. Seit dem
Wintersemester 2007/08 verfügen die zahnmedizinischen Kliniken ausschließlich über
ein Globalbudget und die Übersicht über die Planstellen im Entwurf des
Staatshaushaltsplans reduziert sich auf die der Lehreinheit zugeordneten
Professorenstellen. Die Personalausstattung der Lehreinheit wird daher nicht mehr
stellenplanmäßig erfasst, wovon aber § 8 Abs. 1 Satz 1 KapVO ausgeht. So verhält es
sich, wie ausgeführt, in Nordrhein-Westfalen aber nicht.
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3. Soweit die Antragsteller bemängeln, dass die nachträglich durch die "Verordnung zur
Änderung der Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die
Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2009/09
vom 12. Dezember 2008" zusätzlich festgesetzten zwei Studienplätze allein an die
Studienbewerber im gerichtlichen Eilverfahren zu vergeben gewesen seien, folgt der
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Senat diesem Vorbringen nicht. Die Studienplätze waren nämlich an Bewerber zu
vergeben, die bei der Hochschule die Zulassung beantragt haben (vgl. § 10 Abs. 8 Satz
1 VergabeVO). Dass einige Bewerber zudem ein gerichtliches Eilverfahren mit dem Ziel
der vorläufigen Zulassung zum Studium eingeleitet hatten, steht der praktizierten
Vergabe daher nicht entgegen. Eine Verteilung ausschließlich an Bewerber, die mit
Hilfe eines gerichtlichen Eilverfahrens die Zulassung zum Studium der Humanmedizin
begehren, begegnet andererseits verfassungsrechtlichen Bedenken, weil dies der
gleichmäßigen Verteilung aller freien Studienplätze unter Anwendung einheitlicher
Auswahlkriterien widersprechen könnte, die angesichts der Chancengleichheit der
Bewerber verfassungsrechtlich geboten ist.
Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 29. September
2008 - 1 BvR 1464/07 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 26. Mai 2009 13
C 59/09 , juris.
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4. Gleichfalls ohne Erfolg bleibt das Vorbringen der Antragsteller zu den
Lehrverpflichtungen des wissenschaftlichen Angestellten auf Zeit Dr. O. , der nach § 3
Abs. 4 Satz 6 LVV ein Lehrdeputat von 4 DS zu erbringen hat. Die
Kapazitätsberechnung nach dem Modell der Kapazitätsverordnung basiert auf dem sog.
Stellenprinzip, nach welchem in die Kapazitätsberechnung die der Stelle der jeweiligen
Stellengruppe aus ihrem Amtsinhalt abgeleitete Regellehrverpflichtung unabhängig von
ihrer Besetzung oder der Qualifikation ihres Stelleninhabers und seinem tatsächlichen
Lehraufwand einzubringen ist. Nur dann kann nach der Rechtsprechung des Senats von
dem Regellehrdeputat abgewichen werden, wenn die Hochschule die Stelle bewusst
dauerhaft mit einer Lehrperson besetzt, die individuell eine höhere Lehrverpflichtung als
die der Stelle hat, und dadurch der Stelle faktisch einen anderen, dauerhaften,
deputatmäßig höherwertigen Amtsinhalt vermittelt.
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Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2009 - 13 C 264/08 u. a. -, a.
a. O., - 13 C 273/08 u. a. -, juris, und vom 8. Juli 2009 13 C 93/09 -, juris.
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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auf die Frage, ob Dr. O. als Vertreter eines anderen
Arbeitnehmers nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete
Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) über den 31. Dezember 2007
hinaus eingestellt werden durfte, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich
an.
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5. Soweit die Antragsteller bezweifeln, dass Dr. H. aus Mitteln für unbesetzte Stellen
vergütet wird, verweist der Senat auf den der Beschwerdeerwiderung beigefügten
Prüfungsbeleg, aus dem sich nachvollziehbar ergibt, dass die Lehrvergütung für
Dr. H. aus allgemeinen Personalmitteln (aus der Stelle von Prof. Dr. H1. ) gezahlt
worden ist.
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6. Entgegen der Auffassung der Antragsteller sind Lehrleistungen von
Drittmittelbediensteten und in der sog. "Titellehre" bei der Kapazitätsermittlung weder
beim Lehrangebot noch bei der Nachfrage zu berücksichtigen. Es handelt sich um im
weitesten Sinne freiwillige und nicht aus einer Lehrpersonalstelle oder einem vergüteten
Lehrauftrag - in Verbindung mit haushalts- und stellenplanmäßigen Ressourcen -
abgeleitete verbindliche Leistungen. Deshalb ist der künftige Lehrbeitrag im
Normgebungsverfahren nicht mit der notwendigen Zuverlässigkeit hinsichtlich des Ob
und des Umfangs rechnerisch einstellbar.
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Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse
vom 20. Juli 2006 - 13 C 105/06 -, vom 25. Mai 2007 - 13 C 115/07 -, juris,
m. w. N., und vom 8. Mai 2008 - 13 C 75/08 -, juris.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren entsprechend der geänderten
Rechtsprechung des Senats in Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Zulassung
zum Studium auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2
GKG).
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2009 13 C 264/08 u. a. -, a. a. O.
und vom 16. März 2009 13 C 1/09 -, juris.
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Von einer Änderung des Streitwerts für die erstinstanzlichen Verfahren hat der Senat vor
dem Hintergrund seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung abgesehen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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